Angststörungen sind mit einer Lebenszeitprävalenz von knapp 30 Prozent die am häufigsten auftretenden psychiatrischen Erkrankungen, wobei auch mehrere Angsterkrankungen gleichzeitig vorliegen können. Die generalisierte Angststörung (GAD) zeigt einen potenziell chronischen Verlauf mit einer fluktuierenden Ausprägung des Schweregrads der Symptomatik.

Ein Review über epidemiologische Studien in Europa ergab 1,7 bis 3,4 Prozent zur Ein-Jahres-Prävalenz der generalisierten Angststörung (GAD) und 4,3 bis 5,9 Prozent für die Lebenszeitprävalenz. Frauen leiden in der Regel doppelt so häufig unter einer GAD als Männer. Beginn der Erkrankung mit dem Vollbild der Symptomatik liegt meist im Erwachsenenalter, wobei ein gradueller Beginn mit einer subsyndromalen Symptomatik bereits im Alter zwischen 12 und 17 Jahren vorkommen kann.

Ein später, plötzlich auftretender Krankheitsbeginn steht häufig in Zusammenhang mit psychosozialen Belastungen, wie sich in einer französischen Studie zeigte. Es wurden hierfür 1.711 65-jährige oder ältere Menschen über zwölf Jahre begleitet, und 8,4 Prozent hiervon erlebten eine Episode einer GAD. Als prädiktive Faktoren konnten weibliches Geschlecht, Armut, rezente belastende Lebensereignisse, chronische somatische oder psychiatrische Erkrankungen, Verlust der Eltern und/oder geringe affektive Unterstützung im Kindesalter und psychiatrische Erkrankungen der Eltern identifiziert werden.

Verlauf und Komorbidität

Die GAD zeigt einen potenziell chronischen Verlauf mit einer fluktuierenden Ausprägung des Schweregrads der Symptomatik. Die Angstsymptomatik und exzessive Besorgnis wurden auch mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert. In einer landesweiten Studie in den USA konnte bei 66 Prozent der an einer GAD leidenden Patienten mindestens eine psychiatrische Komorbidität gezeigt werden.

Andere Angsterkrankungen kamen zu einem sehr großen Teil vor (soziale Phobie 34,4 Prozent; spezifische Phobien 35,1 Prozent; Panikstörung 23,5 Prozent). Die Komorbidität affektiver Erkrankungen bei Menschen mit Angsterkrankungen ist sehr hoch, wobei ca. 60 Prozent der Patienten mit einer depressiven Erkrankung im Laufe ihres Lebens auch an einer Angsterkrankung leiden. Die Angsterkrankung tritt bei über 80 Prozent der von beiden Erkrankungen Betroffenen vor der depressiven Symptomatik auf. Patienten mit einer GAD und einer komorbiden affektiven Erkrankung zeigen einen schwereren Krankheitsverlauf und eine längere Krankheitsdauer mit größeren Funktionseinbußen sowie eine schlechtere Prognose.

Weitere komorbide Erkrankungen sind Substanzabhängigkeiten, posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), Zwangsstörung sowie chronische Schmerzsyndrome ohne fassbares organisches Korrelat und andere chronisch verlaufende somatische Erkrankungen.

Diagnostik

Als Screening-Instrument in der Primärversorgung kann das Generalised Anxiety Disorder Assessment (GAD-7) verwendet werden (siehe Tabelle 1). Die Sensitivität ist hierfür mit 89 Prozent und die Spezifität mit 82 Prozent angegeben, bei einem Cut-off-Wert von zehn bei maximal 21 Punkten. Das GAD-7 ist ein Modul des Gesundheitsfragebogens für Patienten (PHQ-D), welcher für eine nichtkommerzielle Anwendung frei und kostenlos erhältlich ist. Das GAD-7 erfasst die Symptomschwere der generalisierten Ängste und erfragt, wie häufig die Patienten in den vergangenen vier Wochen an den sieben Kernsymptomen der GAD gelitten haben.

