Schizophrenie als schwerste Form chronisch psychotischer Störungen ist ein auffallend heterogenes Krankheitsbild mit Unterschieden bei Ätiologie, Symptomatik und Verlauf. Der Begriff „Schizophrenie“, gerade einmal 200 Jahre alt, ist durch seinen Eingang in die Umgangssprache und die damit verbundenen negativen Konnotationen mittlerweile selbst zum Stigma und damit zu einer Belastung für Betroffene und Behandler geworden. Im Gegensatz zum asiatischen Raum haben sich aber in Europa noch keine brauchbaren Alternativbezeichnungen durchgesetzt, weshalb in diesem Text neben der Bezeichnung „psychotische Störung“ der historische Begriff weiter verwendet wird.

Die Lebenszeitprävalenz der Schizophrenie beträgt weltweit bei engsten Diagnosekriterien zwischen 0,3 und 0,66 Prozent, mit einer Inzidenz von 10,2–22,0 per 100.000 Personenjahre (McGrath et al., Epidemiol Rev 2008). Für Österreich bedeutet dies mehr als 1.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Weiter gefasste Diagnosekriterien, die unter anderem wahnhafte, kurze, polymorphe und nicht näher bezeichnete (NNB) psychotische Störungen mit einbeziehen, erhöhen die Prävalenz auf 2,3 Prozent, bei Inklusion von affektiven und substanzinduzierten Psychosen auf 3,5 Prozent (Perala et al., Arch Gen Psychiatry 2007). Männer sind mit 1,4–2:1 etwas häufiger betroffen als Frauen, erkranken früher und schwerer.

Risikofaktoren

Das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Vorliegen bestimmter genetischer, sozialer und Umweltfaktoren (Stress-Vulnerabilitätsmodell). Zwillingsstudien weisen auf eine hohe Heritabilität von 80 Prozent, mit Konkordanzraten bei homozygoten Zwillingen zwischen 40 und 60 Prozent (van Os und Kapur, Lancet 2009). Das Erkrankungsrisiko steigt für Verwandte ersten Grades um mehr als das Zehnfache. Ein kleiner Teil der Erkrankten weist strukturelle Veränderungen (CNVs) auf (International Schizophrenia Consortium, Nature 2008), beim größeren Teil summieren sich genetische Vulnerabilität und epigenetische Faktoren, wie z.B. höheres Alter des Vaters (Wohl und Gorwood, Eur Psychiatry 2007).

Bei einem großen Teil der Erkrankten können hirnorganische (strukturelle, elektrophysiologische, entzündliche) Veränderungen nachgewiesen werden, intrauterine und perinatale Komplikationen sowie der Konsum psychotroper Substanzen stellen weitere Risikofaktoren dar. Der Begriff „(Ultra) High Risk Mental State“ beschreibt Personen, die zusätzlich zu Risikofaktoren auch kurzzeitige, abgeschwächte psychotische Symptome und eine Konversionsrate in eine klinisch manifeste Psychose von 20– 40 Prozent innerhalb von zwei Jahren aufweisen. Die Abgrenzung von einer Prodromalphase ist daher unklar (Barnes and the Schizophrenia Consensus Group of the British Association for Psychopharmacology, Journal of Psychopharmacology 2011).

Soziale Folgen

Weil Schizophrenie meist im frühen Lebensalter beginnt und oft chronisch verläuft, sind die direkten Kosten der Erkrankung für Betroffene und Familien erheblich, die indirekten für die Gesellschaft betragen aber ein Vielfaches davon. Die Arbeitslosenrate bei an Schizophrenie erkrankten Menschen liegt bei >80 Prozent, sie sind in höherem Ausmaß obdachlos als ihre gesunden Mitbürger und bilden zehn Prozent aller dauerhaft schwer behinderten Menschen.

