Bei Patienten mit unklarer Myopathie sollte an Morbus Pompe gedacht werden. Zur relativ sicheren Erstdiagnostik genügt ein Trockenbluttest (DBS). Da Morbus Pompe zu den derzeit wenigen erblichen Myopathien mit ursachennaher Therapiemöglichkeit zählt, sollte eine rasche Diagnosestellung erfolgen. (CliniCum neuropsy 5/17)

Als einziger Vertreter der etwa 40 bekannten lysosomalen Speichererkrankungen betrifft der adulte Morbus Pompe (LOPD, Late­onset­Morbus­Pompe) hauptsächlich die Skelettmuskulatur und weniger die inneren Organe. Er wird daher auch den hereditären metabolischen Myopathien zugeordnet. Die aktuelle Zuordnung zur derzeit gültigen Klassifikation der Gliedergürteldystrophien als LGMD2I (Limb­Girdle­Muscular­Dystrophy 2I) wird derzeit überarbeitet, da es sich streng genommen beim Morbus Pompe nicht um eine Muskeldystrophie handelt. Die Erwachsenenform des Morbus Pompe (LOPD) ist trotz regionaler Unterschiede mit in der Literatur angegebenen Prävalenzen zwischen 1:33.000 und 1:300.000 eine sehr seltene, autosomal­rezessive Erberkrankung mit klinisch großer Variabilität, allerdings ist von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen. Klinisch hat die fehlende oder verminderte Aktivität der sauren α­1,4­Glukosidase einen langsam­progredienten Funktionsverlust und Abbau der Skelettmuskulatur im Sinne einer Gliedergürtelschwäche und Atemmuskelschwäche zur Folge. Im Bereich der erblichen Muskelerkrankungen ist der Morbus Pompe eine der wenigen Erkrankungen, für die seit 2006 eine zugelassene, ursachennahe Therapie zur Verfügung steht und die Erkrankung gemäß derzeitiger Literatur zumindest über Jahre zu stabilisieren vermag.

Abbildung 1: Typischer Befund einer Muskelbiopsie eines Patienten mit Morbus Pompe: In der (a) PAS-Färbung ausgeprägte Lipidspeicherung in den Vakuolen, diese stellen sich auch multipel in der (c) sauren Phosphatase positiv dar. (b) Semidünnschnitt mit Darstellung einer ausgeprägten vakuolären Myopathie, zusätzlich finden sich autophagische Vakuolen und einzelne Lipofuscingranula.

Abbildung 1: Typischer Befund einer Muskelbiopsie eines Patienten mit Morbus Pompe: In der (a) PAS-Färbung ausgeprägte Lipidspeicherung in den Vakuolen, diese stellen sich auch multipel in der (c) sauren Phosphatase positiv dar. (b) Semidünnschnitt mit Darstellung einer ausgeprägten vakuolären Myopathie, zusätzlich finden sich autophagische Vakuolen und einzelne Lipofuscingranula.

Pathogenese

Die Schlüsselfigur spielt beim Morbus Pompe die lysosomale α­1,4­Glukosidase, die unter physiologischen Bedingungen das Glykogen zu Glukose in den Lysosomen abbaut. Lysosomales Glykogen ist vor allem in quergestreifter Muskulatur der Skelett­, Herzund Zwerchfellmuskulatur sowie geringfügig in glatter Gefäßmuskulatur vorhanden, konnte aber auch in Vorderhornzellen und im N. phrenicus nachgewiesen werden.1 Durch eine autosomal­rezessive Mutation im GAA­Gen auf Chromosom 17 kommt es zu einer verminderten Expression der α­1,4Glukosidase, wodurch der essenzielle Stoffwechselschritt der Hydrolyse von Glykogen zu Glukose nicht oder nicht ausreichend erfolgt und Glykogen akkumuliert.2 Bei der infantilen Form (IOPD=infantile­onset Pompe disease) fehlt die α­1,4­Glukosidase in den Lysosomen vollständig. Bei der Erwachsenenform (LOPD=late­onset Pompe disease) ist das Enzym α­1,4­Glukosidase mit einer Aktivität von <40 Prozent vorhanden, so dass es hier im Vergleich zur infantilen Form zwar sehr viel langsamer, aber dennoch chronisch zu einer Glykogenansammlung in den Lysosomen kommt.

