Für die Entstehung eines Ileus (Darmverschlusses) sind aus der Literatur einige begünstigende Faktoren bekannt. Darunter zählen unter anderem Folgende: körperliche Inaktivität, Dünndarmerkrankungen, kolorektale Karzinome, ballaststoffarme Ernährung und Medikamente. Unter den Medikamenten mit dieser Nebenwirkung finden sich Opioide, Antihistaminika, aber auch eine Reihe von Psychopharmaka, wie z.B. trizyklische Antidepressiva und Antipsychotika. Im Folgenden wird ein Fall dargestellt, bei dem ein Zusammenhang einer Subileus-Symptomatik mit den eingenommenen Psychopharmaka vermutet wird.

Eine 71-jährige Patientin wird erstmalig wegen einer schweren depressiven Episode, ohne psychotische Symptomatik, an einer stationären psychiatrischen Einrichtung aufgenommen. Die Patientin wird während des stationären Aufenthaltes auf eine Kombinationstherapie mit Amitriptylin, Quetiapin und Prothipendyl eingestellt. Die Medikation mit Amitriptylin wird langsam bis auf 150mg/die erhöht. Die anderen Medikamente werden in folgender Dosierung verordnet: Quetiapin 225mg/die und Prothipendyl 80mg/ die. Wegen erhöhter Pulswerte und Unruhe wird die Patientin zusätzlich auf Propranolol 10mg/ die eingestellt. Eine Behandlung mit Etilefrin-Tropfen 22,5mg/die erfolgt aufgrund eines erniedrigten Blutdruckes. Unter dieser Kombinationstherapie kam es bei der Patientin nach ca. 14 Tagen zu Symptomen wie Völlegefühl, Übelkeit, Appetitlosigkeit und letztendlich zum Auftreten eines stark geblähten Abdomens mit Druckschmerzempfindlichkeit.

Konsekutiv wurde der Plasmaspiegel von Amitriptylin bestimmt, der sich um das Zweifache, gegenüber der Norm, erhöht zeigte (1.234ng/ml; Referenzbereich: bis 500ng/ml). Eine chirurgisch- fachärztliche Begutachtung und ein Abdomen-CT bestätigten den Verdacht auf Subileus. Die Patientin erhielt eine Infusionstherapie mit Ringer-Lactat und zusätzlicher Gabe von Metamizol und Metoclopramid. Die Medikation mit Amitriptylin, Prothipendyl, Quetiapin und Propranolol wurde abgesetzt, und die Patientin wurde auf Mirtazapin 30mg/ die und Lorazepam 0,5mg/die umgestellt. Die zuvor genannten Symptome besserten sich sukzessive. Zu jeder Zeit war die Defäkation ohne Interventionen möglich. Zusätzlich besserte sich unter Mirtazapin die depressive Symptomatik deutlich. Die Patientin konnte vierzehn Tage später in deutlich gebessertem Zustand entlassen werden.

Besonders aufgrund der stark anticholinergen Eigenschaften von Amitriptylin und dem erhöhten Plasmaspiegel kann das Vorkommen der Subileus-Symptomatik primär mit Amitriptylin in Zusammenhang gebracht werden. Additiv können auch die restlichen Medikamente (Quetiapin, Prothipendyl und Propranolol) als zusätzliche Auslöser für das Auftreten des Subileus angesehen werden. Der erhöhte Plasmaspiegel von Amitriptylin kann auch als Ergebnis einer möglichen CYP2D6-Hemmung durch Propranolol, welche zu einer erhöhten Konzentration von Amitriptylin führen kann, erklärt werden. Zusätzlich muss an die Möglichkeit gedacht werden, dass es sich bei der Patientin um einen „Poor metabolizer“ für CYP2D6 handeln könnte. Ein Cytochrom-Phänotyp eines „Poor metabolizer“ für 2D6 kann auch bei niedrigen Dosierungen von Amitriptylin bereits zu einer Erhöhung des Plasmaspiegels von Amitriptylin führen.

Ileus: Ursachen, Klinik, Mechanismus

Als Ileus versteht man einen kompletten Darmverschluss und als Subileus einen inkompletten Darmverschluss. Das Wort Ileus ist lateinischen Ursprunges, kommt aber etymologisch aus dem griechischen „ειλεος“, welches zusammendrängen bzw. einschließen bedeutet. Man unterscheidet zwischen einem mechanischen und einem funktionellen Ileus. Beim mechanischen Ileus wird die Darmpassage durch eine von außen oder von innen her stattfindende Obstruktion behindert. Außerdem kann bei dieser Form eine Strangulation im Bereich des Dünndarmes, welche bei inkarzerierten Hernien, Volvulus oder Invagination vorkommt, für den Ileus verantwortlich sein. Als Endstadium eines mechanischen Ileus tritt ein paralytischer Ileus auf. Beim funktionellen Ileus unterscheidet man zwischen spastischem Ileus (welcher z.B. bei Bleivergiftungen vorkommen kann) und dem am häufigsten vorkommenden paralytischen Ileus. Beim paralytischen Ileus kommt es primär zu einer Lähmung der Darmmuskulatur und somit zu einem Stillstand der Darmperistaltik (Braun und Renz-Polster, 2001; Luzny et al., 2010). Als Ursachen für einen Darmverschluss wurden außer rezente operative Eingriffe auch Folgende identifiziert: körperliche Inaktivität, Darmerkrankungen, kolorektale Karzinome, ballaststoffarme Diät und Medikamente. Unter den angeschuldigten Medikamenten für das Auftreten eines Ileus/Subileus gehören Opioide, Antihistaminika, trizyklische Antidepressiva und Antipsychotika.

