Kognitive Verhaltenstherapie verbessert den Gesundheitszustand von Patienten mit myotoner Dystrophie Typ 1. Zu diesem Ergebnis kommt die randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie OPTIMISTIC, die an vier Zentren in mehreren europäischen Ländern durchgeführt wurde. (CliniCum neuropsy 6/18)

Die im Rahmen des Kongresses der European Academy of Neurology präsentierten Highlights sind nun tatsächlich druckfrisch – soweit diese Analogie im digitalen Zeitalter noch anwendbar ist. Im Rahmen der abschließenden Plenary Session wurden aktuelle Studien präsentiert und zeitgleich im „Lancet Neurology“ publiziert.

Neue Wege

Prof. Dr. Benedikt Schoser vom Klinikum der Universität München stellte die Ergebnisse der OPTIMISTIC-Studie vor, die die Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie bei Patienten mit myotoner Dystrophie Typ 1 (DM1) untersuchte.1 Schoser: „Wir haben einen völlig neuen Weg gewählt und eine randomisierte, kontrollierte Studie zum Einsatz von Verhaltenstherapie bei einer genetischen Erkrankung durchgeführt.“ Myotone Dystrophie Typ 1 ist nicht heilbar, nur sehr begrenzt symptomatisch behandelbar und verkürzt die Lebenserwartung erheblich. In kleinen Studien wurde mit Bewegungstherapie eine gewisse Verbesserung erreicht.

DM1 ist die häufigste Myotonie und wird autosomal-dominant vererbt. Die Ursache ist ein genetischer Defekt auf Chromosom 19 mit (CTG)n Trinukleotid-Repeat-Expansion, der zu einer verminderten Produktion der Myotonin-Proteinkinase führt. Dadurch kommt es zur Schädigung der Muskelfasermembran und der Calciumpumpe SERCA. Damit ist DM1 eine Multisystemerkrankung, die sich unter anderem in schwerer Fatigue, signifikanter funktioneller Einschränkung und letztlich frühem Tod äußert. Aufgrund ihres schlechten Gesamtzustandes sind die Betroffenen auch in ihrem sozialen Leben stark eingeschränkt. Neben der Muskelschwäche und Fatigue beeinträchtigen noch zahlreiche weitere Faktoren wie Schlafstörungen, Schmerzen und Myotonus die Lebensqualität der Patienten.2 Um die OPTIMISTIC-Studie durchführen zu können, musste zunächst die klinische Praxis in mehreren europäischen Zentren harmonisiert werden.

Schoser: „Wir führten die Studie sehr ähnlich wie eine Medikamentenstudie durch.“ Das bedeutete einen klar vorgegebenen Zeitrahmen, das Monitoring von Nebenwirkungen sowie einheitliche und möglichst objektive Messungen des Outcome. Ziel war letztlich, den Gesundheitszustand der Patienten mit DM1 zu verbessern. In die Studie wurden 255 Patienten in vier Zentren eingeschlossen und in einen Interventionsund einen Kontrollarm randomisiert. Patienten im Inter ventionsarm erhielten in zehn bis 14 Sitzungen über zehn Monate kognitive Verhaltenstherapie, der Kontrollarm wurde nach „Standard of Care“ betreut. Die Einschlusskriterien sahen vor, dass die Patienten unter schwerer Fatigue leiden, aber in der Lage sein mussten, selbstständig zu gehen.

Wirksame Intervention

Die kognitive Verhaltenstherapie zielte auf das Formulieren von Zielen ab, wodurch fehlende Initiative kompensiert und die soziale Interaktion verbessert werden sollte. Weiters sollten der Schlafrhythmus reguliert, ein gewisses Maß an körperlicher Aktivität erreicht, das Coping im Umgang mit Schmerz verbessert und die Konzepte und Vorstellungen zu Fatigue bearbeitet werden. Die Intervention erwies sich als wirksam. Der DM1-Activ-c Score verbesserte sich von durchschnittlich 61,22 Punkten auf 63,92 Punkte in der Interventionsgruppe. Gleichzeitig trat in der Kontrollgruppe eine Verschlechterung von 63,00 auf 60,79 Punkte ein, womit die Differenz zwischen den Gruppen bei 3,27 Punkten lag (95% KI 0,93–5,62, p=0,007).

Die Therapie hatte allerdings auch Nebenwirkungen. In der Interventionsgruppe traten 244 unerwünschte Ereignisse auf, von denen 65 (51%) Patienten betroffen waren. In der Kontrollgruppe kam es zu 155 unerwünschten Ereignissen bei 63 (50%) der Patienten. Das häufigste unerwünschte Ereignis waren Stürze, die in der Interventionsgruppe 155-mal und in der Kontrollgruppe 71-mal auftraten. Schwere unerwünschte Ereignisse traten 24-mal in der Interventions und 23-mal in der Kontrollgruppe auf, wobei es sich meist um gastroenterologische oder kardiale Komplikationen handelte.

Verbesserung blieb stabil

Die innerhalb von zehn Monaten erreichten Verbesserungen blieben über zumindest 15 Monate stabil, so weit sich dies anhand der verfügbaren Daten gegenwärtig bereits feststellen lässt. Schoser weist auch auf zahlreiche klinisch relevante sekundäre Endpunkte hin. So war die Sechs-Minuten-Gehstrecke nach der zehnmonatigen Intervention um 26,5m länger als in der Kontrollgruppe, was einer Verbesserung um acht Prozent entspricht. Auch die Fatigue besserte sich in der Interventionsgruppe signifikant. Auswertungen relevanter Biomarker werden gegenwärtig durchgeführt. Nicht zuletzt unterstreicht Schoser, dass es mit OPTIMISTIC gelungen ist zu zeigen, dass eine randomisierte, kontrollierte Multicenter-Studie in einer seltenen neuromuskulären Erkrankung durchführbar ist.

Von Reno Barth

4th Congress of the EAN, Lissabon, 16.–19.6.18

1 Okkersen K et al., Lancet Neurol 2018; pii: S1474-4422(18)30203-5 [Epub ahead of print]
2 Kalkman JS et al., J Psychosom Res 2007; 62(5):571–9