Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen und betrifft etwa ein Prozent der über 60-Jährigen. Der mittlere Erkrankungsbeginn liegt bei ca. 60 Jahren. Die Erkrankungshäufigkeit nimmt mit dem Alter stark zu, und wegen der demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft ist in den kommenden Jahrzehnten mit einer deutlichen Zunahme der Prävalenz zu rechnen.

Motorische Symptome der Erkrankung treten auf, wenn es in der kontralateralen Substantia nigra pars compacta zu einem Zellverlust von 40 bis 50 Prozent kommt. Das nigrostriatale System kann diesen Zellverlust offenbar durch verschiedene Mechanismen über längere Zeit kompensieren. Allerdings lässt sich bereits viele Jahre vor dem Auftreten der motorischen Symptome eine Frühphase der Erkrankung abgrenzen. In diesem Stadium können Symptome wie Depressionen, Angstzustände, Obstipation, Hyposmie und die sogenannte REM-Schlaf-Verhaltensstörung auftreten. Diese Schlafstörung ist durch wilde, heftige und lebhafte Träume und einem Ausagieren dieser Träume charakterisiert.

Patienten mit einer REM-Schlaf- Verhaltensstörung habe ein sehr hohes Risiko, an einem IPS zu erkranken, während die anderen Frühsymptome unspezifisch sind. Parkinson-Syndrome werden in vier Gruppen unterteilt:

  1. das idiopathische Parkinson-Syndrom,
  2. genetische Formen des Parkinson-Syndroms,
  3. atypische Parkinson-Syndrome im Rahmen einer anderen neurodegenerativen Erkrankung, wie z.B. die Multisystematrophie (MSA) oder die progressive supranukleäre Blickparese (PSP),
  4. symptomatische Parkinson-Syndrome.

Diagnose

Parkinson-Syndrome sind klinisch durch das Vorliegen einer Bradykinesie plus einem der folgenden motorischen Kardinalsymptome definiert:

  • Ruhetremor (4–6Hz Tremor)
  • Rigor
  • Posturale Instabilität (tritt in mittleren oder fortgeschrittenen Krankheitsstadien auf)

Entsprechend den „UK Parkinson’s Disease Brain Bank Criteria“ erhöhen zwei zusätzliche Kriterien, eine Asymmetrie der Symptome und ein gutes Ansprechen auf eine dopaminerge Therapie, die Treffsicherheit der Diagnose IPS deutlich. Die klinische Diagnose wird aber dadurch erschwert, dass z.B. eine posturale Instabilität oft erst spät im Krankheitsverlauf auftreten kann, eine Asymmetrie der Symptome zuletzt auch bei atypischen Parkinson-Syndromen beschrieben wurde und auch bei atypischen Erkrankungen – zumindest in frühen Krankheitsstadien – ein gutes Ansprechen auf eine dopaminerge Therapie vorliegen kann.

Die Diagnose des IPS wird in erster Linie durch eine ausführliche Anamnese und eine detaillierte neurologische Untersuchung gestellt. Zumindest einmal sollte im Verlauf der Erkrankung allerdings eine bildgebende Untersuchung durchgeführt werden. Mit einer MRI des Schädels kann z.B. eine kraniale Raumforderung ausgeschlossen werden, außerdem können – zumindest in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium – Hinweise auf ein atypisches Parkinson-Syndrom gefunden werden. Mit funktionellen bildgebenden Verfahren (PET, SPECT) kann die Diagnose in unklaren Fällen abgesichert werden. DAT – oder Beta – CIT sind Liganden für SPECT-Untersuchungen des nigrostriatalen Neurons, die an den präsynaptischen Dopamintransporter binden.

Bei Patienten mit Parkinson-Syndrom kommt es zu einer Reduktion der striatalen Bindung. Diese Veränderungen korrelieren mit dem Schweregrad. Allerdings kann mit SPECTUntersuchungen nicht verlässlich zwischen IPS und Patienten mit atypischen Parkinson-Syndromen unterschieden werden. Andere Erkrankungen, die nicht mit einer dopaminergen Degeneration assoziiert sind, wie z.B. der essenzielle Tremor, lassen sich aber mit diesen Techniken abgrenzen.