Laut Nielsen und Meyer (2012) können besonders schizophrene Patienten, aufgrund der oben genannten möglichen Ursachen, gefährdet sein. Schizophrene Patienten erhalten oft Antipsychotika und Anticholinergika, sie haben eher eine ballaststoffarme Diät und neigen zu einem „inaktiven“ Lebensstil. Zusätzlich bestehe bei schizophrenen Patienten eine verminderte Schmerzwahrnehmung, die zu einer verspäteten Wahrnehmung der mit Ileus verbundenen Schmerzsymptomatik führen kann (Singh et al., 2006). Klinisch liegen bei einem mechanischen Ileus folgende Symptome vor: Obstipation, Meteorismus (übermäßige Ansammlung von Darmgas im Bauch; „Blähbauch“), fehlender Windabgang, kolikartige Abdominalschmerzen und Erbrechen (häufiger bei Dünndarmileus vorkommend). Beim paralytischen Ileus kommen folgende Symptome, welche für das Sistieren der Darmperistaltik kennzeichnend sind, zusätzlich vor: stark aufgetriebenes, druckempfindliches Abdomen; Stuhl- und Windverhaltung; häufig Schluckauf (Singultus) und Fehlen jeglicher Zeichen von Darmaktivität („Totenstille“ bei der Auskultation). Ein Vorkommen von Koliken oder Darmgeräuschen schließt aber einen paralytischen Ileus nicht aus. Zusätzlich kann angeführt werden, dass Erbrechen beim paralytischen Ileus selten bzw. sehr spät auftritt (Braun und Renz-Polster, 2001). Ursächlich ist ein paralytischer Ileus toxisch, reflektorisch (nach operativen Eingriffen im Bauchraum bzw. bei jeder schweren abdominalen Erkrankung) oder metabolisch (Elektrolytstörungen und metabolische Entgleisungen, wie unter anderem Hypokaliämie oder Sepsis) bedingt.

Bei der Abklärung eines Ileus ist die Durchführung einer Röntgen-Leeraufnahme des Abdomens zwingend notwendig. Diese wird zumeist im Stehen durchgeführt. Das Vorliegen von multiplen Flüssigkeitsspiegeln in den betroffenen Stellen (erweiterte Darmanteile) bzw. über allen Darmabschnitten (beim paralytischen Ileus) ist dafür charakteristisch (Braun und Renz-Polster, 2001). Als verursachender pathophysiologischer Mechanismus einer medikamentös induzierten gastrointestinalen Hypomotilität wird ein Antagonismus der muskarinergen anticholinergen Aktivität angenommen. Das anticholinerge Potenzial variiert grundsätzlich stark zwischen den einzelnen Antipsychotika. Bei Clozapin, einem Antipsychotikum, welches gehäuft mit dem Auftreten eines Ileus assoziiert wurde, ist eine anticholinerge Wirksamkeit bei mehreren Rezeptoren bekannt. Außer der Einnahme von Antipsychotika kann auch die Einnahme von anticholinergen Substanzen zur Behandlung von extrapyramidalen Symptomen (EPS) das Risiko für einen Darmverschluss erhöhen. Eine Verminderung der Darmmotilität, vermittelt durch einen Histamin-Rezeptor-Antagonismus, kann ebenfalls zur Entstehung eines Ileus beitragen. Zusätzlich sind auch serotonerge Rezeptoren in die gastrointestinale Motilität involviert. 5-HT3-Antagonisten und 5-HT4-Agonisten zeigen eine pharmakologische Einflussnahme auf gastrointestinalen Motilitätsstörungen im Gegensatz zu anderen Serotonin-Rezeptoren, wie 5HT2B oder 5HT7. Ergänzend sollte auch die Stimulation der im Darm befindlichen μ-Opioidrezeptoren durch eine Opioidbehandlung erwähnt werden, welche zu einer Verminderung der Darmperistaltik und der intestinalen Sekretion führt und somit einen Ileus bedingen kann (Nielsen&Meyer, 2012).

