Morbus (M.) Gaucher gehört zu den Sphingolipidosen, lysosomalen Speicherkrankheiten mit verschiedensten klinischen Manifestationen unter Beteiligung diverser Organe inklusive Skelett und ZNS. 

Wenn auch die „neuronopathischen“ Formen des M. Gaucher nur einen kleinen Teil der Erkrankten betreffen, weisen rezente Arbeiten darauf hin, dass Veränderungen im GBA1-Gen und auch die häufige „nicht neuronopathische“ Form des M. Gaucher mit dem Parkinson-Syndrom assoziiert sind.

Genetik

Dem M. Gaucher liegt ein autosomalrezessiv vererbter Defekt im Gen der Glukozerebrosidase zugrunde. Die Spaltung von Glukozerebrosid in Zeramid und Glukose ist ein unumgänglicher Schritt im Abbau dieses Sphingolipids in den Lysosomen. Bei genetisch bedingtem Mangel an Glukozerebrosidase, akkumuliert Glukozerebrosid und führt zu Veränderungen in Membranlipiden, Veränderungen in der Signalübertragung und in weiterer Folge zu Mitochondrien- Dysfunktion, Bildung freier Radikale und Störungen in Endozytose und Autophagozytose.1

Das humane GBA1-Gen liegt auf Chromosom 1q21 und besteht aus 7,6 kb und 11 Exons. Darüber hinaus gibt es ein 96 Prozent homologes Pseudogen 16 kB abwärts, das bei der molekulargenetischen Diagnostik berücksichtigt werden muss. Zum Transport aus seinem Bildungsort im endoplasmatischen Retikulum ins Lysosom benötigt die Glukozerebrosidase das lysosomale Membranprotein-2 (LIMP2).

Meist wird M. Gaucher durch missgefaltete Enzyme verursacht, die Stress im endoplasmatischen Retikulum auslösen, der zur Pathogenese der Erkrankung beiträgt. Glukozerebrosidase wird ubiquitär in allen Organen der Körpers exprimiert, wobei lipidbeladene Makrophagen in Milz, Leber und Knochenmark zu den klassischen Gaucher-Zellen transformieren. Gaucher-Zellen haben heute aufgrund moderner Enzymtests keinen Stellenwert mehr in der Diagnose des M. Gaucher.

Epidemiologie und Subtypen

M. Gaucher tritt panethnisch in ca. 1/70.000 auf. Einige Bevölkerungsgruppen, besonders die Ashkenazim jüdischen Ursprungs, haben jedoch deutlich höhere Prävalenzen, bis 1/700. Gemäß des klinischen Verlaufes wird der M. Gaucher in drei vorherrschende Subtypen eingeteilt, denen z.T. typische Mutationen im GBA1-Gen zugrunde liegen. Typ 2 und 3 entsprechen den akut bzw. chronisch-neuronopathischen Formen. Patienten mit M. Gaucher Typ 2 (OMIM #230900) manifestieren meist im Säuglingsalter und haben einen rasch progressiven Verlauf, der im Mittel nach neun Monaten zum Tod durch progressive Hirnstammdysfunktion führt.2

Bulbäre Zeichen, Pyramidenzeichen und kognitive Einschränkungen bezeichnen den neurologischen Verlauf, während neben der für alle Subtypen der Erkrankung auftretenden Hepatosplenomegalie und Blutbildveränderungen auch eine pulmonale Beteiligung und dermatologische Manifestationen auftreten. Der Subtyp 3 (OMIM #231000) besteht meist bei Patienten, die homozygot für die L444P-Mutation sind. Er kann auch schon im frühen Kindesalter beginnen, hat aber einen chronisch- progressiven Verlauf mit einer Lebenserwartung meist im mittleren Erwachsenenalter. Neurologisch zeichnet sich der Subtyp 3 vor allem durch generalisierte oder myoklonische Krampfanfälle aus mit milder Organomegalie.

Aber auch schwerere Verläufe mit früher Ausbildung horizontaler supranukleärer Parese und progressiven neurologischen Defiziten wurden beschrieben. Insgesamt betrachtet scheinen diese primär neurologischen Typen eher ein Kontinuum darzustellen einschließlich der sogenannten kardiovaskulären Sonderform, die nur bei Homozygotie für die D409H-Mutation auftritt, nicht aber bei Homozygotie für das D409H/H255Q-Allel, das mit dem Typ 2 assoziiert ist. Im Gegensatz zu den primär neuronopathischen Formen des M. Gaucher haben die meisten Patienten mit dem primär nicht neuronopathischen M. Gaucher Typ 1 zumindest eine N370S-Mutation im GBA1-Gen aufzuweisen.

Zum Typ 1 gehören mehr als 90 Prozent der Patienten mit M. Gaucher. Eher zufällig wurde eine Assoziation von Patienten mit M. Gaucher Typ 1 (OMIM #230800) und der Parkinson- Erkrankung beschrieben,3 die im Folgenden durch systematische Untersuchungen untermauert wurde. Darüber hinaus wurde auch bei heterozygoten Trägern eine erhöhte Rate an Parkinson-Erkrankungen beschrieben. Post-mortem-Untersuchungen bei Parkinson-Patienten ergaben Mutationen im GBA1-Gen bei 21 Prozent der untersuchten Gehirne.

