Rauchen stellt nicht nur einen Risikofaktor für somatische, sondern auch für psychische Erkrankungen dar.

Für sechs der weltweit acht häufigsten Todesursachen stellt das Tabakrauchen einen Risikofaktor dar. Dennoch nehmen die kumulativen tabakbezogenen Todesfälle, auch in den entwickelten Ländern der Erde, jedes Jahr weiter zu (Mathers et al., 2006). Rauchen fordert weltweit jährlich sechs Millionen Todesopfer, davon fünf Millionen durch direkte Tabakwirkung, mehr als 600.000 jährlich alleine durch Passivrauchen. Die WHO rechnet mit einem Anstieg der jährlichen Todesopfer auf acht Millionen bis 2030, falls keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden (WHO, 2014). Damit stellt Rauchen die wichtigste vermeidbare gesundheitliche Gefährdung weltweit dar.

Komorbidität und Prävalenz

Patienten mit psychischen Erkrankungen haben hohe Komorbiditätsraten mit somatischen Erkrankungen, die besonders durch Tabak- bzw. Zigarettenkonsum zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden führen (de Hert et al., 2009; Capo-Ramos et al., 2012). Untersuchungen erbrachten mittlerweile den Nachweis, dass selbst Passivrauchen einen Risikofaktor nicht nur für somatische, sondern auch für psychische Erkrankungen darstellt (Hamer et al., 2010).

Menschen mit psychischen Erkrankungen machen 44 bis 46 Prozent des nordamerikanischen Tabakmarktes aus, sodass beinahe jede zweite Zigarette von einem psychisch Kranken geraucht wird. Patienten mit schizophrenen und bipolaren Störungen weisen eine besonders hohe Prävalenz von Rauchern auf, die etwa zwei bis dreifach höher als in der Allgemeinbevölkerung liegt (Myles et al., 2012; DiClemente et al., 2011; Batra, 2000; Kelly et al., 1999; Kelly et al., 2000; D´Souza & Markou, 2012; Dickerson et al., 2013; Chengappa et al., 2014; Depp et al., 2015).

Patienten mit schizophrenen Erkrankungen sind zwischen 60 bis 90 Prozent Raucher. Für bipolare Erkrankungen werden Raucherraten zwischen 44 und 69 Prozent angegeben. In der Allgemeinbevölkerung beträgt die Raucherprävalenz dagegen etwa 19 Prozent. Rauchen ist offenbar auch mit größerem Schweregrad, schlechteren Outcomes und zahlreicheren Krankheitsepisoden bei schizophrenen, affektiven bzw. bipolaren Erkrankungen assoziiert (Tohen et al., 2012; Kalman et al., 2005; Parikh et al., 2010; Krishnadas et al., 2012).

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So verlieren Raucher durchschnittlich zehn Jahre ihres Lebens. Patienten mit psychischen Erkrankungen haben sogar eine um 25 Jahre verminderte Lebenserwartung, hauptsächlich wegen tabakassoziierter Erkrankungen. 70 Prozent aller Raucher möchten damit aufhören, allerdings werden 80 Prozent derjenigen, die es versuchen, nach einem Monat wieder rückfällig (Benowitz, 2010). Entgegen anderslautender Vermutungen haben Raucher mit psychischen Erkrankungen eine gleich hohe Motivation für einen Rauchstopp wie Raucher der Allgemeinbevölkerung.

Risikofaktoren

Wie in den letzten Jahren immer mehr bekannt wurde, ist mit dem Rauchen ein Risiko für psychische Erkrankungen verbunden. In einer multizentrischen Studie konnten Hinweise für eine Verstärkung der genetischen Vulnerabilität von Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern hinsichtlich der Entwicklung schizophrener Symptome gefunden werden (Quednow et al., 2012). In einer rezenten Metaanalyse zeigte sich außerdem ein Zusammenhang zwischen täglichem Tabakkonsum und erhöhtem Psychoserisiko sowie früherem Erstmanifestationsalter für Psychosen (Gurillo et al., 2015).

Wiesbeck et al. beschrieben 2008 einen Link zwischen Depression und Rauchen. In zahlreichen Publikationen wurde seither ein erhöhtes Risiko für depressive Störungen im Zusammenhang mit dem Rauchen beschrieben (Boden et al., 2010; Flensborg- Madsen et al., 2011). Depressivität und Angstsymptome erhöhen einerseits das Risiko zu rauchen ( McKenzie et al., 2010; Morrell et al., 2010). Andererseits stellt Rauchen einen Risikofaktor für eine spätere Depressionsentwicklung dar (Flensborg-Madsen et al., 2010; Kang & Lee, 2010; Boden et al., 2010), sodass von einem kausalen Mechanismus in beide Richtungen ausgegangen werden kann.

