Mit einem Elf-Punkte-Programm startet die neue Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN), Prim. Univ.-Doz. Dr. Elisabeth Fertl, in ihre Amtsperiode. Sie folgt damit Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt (2014–2016) nach und ist nach Doz. Dr. Regina Katzenschlager (2012–2014) die zweite Frau an der Spitze der Gesellschaft.

 

CliniCum neuropsy: Sie sind seit Anfang Juli 2016 Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN). Was motiviert Sie, diese ehrenamtliche Funktion zu übernehmen?

Fertl

Fertl: Zum einen bringe ich für die auf mich zukommende standespolitische Arbeit langjährige Erfahrung durch die Tätigkeit in verschiedenen Gremien mit, etwa in verschiedenen universitären Kommissionen über viele Jahre hinweg, in der Sozialversicherung oder im Obersten Sanitätsrat. Zum anderen habe ich seit 2008 alle Vorstandsfunktionen in der ÖGN durchlaufen und konnte praktisch nicht absagen, als mich meine Vorstandskollegen gebeten haben, nun das Ehrenamt der Präsidentin zu übernehmen. Ihr Vertrauen und das der Mitglieder der ÖGN ist sicher ein ganz wichtiger Motivationsfaktor, vor allem angesichts des auf mich zukommenden enormen Arbeitspensums.

Was bedeutet es für Sie persönlich, für zwei Jahre einer medizinischen Fachgesellschaft als Präsidentin vorzustehen?

Es bedeutet ganz sicher, dass ich mit meinen persönlichen Ressourcen sehr achtsam umgehen werde, um neben allen ärztlichen Aufgaben auch noch die umfangreichen Agenden für die ÖGN gut bewältigen zu können. Konkret werde ich vieles delegieren und eventuell die eine oder andere Anfrage ablehnen müssen – dafür bitte ich schon jetzt um Verständnis! Auch an meiner Abteilung werde ich in diesen zwei Jahren nicht wie bisher voll verfügbar sein können. Hier unterstützen mich meine Mitarbeiter sicherlich gut. Tatsache ist, dass auf die ÖGN in diesen zwei Jahren sehr wichtige Aufgaben zukommen, und meine Rolle wird es sein, hier die Prozesse zu steuern. Dazu gehört die Umsetzung der neuen Ärzteausbildungsordnung 2015 genauso wie die Öffentlichkeitsarbeit, die Organisation wissenschaftlicher Veranstaltungen sowie die Erstellung von Leitlinien und Behandlungsstandards.

Was haben Sie sich im Detail für Ihre Funktionsperiode vorgenommen?

Ich habe bereits vor Amtsantritt einen Strategieplan entworfen, der praktisch druckfrisch vorliegt und wo in elf Punkten die wichtigsten Arbeitsfelder und Ziele festgeschrieben sind. Dieser Strategieplan wurde im Vorstand akkordiert und soll in der nächsten Generalversammlung präsentiert werden. Darin enthalten sind neben dem Ausbildungsthema die Organisation der kommenden Jahrestagungen, Bewerbungen um internationale Kongresse oder ein weiterer Ausbau einzelner Fachschwerpunkte.

Ebenso enthalten sind Aspekte der Kooperation mit Partnern wie der Österreichischen Ärztekammer, anderen wissenschaftlichen Gesellschaften, dem Gesundheitsministerium oder der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG, Anm.). Die Vielfalt der Themen der Neurologie – immerhin spannt sie den Bogen vom Akutbereich bis zur Rehabilitation und erfasst alle Altersstufen und beide Geschlechter – macht eine breite Vernetzung der ÖGN mit anderen Organisationen im Gesundheitsbereich erforderlich.

Zum Aufgabengebiet der ÖGN gehört auch die Mitarbeit an Behandlungsleitlinien. Wie funktioniert dieser Bereich in der Praxis?

Seit rund zehn Jahren haben wir eine Kooperation mit der federführenden Deutschen sowie der Schweizer Gesellschaft für Neurologie im Hinblick auf die gemeinsame Entwicklung deutschsprachiger Leitlinien. Dazu gehört auch das regelmäßige Update der einzelnen Kapitel. Seitens der ÖGN gibt es jeweils einen Leitlinienverantwortlichen, der als Ansprechpartner für die deutschen und Schweizer Kollegen fungiert bzw. die Beiträge der jeweiligen Autoren koordiniert. Damit wird sichergestellt, dass auch Österreich- spezifische Aspekte in den Leitlinien verankert sind. Aktuell ist Prim. Univ.-Prof. Dr. Jörg Weber vom Klinikum Klagenfurt am Wörthersee der Leitlinienverantwortliche der ÖGN, und wir sind derzeit gerade wieder in einer Überarbeitungswelle, übrigens bereits die dritte seit 2008.

Wie definieren Sie standespolitische Aufgaben der ÖGN?

Die Aufgaben der ÖGN als gemeinnnütziger Verein sind transparent in den im Internet zugänglichen Statuten der ÖGN festgelegt. Neben der Förderung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Neurologie gehören dazu die Öffentlichkeitsarbeit sowie alle vom Vorstand festgelegten Maßnahmen, um das Fach Neurologie zu fördern. Der regelmäßige Austausch mit gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern oder die Beratung der Ärztekammer in allen Fragen zur Neurologie sind Beispiele für die Umsetzung dieses Anliegens.

