Das bislang einzige Zentrum für ambulante psychiatrische Rehabilitation in Österreich schreibt „schwarze Zahlen“ im Hinblick auf Erfolg und Nachhaltigkeit. Auch in Linz wird ein zweites Zentrum eröffnet, ebenso sollen bislang fehlende Strukturen für die langfristige Absicherung der erzielten Effekte (Phase III der Rehabilitation) demnächst initiiert werden.
Anfang 2014 traten einige Änderungen zum Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 in Kraft, eine davon betrifft unmittelbar die psychiatrische Rehabilitation: „Personen, für die bescheidmäßig festgestellt wird, dass vorübergehende Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt, erhalten Anspruch auf die im jeweiligen Einzelfall notwendigen und zweckmäßigen medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen“, heißt es darin (Quelle: www.help.gv.at).
„Damit erfährt die medizinische Rehabilitation eine enorme Aufwertung“, betont Priv.-Doz. Dr. Alexandra Schosser, PhD, Ärztliche Leiterin des Zentrums für seelische Gesundheit Leopoldau. Seit rund drei Jahren ist das bislang erste und einzige Zentrum für ambulante psychiatrische Rehabilitation in Betrieb (CliniCum neuropsy 2/2011 berichtete), vergangenes Jahr wurde der aktuelle Evaluationsbericht veröffentlicht: Die Daten belegen, dass das Ziel einer Weiterführung der im stationären Bereich begonnenen Behandlung und damit ein erster Schritt für die soziale und berufliche Wiedereingliederung der Betroffenen ganz klar erreicht wird.
„Schon angesichts der immer kürzeren Aufenthalte an stationären Abteilungen ist dies von enormer Bedeutung“, sagt Schosser. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie ausgebildete Verhaltenstherapeutin übernahm vor etwas mehr als einem Jahr die Leitung des Zentrums. Zuvor war Schosser als Oberärztin an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie tätig und kennt daher die Anforderungen an die psychiatrische Reha aus der Perspektive der Akutpsychiatrie. „Dort stellt sich bei vielen Patienten die Frage, wie es nach der stationären Behandlung weitergeht.“
Das Berufliche Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) als Betreiber des Zentrums für seelische Gesundheit legt in seinem Konzept auch besonderes Augenmerk auf ein lückenloses Nahtstellenmanagement. „Gerade Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung schon länger arbeitsunfähig sind, benötigen intensive und vor allem auch längerfristige therapeutische Unterstützung, um das Ziel der Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gemeinschaft zu erreichen, sagt Schosser. Wie so oft in der Diskussion um die extramurale Versorgung psychiatrischer Patienten wird auch hier der eklatante Mangel an psychiatrischen Kassenordinationen bzw. Therapieplätzen deutlich.
Therapie nach Plan
Das ambulante Reha-Programm am Zentrum für seelische Gesundheit erstreckt sich über insgesamt sechs Wochen mit einem umfassenden Therapieplan, auch ein Mittagessen und Ruhemöglichkeiten in den Therapiepausen stehen zur Verfügung. Voraussetzung ist eine gewisse psychische und physische Stabilität, wie Schosser erklärt, denn immerhin sind innerhalb dieser sechs Wochen 142 Einheiten zu absolvieren: Auf dem Wochenplan stehen dabei störungsspezifische Gruppentherapie, Einzel-Psychotherapie, genauso wie Ergotherapie, Bewegungs- und Entspannungstraining. In einem Informationsgespräch wird daher zunächst geklärt, inwieweit Patienten bereits für die Reha infrage kommen.
Vor allem müssen sie dazu in der Lage sein, die tägliche Anfahrt und Heimreise zu bewältigen, wobei eine Wegstrecke von maximal 40 Minuten als zumutbar angesehen wird. Insgesamt acht Turnusse zu je zehn bis zwölf Patienten werden gleichzeitig betreut, alle zwei Wochen steigen zwei neue Turnusse ein. „Auf diese Weise kann die übergreifende Betreuung idealerweise koordiniert werden, da gerade die Anfangsphase sowie die Schlussphase besonders betreuungsintensiv sind“, erklärt Schosser. Ein multiprofessionelles Team ist jeweils für zwei Turnusse zuständig, immerhin gilt es, die Patienten auf die Anforderungen des Alltags bzw. auch des (Wieder-)Einstiegs in das Berufsleben vorzubereiten. Dazu wird etwa in der Ergotherapie großer Wert auf Motivation und Durchhaltevermögen gelegt oder z.B. auch kognitives Training am PC absolviert.
Erfolge messbar
Die Daten des Evaluationsberichtes belegen die Wirksamkeit des multimodalen Therapie- und Rehabilitationsplanes: In beinahe allen untersuchten Domänen gibt es auch nach sechs und zwölf Monate noch deutliche Verbesserungen zu verzeichnen (siehe Kasten).
„Detailauswertungen etwa zu einzelnen psychologischen Parametern laufen noch und werden demnächst vorliegen“, ergänzt Schosser. Es ist also durchaus wünschenswert, das Konzept der ambulanten psychiatrischen Rehabilitation voranzutreiben. Derzeit steht das Angebot nur Patienten aus Wien bzw. dem angrenzenden Niederösterreich zur Verfügung , auch betragen die Wartezeiten mittlerweile drei bis vier Monate. Umso erfreulicher ist es daher, dass in Linz die zweite Einrichtung des BBRZ-Med ihren Betrieb aufnimmt, ein weiteres Zentrum im Süden Wien, ist in Planung.
Dass das Konzept zudem den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht, zeigte sich kürzlich im Vergleich mit Deutschland und der Schweiz. Ein solcher erfolgte am Jahreskongress 2013 der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Form eines von Schosser organisierten Symposiums. „Im Vordergrund stand dabei der Austausch unter den Spezialisten für psychiatrische Rehabilitation, insgesamt zeigte sich dabei, dass die Angebote in der Schweiz und Deutschland auf ganz ähnlichen Plänen basieren“, berichtet Schosser. Weiterer erfreulicher Aspekt: am Zentrum in Leopoldau stehen seit Kurzem auch zwei Ausbildungsplätze zum Facharzt für Psychiatrie zur Verfügung.
Weiterer Ausbau nötig
„Um die Effekte abzusichern, brauchen wir jedoch dringend Strukturen für die anschließende Phase III der Rehabilitation, die in einem weitmaschigeren Betreuungsnetz passiert“, betont Schosser. In Kürze, so Schosser, soll die Phase-III-Rehabilitation im Zentrum für Seelische Gesundheit Leopoldau initiiert werden und damit eine ganzheitliche, begleitende Betreuung (bis zu zwölf Monate) von psychisch beeinträchtigten Patienten möglich machen. Damit kann die bestehende Versorgungslücke zwischen stationärem Aufenthalt, Rehabilitation und dem Übergang zum Einstieg oder Wiedereintritt ins Berufsleben geschlossen und können mit Sicherheit neuerliche stationäre Aufenthalte weiter bzw. wieder reduziert werden.
„Genauso müssen wir weiter daran arbeiten, das Verständnis für psychische Erkrankungen zu verbessern.“ Für Betroffene geschieht dies während der Reha durch Psychoeduktation und Schulungen, in der Öffentlichkeit wie auch in den Betrieben gibt es allerdings noch viel zu tun: „Nach wie vor getrauen sich viele nicht zuzugeben, wegen einer psychischen Erkrankung im Krankenstand zu sein.“
Von Mag. Christina Lechner