Im Anfangsstadium der Erwachsenenform besteht zunächst eine über viele Jahre subklinisch verlaufende Glykogenspeicherung mit Vergrößerung der Lysosomen und Verdrängung gesunder Zellen. Sehr variabel kommt es ab dem frühen bis mittleren Erwachsenenalter zu einem Gliedergürtelsyndrom.3,4 Im weiteren Verlauf führt die fortschreitende Glykogenakkumulation zu einer Zerstörung der Lysosomen mit Ruptur der lysosomalen Grenzmembran. Die Freisetzung von Glykogen und anderer lysosomaler Enzyme führt zu einer irreversiblen toxischen Zerstörung der Muskelzelle durch Autophagie. In diesem Stadium finden sich in der Muskelbiopsie (Abbildung 1) histologisch nachweisbares intraund extrazelluläres Glykogen sowie die zusätzliche Autophagie.2 Klinisch besteht in dieser Phase eine schwere, irreversible Myopathie. Die Höhe der Restaktivität der lysosomalen α­1,4­Glukosidase bestimmt damit grundlegend den Beginn der Symptomatik und den Schweregrad des klinischen Verlaufs.

Klinische Symptome & diagnostische „Red Flags“

Durch die variable klinische Präsentation und den unterschiedlichen Symptombeginn kann zwischen Erstsymptom und Diagnosestellung eine Latenz von ca. sieben bis zehn Jahren liegen.5 Das Manifestationsalter hängt maßgeblich von der Restaktivität der α­1,4Glukosidase ab, die eine klinische Unterscheidung zwischen der kindlichen Form (IOPD) mit einer Enzymrestaktivität von <1 Prozent, dem juvenilen Typ mit einer Restaktivität von ein bis zehn Prozent und der Erwachsenenform mit einer Enzymrestaktivität von ≤40 Prozent ermöglicht. Die kindliche Form weist bereits in den ersten Lebensmonaten ein „floppy infant“ mit Atemund Herzmuskelbeteiligung im Sinne einer Kardiomegalie mit ungünstiger Prognose auf3 und wird meist relativ schnell erkannt. Bei der adulten Form können Erstsymptome sehr variabel auch im höheren Lebensalter auftreten, am häufigsten jedoch im mittleren Erwachsenenalter um das 30. Lebensjahr.6

Abbildung 2: Serienbilder einer Patientin mit adultem Morbus Pompe beim Gehen. Hier zeigt sich ein durch insuffiziente Rückenstrecker-, Glutealund Abdominalmuskulatur typisches hyperlordotisches Trendelenburg- Gangbild mit Verschiebung der stabilen aufrechten Stand- und Gangachse (rote Linie).

Abbildung 2: Serienbilder einer Patientin mit adultem Morbus Pompe beim Gehen. Hier zeigt sich ein durch insuffiziente Rückenstrecker-, Glutealund Abdominalmuskulatur typisches hyperlordotisches Trendelenburg- Gangbild mit Verschiebung der stabilen aufrechten Stand- und Gangachse (rote Linie).

Eine Beteiligung der Herzmuskulatur ist bei der Erwachsenenform nicht zu erwarten, eine Hepatomegalie kann jedoch in einigen Fällen im Krankheitsverlauf vorkommen. Im Frühstadium der Erkrankung ist klinisch eine Unterscheidung zu anderen Myopathien mitunter sehr schwer, was die lange Latenz in der Diagnosestellung erklärt. Bei etwa 75 Prozent der Patienten liegt zu Beginn der Erkrankung ein Gliedergürtelsyndrom vor mit früher Beteiligung der Bauch­, Rückenstrecker­, Glutealund Oberschenkelmuskulatur.7 Hieraus resultiert durch Verschiebung der stabilen aufrechten Standund Gangachse das für den Pompe­Patienten typische hyperlordotische Trendelenburg­Gangbild, das fast schon eine Blickdiagnose zulässt (Abbildung 2). Eine Schwäche beim Aufstehen aus dem Sitzen oder der Hocke, das Hochkommen aus dem Liegen sowie bei fortgeschrittener Schwäche ein Gowers­Zeichen sind weitere klassische Befunde. Eine frühe Beteiligung der autochthonen Rückenstreckermuskeln kann zur Ausbildung einer Skoliose oder eines Bentbzw. Rigid­SpineSyndroms führen.8