Wie funktioniert die Kooperation zwischen der ÖGN und anderen Fachgesellschaften im neurologischen Bereich, wie z.B. der Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie oder der Österreichischen Gesellschaft für Schlaganfall- Forschung?

Es gibt derzeit insgesamt sieben zur ÖGN assoziierte Gesellschaften, die sich mit der ÖGN auch die Geschäftsstelle teilen. Alleine dadurch gibt es eine sehr enge Kooperation. Es gibt gemeinsame Anliegen in der Öffentlichkeitsarbeit, etwa gemeinsame Presseaussendungen oder Pressekonferenzen, ebenso wie in der gemeinsamen Organisation diverser Fortbildungsveranstaltungen mit einzelnen dieser assoziierten Gesellschaften. Ein Hauptberührungspunkt besteht zudem im Bereich der Facharztausbildung, denn im neuen Curriculum muss jeder angehende Facharzt drei spezifische Module absolvieren, beispielsweise Neurorehabilitation oder Neurophysiologie. Darüber hinaus sind unsere Mitglieder so wie alle Vorstandskollegen Mitglied in zumindest einer oder zwei weiteren Gesellschaften. Ich selbst etwa bin Mitglied der ÖGN sowie der ÖGSF, der ÖGKN und der ÖGNR.

Auf der Website der ÖGN gibt es einen eigenen Bereich für Patienten mit häufig gestellten Fragen über die Neurologie bzw. über neurologische Krankheitsbilder, den Sie selbst verfasst haben. Worauf beruht dieses Engagement?

Die grundlegende Information der Patienten mit seriösen und verständlichen Fachinhalten ist mir persönlich ein großes Anliegen. Nicht nur weil alle Menschen potenzielle Patienten sind, sondern weil ein besseres Verständnis von Vorgängen in Körper und Psyche sowohl die Akzeptanz der medizinischen Maßnahmen fördert als auch das Schicksal des Patienten günstig beeinflusst. Jede Information, die wir auf gut verständliche Weise geben, bedeutet also auch, den Patienten gut zu begleiten. Während meiner Amtszeit ist allerdings keine Intensivierung der Kommunikation in Richtung Patienten geplant, weil die ÖGN erst 2014 im Europäischen Jahr des Gehirns dazu flächendeckend über ein Kalenderjahr Veranstaltungen in ganz Österreich durchgeführt hat.

Haben Sie ein spezielles Anliegen, das Sie via CliniCum neuropsy transportieren möchten?

Ein großes Anliegen ist es mir, junge Kollegen dazu zu motivieren, sich für die Förderung des Faches Neurologie und damit auch für die standespolitische Arbeit und ein entsprechend professionelles Lobbying einzusetzen. Sicher ist es eine ehrenamtliche und zeitaufwändige Aufgabe, es lohnt sich jedoch, sich um die Anliegen seines Berufes selbst zu kümmern. Man lernt sehr viel dabei! Mitunter habe ich den Eindruck, es herrscht bei vielen die Auffassung vor, nur „wir da oben“ im Vorstand setzen uns für die Neurologie ein – dabei ist jeder herzlich eingeladen mitzuarbeiten. Für die eigenen Berufsanliegen einzutreten ist eine Aufgabe, die jeder wahrnehmen kann – mit den Young Neurologists gibt es bereits erste Ansätze für ein Engagement. Ich wünsche mir, dass alle Neurologen – egal ob jung oder erfahren – bei entsprechenden Gelegenheiten für die Neurologie eintreten – das verstehe ich unter Lobbying im besten Sinne.

ÖGN-Web-Auftritt: breites Informationsangebot für Fachkreise und Patienten

Die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) vertritt die Interessen von Neurologen in standespolitischen und wissenschaftlichen Belangen und fördert die Neurologie in Aus- und Fortbildung, Lehre und Forschung. Sie betreibt Öffentlichkeitsarbeit und die Zusammenarbeit zwischen anderen Berufsgruppen. Aktuell zählt die ÖGN rund 1.000 Mitglieder (Quelle: www.oegn.at). Diese bietet auch einen guten Überblick über neurologische Behandlungsangebote in ganz Österreich, darunter eine Auflistung neurologischer Abteilungen, MS-Zentren sowie Facharztordinationen.

Aus fachlicher Sicht interessant sind zudem die auf der Internet- Homepage angeführten Behandlungsleitlinien, Untersuchungsprotokolle und neurologische Filme, etwa über die Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern oder die transkutane Vagusnervstimulation. In einem eigenen Patientenbereich werden häufig gestellte Fragen zur Neurologie und zu neurologischen Krankheiten auf gut verständliche Art erklärt. Zudem können Informationsfolder über Epilepsie, Kopfschmerzen oder MS im pdf-Format heruntergeladen bzw. als Ausdruck bestellt werden.

Das Gespräch führte Mag. Christina Lechner