Der Verlauf der Erkrankung

Mit zunehmender Krankheitsdauer schreitet der neurodegenerative Prozess fort und greift vom dopaminergen System auch auf andere Transmittersysteme über, wie z.B. das noradrenerge, cholinerge und serotonerge System. Dieses Stadium ist einerseits durch das Auftreten von motorischen Komplikationen unter einer dopaminergen Therapie und andererseits durch das Auftreten von Symptomen charakterisiert, die auf die dopaminerge Ersatztherapie nicht oder nur schlecht ansprechen, wie z.B. Demenz, Depressionen, Psychose, Gleichgewichtsstörungen und Stürze oder autonome Probleme, in erster Linie Blasenstörungen, Obstipation und orthostatische Dysregulation.

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Die neuropsychiatrischen Komplikationen der Erkrankung, wie Demenz und Psychose, haben einen massiven Effekt auf die Lebensqualität der Parkinson-Patienten und sind eine häufige Ursache für eine weitere Betreuung der Patienten in einer Pflegeinstitution. Die erste Manifestation von motorischen Komplikationen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium ist das sogenannte „Wearing-off“. Man versteht darunter ein vom Patienten erkennbares Nachlassen der Wirkungen einer einzelnen Dosis der Parkinson-Medikation gegen Ende des Dosierungsintervalls. In diesem Stadium der Erkrankung treten Wirkungsschwankungen („On-off“-Fluktuationen) auf. Im weiteren Krankheitsverlauf können auch „nicht vorhersehbare Off-Phasen“ plötzlich und ohne Vorwarnung mitten in einer „On-Phase“ auftreten. Diese sind therapeutisch schwierig zu behandeln und sprechen auf eine Änderung der medikamentösen Therapie oft nicht an.

Eine längere Einnahme von Levodopa ist außerdem mit dem Auftreten von motorischen Dyskinesien assoziiert. Die Häufigkeit des Auftretens motorischer Komplikationen beträgt ungefähr zehn Prozent pro Jahr. Nach zehn Jahren Therapie mit Levodopa entwickelt ein großer Teil der Patienten zumindest milde motorische Komplikationen. Epidemiologische Studien haben ergeben, dass Patienten mit einem frühen Krankheitsbeginn oft sehr rasch motorische Komplikationen entwickeln können, während ältere Patienten ein geringes Risiko aufweisen, klinisch relevante Dyskinesien zu entwickeln; außerdem korreliert das Risiko mit der Erkrankungsdauer, der Dauer der Levodopa-Therapie und der täglichen Levodopa-Dosis.

Nicht motorische Symptome

In einer großen Studie mit mehr als 1.000 Betroffenen in verschiedenen Krankheitsstadien konnte gezeigt werden, dass alle Parkinson-Patienten an mindestens einem „nicht motorischen“ Symptom leiden (Tabelle 1). Angst und Depressionen waren die häufigsten nicht motorischen Symptome im Frühstadium, während eine neurogene Blasenstörung mit Drangsymptomatik das häufigste Symptom in der späten Krankheitsphase war. „Nicht motorische“ Symptome verschlechtern die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend. Im klinischen Alltag werden „nicht motorische“ Symptome leicht „übersehen“ und sollten daher gezielt vom behandelnden Arzt angesprochen werden.

Therapie im Frühstadium

Derzeit empfehlen die meisten Parkinson-Spezialisten, dass nach der Diagnosestellung rasch mit einer Therapie begonnen werden sollte. Ein verzögerter Behandlungsbeginn führt nach derzeitigem Wissensstand nicht zu einem Hinauszögern des Auftretens von motorischen Komplikationen. Eine Reihe von Medikamenten steht derzeit für die Therapie des frühen IPS zur Verfügung. In der Folge werden die verschiedenen Substanzgruppen diskutiert.