Die Insuffizienz der Mm. trapezii und rhomboidei führt zu einer klassischen Scapula alata und eine Atrophie der Brustmuskulatur zur Ausbildung einer Pectoralisfalte.6 Bei einem Teil der Patienten treten Muskelschmerzen und Muskelkrämpfe als Frühsymptom in Erscheinung7, in fortgeschrittenen Stadien kann es jedoch aufgrund der zunehmenden muskulären Dysbalance zu Fehlbelastungen mit regionalen myofaszialen Schmerzsyndromen (Pseudoradikulärsyndrome) kommen, die typischerweise ein langfristiges multimodales Therapiekonzept erfordern. Bei etwa 16 Prozent der Patienten kann eine Belastungsdyspnoe oder eine Orthopnoe das erste klinische Zeichen aufgrund einer diaphragmalen Schwäche darstellen, im längeren Krankheitsverlauf kommt es bei über der Hälfte der Patienten zu einer progredienten restriktiven Ventilationsstörung6,9 mit Beatmungspflichtigkeit. Die Ausprägung der ventilatorischen Insuffizienz korreliert mit der Mortalität, so dass besonders auf klinische Zeichen der nächtlichen Hypoventilation wie unerholsamen Schlaf, morgendliche Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen geachtet werden muss.10

Abbildung 3: Messung der forcierten Vitalkapazität bei einem Patienten mit Morbus Pompe mit schwerer diaphragmaler Schwäche (links Fluss-Volumen-Diagramm, rechts Balkendiagramme der Pre-(Sitzend)- und Pos-(Liegend)-Werte sowie alters-, größen- und geschlechtskorrigierter Normalwert (Pred). Im Sitzen erreicht der Patient eine Vitalkapazität von 3,08 Litern (71 Prozent vom Soll). Im Liegen Abfall der FVC um 20 Prozent auf 2,46 Liter.

Abbildung 3: Messung der forcierten Vitalkapazität bei einem Patienten mit Morbus Pompe mit schwerer diaphragmaler Schwäche (links Fluss-Volumen-Diagramm, rechts Balkendiagramme der Pre-(Sitzend)- und Pos-(Liegend)-Werte sowie alters-, größen- und geschlechtskorrigierter Normalwert (Pred). Im Sitzen erreicht der Patient eine Vitalkapazität von 3,08 Litern (71 Prozent vom Soll). Im Liegen Abfall der FVC um 20 Prozent auf 2,46 Liter.

Ebenso sind regelmäßige Lungenfunktionsprüfungen mit Messung der Vitalkapazität (FVC) im Sitzen und im Liegen sowie maximaler inspiratorischer Druck (MIP), maximal exspiratorischer Druck (MEP) und Hustenspitzenstoß (Peak cough flow) empfohlen (Abbildung 3).10,11 Die frühe Mitbeteiligung der Atemmuskulatur wird derzeit nicht allein auf die Myopathie des Zwerchfellmuskels zurückgeführt, sondern zudem auf Glykogenablagerungen in Vorderhornzellen und dem N. phrenicus.1 Eine Beteiligung der fazialen und oropharyngealen Muskulatur ist bei den juvenilen Formen häufig, bei der adulten Form aber sehr viel seltener. Klinisch können hier eine Facies myopathica, Ptose, Zungenatrophie, Makroglossie, Dysphagie, Dysphonie und Dysarthrie, aber auch Hörminderung vorliegen.6