Bei Jugendlichen treten in Hinblick auf den Rauchstatus und das Vorliegen depressiver und ängstlicher Symptomatik auch geschlechtsspezifische Unterschiede auf, die ein unterschiedliches Vorgehen hinsichtlich der Erreichbarkeit jugendlicher Zielgruppen nahelegen (Richardson et al., 2012). Früher Tabakgebrauch erhöht darüber hinaus auch das Risiko für später auftretende depressive Erkrankungen und weitere substanzbezogene Störungen (Brook et al, 2002). Rauchen ist auch mit anderen Suchtformen assoziiert, was wiederum einen negativen Einfluss auf die Gesamtmorbidität und -mortalität hat. Mehr als 75 Prozent aller Abhängigkeitskranken zeigen eine komorbide Tabakabhängigkeit. Unter Alkoholabhängigen sind etwa 67 bis 76 Prozent Raucher anzutreffen. Auch bei Opioid- und Cannabisabhängigen sowie Kokainkonsumenten sind höhere Raucherraten als in der Allgemeinbevölkerung anzutreffen (Rüther et al., 2014; Mackowick et al., 2012; Heffner et al., 2008; Baek et al., 2013).

Wenig verwunderlich erscheinen Zusammenhänge zwischen Rauchen und Demenz, speziell wenn man an vaskuläre Demenzformen denkt. Allerdings wurden auch für die Alzheimer-Erkrankung Zusammenhänge mit dem Raucherstatus sogar mit höheren Odds Ratios als für vaskuläre Demenzformen nachgewiesen (Peters et al., 2008). Seit den 1990er Jahren ist auch bekannt, dass ein offensichtlich dosisabhängiges Risiko zwischen der Anzahl gerauchter Zigaretten und späterem Risiko, infolge eines Suizids zu sterben, besteht (Hemenway et al., 1993).

Diese Dosisabhängigkeit wurde auch für spätere Suizidversuche gezeigt (Beratis et al., 1997; Miller et al., 2000; Transkanen et al., 2000; Mäkikyrö et al., 2004) und Rauchen als unabhängiger Prädiktor für suizidales Verhalten nachgewiesen (Breslau et al., 2005; Oquendo et al., 2004). Somit scheint auch ein erhöhtes Suizidrisiko bei Rauchern nahezuliegen, was in weiteren Untersuchungen gezeigt werden konnte (Bronisch et al., 2008; Li et al., 2012). In einer rezenten Untersuchung konnte eine unabhängige Verbindung zwischen chronischem Rauchen und erhöhter Suizidalität sowie Rauchstopp, längerer Abstinenz und verminderter Suizidalität aufgezeigt werden.

Diese Zusammenhänge waren jedoch nur bei Männern nachweisbar (Balbuena, Tempier, 2015). Geschlechtsspezifische Zusammenhänge wurden auch in einer Untersuchung einer finnischen Geburtskohorte festgestellt (Riala et al., 2007). Hier erwies sich Rauchen in der Adoleszenz als Suizidprädiktor mit gut vierfach erhöhtem Risiko bei Männern, nicht jedoch bei Frauen. Die Suizidversuchsrate hingegen war bei beiden Geschlechtern unter den vormals rauchenden Adoleszenten erhöht. Während der Benefit des Rauchstopps hinsichtlich Mortalität und Morbidität eindrücklich nachgewiesen werden konnte (Doll et al., 2004; Bjartveit, Tverdal, 2009), erbrachte die bloße Reduktion des Zigarettenkonsums keinen nennenswerten gesundheitlichen Vorteil (Godtfredsen et al., 2002; Bjartveit, Tverdal, 2006).

Behandlungsangebote

Trotz des Wissens um die gesundheitlichen Folgen des Rauchens werden Unterstützungen und Behandlungsangebote zur Abstinenzerreichung weniger als der Hälfte der an psychischen Erkrankungen leidenden Raucher angeboten (Prochaska et al., 2004, 2006). Dieser Mangel an gesundheitlicher Vorsorge deckt sich mit dem aus einer Vielzahl an Untersuchungen bekannten Umstand schlechterer medizinischer Versorgung psychisch Kranker (Mackin et al., 2007; Druss et al., 2007; Fleischhacker et al., 2008; de Hert et al., 2009; Himelhoch et al., 2009).