Verlauf

Die Schizophrenie ist eine typische Erkrankung der Adoleszenz und des frühen Erwachsenenalters. Der Erkrankungsgipfel liegt bei Männern zwischen 20 und 25 Lebensjahren, bei Frauen um das 30. Lebensjahr. In zehn Prozent aller Fälle gehen produktive „positive“ Symptome den „negativen“ Symptomen voraus, in 20 Prozent treten sie simultan auf, in 70 Prozent aller Fälle beginnt die Erkrankung mit Negativsymptomatik. Die Erkrankung wird in Prodromal-, Akut- und Stabilisationsphasen eingeteilt und kann von schubförmig remittierend bis chronisch progredient verlaufen. Bei den Betroffenen kann die Symptomatik zu erheblichen Beeinträchtigungen vieler Lebensbereiche führen, Suizidrisiko und Mortalität sind erhöht.

Pathophysiologie

Strukturelle und funktionelle bildgebende Untersuchungsmethoden haben viel zum Verständnis der Symptomatik beigetragen. Neben diffusem Verlust an grauer Substanz und erweiterter Ventrikel zeigen sich fokale Störungen in den Bahnen der weißen Substanz als Hinweise für veränderte anatomische und gestörte funktionelle Konnektivität. Degenerative und (auto-)immunologische Prozesse können an diesen strukturellen Veränderungen beteiligt sein. Elektrophysiologische Befunde weisen dabei auf Störungen der Informationsverarbeitung bereits auf basaler Ebene hin, einerseits durch abgeschwächte neuronale Aktivierung auf neue Stimuli (Bramon et al., Neuroimage 2005), andererseits durch verminderte Fähigkeit, die Aktivierung durch repetitive Stimuli zu begrenzen (Patterson et al., Psychiatry Res 2008).

Diese Befunde weisen auf die Bedeutung von Wahrnehmungsstörungen für die Entwicklung der psychotischen Symptomatik hin und stützen sowohl die Hypothese einer „Filterstörung“ mit nachfolgender Überlastung der kognitiven Funktionen als auch die Hypothese einer „Attributionsstörung“, bei der nicht relevanten Wahrnehmungen Bedeutung zugeordnet wird, wodurch sich, beim Versuch diese Wahrnehmungen in ein Erklärungsmodell einzuordnen, Wahngebäude und Verfolgungsängste entwickeln (Kapur, Am J Psychiatry 2003).

Neurochemische Befunde zeigen, dass, besonders im Stadium der akuten Psychose, das klinische Bild, das häufig von produktiver Symptomatik geprägt ist, mit einer erhöhten Synthese, Freisetzung und Konzentration von Dopamin einhergeht (Kapur, Trends Pharmacol Sci 2004). Dies spiegelt sich in der therapeutischen Effektivität von Dopamin-Rezeptor-blockierenden Antipsychotika in der Akutphase der Erkrankung wider, während die kognitiven und sozialen Störungen im weiteren Verlauf weit weniger durch diese Medikamentengruppe beeinflusst werden können.

Therapie

In dieser Zusammenfassung werden lediglich Therapieempfehlungen mit hoher und mittlerer Evidenz angeführt, jene mit geringer oder fehlender Evidenz entsprechen im Wesentlichen dem Standard der guten klinischen Praxis. Empfehlungen, die nur in einer Leitlinie aufgeführt werden, sind mit den Anfangsbuchstaben der Leitlinie gekennzeichnet.

Behandlungsprinzipien

Wichtig ist ein Gesamtbehandlungsplan mit multiprofessionellen Therapiemaßnahmen, der unter Beteiligung der Betroffenen und aller am Behandlungsprozess Beteiligten erstellt werden sollte. Dabei sind der Zusammenarbeit mit Angehörigen, der Koordination der Behandlungsinstitutionen und dem Einbeziehen des nicht professionellen Selbsthilfesystems besonderes Augenmerk zu schenken.

Behandlungsziele sind die rasche und effektive Minimierung von Häufigkeit, Schweregrad und psychosozialen Folgen von psychotischen Episoden, zwischen den Episoden Maximierung des psychosozialen Funktionsniveaus:

  • in der Akutphase: Etablierung einer therapeutischen Beziehung, Aufklärung über Krankheits- und Behandlungskonzepte, rascher Behandlungsbeginn, effektive Symptomreduktion, Risikominimierung von Selbstund Fremdgefährdung, Suizidprophylaxe
  • in der Stabilisierungsphase: Festigung der therapeutischen Beziehung, Remission bzw. Behandlung der Negativsymptomatik, kognitiver und sozialer Defizite, Förderung von Partizipation, Krankheitseinsicht und Compliance, intensivierte Psychoedukation (PE) über Krankheits- und Behandlungskonzepte, Rückfallprophylaxe, -früherkennung und -frühintervention, Einbeziehung von Bezugspersonen in PE, Rückfallprävention und Behandlung, rehabilitative Maßnahmen, Motivation zur Selbsthilfe