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Die Fragen des GAD-7 sind in Hinblick auf die klinische Anwendbarkeit formuliert und auch für die Patienten leicht verständlich. Das GAD-7 kann zudem im Verlauf zur Erfassung des Schweregrads der Symptomatik verwendet werden. Als Verfahren zur genauen Erfassung der Symptome sowie Diagnosestellung können strukturierte bzw. halbstrukturierte Interviews wie das Structured Clinical Interview for DSM-IV (SCID) bzw. die neue gültige Version DSM-5 oder das Mini-International Neuropsychiatric Interview (MINI; DSM-IV/DSM-5; ICD-10) angewendet werden.

Diese strukturierten Interviews sind mit den Diagnosesystemen DSM oder ICD kompatibel (Tabelle 2). Die Diagnosestellung sollte sehr sorgfältig erfolgen, und internistische sowie neurologische Erkrankungen, aber auch andere psychiatrische Erkrankungen sollten differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden (Tabellen 3 und 4).

Symptome

Angst beschreibt die Reaktion auf potenziell bedrohliche Umstände beziehungsweise Gefahrenreize und ist Teil der lebensnotwendigen „Kampf oder Flucht“-Reaktion. Es kommt zu körperlichen Symptomen, unter anderem: Herzrasen, Schwitzen und auch psychischen Reaktionen wie ein Gefühl von Unruhe oder Unwohlsein. Die Angst vor realen Bedrohungen dient als Schutz und stellt einerseits eine körperliche Bereitschaft für die Kampf- oder Fluchtreaktion her als auch die psychischen Angstsymptome zur Vermeidung von Gefahrensituationen oder eben die Möglichkeit, diese mit einer erhöhten Vigilanz zu überstehen.

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Die pathologische, nicht unter bedrohlichen Bedingungen auftretende Angst kann einer Maladaption zugrunde liegen. Es wird versucht, anhand von Klassifikationskriterien eindeutig eine Trennung von der angemessenen Angst zur pathologischen Angst vorzunehmen, wobei es oft schwierig ist, hier eine klare Grenze zu ziehen (Tabelle 5). Häufig ist der Erkrankungsgrad den Betroffenen nicht bewusst, die andauernde Besorgnis mag als normal angesehen werden. Was unterscheiden „normale“ Sorgen von einer GAD? Hauptsymptom der GAD ist eine übertriebene Besorgnis in den meisten Lebensbereichen, welche vom Betroffenen nicht willentlich kontrollierbar ist, sowie eine anhaltende körperliche Anspannung. Objektiv kann es zu Leistungseinbußen im Berufsleben, aber auch bei der Bewältigung der alltäglichen Anforderungen kommen.

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Die Symptome innerhalb des diagnostischen Clusters treten in einem Spektrum auf, subsyndromale Verläufe, welche nicht alle Diagnosekriterien erfüllen, gibt es in der klinischen Praxis sehr häufig. Begleitende somatische Beschwerden reichen von kardialen Symptomen (Tachykardie, Brustschmerz), gastrointestinalen Symptomen (Oberbauchbeschwerden, Reizdarmsyndrom) oder neurologischen Symptomen (Kopfschmerzen, Schwindel, Ohnmachtsgefühl). Dadurch findet der erste Kontakt häufig über den Hausarzt oder über andere Fachbereiche als die Psychiatrie statt. In der Primärversorgung werden Angsterkrankungen oft nicht erkannt oder auch bei korrekter Diagnose nicht adäquat behandelt. Als Voraussetzung für die Diagnose einer GAD gilt allerdings, dass die Beschwerden nicht ausschließlich durch eine somatische Erkrankung bedingt sind und diese vorher diagnostisch abgeklärt wurden. Somatische Beschwerden und eine GAD können dennoch gemeinsam auftreten.

Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten

Angsterkrankungen und depressive Erkrankungen zeigen wesentliche symptomatische Überlappungen, vor allem Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Energielosigkeit sowie psychomotorische Anspannung und Übererregbarkeit. Die Kernsymptomatik der Angsterkrankungen (Angst/Besorgnis) unterscheidet sich jedoch wesentlich von der Kernsymptomatik einer Depression (depressive Stimmung/Interessenverlust). Die therapeutische Konsequenz mag im Falle von symptomatischen Überlappungen gering sein, da die First-line-Pharmakotherapie für eine depressive Episode mit Angstsymptomatik bzw. eine depressive Episode mit komorbider Angsterkrankung, welche alle diagnostischen Kriterien erfüllt, meist für beide Indikationen geeignet sind.

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Dennoch ist es wichtig, eine möglichst spezifische Diagnose im zeitlichen Verlauf zu dokumentieren und die Entwicklung der Symptomatik festzuhalten, um einen Syndrom-orientierten Gesamtbehandlungsplan verfolgen zu können. Vom aktuellen Wissenstand ausgehend spielen bei Angsterkrankungen vor allem drei Transmittersysteme eine wichtige Rolle: GABAerges System, noradrenerges System, serotonerges System. Ausgehend von der Amygdala werden unterschiedliche zerebrale Regionen erregt. Es stellt sich bei der GAD die Hypothese einer persistierenden, noch nicht als Ausnahmezustand empfundenen Funktionsstörung der Amygdala und der cortico-striatothalamo- corticalen Schleife. Wobei die Funktionsstörung im Sinne einer Panikattacke theoretisch auch intermittierend und unerwartet – subjektiv als katastrophal empfunden – auftreten kann.

Oder auch erwartet im Rahmen von spezifischen Phobien und traumatisch konditioniert als posttraumatische Belastungsstörung. Diagnostisch signifikante Angstsymptomatik und ein herabgesetztes Funktionsniveau lassen an eine Angsterkrankung denken, wobei die differenzialdiagnostische Abgrenzung von Angststörungen untereinander und gegenüber anderen psychischen Erkrankungen beachtet werden sollte. Häufig werden illegale Substanzen und Alkohol als Selbsttherapie von Ängsten, Agitation und Anspannung sowie Schlafstörungen verwendet.

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Eine Angststörung kann hier unerkannt bleiben und die Diagnose somit nicht gestellt werden. Im Rahmen von problematischem Substanzgebrauch (bzw. Abhängigkeitserkrankungen) ist die Angstsymptomatik von Intoxikationen und/oder Entzugssymptomen schwer zu unterscheiden. Insgesamt ist das gemeinsame Auftreten von Angst- und Suchterkrankungen hoch, so dass alle Patienten mit Angsterkrankungen bezüglich eines problematischen Substanzgebrauchs (bzw. einer Abhängigkeitserkrankung) untersucht werden sollten, und umgekehrt sollten Patienten, die primär bezüglich einer Suchterkrankung behandelt werden, für eine Angsterkrankung gescreent werden.

Es gibt unterschiedliche Modelle zur Pathogenese, in welchen einerseits die Angsterkrankung im Vordergrund steht und die Suchterkrankung als Resultat der Selbsttherapie mit Alkohol oder anderen Substanzen angesehen werden kann, oder aber eine primär bestehende Substanzabhängigkeit, die aufgrund von biologischen, psychosozialen und/oder Stressfaktoren eine zusätzliche Angsterkrankung mit sich führt.

Darüber hinaus kann das zeitgleiche Auftreten beider Erkrankungen durch dieselben biologischen, psychosozialen und /oder Stressfaktoren ausgelöst werden. Beide Erkrankungen zu erkennen und zu therapieren ist von hoher Wichtigkeit für den klinischen Therapierfolg. Sofern der Alkoholkonsum in einem problematischen Bereich liegt oder ein Abhängigkeitssyndrom bekannt ist, jedoch keine Indikation für eine Entzugsbehandlung vorliegt, sollte eine ausführliche Aufklärung und Beratung hinsichtlich abstinenzfördernden Maßnahmen und gegebenenfalls einer Rezidivprophylaxe erfolgen.