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Zwar waren die Bemühungen, die Raucherrate in der Allgemeinbevölkerung zu senken, relativ erfolgreich, unter psychiatrischen Patienten wurde allerdings eine geringere Abnahme der Raucher verzeichnet, wobei bei rezenter Behandlung der psychischen Erkrankungen die Rauchstoppraten deutlich höher lagen als bei unbehandelten Patienten (Cook et al., 2014). In einer eigenen Untersuchung an der psychiatrischen Abteilung in Vöcklabruck stellte sich heraus, dass stationäre Patienten in mehr als einem Viertel der Fälle (26,4 Prozent) im Zuge des stationären Aufenthaltes mehr geraucht bzw. wieder oder neu zu rauchen begonnen hatten (Silberbauer, Grünbacher, 2014).

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Das Rauchverhalten wurde auch auf der kardiologischen und pulmologischen Abteilung des gleichen Krankenhauses evaluiert. Im Gegensatz zu den psychiatrischen Patienten wurde bei keinem der somatischen Patienten eine Zunahme bzw. Wieder- oder Neuaufnahme des Rauchens beobachtet. Suchtfördernde Trigger, eine „Raucherkultur“ (Ratschen et al., 2011), wie die Existenz von Raucherräumen oder gemeinsame Rauchrituale des Personals mit den Patienten, könnten auch dazu beitragen, dass bei psychiatrischen Patienten höhere Anteile von Rauchern und niedrigere Anteile von ehemaligen Rauchern anzutreffen sind als bei Patienten auf somatischen Abteilungen.

Wunsch nach Rauchstopp

Es bestehen auch Hinweise, dass ein nicht unerheblicher Teil von Rauchern im Zusammenhang mit ihrer psychischen Erkrankung das Rauchen aufgibt, was etwa bei Patienten mit Panikstörungen beobachtet wurde (Amering et al., 1999). Verschiedene Studien deuten aber auch darauf hin, dass gerade infolge des Zigarettenrauchens Angststörungen neu auftreten können (Breslau, Klein, 1999; Cosci et al., 2010; Moylan et al., 2012; Mojtabai, Crum, 2013) und es diesen Patienten schwerer fällt, das Rauchen aufzugeben (Johnson et al., 2013).

Dennoch hegt der Großteil psychiatrischer Patienten den Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören (Grempler et al., 2012). Die Beobachtung, dass zahlreiche psychotrope Qualitäten des Nikotinkonsums zu Reduktion von Anspannung und Angst sowie Verbesserung der Stimmung führen und die größere Verbreitung von Rauchern unter psychisch Erkrankten erklären kann (Singer, Batra, 2011), schlägt sich in der oftmals geäußerten Befürchtung nieder, dass durch einen Rauchstopp die psychiatrische Symptomatik verschlechtert werden könnte.

Dies konnte in einer Metaanalyse von 26 Studien, die die psychische Verfassung vor und zumindest sechs Wochen nach einem Rauchstopp untersuchte, nicht bestätigt werden (Taylor et al., 2014). Es kam vielmehr zu einer Verbesserung der psychischen Symptomatik, zu weniger Stressempfinden und einer gesteigerten Lebensqualität. In der Diskussion um eine Eindämmung bzw. ein Verbot des Tabakrauchens auf psychiatrischen Abteilungen werden vor allem vom psychiatrischen Personal Sorge um eine etwaige Zunahme der Aggression, nachteilige Auswirkungen auf Psychopharmakaspiegel und Behandlungsabbrüche ins Treffen geführt.

In einer Übersichtsarbeit (Lawn, Pols, 2005) konnten bei Durchsicht von 26 Studien zu den Auswirkungen eines Rauchverbots an psychiatrischen Abteilungen in 90 Prozent der Abteilungen mit totalem Rauchverbot keine Zunahmen von Aggression, Entlassungen gegen ärztlichen Rat oder an Bedarfsmedikation verzeichnet werden. In einer weiteren Untersuchung wurden ebenfalls keine negativen Auswirkungen auf die psychopathologische Symptomatik infolge eines Rauchverbotes erfasst (El-Guebaly et al., 2007), wenngleich die Auswirkungen des Rauchstopps auf eine längerfristige Abstinenz limitiert waren.

