Die klinische und wissenschaftliche Literatur zur Effizienz verschiedener Therapien bei Alkoholabhängigkeit ist außergewöhnlich umfangreich. Es gilt als gesichert, dass Alkoholtherapien insgesamt erfolgreich sind und spezifische Therapieansätze aussichtsreicher als unspezifische.
Alkoholbezogene Störungen sind in allen westlichen Ländern sehr häufig (Pabst et al., 2013, Soyka, 2013). Nach gängiger ICD-10-Klassifikation kann man Personen mit Alkoholmissbrauch von denen mit Alkoholabhängigkeit unterscheiden. Alkoholmissbrauch nach ICD-10 ist durch eine erhöhte Trinkmenge und das Vorliegen körperlicher oder psychischer Folgeschäden gekennzeichnet. Eine akute Intoxikation oder ein sogenannter „hang over“ (schwerer Alkoholkater) beweisen noch nicht das Vorliegen eines „Gesundheitsschadens“, der für die Diagnose schädlicher Gebrauch erforderlich ist.
Bei der Alkoholabhängigkeit handelt es sich um eine Gruppe körperlicher, Verhaltens- und kognitiver Symptome, bei denen der Konsum von Alkohol für das Individuum Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die früher höher bewertet wurden. Als entscheidendes Charakteristikum wird in ICD-10 (Dilling et al., 2013) der oft starke, gelegentliche übermächtige Wunsch, Alkohol zu konsumieren, angesehen.
Die sichere Diagnose einer Abhängigkeit kann dann gestellt werden, wenn drei oder mehr der folgenden sechs Kriterien erfüllt sind:
- Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren.
- Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und des Konsums von Alkohol.
- Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Alkoholkonsums.
- Nachweis einer Alkoholtoleranz, d.h., ursprünglich hohe Dosen werden besser toleriert als früher.
- Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Alkoholkonsums oder auch ein erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen bzw. zu konsumieren und sich von den Folgen zu erholen.
- Anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweis eindeutiger schädlicher Folgen (z.B. Leberschädigung, depressive Verstimmungen, kognitive Einschränkungen).
Darüber hinaus gibt es eine große Gruppe von Individuen mit erhöhtem, „riskantem“ Konsum, die Alkohol in einem so erheblichen Ausmaß konsumieren, dass er zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Folgeschäden oder gar eine Abhängigkeit liegen aber noch nicht vor. Das neue DSM-5 (Soyka und Baumgärtner, 2015) geht dagegen von einem dimensionalen Konzept aus und definiert Alkoholstörungen und andere Suchterkrankungen anhand von elf Merkmalen. Beim Vorliegen von zwei bis drei Merkmalen liegt eine leichte, bei vier bis fünf eine mäßige, bei sechs oder mehr Symptomen eine schwere Störung vor (siehe Tabelle 1).
Typische Symptome erhöhten Alkoholkonsums sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Für den „riskanten“ Konsum von Alkohol gibt es verschiedene Definitionen. Die WHO war bei ihren Empfehlungen eher großzügig (Männer bis 40g, Frauen bis 20g/Tag). Neuere Therapieempfehlungen nennen geringere Grenzwerte. Eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ermittelte als Kriterium für einen gesundheitsriskanten Alkoholkonsum eine Trinkmenge von durchschnittlich täglich 10–12g reinen Alkohol oder mehr für Frauen (entspricht ca. 0,25–0,30l Bier oder 0,125–0,15l Wein) und 20–24g oder mehr für Männer (Burger et al., 2004).
Der Pro-Kopf-Konsum von Alkohol in Deutschlang liegt aktuell bei 9,5l reinem Alkohol pro Kopf der Gesamtbevölkerung im Jahr 2012 aus (Gärtner et al., 2014). Für alkoholbezogene Störungen (nach DSM-IV-TR) wurde bei Männern eine Prävalenz von 7,5 Prozent, bei Frauen von 2,0 Prozent ermittelt. Schätzungen für das Jahr 2002 zeigen, dass in Europa Alkoholkonsum für den Verlust von ca. zehn Millionen DALYs (disability-adjustet life years) verantwortlich ist (Rehm et al., 2006). Der alkoholbedingte Verlust an Lebensqualität durch Krankheit und Behinderung wurde mit sechs Millionen verlorenen Lebensjahren gleichgesetzt (Bühringer et al., 2000).