Therapien können sequenziell durchgeführt werden oder parallel; es kann eine zeitgleiche Behandlung beider Erkrankungen durchgeführt werden. Im Raum Wien bietet etwa das Anton-Proksch-Institut ein mehrdimensionales, modulares Behandlungskonzept an, das versucht, komorbide Störungen zu integrieren.

Pharmakotherapie

Die Behandlung erfolgt initial häufig mittels Psychotherapie und/oder Pharmakotherapie, wobei in der klinischen Realität (Hausarztpraxis, niedergelassener Psychiater) die Psychotherapie aus Gründen der unzureichenden Finanzierbarkeit durch die Krankenkassen und des fehlenden Angebots meist zu kurz kommt. Der vorliegende Abschnitt fokussiert sich deswegen auf die Pharmakotherapie.

Zu den Standardpräparaten der ersten Wahl gehören SSRIs (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) und SNRIs (Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer) sowie der α2δ-Ligand Pregabalin (siehe Tabelle 6). Viele Studien zeigen eine Responserate für SSRIs/SNRIs von etwa 50 bis 70 Prozent. Laut S3-Leitlinien sind Paroxetin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin und Venlafaxin für die Behandlung der GAD mit Empfehlungsgrad A und Evidenzkategorie Ia angeführt. SSRIs und SNRIs können eine Reihe an Nebenwirkungen verursachen, welche die Lebensqualität beeinflussen, so sollte die Behandlung und das spezifische Nebenwirkungsprofil auf den individuellen Patienten abgestimmt werden.

Die therapeutischen Dosierungen sind ähnlich zur antidepressiven Behandlung. Die Wirklatenz ist sehr unterschiedlich, beträgt aber in der Regel zwei bis sechs Wochen, sodass nicht selten anfänglich ein Benzodiazepin zur Behandlung der durch das Antidepressivum fallweise akzentuierten Nervosität verordnet werden muss. Für SNRIs gilt die gleiche Vorgehensweise, bei ähnlich guter Verträglichkeit und individuellem Nebenwirkungsprofil. Die Effektstärke für SSRIs und SNRIs wird in der Literatur mit 0,36 und 0,42 angegeben, einem kleinen bis mittleren Effekt entsprechend. Die Behandlung mit Antidepressiva sollte nach eingetretener Remission noch für mindestens sechs bis zwölf Monate fortgesetzt werden. Bei einem Rückfall nach Therapieende und initial gutem Therapieansprechen sollte die Behandlung wieder aufgenommen werden.

Kommt es nach Absetzversuchen wiederholt zum Auftreten der Angstsymptomatik, ist eine längerdauernde Erhaltungstherapie empfehlenswert. Pregabalin wirkt über eine Modulation der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle ähnlich wie die Substanz Gabapentin. Es bindet an die α2δ-Untereinheit der präsynaptischen Kalzium-Kanäle und vermindert den Kalzium-Einstrom, so dass die Freisetzung von Glutamat, Noradrenalin und Substanz P in weiterer Folge normalisiert wird. Die publizierte Effektstärke für Pregabalin beträgt 0,50, einem starken Effekt entsprechend.

Der Wirkeintritt kann bereits nach einigen Tagen erfolgen, was ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Therapie mit Antidepressiva ist. Eine Abhängigkeitsentwicklung wird diskutiert; bei Patienten mit einer Abhängigkeit für mehrere Substanzen konnte kasuistisch eine Einnahme in überhöhten Dosen beobachtet werden. Für trizyklische Antidepressiva (TZA) wie Imipramin und Opipramol konnte ebenfalls eine Wirksamkeit bei GAD nachgewiesen werden, wobei insgesamt die Häufigkeit unerwünschter Wirkungen größer ist als bei den modernen Antidepressiva und diese daher bevorzugt verordnet werden sollten.