Als Behandlungs-Setting soll das am wenigsten restriktive (verfügbare) Setting gewählt werden, initial kann eine ambulante Behandlung versucht werden. Allgemeinmedizinische Probleme, Unfähigkeit, sich selbst zu versorgen, und mögliche Selbst- oder Fremdgefährdung erfordern stationäre Betreuung. Bei unfreiwilligen Aufnahmen sollten Zwangsmaßnahmen wegen der negativen Auswirkungen auf die weitere Therapieadhärenz soweit als möglich vermieden werden (NICE, ÖGPB). Soziotherapie: in der Akutphase frühzeitig „erste Hilfe klinische Sozialarbeit“ zur Abwehr akuter sozialer Gefahren (Wohnen, Arbeit). Bei chronischen Verläufen regelmäßiger Einsatz von klinischer Sozialarbeit zur Unterstützung von Familie und Angehörigen, zur Organisation und Koordination psychosozialer Nachbetreuung und Rehabilitation (NICE, ÖGPB).

Psychologische Verfahren: Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zu Betroffenen und Angehörigen und intensive Psychoedukation (PE) für Patienten und Angehörige verbessern die Therapieadhärenz (+) und können durch Früherkennung die Rückfallrate reduzieren helfen (+). Kognitive Verhaltenstherapie (kVT) hilft bei der Entwicklung von Coping-Strategien zur Krankheitsbewältigung und Stressreduktion; fakultativ helfen kognitives Training, Ergotherapie und Training sozialer Kompetenzen. Bei erster Episode sind mindestens 26 Stunden psychologische Therapie (16 Stunden kVT, 10 Stunden PE) gefordert (NICE), dies bedeutet für psychiatrische Abteilungen etwa 1,5 Vollzeitäquivalente zusätzliches therapeutisches Personal je 100 Neuerkrankungen pro Jahr.

Pharmakotherapie

Eine medikamentöse Intervention sollte in ein Gesamtbehandlungskonzept unter Einschluss therapeutischer und psychosozialer Maßnahmen eingebettet sein. Patienten müssen über Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente aufgeklärt und sollten in den therapeutischen Entscheidungsprozess miteinbezogen werden. Die Pharmakotherapie sollte auf das klinische Zielsyndrom abgestimmt werden, bei der Auswahl müssen folgende Faktoren mit berücksichtigt werden:

  • früheres Ansprechen auf medikamentöse Therapie und Patientenpräferenzen
  • potenzielle oder bekannte Nebenwirkungen und individuelles Risikoprofil
  • Applikationsform und Dosierung, Begleitmedikation und Interaktionen

Pharmakotherapie mit Antipsychotika (AP) – allgemeine Aussagen: AP sind die Therapie der Wahl in allen unterschiedlichen Stadien schizophrener Störungen. Sowohl AP der ersten Generation („first generation AP“ FGA) als auch AP der zweiten Generation („second generation AP“ SGA) verringern effektiv psychotische Symptome (++). Einige SGA bieten möglicherweise Vorteile bei der Gesamtwirksamkeit und in der Rückfallprophylaxe (+). Wegen des erhöhten Risikos von neurologischen Störungen (EPMS) unter FGA sind bestimmte SGA zu favorisieren (+). Rasche Dosissteigerungen („loading dose“) sollten vermieden werden (+). Die niedrigste effektive Dosis ist anzustreben (+). Bei jeder Auswahl von AP sollten potenzielle Nebenwirkungen und individuelle Risikofaktoren (Geschlecht, Gewicht, RR, Laborbefunde etc.) berücksichtigt werden. Vor dem Wechsel auf ein anderes AP sollte ein kontrollierter Behandlungsversuch unter optimaler Dosierung und Adhärenz für mindestens vier bis maximal acht Wochen erfolgen (+). AP-Kombinationen sollten vermieden werden (+).