Zusammenfassend ergaben die Studien in Parkinson-Patienten heterozygote Mutationen im GBA1-Gen bei 2,3 bis 9,8 Prozent in europäischen Populationen nicht-Ashkenazimjüdischer Abstammung, 16,9 bis 31,3 Prozent bei europäischen Populationen Ashkenazim-jüdischer Abstammung, 1,8 bis 8,7 Prozent bei Asiaten und 2,9 bis 8,0 Prozent bei amerikanischen Populationen.3 Die häufigsten Mutationen, die bei europäischen Patienten nicht jüdischer Abstammung gefunden wurden, waren L444P und N370S in vergleichbarer Frequenz.

Eine multizentrische Metaanalyse von mehr als 5.600 Parkinson-Patienten und knapp 4.900 Kontrollen ergab eine Frequenz von 15 Prozent bzw. drei Prozent der beiden Mutationen bei Patienten bzw. Kontrollen in der Ahkenazim-jüdischen Bevölkerung. In der Nicht-Ashkenazim-Bevölkerung lagen die Anteile bei drei und einem Prozent. Eine genaue Sequenzierung von 1.883 Parkinson-Patienten nicht-Ashkenazim-jüdischen Ursprungs zeigte, dass sieben Prozent der Patienten Mutationen trugen.

Screeningtests

Zusammengefasst zeigen diese Daten, dass Mutationen im GBA1-Gen einen der wichtigen prädisponierenden Faktor für die Entwicklung eines M. Parkinson darstellen. Beide, homozygote wie heterozygote Mutationen im GBA1-Gen führen zu einem 20- bis 30-fach erhöhten Risiko für dessen Entwicklung. Jedoch entwickeln umgekehrt nicht alle Träger von GBA1-Mutationen einen M. Parkinson, sondern geschätzt etwa 30 Prozent bis zum 80. Lebensjahr. Demnach sollte bei Patienten mit M. Parkinson, die Hinweise auf weitere Manifestationen des M. Gaucher haben (z.B. milde Splenomegalie und/oder Thrombopenie), ein Screening-Test auf M. Gaucher durchgeführt werden.

Screeningtests werden von verschiedenen Firmen (Sanofi-Genzyme, Shire) gratis zur Verfügung gestellt und sollten genutzt werden, um die hohe Dunkelziffer der Erkrankung in Österreich zu senken. Individuen mit M. Parkinson bei GBA1-Mutationen unterscheiden sich klinisch nicht von idiopathischen Parkinson-Patienten ohne Mutation und weisen ebenso die klassische Trias aus Bradykinesie, Rigor und Tremor mit asymmetrischem Beginn auf. Das Alter der Manifestation scheint aber etwas früher zu liegen, und neuropsychiatrische Manifestationen wie Depression, Angst, Halluzinationen und Schlafstörungen scheinen vermehrt vorzukommen, wie auch kognitive Einschränkungen früher und häufiger aufzutreten scheinen.3

Nigrostriatale Bildgebung mit F-Dopa- PET zeigten asymmetrische Muster ähnlich der idiopathischen Parkinson- Krankheit. Rezente Untersuchungen weisen darauf hin, dass schon vor Auftreten der Erkrankung Prodromie des idiopathischen Parkinson-Syndroms auch bei heterozygoten Trägern von GBA1- Mutationen zu finden sind, wie Hyposmie und kognitive Störungen.4 Weiters zeigten sich innerhalb von zwei Jahren eine rasche Verschlechterungen bei Depression, REM-Schlaf, Kognition, Riech- und der motorischen Funktion.5

Pathogenese

Die Pathomechanismen, durch die GBA1-Mutationen zum Parkinson- Syndrom führen, sind noch unbekannt. Aufgrund der vergleichbaren klinischen und pathologischen Veränderungen wird angenommen, dass ähnliche Mechanismen wie α-Synuclein-Akkumulation, mitochondriale Dysfunktion, Inflammation und endoplasmatischer Retikulum- Stress eine wesentliche Rolle spielen. Interaktionen der Glukozerebrosidase mit α-Synuclein könnten für das erhöhte Parkinson-Risiko bei GBA1-Mutationsträgern verantwortlich sein.

Direkte Interaktion von mutierter Glukozerebrosidase mit α-Synuclein könnte zu dessen vermehrter Akkumulation und Aggregation führen. Tatsächlich wurde eine direkte Interaktion und eine Kolokalisation der Glukozerebrosidase mit α-Synuclein in Gehirnen von Parkinson-Patienten mit GBA1-Mutationen tierexperimentell und in vitro nachgewiesen. Ein solcher dominanter Mechanismus würde erklären, dass der M. Parkinson auch bei heterozygoten Trägern von GBA1-Mutationen deutlich gehäuft auftritt und nicht nur bei Gaucher-Patienten.

Die Akkumulation von Glukozerebrosiden und davon abgeleiteten Lipiden verändert die Lipidzusammensetzung und könnte dadurch die molekulare Reifung von α-Synuclein verändern und zur Aggregation führen. Eine weitere Hypothese postuliert einen negativen Feedback-Mechanismus von reduzierter Glukozerebrosidase-Aktivität, die zu vermehrtem Auftreten von α-Synuclein-Oligomeren führt, welche wiederum die Glukozerebrosidase- Aktivität vermindern. Auch für die beiden letztgenannten Hypothesen gibt es experimentelle Evidenz, aber auch widersprüchliche Befunde. Weitere vorgeschlagene pathogenetische Mechanismen sehen Effekte auf Mitochondrien, endoplasmatischen Retikulum- Stress und die Autophagie im Mittelpunkt.

Therapie

Der Goldstandard in der Behandlung des M. Gaucher ist die intravenöse Enzymersatztherapie, bei der rekombinantes Enzym infundiert und rasch vor allem von Makrophagen aufgenommen und ins Lysosom transportiert wird, wo es akkumuliertes Glukozerebrosid abbaut. Seit dem Einsatz der Enzymersatztherapie in den 90er-Jahren ist die Krankheitslast der Patienten mit M. Gaucher dramatisch gesunken. Milz- und Lebergröße nehmen darunter innerhalb von Monaten dramatisch ab, die Blutbildveränderungen bessern und normalisieren sich oft, Knochenschmerzen gehen weitgehend zurück, die gefürchteten Gaucher-Krisen, schwerste Knochenschmerzen, die durch Infarkte ausgelöst werden, kommen unter der Enzymersatztherapie praktisch nicht mehr vor.

So dramatisch diese Verbesserungen im viszeralen und hämatologischen Bereich auch sind, so erreicht die Enzymersatztherapie doch nicht das ZNS, so dass die zentralnervösen Manifestationen unbeeinflusst bleiben. Für die seltenen neuronopathischen Manifestationen ist daher noch keine Therapie verfügbar. Auch die kürzlich zugelassene und seit Juli 2016 in Österreich verschreibbare neue Substratreduktionstherapie mit dem potenten Glukosylzeramid-Synthase- Inhibitor Eliglustat erreicht nicht das ZNS.

Glukozerebrosidase

Mit zunehmender Evidenz wird die Glukozerebrosidase auch in Abwesenheit einer GBA1-Mutation mit α-Synuclein und mitochondrialer Dysfunktion in Zusammenhang gebracht. So findet sich eine verminderte Glukozerebrosidase-Aktivität in der Substantia nigra nicht nur bei Vorliegen einer GBA1-Mutation, sondern auch bei idiopathischem Parkinson- Syndrom, was auf die zentrale  Rolle dieses Enzyms bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankung hinweist. Also könnten Therapieoptionen, die auf die Glukozerebrosidase gerichtet sind, auch für andere Parkinson- Patienten Vorteile bringen.

Forschung

Kleinmolekulare Chaperone, die die Stabilität der Glukozerebrosidase erhöhen, stehen diesbezüglich im Zentrum des Interesses. Eine Reihe von chemisch unterschiedlichen Entitäten werden derzeit für die Anwendung bei M. Gaucher und idiopathischem Parkinson-Syndrom entwickelt, darunter N-(n-Nonyl) Deoxynojirimycin, Isofagomine, Pyrazolopyrimidines und Ambroxol. Tierexperimentelle Daten mit Isofagomin zeigten eine Vermehrung der Glukozerebrosidase und die Verbesserung motorischer Funktionen und neuropathologischer Veränderungen in einem Mausmodell des idiopathischen Parkinson-Syndroms (Thy1-aSyn).

Diese Befunde weisen darauf hin, dass eine Vermehrung der Glukozerebrosidase- Aktivität durch ZNS-gängige Chaperone auch für Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom ohne GBA1-Mutation in Zukunft eine Therapieoption darstellen könnte. Somit könnte eine seltene Erkrankung, der M. Gaucher, den Wegbereiter für neue Therapien einer häufigen neurodegenerativen Erkrankung, dem idiopathischen Parkinson-Syndrom, spielen.

1 Thomas et al., Br J Haematol 2014
2 Goker-Alpan et al., J Pediatr 2003, 143:273–6
3 Migdalska-Richards und Schapira, J Neurochem 2016, doi:10.1111/jnc.13385
4 Mc Neill et al., Mov Disord 2012, 27:526–32
5 Beavan et al., JAMA Neurol 2015, 72:201–8 

Fotos: Privat

Univ.-Prof. Dr. Thomas Stulnig (links)
Leiter der Ambulanz für angeborene Stoffwechselerkrankungen im Erwachsenenalter, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Wien, E-Mail: thomas.stulnig@meduniwien.ac.at
Univ.-Prof. Dr. Thomas Sycha
Universitätsklinik für Neurologie, Wien