Schizophrene Erkrankungen stellen eine zentrale Herausforderung in der Psychiatrie dar. Durch die Einführung des DSM-5 sind einige diagnostische Gesichtspunkte aktualisiert worden. Des Weiteren haben sich in den vergangenen Jahren eine Anzahl von neuen Antipsychotika – teilweise auch in Depot-Formulierung – in Österreich etabliert, die in ihren erwünschten Wirkungen, möglichen unerwünschten Wirkungen und Interaktionen bewertet und verglichen werden müssen. Die folgende Übersicht möchte diese neuen Aspekte für die klinische Praxis paradigmatisch darstellen und zusammenfassen. (CliniCum neuropsy 3/17)

Diagnose und Klassifikation der Schizophrenie

Ausgehend von vorwiegend psychopathologischen Beschreibungen schizophrener Erkrankungen in ihrem Verlauf haben sich phänomenologisch orientierte Klassifikationssysteme entwickelt, die eine operationalisierte Diagnostik ermöglichen. Die diagnostischen Kriterien der ICD-10 (Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO) und der aktuelleren DSM-5 (Klassifikation der USAmerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft APA) unterscheiden sich und werden in den folgenden Abbildungen dargestellt. Im Vergleich der Klassifikationssysteme wird deutlich, dass die Merkmale des DSM-5 strenger formuliert sind, es also schwieriger ist, die diagnostischen Kriterien des DSM-5 als die des ICD-10 zu erfüllen (zwei Symptome aus fünf obligat, statt ein Symptom aus vier; Zeitkriterien deutlich rigider). Die diagnostischen Subtypen der Schizophrenie (immerhin seit Kraepelins Lehrbuch von 1899 anerkannter Bestandteil der klinischen Psychiatrie) werden im DSM-5 ersatzlos gestrichen. Die Katatonie kann als Zusatzkodierung verschlüsselt werden, ist dabei jedoch nicht spezifisch für die Schizophrenie.

Ätiopathogenetisches Grundkonzept

Bei der Entstehung einer Schizophrenie wird von einem Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren ausgegangen, wobei angenommen wird, dass die genetische Disposition eine zentrale Rolle spielt. Das „Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell“ ist das zurzeit am häufigsten diskutierte ätiopathogenetische Modell der Schizophrenie. Es berücksichtigt neurobiologische, psychologische und soziale Faktoren. Hypothetische endogene und exogene Stressoren biologischer und psychosozialer Natur, die mit einem in seiner Verarbeitungskapazität reduzierten System interagieren, führen bei nicht ausreichenden Bewältigungsmöglichkeiten zu dessen Funktionsversagen mit der klinischen Konsequenz akuter psychotischer Symptomatik. Hinweise für eine genetische Veranlagung sind seit Langem bekannt: Die Wahrscheinlichkeit, als Verwandter ebenfalls an einer Schizophrenie zu erkranken, nimmt mit steigendem Verwandtschaftsgrad zum Erkrankten zu.

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Sind beide Elternteile erkrankt, liegt das Risiko, ebenfalls an Schizophrenie zu erkranken, beim Kind bei ca. 40 Prozent. Bei zweieiigen Zwillingen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Zwilling eines Schizophrenen ebenfalls erkrankt ist bei ca. 15 Prozent, bei eineiigen Zwillingen bei etwa 50 Prozent. Genetische Untersuchungen inkludieren genomweite Assoziations-Scans sowie Kandidatengene. In genomweiten Assoziationsstudien wurden zahlreiche Gene identifiziert, die mit der Entstehung einer Schizophrenie in Verbindung gebracht werden konnten. Zu diesen Risikogenen gehören u.a. DISC 1, NRG 1, COMT, CACNA1C. Diese Risikogene sind nicht unbedingt spezifisch für die Schizophrenie. Ein kleiner Teil der Erkrankten weist strukturelle genetische Veränderungen wie „copy-number variations“ ( CNVs) auf, beim größeren Teil summieren sich genetische Vulnerabilität und epigenetische Faktoren.