(Ultra) High Risk Mental State: Wichtigste Maßnahmen sind der Aufbau einer therapeutischen Beziehung und regelmäßige Symptomerfassung, um bei Konversion in eine manifeste Psychose rechtzeitig intervenieren zu können und so die Dauer der unbehandelten Psychose (DUP) zu minimieren. Individuelle Verhaltenstherapie (kVT) kann Stress und Symptome lindern. Anfängliche Erfolge von speziellen Frühinterventionsprogrammen scheinen sich nach fünf Jahren Follow-up aber nicht mehr abzubilden (Bertelsen et al., Arch Gen Psychiatry 2008). Antipsychotika (AP) sollten nur in individuellen Fällen, zeitlich begrenzt, mit niedrigster Dosierung und engmaschigen Kontrollen von Symptomen und UAW eingesetzt werden (=„Off-label“-Einsatz). Vermutlich ist aber keine Veränderung der Konversionsrate durch den Einsatz von AP zu erwarten.

Akute Psychose, erste Episode: Einige FGA und SGA sind gleichermaßen wirksam, sollten aber in geringeren Dosierungen als bei chronisch Kranken zum Einsatz kommen (++). Wegen des geringeren Risikos für neurologische UAW (+) und geringerer Abbruchrate sollten SGA bevorzugt werden (+). Olanzapin, Risperidon und Quetiapin sind die am besten untersuchten SGA, geringer Aripiprazol und Ziprasideon, Haloperidol das am besten untersuchte FGA bei Ersterkrankten. Trotz guter Wirksamkeit wird Clozapin wegen seiner potenziellen UAW nicht als Behandlung der ersten Wahl empfohlen. Die Behandlungsdauer sollte zumindest 12 (+) bis 18 Monate betragen (BAP).

Akute Psychose, multiple Episode: Auch hier gilt: alle FGA und SGA sind gleichermaßen wirksam, einige SGA aber möglicherweise effektiver. Die Dosis kann dabei so rasch als möglich gesteigert werden, die geringste effektive Dosis ist anzustreben (+), sonst bestehen mit Ausnahme der längeren Behandlungsdauer keine Unterschiede zu den Empfehlungen wie bei „erster Episode“.

Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe: Bei etablierter Schizophrenie ist eine dauerhafte Behandlung mit AP im empfohlenen Dosisbereich zu empfehlen (++) wobei einige SGA Vorteile hinsichtlich Negativsymptomatik, Behandlungsdauer und Rückfallsvermeidung bieten (+). Eine intermittierende AP-Therapie („drug holiday“) stellt keine Alternative zu kontinuierlicher Behandlung dar (++). Die Behandlungsdauer sollte individuell geplant werden, bei Patienten mit multiplen Episoden aber mindestens zwei bis fünf Jahre betragen (+). Vor einem Wechsel der AP sollte die laufende Therapie optimiert und über einen adäquaten Zeitraum hinsichtlich Dosis und Adhärenz kontrolliert werden (+).

Im Behandlungsplan sollten reversible Rückfallsrisikofaktoren wie komorbider Substanzkonsum, schlechte Therapieadhärenz und psychosoziale Probleme therapeutisch berücksichtigt werden (+). Tardive Dyskinesien und metabolische UAW üben den stärksten negativen Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit der Patienten aus und müssen bei einer Langzeittherapie kontinuierlich erfasst und frühzeitig behandelt werden (+). Bei gleicher Wirksamkeit wie orale AP bieten Depot-AP bei bestimmten Patientengruppen Vorteile in der Rückfallsprophylaxe (++) und können auch in der Erhaltungstherapie nach einer ersten psychotischen Episode sinnvoll sein (+).

Spezielle Probleme in der Therapie

Persistierende negative Symptomatik über die Akutphase hinaus: Bei primären negativen Symptomen, die Teil der schizophrenen Kernsymptomatik sind, zeigen SGA als Gruppe bessere Wirksamkeit als FGA (+), besonders Amisulprid und Olanzapin (++) sowie in geringerem Maß Quetiapin und Ziprasidon (+). Bei sekundären negativen Symptomen, die durch Nebenwirkungen (EPMS), depressive Syndrome (postpsychotisch oder AP-induziert), sozialen Rückzug infolge von paranoiden Ängsten oder Hospitalismus hervorgerufen werden können, sind FGA und SGA gleichermaßen effektiv (++). Eine weitere Option stellt die Augmentation der AP-Therapie mit Antidepressiva (SSRI, Mirtazapin) dar (+). Bei Patienten unter Clozapin sollte eine Augmentierung mit Lamotrigin oder einem passenden SGA überlegt werden (+).

