Eine Reihe von psychiatrischen Diagnosen ist mit einem komplexen Schmerzgeschehen vergesellschaftet bzw. ist der körperlich wahrgenommene, chronische Schmerz oft erst der Anlass, um ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der enge Zusammenhang zwischen Schmerz und depressiven Störungen ist zwar am besten untersucht und bekannt, doch gehören zum Beispiel auch bei Angststörungen oder Suchterkrankungen Schmerzen zu den häufigen von Patienten genannten (Begleit-)Symptomen. Schmerzen treten genauso bei anderen psychiatrischen Erkrankungen auf, etwa bei akuten Belastungsreaktionen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder bei schizophrenen Erkrankungen. In Österreich leiden rund 1,7 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen, die wiederum aufgrund der hohen individuellen Stressbelastung zu psychischen Folgeerscheinungen führen können.

Der Zustand der Schmerzfreiheit bildet dabei nicht das primäre Behandlungsziel, wie Schmerzmediziner übereinstimmend festhalten; vielmehr wird bei chronischen Schmerzen eine Schmerzlinderung – auch im Sinne eines „Schmerzmanagements“ – angestrebt, wobei nach dem „State of the art“ multimodale Behandlungskonzepte erarbeitet werden. In diesen Konzepten spielen sowohl psychopharmakologische wie auch psychologische und/oder psychotherapeutische Maßnahmen – neben einer Reihe weiterer Therapiebausteine – eine wichtige Rolle.

Definitionen

Die Definition der Internationalen Schmerzgesellschaft (IASP) liefert die Grundlage für ein modernes, mehrdimensionales Schmerzverständnis: Gemäß dieser Definition ist Schmerz „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird“. Schmerz wird somit als bio-psycho-soziales Gesamtphänomen aufgefasst, an dessen Entstehung und Aufrechterhaltung neben der biologisch-physiologischen (sensorischen) Ebene auch emotionale, motivationale und kognitive Faktoren beteiligt sind.

Ausgehend von diesem ganzheitlichen Krankheitsverständnis ist die Frage, ob Schmerzen „somatogen“ bzw. „psychogen“ bedingt seien, heute nicht mehr als sinnvoll anzusehen. Abgebildet wurde das dualistische Modell noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts in den Diagnosemanualen durch Begriffe wie „Psychogenes Schmerzsyndrom“ oder „Anhaltende Somatoforme Schmerzstörung“, die jedoch im DSM-5 in dieser Form nicht mehr vorkommen. Nach dem bio-psycho-sozialen Schmerzverständnis steht also nicht mehr die Frage nach einer „somatischen“ oder „psychischen“ Ursache im Vordergrund, sondern die Frage, in welchem Umfang biologische und psychosoziale Faktoren im Einzelfall für die Schmerzentstehung und -verarbeitung wirksam sind.

Die Schmerzverarbeitung mit ihren kompetitiven aszendierenden und deszendierenden Modulationsmechanismen bis hin zur bewussten Wahrnehmung ist kein „Alles oder nichts“-Vorgang – es handelt sich vielmehr um ein komplexes Geschehen, in das auch steuernd eingegriffen werden kann. In der somatischen Medizin werden grundsätzlich zwei Schmerzentitäten unterschieden: Nozizeptive Schmerzen entstehen, wenn Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) durch mechanische, thermische, chemische oder elektrische Reize stimuliert werden. Beispiele dafür sind Verletzungen, Entzündungen oder postoperativer Schmerz. Demgegenüber entstehen neuropathische Schmerzen als direkte Folge einer Schädigung oder Läsion im somatosensorischen System. Beispiele dafür sind etwa Monooder Polyneuropathien. Dabei gibt es auch Mischformen von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen, etwa beim Diskektomie-Syndrom.

Akuter und chronischer Schmerz

Die Ergebnisse der modernen Schmerzforschung legen nahe, akuten und chronischen Schmerz als zwei grundlegend unterschiedliche Arten von Schmerz zu differenzieren. Akuter Schmerz ist in der Regel kurz andauernd und besitzt eine biologische Warnfunktion, indem er auf zugrunde liegende (organ-)pathologische Prozesse hinweist und damit zur Begrenzung der potenziellen Gewebsschädigung führt. Gleichzeitig haben akute Schmerzen eine rehabilitative Funktion, indem sie Ruhe und Schonung veranlassen. Mit zunehmender Schmerzdauer finden auf somatischer und psychosozialer Ebene Chronifizierungsvorgänge statt, die eine sekundäre Kausalkette für die weitere Aufrechterhaltung des Schmerzes darstellen.