Neben Risikogenen werden auch Umweltrisikofaktoren diskutiert, die die Entstehung einer Schizophrenie begünstigen könnten. Zu ihnen gehören: Kindheitstraumata, exzessiver Cannabisgebrauch, Migration, Geburtskomplikationen, Geburt in Wintermonaten, Urbanizität, hohes Alter des Vaters und Schädel-Hirn-Traumata. Wie die einzelnen Risikofaktoren zusammenwirken und sich bei gemeinsamem Vorliegen auf das Erkrankungsrisiko einer Schizophrenie auswirken, lässt sich anhand sogenannter Gen-Umwelt-Interaktionsstudien ermitteln. In Zukunft sind große multizentrische Studien notwendig, da nur diese zeigen können, ob bisherige Ergebnisse stabil sind. Faktoren, die sich in diesem Kontext als zuverlässig erweisen, können für präventive und therapeutische Maßnahmen relevant sein.

Medikamentöse Behandlung der Schizophrenie

Antipsychotika (AP): atypische vs. typische Substanzen: Für die antipsychotische Wirkung ist eine Blockade von Dopamin-D2-Rezeptoren im zentralen Nervensystem für typische wie für atypische AP obligat. Es gibt drei wichtige dopaminerge Neuronensysteme mit unterschiedlichen Dopaminrezeptorsubtypen im Gehirn: das nigrostriatale System, das mesolimbische/mesokortikale System und das tuberoinfundibuläre System. Typische Substanzen gehen mit dem Risiko einher, abhängig von ihrer dopaminergen Wirksamkeit unerwünschte extrapyramidal-motorische Symptome (EPS) zu verursachen. Die atypischen AP sind eine heterogene Gruppe von Pharmaka. Wegen ihres bezüglich EPS günstigen klinischen Profils stellen sie heute die Medikation erster Wahl bei der Behandlung der Schizophrenie dar.

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Die atypischen AP unterscheiden sich in ihrem Rezeptorprofil und somit auch hinsichtlich ihrer unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Die besondere therapeutische Wirkung von kombinierten D2-/5-HT2A-Blockern wird als Folge einer Blockade sowohl limbischer D2-Rezeptoren als auch kortikaler 5-HT2-Rezeptoren angesehen. Man vermutet, dass die kortikale 5-HT2-Blockade im präfrontalen Cortex zu einer höheren D1-Aktivierung führt, die sich positiv auf die Negativsymptomatik und die kognitiven Funktionen auswirkt. Die postsynaptische 5-HT2A-Blockade der atypischen AP bewirkt, dass auch antidepressive Effekte vermittelt werden (ausgenommen Amisulprid, das einen antidepressiven Effekt über einen Dopamin-Autorezeptoragonismus bei niedriger Dosierung vermitteln kann), was insbesondere bei depressiven Syndromen bei Schizophrenie von Vorteil ist. Zusätzlich weisen Quetiapin und Ziprasidon eine Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung und Ziprasidon eine Wiederaufnahmehemmung von Serotonin und Noradrenalin auf. Der Wirkmechanismus von Aripiprazol unterscheidet sich von anderen derzeit verfügbaren atypischen AP wie folgt: partieller Agonismus am D2- und 5HT1A-Rezeptor sowie Antagonismus am 5-HT2A-Rezeptor.

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Einteilung nach der neuroleptischen Potenz: Diese Einteilung begründet sich durch das Verhältnis von Dosis zu klinischer Wirkung, welche mit der Bindung am D2-Rezeptor korreliert. Braucht ein Medikament eine vergleichsweise niedrige Dosis, um antipsychotisch wirksam zu sein, ist definitionsgemäß die neuroleptische Potenz hoch; ist die Wirkdosis in Milligramm hoch, ist die Potenz niedrig.

