Kinder mit Gehirnverletzungen sind in der Lage, ihre sprachrelevanten Areale in andere, gesunde Hirnbereiche zu reorganisieren und so die Sprachfähigkeit zu erhalten. Das gelingt aber nur bis zu einem gewissen Grad, sie haben im Vergleich zu gesunden Kindern trotzdem häufig verschlechterte Sprachfähigkeiten. Für das Sprechen zuständige Hirnareale werden offenbar schon in der embryonalen Entwicklung festgelegt. Das sind die ersten zentralen Ergebnisse einer interdisziplinären Forschungskooperation der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde und der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der MedUni Wien.

Gesunde Kinder mit besseren Sprachfähigkeiten nutzen demnach häufiger ein bilaterales Sprachnetzwerk, das Regionen beider Hemisphären miteinander verbindet. So zeigen die Forscher, dass bei gesunden Kindern ein größerer Wortschatz, eine höhere verbale Flexibilität und ein besseres verbales Lernen mit einer stärker bilateral organisierten Sprachlokalisation assoziiert ist. Auch bei Kindern, die einen Schlaganfall erlitten hatten, konnten die Forscher einen signifikanten Zusammenhang zwischen Sprachlokalisation und Sprachfähigkeiten nachweisen. Während das Alter bei Auftreten des Schlaganfalls, Läsionsgröße oder Läsionslokalisation keinen Einfluss auf die Sprachfähigkeiten hatten, zeigte sich eine atypische Reorganisation der Sprachareale aber als nachteilig für die Sprachfähigkeiten. Projektleiterin Ass.-Prof. Mag. Dr.in Bartha-Doering von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde: „Unsere bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass es eine frühkindliche, wahrscheinlich schon vorgeburtliche Prädisposition von spezifischen Spracharealen beim Menschen gibt. Selbst wenn eine Verletzung neuronaler Strukturen sehr früh in der Entwicklung auftritt, ist das kindliche Gehirn nicht uneingeschränkt fähig, sprachrelevante Areale zu reorganisieren.

Eine atypische Reorganisation geht mit einer signifikanten Verschlechterung der Sprachfähigkeiten einher. Hier sind der wohlgerühmten kindlichen Plastizität des Gehirns doch Grenzen gesetzt.“ Gerade die sehr frühe funktionelle Entwicklung relevanter Hirnstrukturen steht nun in Zukunft im Fokus des Forschungsteams. In einem FWF-KLIFProjekt beschäftigen sich die Forscher mit der Frage, inwieweit fetale MRI-Diagnostik Vorhersagen über die spätere Sprachlokalisation und Sprachentwicklung geben kann. Auch hierzu sind schon zwei erste Publikationen entstanden, die einen Zusammenhang zwischen struktureller fetaler Entwicklung der temporalen Hirnstrukturen und späterer Sprachlokalisation aufzeigen. Die Ergebnisse dieser Forschung sollen in Zukunft genauere Prognosen der weiteren kognitiven Entwicklung und das frühe Planen gezielter Therapiestrategien ermöglichen.

(Bartha-Doering L et al.: Atypical language representation is unfavorable for language abilities following childhood stroke. European Journal of Paediatric Neurology 2018. doi:10.1016/j.ejpn.2018.09.007; Bartha-Doering L et al.: Weaker Semantic Language Lateralization Associated with Better Semantic Language Performance in Healthy Right-handed Children. Brain and Behavior 2018; doi:10.1002/ brb3.1072; Bartha-Doering L et al.: When two are better than one: Bilateral mesial temporal lobe contributions associated with better vocabulary skills in children and adolescents. Brain and Language 2108; doi:10.1016/j.bandl.2018.06.001)

RED

erschienen in: 05/2018, CliniCum neuropsy