MAO-B Hemmer (Selegilin, Rasagilin):

  • Selegilin: Durch Hemmung der Monoaminooxidase (MAO), eines Enzyms, das an der Metabolisierung von Dopamin beteiligt ist, kann die dopaminerge Neurotransmisson und die zentrale Verfügbarkeit von Levodopa gesteigert werden. Neben der Wirkung auf MAO-B weisen Selegilin und Rasagilin andere pharmakologische Eigenschaften auf, die mit möglichen neuroprotektiven Effekten in Zusammenhang gebracht werden. In mehreren großen randomisierten Studien in der Frühphase des IPS konnte gezeigt werden, dass eine Monotherapie mit Selegilin aufgrund der symptomatischen Wirkung die zusätzliche Gabe von Levodopa hinauszögern kann. Die Wirkung auf motorische Symptome ist allerdings schwach. Es liegen aber keine überzeugenden Hinweise vor, dass Selegilin tatsächlich die Progression der Erkrankung oder das Auftreten von motorischen Komplikationen verzögert.
  • Rasagilin ist ein moderner, irreversibler selektiver MAOB- Hemmer. Es hemmt die MAO-B fünf- bis zehnfach stärker als Selegilin. Rasagilin hat ein günstigeres Nebenwirkungsprofil als Selegilin und wird in einer Dosis von 1mg einmal täglich eingenommen. In großen, doppelblinden randomisierten Studien konnte bei frisch diagnostizierten Parkinson-Patienten gezeigt werden, dass eine Monotherapie mit Rasagilin verglichen mit Plazebo über einen Beobachtungszeitraum von sechs bzw. neun Monaten einen symptomatischen Effekt hat. In einer zweiten Phase (TEMPO II) wurde ein „Delayed-Start-Design“ verwendet.
    In dieser Folgestudie wurden unter Beibehaltung des verblindeteten Designs nun alle Patienten über weitere sechs Monate mit Rasagilin 1mg weiterbehandelt. Die Patientengruppe, die von Anfang an mit Rasagilin 1mg behandelt wurde, zeigte nach diesem Zeitraum signifikant bessere UPDRS-Werte, verglichen mit den Patienten, die über die erste Phase der doppelblinden Studie mit Plazebo behandelt wurde. Dieser Effekt ist mit einer rein symptomatischen Wirkung von Rasagilin schwer zu erklären, deshalb wird aus diesen Daten und Folgestudien wie „ADAGIO“ ein möglicher „krankheitsmodulierender“ und progressionsmindernder Effekt von Rasagilin abgeleitet.

Eine Monotherapie mit Rasagilin ist in frühen Krankheitsphasen eine Option. Allerdings ist die symptomatische Wirkung von Rasagilin geringer als der Effekt von Dopaminagonisten oder Levodopa. Deshalb ist eine frühe Monotherapie bei eher milden Symptomen zu empfehlen. Außerdem wird Rasagilin bei Parkinson- Patienten mit motorischen Fluktuationen empfohlen. Selegilin und Rasagilin sind in der Regel gut verträglich. In den zugelassenen Dosen besteht keine Gefahr von hypertensiven Wirkungen bei nahrungsbedingter Tyraminbelastung („Cheese-Effekt“).

Amantadin: Amantadin wirkt in erster Linie über eine Blockade am NMDA-Rezeptor und verstärkt die präsynaptische Freisetzung von gespeichertem Dopamin. Amantadin hat einen, allerdings schwachen, Effekt auf die motorischen Symptome der Parkinson’schen Krankheit. In frühen Krankheitsstadien kann eine Monotherapie oder Kombinationstherapie mit anderen dopaminergen Medikamenten sinnvoll sein. Amantadin hat jedoch einen positiven Effekt auf Dyskinesien, die nach längerer Therapie mit Levodopa in fortgeschrittenen Krankheitsstadien auftreten können. Die Tagesdosis liegt bei ca. 200–300mg. Das Spektrum an Nebenwirkungen ist ähnlich dem anderer dopaminerger Therapeutika: Übelkeit, Erbrechen oder Schwindel. Zentrale Nebenwirkungen wie Psychose, Schlafstörungen und Verwirrtheitszustände können besonders bei älteren und kognitiv beeinträchtigten Patienten auftreten. Periphere Nebenwirkungen wie Livedo reticularis und Knöchelödeme treten sehr selten auf.