Jährlich 74.000 Todesfälle werden auf Alkoholismus zurückgeführt (Gaertner et al., 2014). Die Bedeutung von Alkoholfolgestörungen für die erwähnten DALYs ist in der „Burden of mental illness“-Studie eindrucksvoll gezeigt worden (Rehm et al., 2006, 2009). Daraus ist ersichtlich, dass Alkoholfolgestörungen bei Männern die häufigste Ursache für DALYs sind, bei Frauen ist es die unipolare Depression.
Welche Therapieziele sind realistisch?
Für die Therapie alkoholbezogener Störungen liegen zahlreiche Metaanalysen und Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften vor (Berglund et al., 2003; Batra et al., 2008; Hester und Miller, 1995; Magill et al., 2009; Martin und Rehm, 2012; NICE 2011; Prendergast, 2006).
Die neue S-3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“, die im Februar 2015 veröffentlicht wurde (siehe AWMF online, NR 076-001; Mann et al., 2016 ), setzte sich mit verschiedenen Fragestellungen auseinander:
- Screening und Diagnostik,
- Kurzintervention,
- Entzugsbehandlung,
- Therapie bei Komorbidität und spezifische Populationen
- Entwöhnung, Schnittstellen, Versorgungsorganisation.
Zur Diagnostik von alkoholbezogenen Störungen wird in der aktuellen S-3-Leitlinie, z.B. der AUDIT (Alcohol Use Disorder Identifictaion Test) empfohlen. Man kann eine gewisse Hierarchie von Therapiezielen formulieren (siehe Tabelle 3). Die aktuelle S-3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“, die im Februar 2015 veröffentlicht wurde (Mann et al., 2016) nennt neben der Abstinenz auch die Trinkmengenreduktion als legitimes Ziel der Alkoholtherapie (siehe Tabelle 5).
Klassische stationäre oder ambulante Therapien haben bei Alkoholabhängigen in Mehrjahres-Katamnesen Abstinenzraten von 40 bis maximal 50 Prozent ergeben (Übersicht in Soyka, 2013). Die sozialmedizinische Prognose ist in den meisten Fällen recht gut. Optimal wäre es aber, therapeutisch viele Patienten mit Risikokonsum oder Frühfälle von Abhängigkeit ansprechen zu können.
Evidenzbasierte Therapieelemente
Bei der erwähnten S3-Leitlinie werden, ausgehend von den auf wissenschaftlicher Basis ermittelten Evidenzgraden, Therapieempfehlungen abgeleitet (siehe Tabelle 4). Eine hohe Evidenzstärke liegt vor, wenn Therapie- oder Interventionsstudien, z.B. in Form von randomisierten klinischen Untersuchungen, einen überzeugenden Wirknachweis ergeben haben (siehe Tabelle 5). Aus diesen Evidenzstärken werden dann Therapieempfehlungen abgeleitet. Bei hoher Evidenzstärke wird die Therapieempfehlung A „Soll“ (starke Therapieempfehlung) im Regelfall abgeleitet, bei mäßiger Evidenzbasierung (Klasse 2) in der Regel die Therapieempfehlung „sollte“ (B), bei eher schwacher Evidenzbasierung die Therapieempfehlung „kann“ (0), oder es wird ein klinischer Konsens auf Expertenmeinung herbeigeführt.