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Der chronische Schmerz „verselbstständigt“ sich zunehmend von seiner auslösenden Ursache und verliert seine Warnfunktion: Er ist zu einer eigenständigen Erkrankung geworden, wobei ab einer Schmerzdauer von mehr als drei Monaten von chronischem Schmerz gesprochen wird (Abbildung 1). Mit zunehmender Chronifizierung erlangen psychosoziale Aspekte des Schmerzerlebens und der Schmerzverarbeitung zunehmende Bedeutung. Bei vielen Betroffenen ist das Ausmaß erlebter Schmerzen und die subjektive Beeinträchtigung bzw. Behinderung durch die Schmerzen nicht linear zum organmedizinischen Befund.

Die Behandlung chronischer Schmerzen mit dem vorrangigen Ziel der Schmerzlinderung erfordert – im Sinne eines multimodalen Therapiekonzeptes – in der Regel auch psychopharmakologische und psychotherapeutische Interventionsmaßnahmen. Bei lang anhaltenden Schmerzen kommt es zu neuroplastischen Veränderungen im ZNS: Chronischer Schmerz wird in anderen Hirnarealen verarbeitet als akuter Schmerz, wobei in der Verarbeitung chronischer Schmerzen ganz ähnliche Hirnregionen involviert sind, wie bei einigen psychiatrischen Störungsbildern, z.B. bei Major Depression oder posttraumatischer Belastungsstörung.

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Im Hinblick auf eine therapeutische, neurobiologische Behandlung ist zu beachten, dass in den absteigenden, antinozizeptiven (schmerzhemmenden) Bahnen Serotonin und Noradrenalin die wichtigsten Botenstoffe sind. Emotionale Veränderungen (z.B. Angst, Depressivität) führen zu Aktivitätsminderungen in den deszendierenden schmerzhemmenden Bahnen, gefolgt von einer geschwächten Filterfunktion am Hinterhorn des Rückenmarks („Gate-Control“). Nach heutigem Verständnis greifen bei der Entstehung und Chronifizierung von Schmerzen biologische und psychosoziale Faktoren ineinander und beeinflussen sich wechselseitig. Das Konzept eines ausschließlich „somatischen“ oder ausschließlich „psychischen“ Schmerzsyndroms ist daher heute heuristisch nicht mehr sinnvoll. So wird auch z.B. bei somatoformen Schmerzen von einer Interaktion biologischer und psychischer Faktoren ausgegangen.

Beispielhaft dafür wird hier ein translationales Modell zur Entstehung somatoformer Schmerzen dargestellt (Abbildung 2). Bestehen bei Patienten länger als sechs Monate Schmerzen ohne ein entsprechendes organisches Korrelat, so kann laut ICD-10 bei entsprechender Symptomatik die Diagnose einer Somatoformen Schmerzstörung (F 45.4) gestellt werden. Näher an das bio-psycho-soziale Modell, das Schmerz als komplexes psychisches und somatisches Geschehen betrachtet, rückt die im DSM-5 vorgesehene Diagnose „Somatic Symptom Disorder“ (somatische Belastungsstörung), wo die Wechselwirkung zwischen somatischen und psychischen Symptomen bzw. ihre jeweilige Dominanz im Krankheitsverlauf deutlicher abgebildet wird.

Schmerz und affektive Störungen

Am besten untersucht und bekannt ist der Zusammenhang zwischen Schmerzen bzw. körperlichen Missempfindungen und affektiven Störungen und soll daher hier beispielgebend angeführt werden. So liegt zum gemeinsamen Auftreten von chronischen Schmerzen und depressiven Symptomen eine Reihe von Untersuchungen vor. Beispielhaft dafür ergibt eine 2003 durchgeführte repräsentative Umfrage in mehreren europäischen Ländern, dass in der untersuchten Stichprobe rund 16 Prozent der Personen mehr als sechs Monate lang Schmerzen in einer Körperregion empfinden und damit die Kriterien des chronischen Schmerzes erfüllen.