Anticholinergika: Anticholinergika werden in Europa seit langer Zeit in der Therapie des IPS eingesetzt. Früher wurde Belladonna verwendet, heute werden Wirkstoffe wie Biperiden, Bornaprin und Procyclidin eingesetzt. Daten aus kontrollierten Studien liegen aber nur sehr spärlich vor. Anticholinergika verbessern motorische Symptome wie Tremor und Rigor. Wegen der zahlreichen Nebenwirkungen (cave: kognitive Störungen, Verwirrtheitszustände, Psychose) sollten Anticholinergika bei älteren Patienten jedoch nicht oder nur äußerst zurückhaltendend verwendet werden. Außerdem sind Anticholinergika bei Engwinkelglaukom, kognitiver Dysfunktion und höhergradiger Prostatahypertrophie kontraindiziert. Patienten mit starkem Tremor können aber gelegentlich von Anticholinergika profitieren, wenn dopaminerge Medikamente auch in höherer Dosis zu keiner guten Symptomkontrolle führen.

Levodopa: Die Einführung von oralem Levodopa vor ca. 50 Jahren hat die Parkinson-Therapie revolutioniert. Bis heute ist Levodopa das am stärksten wirksame dopaminerge Medikament. Das frühe Stadium der Erkrankung ist durch ein sehr gutes Ansprechen auf die dopaminerge Therapie gekennzeichnet, und Levodopa wirkt auf alle Kardinalsymptome wie Bradykinese, Rigor und Tremor („honeymoon“). Die Wirksamkeit von Levodopa bleibt auch über den gesamten Krankheitsverlauf erhalten. Dopamin passiert nicht die Blut-Hirn-Schranke, deshalb wird Levodopa, eine Vorstufe des natürlich vorkommenden Dopamins, verwendet.

Levodopa wird immer gemeinsam mit einem die Blut-Hirn-Schranke nicht passierenden Decarboxylasehemmer fix kombiniert (Benserazid oder Carbidopa), um die Umwandlung von Levodopa in Dopamin in der Peripherie zu blockieren und Nebenwirkungen wie Übelkeit zu vermeiden. Levodopa wird im proximalen Dünndarm über einen aktiven Transportmechanismus aufgenommen. Eine verzögerte Magenentleerung kann den Wirkungseintritt von Levodopa verzögern („Delayed on“). Außerdem können mit der Nahrung aufgenommene Proteine den Levodopa-Transport an der Dünndarmschleimhaut blockieren und zu einem signifikanten Wirkverlust führen. In der Regel beginnt man mit 150–300mg Levodopa täglich, aufgeteilt auf drei Einzeldosen.

HWZ

Unter ambulanten Bedingungen sollte die Aufdosierung langsam in Schritten von ca. 100mg Levodopa pro Woche erfolgen, bis eine gute Kontrolle der Symptome erreicht ist. Positive Effekte können auch noch um einige Wochen zeitverzögert einsetzen. Standard-Levodopa hat eine kurze HWZ von etwa 90 Minuten. Multiple Gaben von Standard-Levodopa führen daher zu einer pulsatilen Stimulation der Dopaminrezeptoren. Diese pulsatile Stimulation wird für die Entwicklung von später im Krankheitsverlauf auftretenden motorischen Komplikationen verantwortlich gemacht.

COMT Hemmer (Entacapon, Tolcapon): COMT-Hemmer wirken über die Blockade der Catechol-O-Methyltransferase (COMT), eines peripheren Abbauwegs von Levodopa. Da Levodopa immer gemeinsam mit einem Decarboxylasehemmer gegeben wird, kommt der Metabolisierung über COMT eine besondere Bedeutung zu. COMT-Hemmer erhöhen die Bioverfügbarkeit und verlängern die Wirkdauer von Levodopa.