Auswahl der atypischen AP – Stellenwert der Depotmedikation: Jenes Medikament, das sich in der Akuttherapie bewährt hat, sollte zur Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe verwendet werden. Dieser Umstand muss bei der Auswahl des Antipsychotikums für die Akutbehandlung berücksichtigt werden. Medikamentenwechsel sind mit Rezidivrisiken verbunden. Für die Langzeittherapie ist das Nebenwirkungsprofil von besonderer Bedeutung, weshalb atypischen AP der Vorzug gegeben werden soll. Das Risiko metabolischer Veränderungen sollte sehr ernst genommen werden. Insbesondere soll den Patientinnen und Patienten früh im Verlauf eine Behandlung mit einer langwirksamen Substanz (Depot) angeboten werden.

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Gerade nach der Erstmanifestation einer Schizophrenie ist die Beeinflussung des Verlaufs durch eine Depotmedikation sinnvoll, hier sind die Unterschiede in der Wirkung zwischen Depot-Therapie (Rückfallrate nach einem Jahr: acht Prozent) und oraler Gabe derselben Substanz (Rückfallrate nach einem Jahr: 50 Prozent) offenbar besonders stark. In Österreich sind Risperidon, Paliperidon (Ein-Monats- Injektion sowie Drei-Monats-Injektion), Aripiprazol und Olanzapin als atypische AP in Depotform erhältlich. Die Verwendung von Olanzapinpamoat ist durch das Risiko eines schwerwiegenden Postinjektionssyndroms und der Notwendigkeit der mehrstündigen medizinischen Observanz nach der Applikation stark limitiert.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) von typischen Neuroleptika & atypischen AP

Antidopaminerge Nebenwirkungen: Dazu zählen extrapyramidal motorische Symptome (EPS) durch Hemmung der nigrostriatalen Bahnen und endokrinologische Symptome durch Hemmung tuberoinfundibulärer Bahnen, was eine vermehrte Sezernierung von Prolaktin bewirkt.

Extrapyramidal motorische Nebenwirkungen

  • Frühdyskinesien: Diese äußern sich meist zu Beginn der Behandlung. Typische Merkmale sind Blickkrämpfe (sogenannte okulogyre Krisen), Zungen-Schlund-Krämpfe, Trismus, spastisch dystone Bewegungen (z.B. Opisthotonus, Retrocollis, Torticollis) sowie Hyperkinesien der mimischen Muskulatur. Frühdyskinesien sind im Allgemeinen durch parenterale Gabe von Biperiden gut und schnell behandelbar, sie stellen wohl einen wesentlichen Indikator für die Entwicklung von Spätdyskinesien dar.
  • Parkinsonoid: Das medikamentöse Parkinsonoid tritt etwas später als die Frühdyskinesien in Erscheinung, ist jedoch von diesen völlig unabhängig. Es stellt das häufigste der von typischen Neuroleptika induzierten extrapyramidal- motorischen Symptome dar. Auch das Parkinsonoid ist mit Biperiden zwar meist gut beherrschbar, allerdings sollte diese Komedikation nicht als Dauerlösung (kognitive Dysfunktionen, delirogene Potenz und gastrointestinale Nebenwirkungen!) angesehen werden. Es sollte eine Dosisanpassung oder ein Medikamentenwechsel auf ein atypisches Antipsychotikum erwogen werden.
  • Akathisie, Tasikinesie: Damit werden Unruhe beim Sitzen (Akathisie) und unablässiger Bewegungsdrang (Tasikinesie) bezeichnet, die entweder sichtbar und objektivierbar oder aber auch subjektiv in quälender Intensität wahrgenommen werden können. Diese Nebenwirkung kann als Agitiertheit verkannt und somit der Primärpathologie der Schizophrenie zugerechnet werden. Die Verabreichung von Biperiden gegen eine akathisische Symptomatik ist wirkungslos, eine Besserung der Symptomatik kann häufig durch niedrig dosierte Verabreichung eines zentral wirksamen Beta-Adrenozeptor-Antagonisten (z.B. Propranolol) erzielt werden. Bleibt auch das ohne Wirkung, sind Dosisreduktion bzw. Medikamentenumstellung zielführende Optionen.
  • Spät- oder tardive Dyskinesie (TD): Unter Therapie mit hochpotenten, typischen Neuroleptika besteht ein kumulatives Risiko von etwa fünf Prozent pro Jahr (bei über 60-Jährigen 30 Prozent), eine TD zu entwickeln. Die pathophysiologische Grundlage ist nicht endgültig geklärt, jedoch wird eine relative cholinerge Unterfunktion im Striatum nach einer durch dauerhafte Blockade hervorgerufenen sekundären Auf-Regulierung und/oder Hypersensibilisierung dopaminerger D2-Rezeptoren angenommen. Dementsprechend führt eine Behandlung mit anticholinergen Medikamenten hierbei zu keiner Verbesserung der Symptomatik. Absetzversuche können zu einer Verbesserung oder auch zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen. Dies ist auch bei einer etwaigen Umstellung der Therapie zu bedenken. In manchen Fällen hat sich eine Therapie mit Clozapin bzw. Quetiapin als zielführend erwiesen, ebenso die Co-Medikation mit Tiaprid über einen begrenzten Zeitraum. An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass unter atypischen AP die Rate der EPS deutlich geringer ist, auch – so weit beurteilbar – hinsichtlich der Spätdyskinesien.

Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS): Seltene, potenziell letale Reaktion auf Gabe von AP in der Symptomausprägung trotz unterschiedlicher Pathogenese ähnlich der malignen Hyperthermie („Narkosezwischenfall“), mit Muskelkrämpfen, Exsikkose, Kreatininanstieg im Plasma und lebensbedrohlicher Erhöhung der Körpertemperatur. Das MNS ist von der febrilen Katatonie kaum zu unterscheiden, weshalb im Zuge der differenzialdiagnostischen Überlegungen in jedem Fall die AP pausiert werden müssen, die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) muss bei Persistieren der Symptomatik als vitale Indikation gesehen werden.

Endokrinologische Nebenwirkungen: Nebenwirkungen wie Galaktorrhoe, Gynäkomastie, Oligo- oder Amenorrhoe, Störungen der Libido und der Potenz sowie Hirsutismus und Seborrhoe sind meist eine Folge der AP-induzierten Hyperprolaktinämie. Appetitsteigerung und Gewichtszunahme werden nicht nur durch antihistaminerge Effekte, sondern wahrscheinlich auch durch eine AP-induzierte Insulinresistenz ausgelöst.

Antiadrenerge Nebenwirkungen: Hierzu zählen zentrale Nebenwirkungen, die eine Vigilanzminderung bewirken können. Als periphere Nebenwirkung ist vor allem die hypotensive orthostatische Reaktion zu erwähnen. Aufmerksamkeit sollte bei Substanzen mit einem deutlichen Antagonismus der α1-Rezeptoren gegeben werden. Nicht zuletzt können als Folge der Weitstellung der Gefäße oder als primäre Wirkung am Herzen auch Tachykardien induziert werden. Bei manchen Substanzen kann es zu einer Verlängerung der QTc-Zeit im EKG und infolge dessen zu einem erhöhten Risiko von Tachyarrhythmien kommen.

Antihistaminerge Nebenwirkungen: Der Antagonismus an zentralen H1-Rezeptoren äußert sich vornehmlich in Form einer sedierenden Wirkung bzw. von Gewichtszunahme.

Anticholinerge Nebenwirkungen: Die anticholinergen Nebenwirkungen sind insbesondere durch vegetative Symptome wie Mundtrockenheit, Obstipation bis hin zur Gefahr des paralytischen Ileus gekennzeichnet. Außerdem zeigen sich Schwierigkeiten bei der Miktion bis hin zum Harnverhalten sowie Akkommodationsstörungen, Erhöhungen des Augeninnendruckes und Glaukomanfälle. Die anticholinergen Wirkungen können kognitive Einschränkungen bewirken bzw. bestehende verstärken. Es kann ein anticholinerg bedingtes pharmakogenes Delir ausgelöst werden. Anticholinerge Effekte sollten besonders bei der Behandlung älterer Patienten berücksichtigt werden.