Persistierende kognitive Störungen: Hier liegen Befunde für moderate Effekte von SGA vor (+).

Depressive Symptome: Neben guter Wirksamkeit von Antidepressiva sind auch moderate Effekte für SGA zu erwarten (+).

Agitiertheit, Aggression: Lorazepam und FGA sind gleichermaßen wirksam in der Akuttherapie von Aggression und psychomotorischer Agitiertheit (+). Der Einsatz von niedrigpotenten AP (Chlorprothixen, Levomepromazin) ist hinsichtlich Wirkung und Tolerabilität unterlegen und sollte vermieden werden (+). Intramuskuläre Präparate (Aripiprazol, Olanzapin, Ziprasidon) sind bei geringerem Risiko für EPMS gleich effektiv wie i.m. Haloperidol (++). Katatone Symptomatik: unverändert bleiben Benzodiazepine die erste Wahl (+). Im Notfall (maligne Katatonie) oder bei mangelnder Wirksamkeit von Lorazepam sollte eine EKT-Behandlung durchgeführt werden (+).

Gewichtszunahme: Erste Maßnahme sollte eine psychologische Intervention (+) zur Verhaltens und Lebensstiländerung (Ernährungsberatung, Bewegung, Sport etc.) sein. Medikamentös wird die Umstellung auf Aripiprazol (++) und Ziprasidon (+) empfohlen, wobei die Risiken, die mit Umstellung von AP-Medikation verbunden sind, berücksichtigt werden müssen. Der Wirksamkeit von Topiramat stehen potenzielle UAW (kognitive Störungen) vor allen Dingen bei höherer Dosierung gegenüber (+), ähnlich wie beim längeren Einsatz von H2- Antagonisten (+), für andere Substanzklassen gibt es derzeit keine ausreichende Evidenz.

Peri-/postpartale Periode: Patientinnen sollten darüber informiert werden, dass es zwar nicht gesichert ist, dass AP für den Embryo unbedenklich sind, aber auch darüber, dass AP keine bedeutenden Teratogene darstellen. Möglicherweise besteht ein geringfügig erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Malformationen um 1–1,5 Prozent für die gesamte Gruppe von AP (+). Folsäure 5mg/Tag für drei Monate vor und nach Konzeption ist zu empfehlen (+). Bei ungeplanten Schwangerschaften ist die Periode mit der höchsten Anfälligkeit für Teratogenität meist bereits vorüber, weshalb die abrupte Unterbrechung einer AP-Therapie wegen des damit verbundenen erhöhten Rückfallrisikos vermieden werden sollte (+). Generell muss Polypharmazie vermieden und die niedrigste Dosis angestrebt werden. Babys von Müttern, die während der Schwangerschaft FGA erhalten haben, sollten auf EPMS gescreent werden (+). Frauen unter Clozapin-Therapie sollten nicht stillen.

Therapieresistenz (TR): Nach derzeitigem Konsens liegt TR dann vor, wenn trotz Behandlung mit zwei AP aus unterschiedlichen chemischen Gruppen, davon zumindest eines aus der Gruppe der SGA, keine ausreichende Verbesserung der Psychopathologie oder anderer Zielsymptome erreicht werden kann. Je nach Definition von Response und Remission sprechen zehn bis 30 Prozent kaum oder gering, weitere 30 Prozent partiell auf eine AP-Therapie an. Mangelnde Therapieadhärenz und komorbider Substanzkonsum sollten als Ursache für TR („Pseudoresistenz“) ausgeschlossen werden (++). Der Wechsel von nicht wirksamen FGA auf andere FGA ist ineffektiv (++), daher sollte auf SGA gewechselt werden (+).