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Fast ebenso viele Menschen (16,5 Prozent) berichten über zumindest ein depressives Symptom, mehr als ein Viertel davon leidet wiederum an chronischen Schmerzen. Vier Prozent der Befragten erfüllten die Kriterien einer „Major Depression“, rund 43 Prozent davon haben zumindest in einer Körperregion chronische Schmerzen (Ohayon MM, Schatzberg AF, 2003; Abbildung 3). Eine von den gleichen Autoren 2010 durchgeführte Untersuchung verweist darauf, dass rund zwei Drittel der Patienten mit der Diagnose einer „Major Depression“ über chronische Schmerzen berichten. Bei mehr als der Hälfte davon trat der Schmerz bereits vor der Diagnose der Depression auf. Nur bei einem kleinen Teil (ca. 13 Prozent) der Patienten beginnt das Schmerzsyndrom und die Episode der Major Depression im gleichen Zeitraum (plus/minus sechs Monate), bei rund 40 Prozent treten Schmerzen nach der Diagnose der depressiven Störung auf.

Im Hinblick auf das therapeutische Ansprechen ergeben Metaanalysen, dass der Schweregrad der Schmerzen vor Therapiebeginn prognostische Hinweise auf das Ansprechen auf die antidepressive Behandlung liefert bzw. das Ansprechen auf die Schmerztherapie auch das Ansprechen auf die antidepressive Behandlung unterstützt. Schmerzen und depressive Störungen sollten daher gemeinsam behandelt werden. Schmerzen und Schlafstörungen sind bei depressiven Patienten das Hauptmotiv, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Medikamentöse Therapie

Chronischer Schmerz entsteht vor allem durch Sensibilisierungsprozesse im Neurotransmittersystem und wird zusätzlich durch zentralnervöse Veränderungen begünstigt, die eine weitere Schwächung des antinozizeptiven Systems bewirken. Dieses neurobiologische Ungleichgewicht kann medikamentös an verschiedenen Angriffspunkten reguliert werden, wie Abbildung 4 verdeutlicht. Dementsprechend kommen in der Schmerztherapie vor allem folgende Substanzgruppen zum Einsatz.

  1. Nicht-Opioid-Analgetika: Wirkung überwiegend, aber – abhängig von der Substanz (z.B. Metamizol, Paracetamol) und der Passage der Blut-Hirn-Schranke – nicht ausschließlich auf das periphere nozizeptive System.
  2. Opioid-Analgetika: Wirkung vor allem im ZNS, u.a. im limbischen System.
  3. Antikonvulsiva: Membranstabilisierende Wirkung im ZNS.
  4. Antidepressiva: Wirkung auf das deszendierende antinozizeptive System, auch im Sinne einer Stärkung des „Gate-Control-Mechanismus“. Zusätzliche Beeinflussung von Schmerzwahrnehmung und Verarbeitung im limbischen System. Bei einigen Substanzen wie z.B. Trazodon besteht zudem eine Endorphin-ähnliche Wirkung, d.h., es kommt zu einer Aktivierung der Opioid- Rezeptoren (Abbildung 5).

Die medikamentöse Therapie ist stets als eine von mehreren Säulen in einem mulitmodalen Therapiekonzept zu betrachten.

Antidepressiva in der Schmerztherapie

Bereits zwischen 1989 und 1997 veröffentlichte Metaanalysen und Review-Arbeiten dokumentieren eine analgetische Wirkung von Antidepressiva. Auch neuere Metaanalysen, die zwischen 2000 und 2010 veröffentlicht wurden, ergeben zu einem überwiegenden Teil eine signifikant positive Wirkung von Antidepressiva bei verschiedenen Schmerzsyndromen wie chronischem Kopfschmerz oder peripheren Neuralgien. Das Ausmaß der Schmerzreduktion liegt dabei zwischen 30 und 50 Prozent. Es gibt dabei allerdings zum Teil beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen bzw. Substanzgruppen, wobei sich vor allem Substanzen, welche sowohl eine noradrenerge wie auch eine serotonerge Wiederaufnahmehemmung bewirken, wie Amitriptylin oder Duloxetin, als wirksam erweisen (Tabelle 1).

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Pfadanalytische Untersuchungen belegen, dass etwa zwei Drittel der Schmerzreduktion auf einen direkten analgetischen Mechanismus und ein Drittel der Schmerzreduktion auf die Besserung depressiver Symptome zurückgeführt werden können (Marangell et al., 2011). Unter den Antidepressiva sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur Duloxetin und Amitriptylin für die Schmerztherapie zugelassen. Amitriptylin ist aufgrund seines Nebenwirkungsprofils jedoch vor allem bei älteren und multimorbiden Patienten nur eingeschränkt zu empfehlen. Fälschlicherweise wird mitunter noch angenommen, dass die analgetische Wirkung eines Antidepressivums auf einen „psychisch verursachten Schmerz“ hinweist.