Die Wirklatenz für TZAs liegt ebenfalls bei zwei bis vier Wochen, wobei die sedierende Komponente zuerst eintritt. Für Buspiron, welcher als 5-HT1A-Agonist wirkt, konnte ein Effekt bei GAD gezeigt werden, allerdings war dieser geringer als bei anderen Medikamenten. Die Wirklatenz beträgt sechs bis acht Wochen. Buspiron wird seit einigen Jahren nicht mehr in Österreich vermarktet. Eine phytotherapeutische Alternative zur Behandlung von GAD ist nach vorläufigen Ergebnissen Silexan (standardisiertes Lavendelextrakt). In den rezenten Studien zeigte sich sowohl eine gute Wirksamkeit als auch Verträglichkeit, jedoch keine Toleranzentwicklung und kein Abhängigkeitssyndrom.

Die Wirkung scheint – ähnlich wie bei Pregabalin – über einen reduzierten Kalzium-Einstrom durch spannungsabhängige Kalziumkanäle im Hippocampus zu erfolgen. Auch die Bedeutung des 5HT1ARezeptors im Zusammenhang mit der Wirkung von Silexan wurde von unserer Klinik gezeigt. Die Wirklatenz liegt bei zwei bis vier Wochen, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung.

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Die Behandlung mit Benzodiazepinen ist kostengünstig und kurzfristig sehr effektiv, so kamen diese in den 50er Jahren des vergangenen Jahrunderts noch als Monotherapie zum Einsatz. Besonders Alpraozolam, Lorazepam und Oxazepam zeichnen sich durch einen sehr raschen Wirkungseintritt (ungefähr 20 Minuten nach Einnahme) aus und werden im klinischen Alltag gerne eingesetzt. Es zeigt sich zwar eine unmittelbar einsetzende Symptomreduktion bei vielen Patienten, es kann jedoch zu Komplikationen, wie z.B. einem Abhängigkeitssyndrom und kognitiven sowie motorischen Defiziten, kommen.

Wichtig ist, die therapeutische Entscheidung gut abzuwägen und die kleinste wirksame Dosis für einen kurzen Zeitraum zu verordnen. Vor allem bei Langzeitbehandlungen kann es auch bei niedriger Dosis zu Abhängigkeitssyndromen kommen (low dose dependency). Eine ausführliche Aufklärung von Patienten und Angehörigen ist bei der Verordnung von Benzodiazepinen essenziell. Benzodiazepine wirken im Gehirn, indem sie an den GABA-A-Rezeptoren den endogenen GABA-Effekt potenzieren. Die GABA-A-Rezeptoren bestehen aus fünf Untereinheiten, welche den Chlorid-Kanal formen, er moduliert unter anderem die globale neuronale Erregbarkeit, Ängstlichkeit und Schlaf.

Therapieresistente GAD

Initial sollte überprüft werden, ob bislang adäquate therapeutische Dosen eingenommen wurden. Weiters ist es auch wichtig, neuerlich die Diagnose hinsichtlich ihrer Validität zu hinterfragen bzw. das Vorhandensein einer Komorbidität zu überprüfen. Die Bedeutung psychosozialer Belastungsfaktoren zur Aggravierung der Symptomatik ist zu reevaluieren. Anschließend sollten die folgenden diagnostischen/therapeutischen Möglichkeiten überdacht werden:

  • Dosiserhöhung (ggf. Blutspiegelbestimmung, Genotypisierung der Cytochrom-P450-Enzyme)
  • Ausreichende Kontinuität der Behandlung über zwei bis drei Monate
  • Pharmakologische Kombination mit:
  • Pregabalin in Kombination mit einem Antidepressivum zeigte sich, bei Therapieresistenz, in klinischen Studien als effektiv und gut verträglich
  • Antipsychotika (Off-Label):
    – Aripiprazol
    – Quetiapin
    – Risperidon
    – Olanzapin
    – Ziprasidon
  • Benzodiazepine (unter sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung, zeitlich befristete Verordnung.)
  • Hypnotika (Zopiclon, Zolpidem)
  • Hydroxyzin
  • Umstellung auf ein anderes Standardpräparat aus derselben oder einer anderen Substanzklasse, wenn kein Erfolg gegeben ist bzw. bei unerträglichen Nebenwirkungen (SSRI, SNRI; TCA)
  • begleitende Psychotherapie

Wichtig ist es, die Patienten sowie gegebenenfalls deren Angehörige über mögliche Nebenwirkungen im Vorhinein aufzuklären und einen „informed consent“ zur Therapie einzuholen. Eine niedrige Einstiegsdosis von Antidepressiva kann langsam hinauftitriert werden, um ein potenzielles Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen zu minimieren.

Patienten müssen darin bestärkt werden, Nebenwirkungen zu berichten, bevor selbstständig die Dosis verändert oder die Medikation abgesetzt wird. Patienten mit einer GAD sind sehr besorgt um ihre Gesundheit und erleben häufig eine Vielzahl von Nebenwirkungen. Fehlende Therapie-Adhärenz kommt häufig vor und kann unterschiedliche Ursachen haben, wie zum Beispiel Vergesslichkeit oder andere Prioritätensetzung. Eine selbstständige Dosisreduktion, fehlende Informationen oder emotionale Hintergründe können auch dazu führen, dass es zu Schwankungen im Medikamentenspiegel kommt.

Interventionen wie kognitive Verhaltenstherapie (CBT), Verhaltensmodifikationen, Adhärenz-Therapie, Psychoedukation und motivierende Gesprächsführung können die Adhärenz langfristig verbessern. Die Dosierung bei der täglichen Medikamenteneinnahme sollte so unkompliziert wie möglich mit wenigen Einnahmezeitpunkten verordnet werden. Weitere Faktoren können sich außerdem positiv auswirken, so ist eine positive Beziehung zum behandelnden Arzt und eine angenehme Atmosphäre in den Behandlungsräumen wichtig. Laufender Beistand, Verstärkung und Motivation bei jedem Schritt durch das Gesundheitssystem stellen eine große Unterstützung dar. Die Patienten sollten zudem in die Entscheidungsfindung mit eingebunden werden. Die Therapieziele gemeinsam abzustecken und rückwirkend zu beurteilen, kann der Adherenz zugutekommen.

Psychotherapie

Weitere mögliche spezifische Therapieverfahren mit ihren Wirkungsweisen und Risiken sollten mit dem Patienten besprochen werden.

Psychoedukation für das Umfeld und die Betroffenen: Bei Angsterkrankungen sind meist nicht die Erkrankten allein, sondern auch ihr Umfeld betroffen. Psychoedukation über die Erkrankung kann sowohl den Betroffenen als auch deren Angehörigen helfen und Spannungen vorbeugen. Darüber hinaus können Angehörige spezielle Techniken (z.B. aus der CBT) erlernen, um den Betroffenen zu unterstützen. Die Eltern-Kind-Beziehung kann gestärkt und Problemlösungsstrategien innerhalb der Familie erarbeitet werden. Elterliche Ängste können zu Abhängigkeiten in der Beziehung führen, hier ist es wichtig, die kindliche Autonomie zu fördern.

Cognitive-Behavioural therapy (CBT): Die CBT basiert auf der Annahme, dass Menschen mit einer GAD dazu neigen in der Zukunft liegende potenziell negative Ereignisse in ihrem Ausmaß zu überschätzen und diese zu katastrophisieren, kombiniert mit einem sehr geringen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zur Problemlösung. Das Sich-Sorgen-Machen mit einer Reihe negativer, zum großen Teil verbaler Gedanken, die subjektiv schwer kontrollierbar erscheinen, gilt als Leitsymptom der GAD.