Therapeutische Strategien

Mittlerweile gibt es effiziente therapeutische Strategien, um eine Tabakabstinenz zu fördern. Neben psychotherapeutischen Methoden, die der Motivation zum Rauchstopp und der Verhaltensanalyse des Rauchers sowie der Aufrechterhaltung der Abstinenz dienen (Tabelle 4), kommen verschiedene pharmakologische Interventionen zum Einsatz. Neben Nikotinersatzpräparaten (NRT), die in unterschiedlichen Darreichungsformen wie Kaugummi, Pflaster und diversen oralen Applikationen zur Verfügung stehen, sind zwei weitere pharmakologische Präparate für die medikamentöse Tabakentwöhnung zugelassen: Vareniclin, ein partieller Agonist des nikotinischen Azetylcholinrezeptors, und Bupropion, ein Antidepressivum, das als selektiver Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer wirkt.

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Mit dem kombinierten Einsatz von Nikotinersatzstoffen (Pflaster und Inhaler) können ansehnliche Resultate mit Abstinenzraten über 30 Prozent erzielt werden (Cahill et al., 2014). Bei Nonresponse auf Nikotinersatzpräparate wurden bei stark rauchenden Männern mit einer Kombination von Vareniclin und Bupropion Abstinenzraten von knapp 40 Prozent erreicht (Rose, Behm, 2014). Nach einer kürzlich erschienenen Untersuchung könnte die Nikotinmetabolisierungsrate eine Entscheidungshilfe für die Auswahl der besten Therapie darstellen (Lerman et al., 2015). Demnach konnte bei normalen Nikotinmetabolisierern eine größere Effektivität mit Vareniclin (Abstinenzrate nach elf Wochen 38,5 Prozent) als mit Nikotinpflaster (22,5 Prozent) erzielt werden. Dies entspricht einer NNT für Vareniclin von 4,9 verglichen mit einer NNT von 26 für Nikotinpflaster bei normalen Metabolisierern.

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Bei langsamen Metabolisierern war kein Unterschied in der Effektivität zwischen Vareniclin und Nikotinpflaster festzustellen. Allerdings hatte diese Gruppe unter Vareniclin deutlich mehr Nebenwirkungen als unter Nikotinpflaster (siehe Tabelle 5). Im Sinne eines umfassenden Behandlungsansatzes sollten psychiatrische Patienten während ihrer stationären Therapie unterstützende und motivierende Interventionen für einen gesundheitsfördernden Lebensstil erhalten. Daneben macht es Sinn, Anreize, die den Zigarettenkonsum während des stationären Aufenthaltes fördern, zu unterbinden.

Die Leitlinien der europäischen Psychiatrievereinigung EPA sehen für die Diagnostik und Behandlung von Rauchern ein Paket von sieben Empfehlungen vor (Rüther et al., 2014):

  1. Dokumentation des Raucherstatus (FTND = Fagerström-Score)
  2. Festlegen des Interventionszeitpunktes (stabile Phase, Konsequenzen der Abhängigkeit, Therapieprozess erklären)
  3. Beratung anbieten (4A-Intervention; siehe Tabelle 4)
  4. Pharmakologische Therapie (NRT, Vareniclin, Bupropion)
  5. Kontrolle kurz nach dem Rauchstopp (TDM – CYP!)
  6. Nachkontrollen erhöhen Abstinenzrate
  7. Rückfallverhütung und -management

Zusammenfassung

Rauchen stellt nicht nur für die Allgemeinbevölkerung eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr dar. Psychiatrische Patienten sind in hohem Ausmaß tabakabhängig und benötigen neben einem somatischen Risikomanagement auch Unterstützung, das Rauchen aufgeben zu können, da hiervon auch die psychische Gesundheit profitiert. Anreize, die das Rauchen während eines stationären Aufenthaltes fördern, sollten vermieden werden. Die Erfassung des Rauchstatus der Patienten sollte routinemäßig weitere Schritte mit Motivationsgesprächen für einen Rauchstopp und ein Angebot eines umfassenden Programms zur Raucherentwöhnung mit Beratung, medikamentöser Unterstützung und psychoedukativen Gruppen zur Folge haben.

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Prim. Dr. Christoph Silberbauer
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Salzkammergut-Klinikum, Vöcklabruck

 

 

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