  • Entacapon hat eine ähnliche Wirkdauer von 1,5–2 Stunden wie Levodopa und wird daher immer zeitgleich mit Levodopa verabreicht, wobei sich eine fixe Dosierung von 200mg Entacapon als günstig erwiesen hat (siehe Abbildung). Entacapon führt zu einem Ausgleich der Fluktuationen: Entacapon verlängert als „Add-on“-Therapie zu Levodopa die „On- Phasen“ von Patienten mit motorischen Fluktuationen um etwa 1–1,7 Stunden, verkürzt die „Off- Phasen“ um ca. 1–1,5 Stunden, führt zu einer Verbesserung der Aktivitäten des täglichen Lebens und der Lebensqualität. In der STRIDE-PD-Studie konnte gezeigt werden, dass bei De-novo-Parkinson-Patienten eine frühe Therapie mit Levodopa plus Entacapon im Vergleich zu einer Monotherapie mit Standard-Levodopa das Auftreten von motorischen Komplikationen nicht verzögert.
    Das Auftreten von motorischen Fluktuationen in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium ist jedenfalls eine Indikation für den Einsatz von COMT-Hemmern. Die meisten Nebenwirkungen von Entacapon wie Übelkeit, Brechreiz, Dyskinesien und Psychose erklären sich durch die verstärkte dopaminerge Wirkung. Substanzspezifische Nebenwirkungen sind Diarrhö und eine Verfärbung des Urins. Eine Diarrhö ist in vielen Fällen nur vorübergehend, kann aber in ca. vier Prozent ein Absetzen von Entacapon erforderlich machen.
  • Tolcapone: Der COMT-Hemmer Tolcapon hat eine längere HWZ als Entacapon und wird dreimal täglich eingenommen. Metaanalysen legen die Vermutung nahe, dass Tolcapon einen stärkeren Effekt auf die motorischen Fluktuationen hat, verglichen mit Entacapon. In der Vergangenheit wurden drei Fälle von letaler Hepatotoxizität mit Tolcapon in Zusammenhang gebracht, deshalb war Tolcapon in der EU über mehrere Jahre nicht zugelassen. Unter Einhaltung verschiedener Auflagen (z.B. Beginn mit Tolcapon erst nach einem nicht suffizienten Ansprechen auf Entacapon, regelmäßige Kontrollen der Leberwerte) ist eine Verschreibung von Tolcapon wieder möglich. Das übrige Spektrum an Nebenwirkungen entspricht dem anderer dopaminerger Substanzen bzw. dem von Entacapon.

Dopaminagonisten (DA): DA wirken direkt über die Dopaminrezeptoren (hauptsächlich über die D2-Rezeptoren). DA haben im Vergleich zu Levodopa eine zumeist längere HWZ, aber auch einen langsameren Wirkungseintritt. Die neueren Dopaminagonisten Pramipexol, Ropinirol und Rotigotine (als Hautpflaster), sind im Gegensatz zu den älteren DA keine Mutterkornalkaloid- Derivate (Tabelle 2). Ergot-Derivate sind mit einem erhöhten Risiko einer Herzklappenfibrose assoziiert. Aus diesem Grund werden heute in der Regel nicht ergoline DA verwendet. Pramipexol und Ropinirol stehen auch als Retardformulationen zur Verfügung, die Anwendung erfolgt zumeist einmal täglich im Vergleich zu dreimal täglich bei der Standardformulation.

Klinische Effekte und Nebenwirkungen der Retardformulationen sind im Wesentlichen äquivalent mit den Standardformulationen. Die Nebenwirkungen der DA erklären sich zum Teil durch die dopaminerge Wirkung und umfassen Übelkeit, Erbrechen und posturale Hypotension. Außerdem können Benommenheit, Tagesmüdigkeit und Knöchelödeme auftreten. DA verursachen allerdings häufiger als Levodopa neuropsychiatrische Komplikationen wie Halluzinationen und Psychose. Besonders ältere Patienten und Patienten mit kognitiven Defiziten haben ein erhöhtes Risiko, diese Komplikationen zu entwickeln. Unter einer Therapie mit Dopaminagonisten treten auch signifikant häufiger sogenannte Störungen der Impulskontrolle wie Spielsucht, Hypersexualität, Essanfälle und Kaufrausch auf.