Letztere wird auf eine Mitbeteiligung des M. stapedius zurückgeführt. Eine Vorhersage über den Symptombeginn oder den klinischen Verlauf ist bei der Erkrankung nicht sicher möglich. Es kann zwar grob anhand der Restaktivität auf die Schwere der Erkrankung geschlossen werden, eine genaue Prognose ist aber weder anhand der Restenzymaktivitätsbestimmung noch aufgrund der Mutation im GAAGen sicher möglich. Eine Genotyp­Phänotyp­Korrelation gelang anhand großer Patientenkollektive nicht.9,12

Apparative und laborchemische Diagnostik

In der allgemeinen Diagnostik kommen die gleichen Untersuchungsverfahren zum Einsatz wie bei der Differenzialdiagnose aller Myopathien. Entsprechend sind diese Standarduntersuchungen nur wenig spezifisch für einen Morbus Pompe und können bei einer Vielzahl von Myopathien vorkommen:

  • Bei über drei Viertel der Patienten bestehen im Krankheitsverlauf erhöhte Werte der Kreatinkinase (CK) auf das bis zu Achtfache der Norm und der Laktatdehydrogenase (LDH), begleitend können Erhöhungen der Transaminasen GOT und GPT (AST und ALT) auffallen.
  • In der Elektromyographie können myogene Veränderungen mit Nachweis von pathologischer Spontanaktivität in der betroffenen Muskulatur, vor allem rumpfnah und paraspinal, abgeleitet werden. Es können aber auch unauffällige Befunde vorliegen.
  • Eine Bildgebung der Muskulatur mithilfe einer MuskelMRT oder Myosonographie kann den muskulären Umbau identifizieren und so über das Verteilungsmuster zur Diagnose beitragen. Im Muskel­MRT, in dem sich spezielle fettsupprimierte STIR­Sequenzen etabliert haben, imponiert ein fettiger Umbau bzw. bindegewebiger Ersatz. Häufig kann es zu ausgeprägten Flüssigkeitseinlagerungen in mäßig betroffenen, partiell fettig/ bindegewebig umgebauten Muskeln kommen (Abbildung 4).13 Der im MRT gesehene fettige Umbau korrelierte in einer Studie mit der Muskelkraft.14 Eine erhöhte Echogenität mit Verlust der Muskelfiederung zeigt in der Myosonographie den muskulären Umbau auf.
  • Die frühe Beteiligung der muskulären Atempumpe kommt nur bei einigen Myopathien vor und kann daher zur Diagnose eines Morbus Pompe beitragen. Beim M. Pompe sind relativ früh REM­Schlaf­assoziierte Sauerstoffentsättigungen typisch, im weiteren Erkrankungsverlauf kommt es dann zunächst zur nächtlichen Hyperkapnie, die später dann auch tagsüber messbar ist. Die nächtliche transkutane Messung von SpCO2 und SpO2 gibt wichtige Hinweise für eine nächtliche Hypoventilation, ebenso sollte eine atemmuskuläre Schwäche anhand der FVC im Sitzen und in Rückenlage untersucht werden. Ein Abfall über 20 Prozent zwischen sitzender und liegender FVC zeigt eine relevante diaphragmale Schwäche an (Abbildung 3). Zusätzlich scheinen maximaler inspiratorischer Druck (MIP), maximal exspiratorischer Druck (MEP) und Hustenspitzenstoß (PCF, Peak cough flow) früher als die FVC eine relevante Schwäche der Atemmuskeln zu detektieren und sind zudem gut geeignet zur Verlaufsdiagnostik.10 
  • Es finden sich in der Literatur mehrfache klinische Beschreibungen, wodurch ein Morbus Pompe durch ausgeprägte Gefäßektasien in der kraniellen MRT diagnostiziert wurde. Die weniger häufige, aber sehr relevante Beteiligung der zerebralen Gefäße, die zu Gefäßektasien und damit Gefahr der Gefäßruptur führen kann, wurde mehrfach beschrieben, weswegen eine zumindest einmalige cMRT bei jedem Patienten mit M. Pompe erfolgen sollte (Abbildung 4). Ursächlich wird eine Beteiligung der Intima der arteriellen Gefäße diskutiert. Zweifelsohne stellt aber diese Diagnostik keine spezifische Untersuchung für einen Morbus Pompe dar.
Abbildung 4: Muskel-MRT und kranielle Kernspintomographie einer Patientin mit Morbus Pompe. (a) und (b): Muskel-MRT der Oberschenkel ohne (a) und mit Kontrastmittel (b) mit Darstellung einer hochgradigen fettigen Atrophie der gesamten Oberschenkelmuskulatur mit Betonung der ischiokruralen Muskulatur und Anteilen des M. quadriceps femoris bds. Ödem und Kontrastmittelaufnahme in allen residuellen Muskelbäuchen, v.a. im linken M. sartorius und gracilis. Im (c) cMRT fällt eine Megadolichobasilaris auf, andere kranielle Gefäße sind nicht erweitert.

Abbildung 4: Muskel-MRT und kranielle Kernspintomographie einer Patientin mit Morbus Pompe. (a) und (b): Muskel-MRT der Oberschenkel ohne (a) und mit Kontrastmittel (b) mit Darstellung einer hochgradigen fettigen Atrophie der gesamten Oberschenkelmuskulatur mit Betonung der ischiokruralen Muskulatur und Anteilen des M. quadriceps femoris bds. Ödem und Kontrastmittelaufnahme in allen residuellen Muskelbäuchen, v.a. im linken M. sartorius und gracilis. Im (c) cMRT fällt eine Megadolichobasilaris auf, andere kranielle Gefäße sind nicht erweitert.

Die spezifische Diagnostik des M. Pompe stützt sich bei den minimalinvasiven Untersuchungen auf die Bestimmung der GAA­Aktivität in Blut oder Lymphozyten. Zur Verwendung kommen hier: der sehr spezifische Trockenbluttest (Dried­Blood­Spot­Test, DBS) aus Vollblut, der sich als standardisierte Screening­Methode aufgrund seiner geringen Kosten und einfachen Handhabung durchgesetzt hat. Er weist eine Spezifität von >98 Prozent auf und liefert damit eine hohe Zuverlässigkeit.15 Da der Morbus Pompe zu den derzeit wenigen erblichen Myopathien mit ursachennaher Therapiemöglichkeit zählt, sollte dieser Test sehr früh zum Screening bei unklaren Myopathien eingesetzt werden.

  • Eine Diagnostik aus Lymphozyten ist ebenfalls durch eine einfache Blutentnahme verfügbar, allerdings muss die Labordiagnostik innerhalb weniger Stunden erfolgen und ein Transport auf Eis garantiert sein, wodurch dieser Test im Vergleich zum DBS etwas aufwändiger ist.
  • Die Diagnostik aus Fibroblasten aus einer Hautbiopsie und der Muskelbiopsie sind invasive Methoden, liefern aber Befunde, die sehr spezifisch zur Diagnosesicherung beitragen können. Eine Muskelbiopsie war lange Standard in der Diagnostik des Morbus Pompe. In der morphologischen Untersuchung kann hier je nach Krankheitsstadium eine vakuoläre Myopathie mit Nachweis von intrazellulärem und freiem Glykogen nachgewiesen werden (Abbildung 1).4 Unauffällige Muskelbiopsien können allerdings ebenso vorkommen, entscheidend ist hier die korrekte Auswahl der Stelle der Muskelbiopsie. Vorzugsweise sind betroffene Muskeln, die bestenfalls zuvor im Muskel­MRT und/oder der Myosonographie Auffälligkeiten zeigten, auszuwählen.

Seit der routinemäßigen und kostengünstigen Verfügbarkeit des Next­Generation­Sequencing aus einer Blutentnahme sind allerdings invasive Verfahren zunehmend in den Hintergrund geraten und werden eher bei unklaren Myopathien oder aus wissenschaftlichen Gründen durchgeführt.

Zur endgültigen Diagnosesicherung und als Voraussetzung für eine (derzeit sehr kostenintensive) Enzymersatztherapie ist nach positivem Trockenbluttest und/oder auffälliger Muskelbiopsie eine zweite bestätigende Untersuchung notwendig. In Europa wird daher die molekulargenetische Untersuchung des GAA­Gens sowohl zur Diagnosesicherung als auch zur humangenetischen Familienberatung empfohlen. Derzeit umfasst die Pompe­Datenbank mehr als 350 eingetragene Mutationen im GAA­Gen (www.erasmusnc.nl), von denen >70 Prozent pathogen sind. In über 50 Prozent kommt für den adulten Morbus Pompe in Europa die Splice­Site­Mutation IVS1 (­13T>G) (=c.­45T>G) auf einem Allel des Chromosoms 17q25.3 vor. Diese ist als milde adulte Verlaufsform beschrieben, aber dennoch finden sich höchst unterschiedliche Schweregrade selbst innerhalb einer Familie mit gleichem Mutationsnachweis.9 Es wird daher derzeit vermutet, dass Modifier­Gene (mit­)verantwortlich für die Ausprägung des Schweregrads zu sein scheinen.

Übersicht

1932 beschrieb der niederländische Pathologe Johannes C. Pompe den Fall eines sieben Monate alten Mädchens mit schwerer Kardiomegalie und ausgeprägter Glykogenspeicherung in allen Organen. Durch seine Untersuchungen konnte er eine Verbindung zu den von Gierke im Jahr 1929 beschriebenen Fällen herleiten, bei denen ebenfalls eine massive Glykogenspeicherung in den Organen vorlag. Mit der Beschreibung der Lysosomen als zelluläre „Verdauungsorgane“ durch Christian De Duve in den 1950er Jahren wuchs das Verständnis dieser Erkrankung und wurde seither als „lysosomale Glykogenspeichererkrankung Typ II“ oder unter Bezug auf den Erstbeschreiber „Morbus Pompe“ bekannt. Mit der Beschreibung von Henri-Géry Hers im Jahr 1963 über das Fehlen der lysosomalen α-1,4-Glukosidase bei Pompe-Patienten wurde der Grundstein gelegt für das Verständnis der späteren Enzymersatztherapie bei lysosomalen Speichererkrankungen, die ein Jahr später, 1964, wiederum durch De Duve erstmals für den M. Gaucher (lysosomale β-Glucosidase-Defizienz) näher untersucht wurde. Die Etablierung der Enzymersatztherapie mit hochgereinigten humanen Enzymen beim Morbus Gaucher galt 1991 als Durchbruch in der Enzymersatztherapie, und wenig später konnte eine rasche Aufnahme des Enzymersatzes und der Nachweis einer ausreichenden Konzentration im Zielgewebe auch für den Morbus Pompe gelingen.

Hierzu zählen Polymorphismen in den Genen wie beispielsweise ACE, ACTN3, AGT und PPARalpha, die für den Aufbau der Muskelzelle essenziell sind.12 Sofern die klinische Symptomatik hochverdächtig auf einen Morbus Pompe ist, genügt die Direktsequenzierung des GAA­Gens. Bei unklaren Fällen einer Gliedergürtelschwäche hat sich die Hochdurchsatzmethode (Next­Generation­Sequencing, Multi­GenPanel) etabliert. Die molekulargenetische Untersuchung des GAA­Gens ist in nahezu jedem verfügbaren MultiGen­Panel für Myopathien inkludiert. Auf dem zweiten Allel des GAA­Gens muss beim autosomal­rezessiven Erbgang eine weitere Mutation vorliegen (compound heterozygot), um für die Erkrankung ursächlich pathogen zu sein. Liegt diese nicht vor, ist von einer Anlageträgerschaft auszugehen.

