Newsletter 03/2016

Sehr geehrtes Mitglied der ÖGPB!

In den letzten 10 Jahren hat sich ein rasch auftretender, für einige Tage anhaltender antidepressiver Effekt von Ketamin in ersten klinischen Studien gezeigt. Hierbei wurde Ketamin in niedrigen Dosen (ca. 0.2 mg/kg KG) intravenös in stationären Settings verabreicht. Besonders für suizidale Patienten im Rahmen einer depressiven Erkrankung bietet diese neue Indikation des bewährten Anästhetikums mitunter rasche Abhilfe. Die intravenöse Ketamingabe ist momentan für die Diagnose Depression nicht zugelassen und wird aber von vielen Kollegen national und international als Off-Label Therapie angewandt. Dies bedeutet, dass besondere Sorgfalt bei Indikationsstellung, Überwachung während Ketamingabe und Therapieevaluation notwendig ist. Die Indikation zur Ketamingabe setzt eine genaue psychiatrische Untersuchung voraus. Hierbei muss der Schweregrad und der Verlauf der Depression, etwaige Begleiterkrankungen wie Persönlichkeitsstörungen oder Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis und eine Medikamentenanamnese erhoben werden, was fachärztlich psychiatrisches Wissen voraussetzt.

Als Leitfaden zur Off-Label Ketamin Therapie darf ich auf eine rezente Publikation unserer Klinik verweisen (Kraus et al., Int J Psychiatr Clin Pract, 2016), aus der auch ersichtlich ist, dass antidepressive Ketamin-Therapie ausschließlich in psychiatrischen Abteilungen stattfinden sollte. Eine Off-Label antidepressive Therapie mit Ketamin in anderen Fachabteilungen oder intravenös in ambulanten Arztpraxen ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht zu befürworten. Daher stellen wir uns als psychiatrische Fachgesellschaft strikt gegen eine unkontrollierte, inflationäre Ketamin-Behandlung in anderen Fachrichtungen. Die internationale und mittelweile auch österreichweit zunehmende Gabe von Ketamin in sogenannten „Ketamin-Kliniken“ oder „Ketamin-Ambulanzen“, wie sie mit zahlreichen Internetseiten beworben werden (z.B.: http://ketamintherapie.at), ist mit ärztlicher Behandlung nach bestem Wissen und Gewissen nicht vereinbar. Außerdem ist in diesem Fall auch zu prüfen, ob nicht auch Fahrlässigkeit oder eine falsche Heilbehandlung vorliegt.

Große internationale Studien (u.a. an den Unikliniken Wien und Innsbruck) prüfen derzeit Wirksamkeit und Nebenwirkungen bei Langzeitgabe von Ketamin als Antidepressivum, welche letztendlich Daten für eine mögliche Zulassung als Antidepressivum und klinische Leitlinien liefern werden. Etwaige Nebenwirkungen (u.a. Psychose, Zystitis) oder noch unbekannte Nebenwirkungen bei Langzeitgabe können hierbei ebenso evaluiert werden. Wir bitten Sie daher im Namen unserer Patienten vor einer Off-Label Ketamingabe die aktuelle wissenschaftliche Literatur zu studieren und besondere ärztliche Vorsicht walten zu lassen. Ebenfalls ist auf die exakte Patienteninformation zu achten und die Einverständnis schriftlich einzuholen. Ein eigenes Einverständnisformular und ein Applikationsalgorithmus kann der oben angeführten Publikation entnommen werden. Unter Berücksichtigung dieser Maßnahmen kann Ketamin als schnell wirksames Antidepressivum die klinische psychiatrische Behandlung sinnvoll ergänzen.

 

Für die ÖGPB

O.Univ.Prof. Dr.h.c.mult. Dr.med. Siegfried Kasper
Präsidentin-Stellvertreter

Dr. Christohp Kraus
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien