Die diesjährige Jahrestagung der Österreichischen Parkinson Gesellschaft in Innsbruck stand ganz im Zeichen des 200-jährigen Jubiläums des „Essay of the Shaking Palsy“ von James Parkinson. Anfänge der Parkinson-Therapie und Fortschritte seit 1817 waren ebenso Themen spannender Vorträge nationaler und internationaler Experten wie neue Therapien und aktuelle Entwicklungen. (CliniCum neuropsy 6/17) 

Rund 200 Jahre ist es her, dass James Parkinson sein „Essay on the Shaking Palsy“ in London veröffentlichte. „Die Faszination über die Genauigkeit und Präzision von Parkinsons damaliger klinischer Beobachtung besteht bis heute“, so Tagungspräsident O. Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe, Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck, einleitend bei seinem Vortrag „Paralysis agitans – das Krankheitskonzept von J. Parkinson“. Parkinsons Beschreibung war die erste über die Erkrankung und zugleich auch der Beginn der Geschichte des idiopathischen Parkinson-Syndroms.

„Der Aufsatz wurde von Medizinern nach der Erscheinung sehr positiv auf- und wahrgenommen“, berichtete Poewe und verwies auf eine Rezension im „Medico-Chirurgical Journal“ aus dem Jahr 1817, in welchem das Essay mit den Worten: „this little pamphlet is highly worthy of perusal and deserves the attention of the medical public“ besprochen wurde. Und auch Jean-Martin Charcot, welcher später gemeinsam mit Alfred Vulpain erstmals den Rigor, eines der Kardinalsymptome von Morbus (M.) Parkinson beschrieb, hob mit Worten wie: „So kurz diese Arbeit ist, enthält sie eine Reihe glänzender Ideen […] es handelt sich um eine lebensnah beschreibende Definition, die […] gegenüber anderen immer den Vorzug haben wird, die erste gewesen zu sein“ die Einzigartigkeit der in Parkinsons Essay zusammengefassten klinischen Beobachtungen hervor.

Erste Therapieversuche mit Levodopa

Charcot ist es auch, auf welchen die erste medikamentöse Behandlung von M. Parkinson zurückzuführen ist, wobei es nach Charcot noch viele Jahrzehnte dauerte, bis 1960 erkannt wurde, dass die Symptome des M. Parkinson Folge eines Dopaminmangels im Gehirn sind. Allerdings waren die ersten Behandlungsversuche, die darin bestanden, dem Körper das fehlende Dopamin zuzuführen, erfolglos, da dieses die Blut-Hirn- Schranke nicht passieren kann. Prof. Dr. Olivier Rascol, Department für klinische Pharmakologie, Universitätsklinik Toulouse: „Die Idee, Parkinson- Patienten mit Levodopa (L-Dopa), der Vorläufersubstanz von Dopamin, zu behandeln, in der Hoffnung, dass dieses die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, geht auf den Pharmakologen Oleh Hornykiewicz zurück, der gemeinsam mit Walther Birkmayer die faszinierenden Resultate einer Untersuchung publizierte, im Rahmen welcher Parkinson-Patienten niedrig dosierte intravenös verabreichte Einzeldosen L-Dopa erhalten hatten.“

Wissenschaftlicher Durchbruch

Der wissenschaftliche Durchbruch mit L-Dopa gelang George Constantin Cotzias, der seine Patienten 1967 mit höheren, oral verabreichten LDopa- Dosen behandelte, 1970 kam L-Dopa schließlich auf den Markt. Im Jahr 2004 wurden die Ergebnisse der ELLDOPA-Studie veröffentlicht, einer randomisierten doppelblinden Placebo- kontrollierten Studie, die den dosisabhängigen symptomatischen Effekt von L-Dopa noch einmal belegte.1 Rascol: „In den letzten Jahrzehnten wurden in der Parkinson-Forschung bedeutende Fortschritte gemacht, L-Dopa kommt dabei eine zentrale Rolle zu.“

Neue L-Dopa-Formulierungen

L-Dopa zählt auch ein halbes Jahrhundert nach seiner Entdeckung zum Standardrepertoire der Parkinson- Therapie. Neue L-Dopa-Formulierungen, darunter IPX066, die „Akkordeon- Pille“ und andere neue medikamentöse Behandlungen bei M. Parkinson waren zentrale Inhalte eines Vortrags von Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Pirker, Neurologische Abteilung, Wilhelminenspital, Wien. Das L-Dopa-Carbidopa-Präparat IPX066 ist eine Mischung aus immediate- release (IR) und extended-release (ER) L-Dopa, dessen Wirksamkeit in der Therapie des frühen M. Parkinson aus einer randomisierten doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie mit 381 L-Dopa-naiven Patienten hervorgeht.2 Patienten unter der Prüfsubstanz erhielten dreimal täglich IPX066 mit 145, 245 oder 390mg Levodopa, primärer Endpunkt zur Bestimmung der Wirksamkeit war die Veränderung in der UPDR-Skala (Unified Parkinson’s Disease Rating Scale) in den Bereichen II (Aktivitäten des täglichen Lebens) und III (motorische Fähigkeiten) 30 Wochen ab Baseline.

Es zeigte sich eine Überlegenheit von IPX066 in allen Dosierungen gegenüber Placebo, die durchschnittliche Verbesserung in der UPDRS (II+III) nach 30 Wochen betrug je 11,7, 12,9, 14,9 (IPX066 145mg, 245mg, 390mg) und 0,6 (Placebo) Punkte (p<0,0001). In einer randomisierten doppelblinden Phase-III-Studie (n=393) zeigte sich unter IPX066 eine stärkere Reduktion der täglichen OFF-Zeit als unter IR-L-Dopa (-1,17h unter 3,6 Dosen IPX066 vs. 5 Dosen IR)3, die Langzeitwirksamkeit von IPX066 wurde in einer neunmonatigen openlabel Verlängerungsstudie nachgewiesen.4 Pirker: „IPX066 wurde 2015 in den USA zugelassen, ob es auch in Europa die Zulassung erhält, ist unklar.“ Die Akkordeon-Pille Carbidopa-Levodopa (AP-CDLD) verdankt ihren Namen ihrer Struktur, welche einem Akkordeon ähnelt, um eine verzögerte Abgabe von L-Dopa zu ermöglichen. Es handelt sich um eine Kapsel mit gefaltetem L-Dopa-Film, welcher sich nach Einnahme auflöst, wodurch die Substanz langsam und kontrolliert freigesetzt wird. In einer Phase- II-Studie mit fortgeschrittenen Parkinson- Patienten mit Wirkungsfluktuationen führte die gastroretentive Formulation zu einer statistisch signifikanten Reduktion der OFF-Zeit und Reduktion täglicher L-DOPA Dosen.5 „Die Substanz befindet sich derzeit in Entwicklung, weitere Studien mit APCDLD sind in Planung. Bisherige Studienergebnisse erlauben jedoch vorsichtigen Optimismus, dass es sich hierbei zukünftig um eine neue mögliche Therapieoption handeln könnte“, so Pirker.

Opicapon

Von weiteren Updates berichtete Pirker in Zusammenhang mit COMT-Inhibitoren: „Der neue COMT-Hemmer Opicapon wird in einer Fixkombination mit L-Dopa und einem Decarboxylasehemmer verabreicht, ist im Unterschied zu Tolcapon nicht lebertoxisch, im Gegensatz zu Entacapon nicht harnverfärbend und muss aufgrund seiner hohen Bindungsaffinität nur einmal täglich eingenommen werden. Empfohlen wird eine Einmaldosis von 50mg vor dem Zubettgehen im Abstand von mindestens einer Stunde zu L-Dopa-Kombinationspräparaten.“ Aus der randomisierten Doppelblindstudie BIPARK 1 mit 600 Patienten mit End-of-Dose-Fluktuationen, welche die Sicherheit und Wirksamkeit von Opicapon als Begleittherapie zu L-Dopa im Vergleich zu Placebo oder Entacapon untersuchte, geht die Nichtunterlegenheit des neuen COMT-Hemmers im Vergleich zu Entacapon hevor.6 In der Phase-III-Studie BIPARK 2 konnte für Opicapon 50mg eine signifikante Verbesserung der OFF-Zeit im Vergleich zu Placebo gezeigt werden (-54,3 [95% KI, -96,2 bis -12,4] Minuten; p=0,008), häufigste Nebenwirkungen unter der Prüfsubstanz waren Dyskinesien, Obstipation und Mundtrockenheit.7 Opicapon wurde 2016 von der EMA zugelassen und ist, so Pirker, möglicherweise die nächste Substanz, die das medikamentöse Armamentarium zur Behandlung des M. Parkinson in Österreich erweitern wird.

Neues von Apomorphin

Auch vom Dopaminagonisten Apomorphin gibt es Neues zu berichten, „darunter die Entwicklung von APL- 13077, einem sublingualen Filmstrip mit 10 bis 30mg Apomorphin“, erklärte Pirker und verwies auf eine Openlabel- Phase-II-Studie, im Rahmen welcher 19 mit Trimethobenzamid vorbehandelte Patienten während eines OFF 10mg APL-130277 erhielten.8 Wurde während drei Stunden nach APL-130277-Gabe kein ON erreicht, wurde die Dosis in 5mg-Abstufungen so lange erhöht, bis ein ON oder die Maximaldosis von 30mg erreicht war. Insgesamt erreichten 15 (78,9%) Patienten eine volle ON-Response innerhalb von 30 Minuten, sechs Patienten (40%) kamen innerhalb von 15 Minuten ins ON. Häufigste Nebenwirkungen waren Schwindel (36,8%), Somnolenz (31,6%) und Übelkeit (21,1%). Pirker: „Im Gegensatz zu anderen oralen Therapieversuchen mit Apomorphin ist APL-13077 gut wirksam, die Wirklatenz der sublingualen Apomorphin-Formulation ist allerdings länger als jene von subkutan verabreichtem Apomorphin. Die Ergebnisse einer randomisierten Phase- III-Studie werden mit Spannung erwartet.“

Update zu Amantadin

Last, but not least gab Pirker ein Update zu Amantadin, welches zu einer Besserung von Dyskinesien und Fluktuationen führt und für welches erst unlängst im Rahmen der randomisierten Placebo-kontrollierten EASE LID 3-Studie eine signifikante Reduktion von L-Dopa-induzierten Dyskinesien und eine Verbesserung der OFF-Zeit dokumentiert werden konnte.9 „Aufgrund der bereits bekannten Wirksamkeit auf L-Dopainduzierte Dyskinesien, welche nun erneut bestätigt wurde, spielt Amantadin im täglichen Management der Erkrankung eine wichtige Rolle“, erklärte Pirker und hielt als Fazit fest: „Die Therapieoptionen bei M. Parkinson sind vielfältig. MAO-B- und COMT-Inhibitoren verlängern die Wirkung von L-Dopa, welches noch immer die wirksamste orale Therapiestrategie ist. Dopaminagonisten verzögern das Auftreten motorischer Komplikationen, und Amantadin ist das wichtigste Medikament zum Management von Dyskinesien. Die neuen Therapieansätze und aktuellen Entwicklungen sind vielversprechend, welche Medikamente schließlich Eingang in die Praxis finden, bleibt gegenwärtig jedoch offen.“

Jahrestagung der Österreichischen Parkinson Gesellschaft (ÖPG), Innsbruck, 12.–14.10.17

Referenzen:
1 Fahn et al., N Engl J Med 2004; 351:2498–508
2 Pahwa et al., Parkinsonism Relat Disord 2014; 20(2):142–8
3 Hauser et al., Lancet Neurol 2013; 12(4):346–56
4 Waters et al., CNS Drugs 2015; 29(4):341–350
5 DeWitt et al., MDS Abstract, 16th Int Congress of Parkinson’s Disease and Movement Disorders, Vol 27, 2012 Abstract Supplement
6 Ferreira et al., Lancet Neurol 2016; 15(2):154–165
7 Lees et al., JAMA Neurol 2017; 74(2):197–206.
8 Hauser et al., Mov Disord 2016; 31(9):1366–72
9 Oertel et al., Mov Disord 2017 Aug 21. doi: 10.1002/mds.27131.Epub ahead of print]

Von Katharina Miedzinska, MSc