Für die Graduierung der Empfehlungsgrade spielen die Konsistenz der Studienergebnisse, die klinische Relevanz der ermittelten Endpunkte und Effektstärken, das Nutzen-RisikoVerhältnis, ethische Aspekte, die Patientenpräferenz sowie auch die praktische Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit eine große Rolle. Wirksame psychotherapeutische oder psychosoziale Interventionsformen mit hoher Evidenzbasierung sind demnach insbesondere:
- Motivationale Interventionsformen (A)
- Kognitive Verhaltenstherapie (A)
- Verhaltenstherapie (A)
- Kontingenz-Management (B)
- Paar- und Familientherapie (A)
- Angehörigenarbeit (A)
Nicht ganz so gut ist die Datenlage insbesondere hinsichtlich randomisierter Therapieuntersuchungen bei psychodynamischer Kurzzeittherapie (B), sogenannten Selbsthilfe- Einrichtungen/Patientengruppen, neurokognitivem Training, Cue-Exposure (Konfrontation mit Schlüsselreizen). Weiter gibt es auch eine gute Evidenzbasierung für das soziale Kompetenztraining (Miller et al., 2002). Zu achtsamkeitsbasierten Therapien, die in den letzten Jahren vermehrt an Bedeutung gewinnen, systemischen Therapien und anderen Ansätzen liegen deutlich weniger Untersuchungen vor.
Das motivationale Interviewing (Miller und Rollnick, 2001) wird als Basismethode vor allem bei Kurzzeitinterventionen bei Personen mit alkoholbezogenen Störungen empfohlen (Smedslund et al., 2011). Das Motivational-Interviewing (MI) bzw. die motivierende Gesprächsführung steht im Gegensatz zu den früher häufig angewandten eher konfrontativen Interventionen bei Alkoholabhängigkeit. Angestrebt wird durch Vermittlung der Techniken der motivierenden Gesprächsführung eine wertfreie Kommunikation auf gleicher Augenhöhe. Konfrontative Interventionen werden vermieden, die empathische, akzeptierende Grundhaltung des behandelnden Arztes und Therapeuten wird betont, ebenso die Möglichkeit der Klärung von Ambivalenzen bezüglich des (weiteren) Substanzkonsums.
Ein gutes Bild ist hierbei, dass der Patient vage beschreibt, welche Faktoren dazu beitragen, dass er sich aus seinem bisherigen Suchtverhalten löst (Arbeit, Familie, Gesundheit), oder welche individuelle Faktoren ihn im alten Suchtverhalten verhaftet lassen (Geselligkeit, Entspannung, Gewohnheit etc.). Die meisten zumindest stationären Entwöhnungstherapien bestehen aus mehreren Therapiebausteinen, haben ein wissenschaftliches Therapiekonzept, integrieren aber Elemente aus verschiedenen der genannten Therapierichtungen. Im deutschen Sprachraum hat sich zum Teil für kombinierte Entwöhnungsbehandlungen der sprachlich etwas holprige und international übliche Begriff der „Komplexbehandlung“ eingebürgert.
Darunter ist eine Kombination von verschiedenen Interventionen gemeint, die durch ein multiprofessionelles Team durchgeführt werden. Die Evidenz hierfür ist allerdings gering, ebenso der Empfehlungsgrad. Viele Therapieangebote sind auf Gruppentherapien ausgerichtet. Sehr schwierig ist die Frage, welche Therapien für welchen Patienten aussichtsreich sind. Sehr ambitionierte Therapieprojekte wie das Project MATCH (1997) oder entsprechende deutsche Untersuchungen (Mann et al., 2012; Berner et al., 2014) haben diese Frage nicht klären können. Wichtig ist es aber in jedem Fall, sich bei der Therapie Alkoholabhängiger an evidenzbasierten Therapiebausteinen zu orientieren.
Bei Patienten mit komorbiden psychischen Störungen und Alkoholabhängigkeit spricht vieles für eine stationäre Behandlung beider Störungsbilder. Auch die aktuelle S-3-Leitlinie empfiehlt dies, wenn auch mit nicht hoher Evidenz. Die Effektivität von Psychotherapien bei komorbiden Patienten ist weniger gut belegt, als bei „reinen“ Alkoholabhängigen.
Pharmakotherapie
Zu den neurobiologischen Grundlagen der Alkoholabhängigkeit liegen zahlreiche Befunde vor (Koob und Le Moal, 2006; Noronha et al., 2014; Nutt und Nestor, 2013). Zentrale Bedeutung hat die Ausschüttung von Dopamin im mesolimbischen System, speziell im Nucleus accumbens. Sie vermittelt positiv verstärkende Effekte von Rauschdrogen. Manche Substanzen führen direkt zu einer Dopaminausschüttung, andere Substanzen, wie z.B. Alkohol, indirekt über verschiedene Neurotransmitter, wie z.B. GABA oder das Opioid-Endorphin-System. Einen spezifischen Alkoholrezeptor gibt es dabei nicht.
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Substanzen getestet, nur wenige haben Bedeutung für die klinische Praxis gefunden (Übersicht in Soyka und Lieb, 2015). Acamprosat wurde lange als über glutamerge Neurone wirkende Substanz angesehen (Littleton und Zieglgansberger, 2003), der Wirkmechanismus ist aber nach neueren Befunden fraglich und umstritten. Neuere Grundlagenarbeiten sahen nur den Kalziumanteil als relevantes Agens (Spanagel et al., 2014). Dieser Befund ist aber sogar innerhalb desselben Instituts der Universität Mannheim umstritten (Mann et al., 2016; Spanagel et al., 2016).
Die eingesetzte klinische Dosis liegt bei Erwachsenen bei 3x 2 Tabletten à 333g (über 60kg Körpergewicht). Zu Acamprosat existieren zahlreiche Placebo-kontrollierte randomisierte Therapiestudien (Übersicht in Rösner et al., 2001). Die Substanz hat sich insbesondere hinsichtlich der Rückfallprophylaxe als effektiv erwiesen mit mittelgradigen Effektstärken. Sie hat deswegen auch eine gute Evidenzbasierung (Übersicht in Soyka, 2013). Nebenwirkungen bei Acamprosat betreffen vor allem den Gastrointestinaltrakt, meist kann eine leichte Form von Durchfall in den ersten Tagen auftreten.
Bei Opiatantagonisten vom Typ Naltrexon (Tagesdosis eine Tablette à 50mg) treten vor allem Übelkeit, Schwindel und Schlafstörungen auf. Für beide Substanzen liegen mehrere aktuelle Metaanalysen vor (Maisel et al., 2013; Jonas et al., 2014). Es besteht eine gute Evidenzbasierung. Weniger gut ist sie für Disulfiram, das in Deutschland nicht mehr am Markt verfügbar ist. Wenn Disulfiram in supervidierten Therapiemodellen eingesetzt wird, haben sich etwas bessere Ergebnisse abgezeichnet (Soyka, 2013). Die S-3-Leitlinie sieht für eine pharmakotherapeutische Behandlung mit Acamprosat und Naltrexon im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans nach Postakutbehandlung außerhalb der stationären Entwöhnung eine gute Evidenzbasierung (1A) und gab den Empfehlungsgrad B ab.
Für Disulfiram wurde der Empfehlungsgrad 0 abgegeben. In den letzten Jahren wurde ein weiterer Opioidantagonist, Nalmefen, eingeführt. Nalmefen wirkt sowohl am My- wie Kappa-Opioid-Rezeptor (hier aber als partieller Agonist). Hier beträgt die Tagesdosis eine Tablette à 18mg. Für Nalmefen liegen zwei große Placebo-kontrollierte Doppelblindstudien vor (Gual et al., 2013; Mann et al., 2013). Die Substanz wurde zur Trinkmengenreduktion eingesetzt („As a needed“-Ansatz), Patienten konnten selber entscheiden, an welchen Tagen sie das Medikament einnahmen. Insgesamt zeigten die vorliegenden Untersuchungen trotz einer höheren Haltequote in der Placebogruppe eine deutliche Trinkmengenreduktion bei Gabe von Nalmefen. Die Substanz ist mittlerweile in den meisten europäischen Ländern klinisch verfügbar,
Nebenwirkungen betreffen vor allem den Gastrointestinaltrakt (Übelkeit), auch Schwindel kann auftreten. Der Therapie-Einsatz mit Nalmefen ist neu und wird kontrovers diskutiert. Man muss abwarten, wie sich diese „Bedarfsmedikation“ in psychosozialen Therapien integrieren lässt und wie dauerhaft eine erreichte Trinkmengenreduktion ist. In Therapiemodellen zum sogenannten „kontrollierten Trinken“, die auf die Trinkmengenreduktion abzielen, wird dazu geraten, ein sogenanntes Trinktagebuch (genaue Protokollierung der Trinkmenge) zu führen im Sinne einer überprüfbaren Selbstkontrolle. Auch in den NICE (2011) oder APA Guidelines (2006) werden Acamprosat und Naltrexon mit guter Evidenzbasierung empfohlen.
Die Prädiktion von Behandlungserfolgen aufgrund klinischer oder neurobiologischer Parameter bleibt allerdings schwierig. Noch Zukunftsmusik ist die Pharmakogenetik. Für Naltrexon wurde die Bedeutung eines funktionellen Polymorphismus am My-Opioid-Rezeptor- Gen (RS17999971, ASN40SASP) postuliert (Übersicht in Chamorro et al., 2012), die aber nach neueren Ergebnissen wieder fraglich ist (Oslin et al., 2015).
Fazit
Die pharmakogestützte Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit ist eine noch junge Disziplin, und nur relativ wenige Medikamente haben es bislang in die klinische Praxis geschafft. Zugelassen sind Acamprosat, Naltrexon, seit kurzem Nalmefen sowie Disulfiram. Für Acamprosat und Naltrexon liegen Cochrane-Analysen vor, außerdem aktuelle Metaanalysen von Maisel et al. (2012), Jonas et al. (2014) und Donoghue et al. (2015). Für Acamprosat wurde ein signifikanter Effekt zur Aufrechterhaltung im Therapiezeitraum von sechs bis zwölf Monaten gefunden, für Naltrexon ebenfalls signifikante Effekte auf den Alkoholkonsum.
Schlechter ist die Datenlage für Disulfiram, das in Deutschland nicht mehr auf dem Markt verfügbar ist. Die Evidenz ist hier schwach. Die Wirksamkeit von Nalmefen wurde bislang in zwei doppelblinden randomisierten Therapiestudien überprüft, Ziel war hier eine Trinkmengenreduktion, nicht die Abstinenz. Begleitende psychosoziale Therapie war dabei obligat. Unter Nalmefen war die Trinkmenge reduziert.
Zusammenfassend sieht die S3-Leitlinie eine gute Evidenzbasierung und Therapieempfehlung nur für Acamprosat und Naltrexon (Empfehlungsgrad B), ähnlich wie in Therapieleitlinien der American Psychiatry Association (2006) oder in der NICE-Leitlinie (2011). Die aktuellen Befunde und Therapieempfehlungen zum Einsatz von sogenannten Anticraving-Substanzen bei Alkoholabhängigkeit wurden dargestellt.
Klinische Empfehlungen
Die klinische und wissenschaftliche Literatur zur Effizienz verschiedener Therapien bei Alkoholabhängigkeit ist außergewöhnlich umfangreich. Es gilt als gesichert, dass Alkoholtherapien insgesamt erfolgreich sind und spezifische Therapieansätze aussichtsreicher als unspezifische. Es gibt keinen absolut dominierenden „Goldstandard“, nach der eine psychosoziale Therapiemethode besser ist als alle anderen; einige (Verhaltenstherapie, Paartherapie etc.) sind aber aussichtsreicher als andere. Der Autor plädiert noch nachdrücklich für eine Individualisierung der Suchttherapie unter Berücksichtigung von Schweregrad der alkoholbezogenen Störung und möglicher komorbider Störungen.
Literatur beim Autor
Prof. Dr. Michael Soyka
Psychiatrische Klinik, Universität München und Privatklinik Meiringen,
E-Mail: michael.soyka@privatklinik-meiringen.ch