Bei Patienten mit TR sollte Clozapin (++) für drei bis sechs Monate in einer Tagesdosis von 100–900mg und einem Plasmaspiegel mehr als 350ng/ ml eingesetzt werden (+). Falls eine Clozapin-Therapie nicht möglich ist, sollte auf Olanzapin oder Risperidon gewechselt werden (+). Geringere Evidenz liegt für Amisulprid, Aripiprazol und Quetiapin vor (+). Ebenfalls nur geringe Evidenz gibt es für Kombination von Clozapin mit SGA (Amisulprid, Risperidon) (+), dabei müssen Wirkung und Nebenwirkungen in kurzen Intervallen erfasst werden. Geringe Evidenz auch für die generelle Wirksamkeit von ECT bei TR, mit Ausnahme von bestimmten Fällen und vor allem bei Katatonie (+). Erst wenn viele dieser Maßnahmen versagt haben, sollte eine hochdosierte und/ oder kombinierte AP Therapie erwägt werden (+).

Augmentations-Strategien: Die Evidenzlage für den zusätzlichen Einsatz von Antikonvulsiva ist inkonklusiv, es gibt keinen Effekt auf die psychotische Symptomatik; bei ausgeprägter Ängstlichkeit scheint Pregabalin wirksam (+), bei Aggression möglicherweise Valproat. Bei TR kann die Kombination von Clozapin mit Lamotrigin die Symptomatik verbessern (+). Bei vorrangigen Stimmungsstörungen und schizoaffektiven Psychosen kann eine Augmentation mit Lithium effektiv sein. Dagegen gibt es wenig Evidenz für die zusätzliche Gabe von Antidepressiva, mit Ausnahme von Mirtazapin (+). Bei Katatonie, Aggression und Akathisie kann die zusätzliche Gabe von Benzodiazepinen sinnvoll sein (+).

Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Für die generelle Wirksamkeit von EKT bei Patienten mit oder ohne APTherapie besteht mittlere Evidenz. Effektiv in bestimmten Fällen (z.B. Clozapin Non-Responder) und vor allem bei katatonen Symptomen (+). EKT ist das Mittel der Wahl bei therapierefraktärer und maligner Katatonie (+).

Schlussbemerkung

Der Begriff „Schizophrenie“ war in den letzten 100 Jahren entweder als biologische Erkrankung, als psychologische Dysfunktion oder als soziales Konstrukt definiert worden. Die Fortschritte in Genetik, Epidemiologie, Neuroimaging und Pharmakologie erlauben uns heute, diese unterschiedlichen Perspektiven zu vereinen. Zwar besteht eine eindeutige genetische Suszeptibilität, es wird aber nicht die Krankheit selbst, sondern es werden Störungen der Hirnentwicklung vererbt, die auch bei anderen Erkrankungen, wie Autismus oder bipolaren Störungen, beobachtet werden.

Die damit verbundenen Verhaltensänderungen führen nur zu geringen funktionellen Beeinträchtigungen. Nur bei wenigen Menschen mit erhöhter Vulnerabilität führen z.B. Umwelteinflüsse mittels epigenetischer Mechanismen in einen Zustand veränderter Dopamin- Freisetzung und zum Auftreten von klinisch relevanten psychotischen Symptomen. Die pharmakologischen Behandlungsverfahren, wie sie auch in dieser aktuellen Leitlinienübersicht dargestellt sind, konzentrieren sich bislang im Wesentlichen auf die Regulation gestörter Dopamin-Systeme und können die Symptomatik unterdrücken, haben aber keinen Effekt auf die zugrunde liegende Vulnerabilität. Dadurch kommt es bei Beendigung der Behandlung häufig zu Rückfällen.

Neue therapeutische Konzepte zur Reduktion der neurobiologischen Vulnerabilität oder zum Schutz vor Umweltrisiken müssen entwickelt werden, um die Prognose dieser so komplexen Erkrankung weiter zu verbessern. Nur dadurch kann es gelingen, das mit dieser Diagnose nach wie vor verbundene Stigma zu verringern und den Betroffenen und ihren Angehörigen Hoffnung zu geben.

Literatur beim Autor

Foto: Privat

Dr. Elmar Windhager Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, klinische Psychologie und Psychotherapie, Klinikum Wels-Grieskirchen