Rezente Studien haben gezeigt, dass die Prävalenz dieser Störungen bei ca. 13 Prozent liegt. Vor einer Therapie mit einem Dopaminagonisten sollten die Patienten über diese möglichen Nebenwirkungen umfassend aufgeklärt werden. Störungen der Impulskontrolle sind zumeist schwierig zu behandeln; letztlich muss aber der Dopaminagonist bzw. die dopaminerge Therapie reduziert oder abgesetzt werden. Eine Reduktion des DA führt zumeist zu einer Verschlechterung der motorischen Symptome der Erkrankung und wird von manchen Patienten nur schwer toleriert. Zahlreiche experimentielle Studien haben gezeigt, dass eine kontinuierliche dopaminerge Stimulation der Dopaminrezeptoren durch DA, verglichen mit Levodopa, deutlich seltener mit dem Auftreten von Dyskinesien assoziiert ist.

Eine initiale Monotherapie mit DA, verglichen mit Levodopa, führt, bei zwei- bis fünfjährigen Therapieverläufen, seltener zum Auftreten von motorischen Komplikationen. Eine rezente Studie präsentierte 14-Jahres-Daten, die zeigen, dass Patienten, die initial mit Levodopa behandelt wurden, signifikant häufiger motorische Komplikationen entwickeln, als Patienten, die zuerst auf Bromocriptin eingestellt wurden; allerdings treten klinisch relevante starke Dyskinesien in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf. Außerdem zeigten alle randomisierten Vergleichsstudien einer frühen Levodopa-Therapie versus einer Therapie mit einem DA eine bessere symptomatische Wirksamkeit von Levodopa.

Therapieempfehlungen bei Ersteinstellung

Derzeit wird eine initiale Monotherapie mit einem DA empfohlen. Wenn mit einem DA keine befriedigende Kontrolle der motorischen Symptome erreicht wird, sollte zusätzlich Levodopa gegeben werden. Diese Vorgangsweise wird in erster Linie für Patienten mit einem frühen Krankheitsbeginn empfohlen, weil gerade diese Patientengruppe zu starken und früh im Krankheitsverlauf auftretenden motorischen Komplikationen neigt.

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Bei über 70-jährigen Patienten wird eine initiale Monotherapie mit Levodopa empfohlen, und DA sollten nicht oder nur zurückhaltend eingesetzt werden, weil sie deutlich häufiger mit neuropsychiatrischen Nebenwirkungen assoziiert sind, und außerdem entwickeln ältere Patienten in der Regel nur selten klinisch-relevante Dyskinesien. Bei jüngeren Patienten kann auch eine initiale Monotherapie mit Rasagilin überlegt werden.

Therapie im fortgeschrittenen Stadium

Mit zunehmender Erkrankungsdauer wird das Management in vielen Fällen durch das Auftreten von motorischen Komplikationen erschwert. Der erste Schritt beim Auftreten von motorischen Fluktuationen ist meist eine Änderung der Einnahmezeiten von Levodopa mit kürzeren Dosierungsintervallen und niedrigeren Einzeldosen. Außerdem sollte eine Verbesserung der Resorption von Levodopa angestrebt werden: Levodopa sollte in großem zeitlichen Abstand zu den Mahlzeiten eingenommen werden, und in Einzelfällen kann auch eine Eiweißreduktion in der Ernährung sinnvoll sein. Andere Optionen sind eine Kombinationstherapie mit COMT-Hemmern, die zur einer Verlängerung der Levodopa- Wirkung führen bzw. mit Rasagilin, DA oder Amantadin, falls keine Kontraindikationen vorliegen.

Bei einem verzögerten Wirkungseintritt von Levodopa, z.B. früh am Morgen oder bei plötzlich eintretenden „Off- Phasen“ tagsüber, können lösliche Levodopa-Präparate verwendet werden. Levodopa retard bzw. Slow-Release- (CR)-Präparate können bei „Wearing-off“ manchmal erfolgreich sein und zu einer längeren Wirkdauer einer Einzeldosis führen. Es ist aber zu beachten, dass die gastrointestinale Resorption geringer und weniger zuverlässig ist als bei Standard-Levodopa. Deshalb sind die klinischen Effekte auf die Parkinson-Symptome für die Patienten oft schwer kalkulierbar.