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Antidepressiva wirken jedoch erwiesenermaßen auch bei organisch bedingten Schmerzzuständen bzw. ist eine Trennung in „psychisch“ und „somatogen“ bedingte Schmerzen heute nicht mehr als sinnvoll anzusehen. Diese Tatsache sollte auch im Arzt-Patienten-Gespräch berücksichtigt werden! Als unrichtig erweist sich auch die sogenannte „Niedrigdosis- Hypothese“, bei der davon ausgegangen wird, dass Antidepressiva in niedriger Dosierung vorrangig analgetisch und erst in den jeweiligen Standarddosierungen antidepressiv bzw. anxiolytisch wirken. So ergeben gepoolte Daten über drei Studien zum Einsatz von Duloxetin bei diabetischen Polyneuropathien einen eindeutig Dosis-abhängigen Effekt in der Reduktion des mittleren Schmerz-Scores.

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Die größte Schmerzhemmung wurde unter einer Tagesdosis von 120mg erreicht, deutlich geringer fiel sie unter 60mg aus und am geringsten unter Placebo (Raskin et al., 2006). Hinweis: Generell sind Antidepressiva in der Schmerztherapie entsprechend den angegebenen Dosierungsempfehlungen zu verordnen. In begründeten Ausnahmefällen kann jedoch eine niedrigere Dosierung zum Einsatz kommen, wenn damit die Behandlungsziele erreicht werden (Raskin et al., 2006).

Antikonvulsiva in der Schmerztherapie

Analgetische Wirkungen sind vor allem für die Kalzium- Kanalmodulatoren Gabapentin und Pregabalin sowie für Topiramat nachgewiesen (Tabelle 2). Vergleichsstudien liegen für Gabapentin bzw. Pregabalin und Duloxetin vor, wobei sich im Hinblick auf die Wirkung beim diabetischen neuropathischen Schmerz keine statistisch nachweisbaren Unterschiede ergaben. In der Praxis sollte daher die Entscheidung, ob primär ein Antidepressivum oder ein Antikonvulsivum gegeben wird, von begleitenden affektiven Symptomen oder vom Interaktionsprofil der einzelnen Substanzen abhängig gemacht werden.

Andere medikamentöse Optionen

Nicht-Opioid-Analgetika kommen hauptsächlich bei akuten und chronischen Schmerzen (z.B. Tumorschmerzen oder rheumatischen Schmerzen) zum Einsatz; Opioid-Analgetika bei chronischen Schmerzen, jedoch primär außerhalb des psychiatrischen Kontexts bzw. ggf. bei neuropathischen Schmerzen. Für die Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS) liegen auch entsprechende Leitlinien der AWMF (29.09.2014) vor.

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Gemäß diesen Leitlinien bewirken sowohl Opioid-haltige als auch andere Analgetika (NSAR) bei Patienten mit chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen nach ungefähr vierwöchiger Einstellung und bis zu zwölf Wochen Behandlung klinisch relevante Schmerzlinderungen. Die Anwendung sollte nur dann erfolgen, wenn alle anderen medikamentösen und nicht medikamentösen Therapiemaßnahmen nicht zum Erfolg führen. Über drei Monate hinausgehende Daueranwendungen von Opioiden werden nach dieser Leitlinie sehr kritisch diskutiert und sind nur unter definierten Bedingungen zu empfehlen.

Die Leitlinie verweist zudem auf die Sinnhaftigkeit kombinierter Therapien von Opioiden mit physikalischen und/oder psychotherapeutischen Maßnahmen im Sinne eines ganzheitlichen Konzeptes. Es existiert nur sehr geringe Evidenz zur Anwendung einzelner Antipsychotika bei therapierefraktären Schmerzen. Auch ist methodisch unklar, inwieweit sich analgetische und sedierende Wirkung überschneiden. Aus den bisherigen Metaanalysen lassen sich daher keine Therapieempfehlungen für Antipsychotika ableiten. Auch die Anwendung von Benzodiazepinen als Muskelrelaxantien in der Therapie rheumatischer Schmerzen ergab gemäß einem Cochrane-Review (Richards et al., 2012) keinen überlegenen Effekt gegenüber Placebo.

Nicht medikamentöse Therapie

Im Sinne einer multimodalen Herangehensweise in der Schmerzbehandlung sind neben der medikamentösen Therapie weitere wesentliche Eckpfeiler zu berücksichtigen. Als eines der zentralen Elemente im gesamten diagnostischen und therapeutischen Prozess erweist sich dabei die ärztliche Gesprächsführung, denn sie trägt nicht zuletzt zur Adhärenz des Patienten für die einzuleitenden therapeutischen Maßnahmen bei, sondern sie erhöht auch die Zufriedenheit in der Arzt-Patient-Beziehung.