Zukünftige Probleme und Gefahren werden möglichst vermieden. Der Prozess des Sich-Sorgen-Machens kann somit als dysfunktionale Bewältigungsstrategie angesehen werden. Die Beruhigung mit einer gefundenen Problemlösung und die Reduktion der Angst sind jedoch nur von kurzer Dauer, weil sofort neue Sorgengedanken generiert werden, die einer Antwort bedürfen. Ein Ziel der CBT ist somit die Änderung der maladaptiven Kognitionen, es werden angstauslösende Gedanken hinterfragt, auf ihren Realitätsgehalt geprüft und entkatastrophisiert oder durch realistischere, weniger belastende und hilfreichere ergänzt.

Zur Verbesserung der Ich-Funktionen wird in einem Problemlösetraining zielführendes Verhalten erlernt und das Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Problembewältigung gestärkt. Angewandte Entspannungstechniken können in belastenden Alltagssituationen eingesetzt werden und sind vor allem hilfreich für Patienten mit Schlafstörungen, Nervosität und Verspannungen.

Weitere Therapiemaßnahmen

Entspannungstechniken/Meditation: Ein Reihe von Entspannungsverfahren haben schon vor Jahren Eingang gefunden in psychiatrisch-stationäre Behandlungskonzepte allen voran die Enstpannungstechnik nach Jacobsen, aber auch Autogenes Training, Biofeedback und andere. Diese Therapiemaßnahmen können im nicht stationären Umfeld genauso wahrgenommen werden (Volkshochschule, private Anbieter). Auch Yoga-Übungen, häufig auch in Verbindung mit Meditation, gelten zunehmend als Behandlungsoption von Angsterkrankungen mit wissenschaftlicher Evidenz, wobei eine regelmäßige Durchführung unter qualifizierter Anleitung die besten Ergebnisse erzielt.

Das Internet als psychoedukatives Medium: Viele Patienten und Angehörige sind im Internet auf der Suche nach Informationen, Ratschlägen und Unterstützung hinsichtlich ihrer Erkrankung. Einerseits geht es darum, die erlebten Symptome und das Krankheitsbild zu verstehen und alle potenziellen Therapieoptionen zu kennen und in Erfahrung zu bringen, wo diese angeboten werden. Darüber hinaus gibt es ein großes Angebot an Screening-Tests für psychiatrische Krankheitsbilder und Angsterkrankungen im Speziellen.

Eine 2010 durchgeführte Befragung von 302 Personen ergab, dass 60,3 Prozent der Teilnehmer von online durchgeführten Screening- Tests sich in weiterer Folge an professionelle Einrichtungen wenden und 34,4 Prozent einer weiteren Recherche nachgehen, 21,1 Prozent unternehmen nichts, 19,2 Prozent besprechen das Ergebnis in ihrem näheren Umfeld, und 7,6 Prozent kaufen sich Fachliteratur.

Online-Therapie kann im Bedarfsfall passend sein aus unterschiedlichen Gründen wie z.B. bei ökonomischen Barrieren, Angst vor persönlichem Kontakt bzw. initial bestehenden Berührungsängsten, geografischen Gegebenheiten oder körperlichen Einschränkungen. Es gibt einige hochwertige Informationsquellen im Internet, welche für Betroffene durchaus eine zusätzliche Hilfestellung darstellen können (www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-028p_S3_Angststörungen_2015-01.pdf; www.adaa.org (Anxiety Disorders Association of America); www.nimh.nih.gov (National Institute of Mental Health); www.iaord.org (International Association of Anxiety Disorders)).

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Dr. Laura Carlberg (o. links), Dr. Birgit Ludwig (o. rechts), o. Univ.-Prof. Dr. h.c. mult. Dr. Siegfried Kasper (u. links) und Assoc.-Prof. Dr. Dietmar Winkler (u. rechts) Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität Wien

E-Mail: laura.carlberg@meduniwien.ac.at

 

 

 

 

Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Klinische Abteilung für Biologische Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien

Lecture Board: Univ.-Prof. Dr. Christian Geretsegger, Prim. Univ.-Prof. Dr. Heinz Grunze