Metabolisches Syndrom: Sowohl typische Neuroleptika als auch vor allem einige atypische AP können durch Reduktion der peripheren Insulinsensibilität zur Ausbildung eines metabolischen Syndroms beitragen.

Weitere Nebenwirkungen: Als wichtige weitere UAW gelten Erhöhungen der hepatischen Transaminasen, Cholestase und Ikterus, eine erhöhte Thrombosegefahr, ein generalisiertes Exanthem, Pigmenteinlagerungen an der Haut und Fotosensibilisierung, Eintrübungen von Hornhaut und Linse (Katarakt), Pigmenteinlagerungen an der Netzhaut sowie Kardiomyopathien unter Clozapin. Blutbildveränderungen mit Leukopenie, Granulozytopenie oder Agranulozytose (potenziell letal) finden sich nicht nur bei der Therapie mit Clozapin, sind hier allerdings vergleichsweise häufiger. Bei einer Behandlung von Clozapin sind rechtlich bindende Therapiekontrollen vorgeschrieben: Kontrolle des Blutbilds vor Therapiebeginn, danach während der ersten 18 Behandlungswochen wöchentliche Blutbildkontrollen. Während der gesamten weiteren Therapiedauer soll das weiße Blutbild mindestens einmal im Monat und bei Auftreten erhöhter Temperatur kontrolliert werden, nach Beendigung der Behandlung über einen Zeitraum von weiteren vier Wochen.

Bei Sertindol, das ähnlich wie Clozapin nach atypischen AP und typischen Neuroleptika nur in zweiter Linie verwendet werden darf, sind zwingende EKG-Kontrollen vor Beginn der Therapie, dann nach drei Wochen oder nach Erreichen der Dosis von 16mg, nach drei Monaten bzw. dann alle drei Monate vorgeschrieben. Bei allen anderen AP ist es empfehlenswert, eine EKGKontrolle am Anfang und nach Erreichen der therapeutischen Dosis durchzuführen. Generell sollte vor der erstmaligen Gabe jedes Antipsychotikums die QTc-Zeit im EKG dokumentiert werden. Wegen des metabolischen Risikos ist es sinnvoll, den Nüchtern- und postprandialen Blutzucker, Bauchumfang, Gewicht, HDL-Cholesterin und Triglyceride zu kontrollieren. Auch hier ist es wünschenswert, den Ausgangswert zu erheben.

Interaktionen von Antipsychotika

Arzneimittelinteraktionen treten bei typischen Neuroleptika und atypischen AP auf und sind immer dann zu bedenken, wenn zwei Substanzen eingenommen werden, die vom gleichen Isoenzym metabolisiert werden, es also als Substrat benutzen und dadurch langsamer abgebaut werden. Höhere Blutspiegel beider Medikamente sind die Folge. Manche Medikamente wirken als Inhibitoren, z.B. Fluvoxamin für CYP-1A2, Fluoxetin und Paroxetin für CYP-2D6. Dieses führt zum Anstieg des Plasmaspiegels von anderen Pharmaka, die durch dieses Isoenzym abgebaut werden. Manche Substanzen wirken als Induktoren (Carbamazepin, Alkohol, Tabakrauchen, Cannabisrauchen) mit einem entsprechenden konsekutiven Plasmaspiegelabfall gleichzeitig verabreichter Medikamente. Bei Kombinationsbehandlungen von atypischen AP muss insbesondere das Interaktionspotenzial mit diversen SSRIs beachtet werden. Weitgehend ohne relevante Interaktion sind Citalopram, Escitalopram und Sertralin. In der klinischen Praxis werden AP bei bestimmten Syndromkonstellationen häufig mit Antidepressiva kombiniert. Der Nutzen einer solchen Kombinationstherapie ist wissenschaftlich nicht ausreichend belegt, dennoch findet sich im Folgenden eine Übersicht über relevante Arzneimittelinteraktionen, paradigmatisch am Beispiel der Kombination von Atypika mit SSRI.

Amisulprid: Amisulprid bildet keine pharmakologisch aktiven Metabolite. Die Substanz wird im Wesentlichen unverändert renal eliminiert. Daher ist bei einer Kombination von Amisulprid mit einem SSRI mit keiner pharmakokinetischen Interaktion zu rechnen.

Aripiprazol: Da CYP-2D6 beim oxidativen Abbau von Aripiprazol als Substrat verwendet wird, ist bei gleichzeitiger Gabe v.a. von Fluoxetin und Paroxetin ein signifikanter Anstieg des Blutplasmaspiegels der Substanz zu erwarten.

Clozapin: Am häufigsten werden in der Literatur Interaktionen mit Fluvoxamin berichtet. Bei Kombination mit Fluvoxamin kann im Serum die Konzentrationen von Clozapin bis zum Zehnfachen ansteigen. Der Effekt scheint in erster Linie durch Hemmung von CYP-1A2 zustande zu kommen. Durch Hemmung des Abbaus von Clozapin und Anstieg der Blutspiegel nehmen Nebenwirkungen wie z.B. Sedierung zu. Es wurden Einzelfälle mit Intoxikationen berichtet. Auch eine Kombination mit Fluoxetin, Paroxetin und Sertralin bewirkt eine Steigerung des Clozapin-Blutspiegels. Lediglich Citalopram und Escitalopram sind ohne Wirkung auf die Blutspiegel von Clozapin.

Olanzapin: Interaktionen mit einem Anstieg der Olanzapin- Blutspiegel bei einer Kombination mit Fluvoxamin sind zu erwarten.

Paliperidon: Wird vorwiegend renal ausgeschieden, so dass es unter dem Gesichtspunkt der Cytochrom-Interaktion als unproblematisch angesehen werden kann.

Quetiapin: Quetiapin wird durch CYP-3A4 abgebaut. Die Pharmakokinetik von Quetiapin ist nach der kombinierten Gabe mit dem Antidepressivum Imipramin (einem bekannten CYP-2D6-Inhibitor) bzw. Fluoxetin (einem bekannten CYP-3A4- und CYP-2D-Inhibitor) nicht signifikant verändert. CYP3A-Induktoren (wie Carbamazepin, Johanniskraut) führen zu Plasmaspiegelerniedrigung von Quetiapin, CYP3A-Inhibitoren (wie Ketoconazol, einige Makrolidantibiotika, Grapefruitsaft) führen zu Plasmaspiegelerhöhung von Quetiapin.

Risperidon: Beim hepatischen Abbau (CYP-2D6) entsteht u.a. der pharmakologisch aktive Metabolit 9-Hydroxyrisperidon. Die Bildung des Hydroxymetaboliten wird durch Paroxetin oder Fluoxetin gehemmt, die Wirkspiegel von Risperidon können gleichzeitig ansteigen, dabei wurden vermehrte EPS beobachtet. Sertindol: An seinem Abbau ist CYP-2D6 beteiligt. Bei Kombination mit Paroxetin und Fluoxetin ist die Clearance um 50 Prozent reduziert. Ob dieses klinische Konsequenzen hat, ist bisher noch unklar.

Ziprasidon: Der Hauptabbau erfolgt über die Aldehydoxidase zu S-Methyldihydroziprasidon. Die Cytochrome sind in geringerem Maße (zu ca. 30 Prozent) am Abbau von Ziprasidon beteiligt, hier vor allem CYP-3A4 und geringer 1A2.

coverQuelle: Kasper S, Sachs G-M et al.: Schizophrenie, Medikamentöse Therapie. Konsensus- Statement – State of the art 2016; CliniCum neuropsy Sonderausgabe November 2016

Lecture Board: Prim. Dr. Christian Jagsch, Prim. Dr. Elmar Windhager Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Klinische Abteilung für Biologische Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien

Von Ao. Univ.-Prof. DDr. Gabriele-Maria Sachs, Prim. Priv.-Doz. Dr. Andreas Erfurth und O. Univ.-Prof. Dr.h.c.mult. Dr. Siegfried Kasper