Im Kontext von Schmerzerkrankungen liegt der Fokus in der Arzt-Patient-Kommunikation vor allem auf der Schmerz-Edukation, der Informationsvermittlung zu diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sowie der Anleitung zur Reflexion der Patienten-eigenen Schmerzmodelle im Sinne eines Heranführens an das bio-psycho-soziale Schmerzmodell. Im Rahmen der psychologischen Methoden in der Behandlung bzw. Beratung von Schmerzpatienten werden unter anderem Techniken der Schmerzbewältigung bzw. des Schmerzmanagements vermittelt. Im Speziellen sind dies etwa Strategien, die eine Erhöhung der Selbstwirksamkeit nach sich ziehen (Beeinflussen des Zustandes durch eigene Initiative).

Konkret werden die Patienten zur Selbstbeobachtung, zum Führen eines Schmerztagebuches und zum Erkennen eigener Ressourcen in der Schmerzbewältigung angeleitet. Vorrangiges Ziel ist nicht nur die Schmerzminderung bzw. -linderung, sondern auch eine Erhöhung der Lebensqualität und Bewältigung des Alltags. Auch das Erlernen und selbstständige Durchführen von Entspannungstechniken gehört zu den begleitenden psychologischen Maßnahmen. Eine willentlich herbeigeführte Reduktion des Muskeltonus kann ebenso wie andere körperliche Zeichen von An- und Entspannung (Hautleitwert, Atmung etc.) mittels Biofeedback sichtbar gemacht werden. Gehen diese Prozesse mit einer Schmerzlinderung einher, so entsteht ein Lerneffekt.

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Insgesamt ist die Datenlage zum Biofeedback allerdings heterogen, auch die Studienqualität noch gering. Geringe Effektstärken sind auch für die Hypnose und die angeleitete Imagination belegt, allerdings ist auch in diesem Bereich die Studienqualität relativ gering. Im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie (Abbildung 6) sind therapeutische Interventionen aus dem Fachgebiet der Ergotherapie oder der Physiotherapie von Bedeutung. Unter den komplementärmedizinischen Verfahren bei Schmerz gilt die Akupunktur als bislang am besten untersucht, allerdings ergeben die Daten zum Wirknachweis bislang keine einheitlichen Ergebnisse.

Die Psychotherapie ist eine der weiteren zentralen Säulen im multimodalen Konzept der Schmerztherapie. Viel wesentlicher als die jeweilige psychotherapeutische Technik bzw. Schule ist dabei die therapeutische Beziehung: Während die Technik nur zehn bis 15 Prozent der Ergebnis- Varianz erklärt, werden 20 Prozent durch die therapeutische Beziehung und weitere 30 Prozent durch allgemeine Wirkfaktoren erklärt. Zur Anwendung der Psychotherapie bei Schmerz gibt es gute Evidenz aus Studien und auch Metaanalysen zur kognitiven Verhaltenstherapie, zu Achtsamkeits- basierten Methoden sowie zu Akzeptanz-basierten Methoden.

Diese drei Techniken sind bei Schmerzpatienten als besonders hilfreich und wirksam einzuschätzen (Martin et al., 2013, Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie somatoformer Störungen und assoziierter Syndrome, Hogrefe). Diese drei genannten psychotherapeutischen Richtungen wurden auch bei Patienten mit Schmerz und depressiven Störungen im Rahmen von Studien gut untersucht, wobei sich kleine bis mittlere Effekte für beide Bereiche – Schmerz und Depression – ergeben. Erhalten die Patienten zusätzlich konkrete Schmerz-bezogene Interventionen, so lässt sich die Effektstärke zusätzlich vergrößern (z.B. Macea et al., 2010).

kaspersachsbach

O. Univ.-Prof. Dr. h.c. mult. Dr. Siegfried Kasper (links),
Univ.-Prof. DDr. Gabriele-Maria Sachs Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien
Prof. Priv.-Doz. Dr. Michael Bach Ambulante psychosoziale Rehabilitation pro mente reha, Salzburg

Quelle: Kasper et al.: Schmerz bei psychiatrischen Erkrankungen; Konsensus-Statement – State of the art; CliniCum neuropsy Sonderausgabe 2015

Lecture Board: Prim. Priv.-Doz. Dr. Andreas Erfurth, Prim. Dr. Christa Radoš, Prim. Dr. Elmar Windhager Ärztlicher

Fortbildungsanbieter: Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien