Eine Schluckstörung (Dysphagie) ist eine häufige Folge von Schlaganfällen, welche bei rund der Hälfte aller Patienten auftritt. Schluckstörungen können zu Aspiration und Pneumonie führen und sind mit einer höheren Mortalität assoziiert. Darüber hinaus haben Patienten mit Dysphagie verlängerte Krankenhausaufenthalte, eine höhere Einweisungsrate in Pflegeheime und eine reduzierte Lebensqualität. (CliniCum neuropsy 1/18)

Aufgrund der Gefährdung durch die Aspirationspneumonie ist eine rasche und zielgerichtete Abklärung von Schluckstörungen bei Schlaganfallpatienten wichtig. Nach Krankenhausaufnahme sollte möglichst rasch eine Abklärung des Aspirationsrisikos per Screeningtest erfolgen. Dies kann beispielsweise durch den einfachen, in Österreich entwickelten und auf diplomiertes Pflegepersonal zugeschnittenen Gugging Swallowing Screen (GUSS) erfolgen. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass eine rasche Abklärung innerhalb der ersten Stunden nach Aufnahme das Pneumonierisiko senken kann, da schnell entsprechende Schritte zur Aspirationsprävention getroffen werden können (angefangen von besonderer Vorsicht bei der Nahrungsaufnahme über verschiedene Formen der Kostadaptierung bis hin zur Ernährung per Nasogastralsonde). Besteht aufgrund des Screenings der Verdacht auf eine Schluckstörung, ist eine weiterführende Abklärung sinnvoll.

Abbildung 1: Beispiele typischer Infarktlokalisationen von rezenten kleinen subkortikalen Infarkten (RSSI) in der MRT (diffusionsgewichtete Sequenz): Capsula interna (A), Pons (B), Thalamus (C) und Marklager (D)

Abbildung 1: Beispiele typischer Infarktlokalisationen von rezenten kleinen subkortikalen Infarkten (RSSI) in der MRT (diffusionsgewichtete Sequenz): Capsula interna (A), Pons (B), Thalamus (C) und Marklager (D)

Diese wird in aller Regel durch Logopäden durchgeführt. Besonders leicht übersehen wird die sogenannte „stille Aspiration“. Diese kommt vor allem bei hochgradigen laryngopharyngealen Sensibilitätsstörungen vor und zeichnet sich dadurch aus, dass Patienten bei Aspiration nicht mit einem physiologischen Hustenreflex reagieren, sondern die Aspiration zunächst gar nicht unmittelbar auffällt – in vielen Fällen erst mit der Aspirationspneumonie. Gerade bei suszipierter stiller Aspiration sind weitere apparative Untersuchungen wie die fiberendoskopische Schluckevaluierung (FEES) oder die Videofluoroskopie sinnvoll. Diese Untersuchungen können auch zur Diagnosesicherung und Differenzierung des Schweregrads von Dysphagien durchgeführt werden und können so wertvolle Hinweise für die weitere Schlucktherapiesteuerung liefern. Besonders häufig treten Schluckstörungen bei großen ischämischen Infarkten auf. Darüber hinaus sind Schädigungen im Hirnstamm aufgrund der engen anatomischen Zusammenhänge zwischen Schluckzentren, Hirnnervenkernen und sensomotorischen Bahnen mit einer hohen Dysphagierate verbunden.

Abbildung 2: Beispiel für einen Patienten mit schwerer Schluckstörung, bei welchem die MRT einen frischen Infarkt in der Capsula interna links (weißer Pfeil) und eine alte lakunäre Läsion in der Capsula interna rechts (grüner Pfeil) darstellen konnte (links: Diffusionsgewichtete Sequenz, rechts: FLAIR-Sequenz).

Abbildung 2: Beispiel für einen Patienten mit schwerer Schluckstörung, bei welchem die MRT einen frischen Infarkt in der Capsula interna links (weißer Pfeil) und eine alte lakunäre Läsion in der Capsula interna rechts (grüner Pfeil) darstellen konnte (links: Diffusionsgewichtete Sequenz, rechts: FLAIR-Sequenz).

Rezente kleine subkortikale Infarkte (recent small subcortical infarcts, RSSIs), in der Vergangenheit oft als akute lakunäre Infarkte bezeichnet, sind bisher weniger mit Schluckstörungen in Zusammenhang gebracht worden. Sie resultieren aus dem Verschluss kleinerer perforierender Hirnarterien und sind zumeist die Folge einer zerebralen Kleingefäßerkrankung. Rund ein Viertel aller ischämischen Schlaganfälle sind RSSIs, die typischerweise in den Stammganglien, im Thalamus, Mesencephalon, Pons oder im subkortikalen Marklager auftreten. Da nur ein kleines Gefäß verschlossen ist, sind die resultierenden Infarkte charakteristischerweise klein (<2cm im axialen Durchmesser) und die klinischen Folgen meist milder als bei anderen Hirninfarkten. Traditionell nahm man deshalb auch an, dass Schluckstörungen bei derartigen kleinen Infarkten sehr selten vorkommen und wenn, dann vor allem bei Lokalisation im Hirnstamm. Genauere Untersuchungen zu dieser Fragestellung gab es bis vor Kurzem aber nur wenige.

Grazer Untersuchungen

Wir identifizierten deshalb alle Schlaganfallpatienten unserer Klinik über einen Zeitraum von fünf Jahren, die im zerebralen MRT einen RSSI aufgewiesen hatten, und erhoben retrospektiv das Vorliegen und die Schwere von Schluckstörungen sowie demografische und klinische Variablen (Fandler et al.: Frequency and Predictors of Dysphagia in Patients With Recent Small Subcortical Infarcts. Stroke 2017). Insgesamt konnten 332 Patienten mit einem RSSI in die Untersuchung eingeschlossen werden. Die Patienten waren durchschnittlich 68 Jahre alt (±12 Jahre), 65 Prozent waren Männer. Die anhand der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) graduierte Schlaganfallschwere betrug im Median 3, dies entspricht einem leichteren Schlaganfallsyndrom. Die Diagnostik der Schluckstörungen erfolgte durch Logopäden, unter anderem durch Verwendung des GUSS.

Ergebnisse

25 Prozent (83/332) aller Patienten und immerhin noch 20 Prozent (49/245) der Patienten mit supratentorieller Lokalisation des RSSI wiesen eine Schluckstörung auf. Die Dysphagie war in 55 Prozent der Patienten leichtgradig, in 31 Prozent moderat und in 13 Prozent schwer ausgeprägt, was bei Letzteren eine Ernährung per Nasogastralsonde notwendig machte. Die anatomische Lokalisation der Infarkte verteilte sich auf Capsula interna/ Stammganglien (33 Prozent), Pons (26 Prozent), Thalamus (23 Prozent) und Marklager (18 Prozent). In einer multivarianten Analyse zeigten sich ein höherer Schlaganfallschweregrad (gemessen an der NIHSS), eine Infarktlokalisation im Pons und eine begleitende schwere Ausprägung von Marklagerläsionen (white matter hyperintensities, WMH) als statistisch signifikante Prädiktoren für das Auftreten von Schluckstörungen.

Die hohe Prävalenz (25 Prozent) von Schluckstörungen bei Patienten mit RSSI ist überraschend und von hoher klinischer Bedeutung. Relevant erscheint vor allem auch der Aspekt, dass ein Fünftel aller Patienten mit supratentoriellen kleinen Infarkten eine Dysphagie aufwies. Unsere Untersuchung zeigt somit, dass auch bei Patienten mit leichten und kleinen Schlaganfällen eine systemische Dysphagieabklärung notwendig ist, um das Risiko von Komplikationen wie Aspirationspneumomie rasch zu erkennen und möglichst zu verhindern. Während eine Infarktlokalisation im Hirnstamm als Risikofaktor für eine Schluckstörung plausibel erscheint, sind die Mechanismen, wie kleine supratentorielle Infarkte zu einer Dysphagie führen, bis dato wenig charakterisiert. In einer weiteren Untersuchung konzentrierten wir uns nur auf Patienten mit RSSIs außerhalb des Hirnstamms (n=243).

Während wir in einem automatisierten Lesion Probability Mapping keine supratentorielle Infarktlokalisation ausfindig machen konnten, die mit dem Auftreten einer Schluckstörung besonders assoziiert war, zeigte sich bei systematischer Analyse der MRT-Bilder von Patienten mit schwereren Schluckstörungen, dass diese besonders häufig eine bihemispärielle Schädigung des Tractus corticospinalis hatten – einerseits durch den RSSI und andererseits durch eine kontralaterale alte vaskuläre Läsion (zumeist lakunärer Infarkt), wie dies auch für die Pseudobulbärparalyse bekannt ist. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit (patho-) physiologischen Erkenntnissen, nach welchen das Schlucken eine komplexe zerebrale Funktion darstellt, welche neben Zentren im Hirnstamm insbesondere die sensomotorischen Bahnen beider Großhirne miteinbezieht. Bei leichteren einseitigen Schädigungen der relevanten Bahnsysteme kann die Schluckfunktion in der Regel aufrechterhalten und durch die kontralateralen Bahnen kompensiert werden – sind die Trakte bilateral betroffen, ist diese Kompensation in vielen Fällen nicht mehr möglich.

Zusammenfassung

Zusammengefasst zeigen unsere Ergebnisse, dass auch Patienten mit kleinen und vermeintlich „leichteren“ Schlaganfällen zu einem relevanten Prozentsatz an Schluckstörungen leiden. Eine rasche klinische Schluckabklärung mit gegebenenfalls weiterführender Diagnostik und logopädischer Therapie sind notwendig, um Schluckstörungen möglichst rasch zu erkennen, zu behandeln und potenzielle Komplikationen zu vermeiden.

Fotos: PrivatDr. Simon Fandler, Priv.-Doz. DDr. Thomas Gattringer, Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz, Mail: simon.fandler@medunigraz.at