Derzeitige Datenlage zum Darmverschluss

Obwohl Obstipation als unerwünschte Wirkung von Antipsychotika bekannt ist, existieren in der Literatur wenige Untersuchungen zu diesem Thema und besonders zum Auftreten eines Ileus. In der Literatur wird Clozapin aus der Gruppe der Antipsychotika in den meisten Fällen für das Auftreten eines möglichen Ileus angeschuldigt. In einer chinesischen Studie (Lu, 1991) wurde über eine Häufigkeit des Auftretens eines Ileus bei 1,3 Prozent der Patienten, die mit Clozapin behandelt wurden, berichtet. Übersichtsarbeiten haben bereits auf das erhöhte Risiko für Ileus unter einer Clozapin-Behandlung verwiesen (Hibbard et al., 2009; Palmer et al., 2008). In der Arbeit von Nielsen und Meyer (2012) wurde sogar berichtet, dass eine Therapie mit Clozapin das Risiko für einen Ileus verdoppelt und das Risiko für einen fatal verlaufenden Ileus um das Sechsfache bei Patienten mit Schizophrenie steigert. Trindade et al. (1998) analysierten 84 randomisierte klinische Wirksamkeitsstudien von antidepressiver Therapie, wobei mindestens ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) bzw. ein trizyklisches Antidepressivum inkludiert waren, bezüglich der aufgetretenen unerwünschten Wirkungen der verordneten antidepressiven Medikation.

Die Autoren berichteten über ein Vorkommen von Obstipation als unerwünschte Wirkung unter der verabreichten getesteten Medikation bei 49 der 84 inkludierten Studien. Obstipation trat zweimal häufiger unter einer Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva (22 Prozent), im Vergleich zu einer Behandlung mit SSRI (elf Prozent), auf (Trindade et al., 1998). Bet et al. (2013) untersuchten in einer aktuellen naturalistischen Studie, in einer Gruppe von 927 Patienten mit langjährigem Gebrauch von Antidepressiva, das Vorkommen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Auch diese Autoren berichten über das gehäufte Vorkommen von Obstipation bei einer Behandlung mit einem trizyklischen Antidepressivum (20 Prozent), im Vergleich zu einer Behandlung mit einem anderen Antidepressivum (z.B. Venlafaxin: zehn Prozent; SSRI: acht Prozent). Obwohl es in der Literatur Berichte von Ileus hauptsächlich bei der Verwendung von trizyklischen Antidepressiva gibt, könnten auch andere Antidepressiva mit geringeren anticholinergischen Eigenschaften beim Vorkommen eines Ileus eine Rolle spielen. Des Weiteren könnte eine chronisch medikamentös induzierte Obstipation und das Vorkommen von zusätzlichen Risikofaktoren (unter anderem Alter) zu einem Ileus führen (Barbui et al., 2005; Nielsen und Meyer, 2012).

Nielsen und Meyer (2012) führten eine der größten Studien zu möglichen Risikofaktoren, die mit einem Ileus bei schizophrenen Patienten assoziiert sind, durch. Sie untersuchten Daten von insgesamt 26.720 schizophrenen Patienten. Bei 123 Patienten wurde ein Ileus festgestellt. Sie fanden heraus, dass unabhängig von der Medikation ein höheres Alter, aber auch ein weibliches Geschlecht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Ileus assoziiert war. Medikamentös wurde ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Ileus unter folgenden Medikationen gefunden (Odds Ratio, OR: ist ein Quotenverhältnis, welches die Assoziationswahrscheinlichkeit eines vermuteten Risikofaktors mit einer Erkrankung darstelle): Clozapin (OR: 1,99), hochpotente Antipsychotika der ersten Generation (OR: 1,81), trizyklische Antidepressiva (OR: 2,29), Anticholinergika (OR: 1,48) und Opioide (OR: 1,48). Der Ileus trat durchschnittlich nach über drei Jahren Therapie mit dem angeschuldigten Medikament auf. Bei den tödlich verlaufenden Fällen war eine deutliche Erhöhung des Risikos bei Patienten gegeben, die eine Therapie mit Clozapin (OR: 6,73) oder Anticholinergika (OR: 5,88) erhielten.

Empfehlungen für die Praxis

Ileus ist eine schwerwiegende Erkrankung, die mitunter auch tödlich verlaufen kann. Meistens ist ein chirurgischer Eingriff beim Patienten notwendig. Mehrere Psychopharmaka können zu Obstipation, aber auch zu einem paralytischen Ileus führen. Regelmäßiges Abfragen der Patienten, ob eine Obstipation vorliegt, bzw. Überprüfen der Darmmotilität mittels Stethoskop bei aufgeblähtem Abdomen können ein frühzeitiges Erkennen eines eventuellen Ileus ermöglichen. Besondere Vorsicht ist bei schizophrenen Patienten gegeben, die aufgrund einer veränderten Schmerzwahrnehmung die mit einem möglichen Ileus einhergehende Schmerzsymptomatik unter Umständen nicht spüren können. Falls der Verdacht eines Ileus besteht, muss dieser akut behandelt werden und eine internistische und chirurgische Begutachtung des Patienten unmittelbar erfolgen.

Literatur bei den Autoren

Von Dr. Anastasios Konstantinidis, OA Dr. Martin Letmaier und Dr. Haralambos Konstantinidis