Falls medikamentöse Therapiestrategien zu keiner befriedigenden Kontrolle der Symptome bzw. der motorischen Komplikationen führen, stehen zwei nicht orale Therapieformen, neben der heute sehr gut etablierten tiefen Hirnstimulation (Deep-Brain Stimulation), zur Verfügung. Es ist zu beachten, dass die Indikation für diese drei Methoden im Prinzip ähnlich ist. Ob einer bestimmten Methode der Vorzug gegeben wird, muss im Einzelfall und gemeinsam mit dem Patienten entschieden werden. Die jeweils geeignete Therapieform richtet sich nach den Wünschen des Patienten, dem spezifischen Spektrum an Nebenwirkungen sowie nach eventuellen Kontraindikationen (z.B. Demenz, schwere Depression oder Komorbiditäten bei der tiefen Hirnstimulation).

Apomorphin ist ein Dopaminagonist, der eine ähnlich starke Wirkung auf die motorischen Symptome aufweist wie Levodopa. Wegen eines hohen First-pass-Metabolismus muss Apomorphin parenteral verabreicht werden. Apomorphin wird entweder als PEN (intermittierende subkutane Injektionstherapie) oder als Pumpentherapie (kontinuierliche subkutane Infusionstherapie) eingesetzt.

  • Intermittierende subkutane Injektionstherapie: Wenn Apomorphin über einen PEN s.c. verabreicht wird, tritt die Wirkung nach ca. 5–20 Minuten ein und hält etwa 40 Minuten an. Diese Therapieform eignet sich deshalb als „Rescue-Methode“ bei plötzlich auftretender „Off-Symptomatik“, vor allem wenn die „Off’s“ unvorhersehbar und rasch eintreten. In der Regel erfolgt die Verabreichung durch die Patienten selbst, andererseits ist auch die Applikation durch geschulte Betreuer möglich.
  • Kontinuierliche subkutane Infusionstherapie: Falls viele tägliche Injektionen über den PEN notwendig sind, kann eine kontinuierliche subkutane Verabreichung mittels eines externen Pumpensystems überlegt werden. Die Applikation erfolgt meist während des Tages, nachts wird das System abgeschaltet. Die kontinuierliche Apomorphin-Therapie führt zu einer Reduktion der „Off-Zeiten“ um bis zu 80 Prozent. Bei einer kontinuierlichen Apomorphintherapie wird schrittweise die andere orale Parkinson-Medikation reduziert bzw. abgesetzt. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Reduktion der Dyskinesien durch die subkutane Infusionstherapie zwischen 60–80 Prozent beträgt.

Intrajejunale Levodopa-Therapie: Duodopa® (Levodopa/ Carbidopa) ist ein Gel für die kontinuierliche intestinale Verabreichung. Bei einer Langzeitverabreichung wird das Gel mit einem Pumpensystem über eine Dauersonde direkt in das Jejunum verabreicht. Die Sonde wird mit einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie gelegt. In einer stationär durchgeführten Testphase wird das Gel zunächst über eine temporäre Nasoduodenalsonde appliziert, um das Ansprechen zu testen und die optimale Dosis für die kontinuierliche Applikation zu finden. Nach dieser Testphase kann die Sonde dauerhaft gesetzt werden. Die Pumpe läuft in der Regel während der Wachphase, und die Programmierung lässt individuell gewählte Einstellungen zu: Eine morgendlichen Bolusdosis, eine kontinuierliche Erhaltungsdosis und einen Extra-Bolus bei „Off-Phasen“. Die Pumpe ist auch für ältere Patienten geeignet, und kognitive Defizite sind prinzipiell keine Kontraindikation. Allerdings liegen derzeit nur wenige direkte Vergleichsdaten mit der kontinuierlichen, subkutanen Infusionstherapie oder der tiefen Hirnstimulation vor.