Therapie

Die derzeit einzig verfügbare Therapie für alle Formen des M. Pompe ist die seit 2006 zugelassene Enzymersatztherapie mit Alglucosidase alpha (Sanofi­Genzyme). Voraussetzung für diese sehr teure Therapie, die alle zwei Wochen intravenös in einer Dosierung von 20mg/kg Körpergewicht infundiert werden muss, ist der Nachweis einer pathogenen Mutation im GAA­Gen. Alglucosidase alpha kann rekombinant über chinesische Hamster­Ovar­Zelllinien (CHO) oder aus Milch transgener Kaninchen ausreichend produziert werden. Die Aufnahme des Enzyms in die Muskelzelle erfolgt über den auf der Muskelzelloberfläche ausreichend vorhandenen Mannose­6­Phosphat-Rezeptor. Durch Einbringen des Enzyms soll eine ausreichende Glykogenolyse erfolgen und somit die intralysosomale Glykogenspeicherung vermindert werden. In vier zulassungsrelevanten Studien konnte sowohl die Sicherheit als auch die Wirksamkeit der regelmäßigen EET mit Alglucosidase alpha nachgewiesen werden16, und eine signifikante Reduktion des Glykogens konnte nach sechs Monaten Behandlung in Muskelbiopsien nachgewiesen werden.13 

Im Jahr 2017 wurde die klinische Studienphase 1/2 mit dem Enzym BMN701 aufgrund fehlender Überlegenheit gegenüber Alglucosidase alpha durch die Firma Biomarin abgebrochen (BMN701­301, Biomarin Pharmaceuticals, NCT01924845). Hier war versucht worden, über den auf der Muskelzelle in höherer Anzahl vorliegenden InsulinRezeptor eine verbesserte Enzymaufnahme zu ermöglichen. Durch die Firma Sanofi­Genzyme erfolgt derzeit die klinische Studie des neoGAA (GZ402666, NCT01898364), der Weiterentwicklung von Alglucosidase alpha. Amicus Therapeutics testet derzeit die Wirkung der Kombination der Enzymersatztherapie (ATB200) mit einem Chaperon (Milgustat, AT2221; NCT02675465). Für die Therapie mit dem Enzymersatz Alglucosidase alpha sind an relevanten Nebenwirkungen vor allem allergische Reaktionen beschrieben, die unter entsprechender antihistaminerger Medikation gut zu kupieren sind, aber auch das nephrotische Syndrom ist als seltene Komplikation beschrieben.

Etwa jährlich sollten nicht neutralisierende IgG­Antikörper gegen Alglucosidase alfa untersucht werden, da Patienten mit höhertitrigen Antikörpern schlechter auf die EET anzusprechen scheinen.17 Alternative Ansätze zur ursächlichen Therapie wie Gentherapie mit Antisense Morpholino Oligonucleotiden (AMO) und Stammzelltherapie sind derzeit in Entwicklung. Aufgrund des drohenden irreversiblen Muskelverlustes ist zunächst eine schnelle Diagnosesicherung notwendig. Sobald klinische Symptome vorliegen, sollte mit der Enzymersatztherapie auch begonnen werden, denn der frühe Beginn verlangsamt die Krankheitsprogression nachweislich signifikant.13 Sowohl eine Verbesserung der muskulären Ausdauerkraft im Sechs­Minuten­Gehtest als auch eine Stabilisierung der Vitalkapazität konnten in einer Placebo­kontrollierten Studie nachgewiesen werden.18

Aufgrund der hohen Therapiekosten, die das Gesundheitswesen zweifelsohne belasten, gab es zuletzt viel Diskussion über den sinnvollen Beginn dieser Therapie, aber auch über das Beenden einer solchen. Entsprechend sind hierzu vor Kurzem europäische Konsensus­Empfehlung (EPOC: European Pompe Consortium) veröffentlicht worden.19 Eine Therapie bei klinisch asymptomatischen Patienten wird nicht empfohlen, jedoch sollte eine umfassende Untersuchung der Muskelkraft und der Vitalkapazität alle sechs Monate erfolgen. Eine Therapiebeendigung wird bei fehlendem positivem Ansprechen zwei Jahre nach Beginn der Therapie, bei lebensbedrohlichen Begleiterkrankungen, bei Nachweis hochtitriger, die EET­Wirkung reduzierender Antikörper oder bei Wunsch des Patienten nach einem Therapieabbruch empfohlen.19 Symptomatisch sollte jeder Patient regelmäßige Physiotherapie erhalten, um Sekundärschäden wie regionale Schmerzsyndrome aufgrund muskulärer Fehlbelastung bzw. muskulärer Dysbalance zu verhindern und auch den muskulären Abbau zu verlangsamen.

„Red Flags“ für den Late-onset-Morbus-Pompe

  • Drei Viertel der Patienten weisen zu Erkrankungsbeginn ein Gliedergürtelsyndrom und eine axiale Schwäche auf. Die Muskelschwäche kann variabel ausgeprägt sein, und eine frühe Beteiligung der Atemmuskulatur kann ebenso vorliegen, so dass bei jeder unklaren Myopathie nach respiratorischen Symptomen gefragt und/oder eine Lungenfunktionsdiagnostik durchgeführt werden sollte.
  • Wichtigster Punkt ist, bei Patienten mit unklarer Myopathie an den Morbus Pompe zu denken. Zur relativ sicheren Erstdiagnostik genügt ein Trockenbluttest (DBS), bei auffälligem Test sollte eine molekulargenetische Analyse des GAA-Gens erfolgen. Bei Multi-Gen-Panels ist die Analyse des GAA-Gens meist bei den hereditären oder metabolischen Myopathien inkludiert.
  • Da der Morbus Pompe zu den derzeit wenigen erblichen Myopathien mit ursachennaher Therapiemöglichkeit zählt, sollte eine rasche Diagnosestellung erfolgen.
  • Die Beteiligung der Atemmuskulatur ist häufig und reduziert die Lebenserwartung signifikant. Eine regelmäßige Diagnostik der Atemfunktion auch nach Diagnosestellung ist daher zu empfehlen.
  • Die derzeit verfügbare Enzymersatztherapie ist in mehreren Studien als sicher und effektiv nachgewiesen worden, relevante Nebenwirkungen treten im Sinne allergischer Reaktionen selten auf und sind gut medikamentös beherrschbar. Hohe Antikörpertiter gegen das Enzym scheinen nach derzeitigem Wissensstand den Effekt der EET zu reduzieren.

Sowohl aerobes Muskeltraining als auch Vibrationsplattformen scheinen in kleinen Studien positiven Einfluss auf Myalgien, Muskelkraft und Fatigue zu haben20, ebenso existieren Berichte über den positiven Effekt eines regelmäßigen inspiratorischen Atemmuskeltrainings.10 Sofern klinische Zeichen der nächtlichen Hypoventilation auftreten oder regelmäßige Lungenfunktionsprüfungen eine zunehmende restriktive Ventilationsstörung anzeigen, ist eine Polysomnographie zur Beurteilung einer nächtlichen Hypoventilation zu empfehlen und ggf. eine nicht invasive Beatmung einzuleiten.10,11 Bei mylagieformen Schmerzsyndromen ist eine medikamentöse und nicht medikamentöse Schmerztherapie (Verhaltensschulung, Schmerzbewältigungsstrategien) indiziert. Systemisch werden Muskelrelaxantien zur Detonisierung sowie Membranstabilisatoren (bsp. Pregabalin, Carbamazepin) oder Antidepressiva (bsp. Amitriptylin, Duloxetin) empfohlen.

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Wenninger

Dr. Stephan Wenninger
Friedrich-Baur-Institut an der neurologischen Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München E-Mail: stephan. wenninger@med. uni-muenchen.de

 

 

Interessenkonflikte: Keine im Hinblick auf das gegenwärtige Manuskript. Vortragshonorare und Reisekostenunterstützung von den Unternehmen CSL Behring, Sanofi- Genzyme, Recordati Pharma sowie als Mitglied im Advisory Board der Firma Alexion Pharma.