Therapie nicht motorischer Symptome

Parkinson-Demenz: Die EXPRESS-Studie ist die bisher größte randomisierte Studie zum Einsatz von Cholinesterasehemmern bei Parkinson-Demenz. 541 Patienten wurden über 24 Wochen mit Rivastigmin mit einer mittleren Tagesdosis von 8,7mg oder Plazebo behandelt. Rivastigmin führte zu einer geringen, aber statistisch signifikanten Verbesserung der kognitiven Funktionen. Außerdem kam es zu einer signifikanten Verbesserung von neuropsychiatrischen Symptomen wie Wahn, Halluzinationen, Apathie und Depression, die in dieser Studie ein sekundäres Wirksamkeitskriterium darstellten. Eine Verschlechterung der Parkinson-Symptome wurde dagegen nicht beobachtet.

Depression: Depressionen sind sehr häufig bei Parkinson- Patienten. Insgesamt liegen aber nur wenige Daten aus randomisierten und plazebokontrollierten Studien mit Antidepressiva bei Patienten mit IPS vor. Im klinischen Management ist in erster Linie auf eine optimale dopaminerge Therapie und die Behandlung der Wirkungsfluktuationen zu achten. Falls weiterhin depressive Symptome bestehen, wird eine additive Therapie mit Pramipexol empfohlen, falls noch kein DA etabliert wurde und keine Kontraindikation vorliegt. Erst danach sollte (außer bei schweren depressiven Episoden) eine Therapie mit einem Antidepressivum in Erwägung gezogen werden. Daten liegen für trizyklische Antidepressiva (TCA) und selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) vor. Bei TCA ist aber auf das Risiko von neuropsychiatrischen Nebenwirkungen durch die anticholinergen Effekte zu achten. Für neuere Antidepressive liegen nur wenige Daten vor.

Orthostatische Hypotension: Es liegen nur wenige kontrollierte Studien zur medikamentösen Therapie der orthostatischen Hypotension vor. Oft wirksame Allgemeinmaßnahmen umfassen Kompressionsstrümpfe, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, mehrere kleine Mahlzeiten am Tag, salzreiche Kost, das Schlafen mit etwas erhöhter Kopf- Oberkörper-Position und eine kritische Überprüfung der anderen Medikamente, z.B. von Antihypertensiva. Midodrin ist ein Alpha-Rezeptor-Agonist mit Wirkung auf periphere arterielle und venöse Gefäße. Die empfohlene Tagesdosis ist 2,5–10mg am Tag. Als Nebenwirkung ist auf eine Hypertonie, die v.a. abends in liegender Position auftreten kann, zu achten. Darüber hinaus können Domperidon und Fludrokortison in manchen Fällen hilfreich sein.

Blasenstörungen: In fortgeschrittenen Krankheitsstadien kommt es häufig zu einer neurogenen Blasenstörung mit Nykturie und vermehrtem Harndrang. Vor einer medikamentösen Therapie sollten immer andere Ursachen, wie z.B. ein Harnwegsinfekt, Prostatahyperplasie oder gynäkologische Ursachen, ausgeschlossen werden. Blasenstörungen können in medikamentösen „Off-Phasen“ auftreten, daher ist auf eine optimierte dopaminerge Ersatztherapie zu achten. Bei Detrusorhyperaktivität werden Anticholinergika eingesetzt. Präparate wie Trospiumchlorid passieren nicht die Blut-Hirn-Schranke und weisen daher ein günstiges Nebenwirkungsprofil auf. Unter einer Therapie sollten regelmäßige Restharnkontrollen erfolgen.

Obstipation: Obstipation ist ein häufiges nicht motorisches Symptom und wird von vielen Patienten als besonders quälend erlebt. Neben Allgemeinmaßnahmen (ausreichend Flüssigkeit, ballaststoffreiche Kost, körperliche Aktivität) haben sich osmotische Substanzen wie Magrogol bewährt.

Lecture Board: Prim. Univ.-Doz. DDr. Susanne Asenbaum-Nan, MSc, MBA, Dr. Selina Haas, Univ.-Prof. Dr. Christoph Scherfler, Ass.-Prof. Dr. Petra Schwingenschuh

Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz

Foto: Wilke

Univ.-Doz. Dr. Willi Gerschlager
Hartmannspital, Wien E-Mail: office@parkinsonberatung.at