Geschlechtshormone scheinen bei Depression eine zentrale Rolle zu spielen. In einer aktuellen Studie der Wiener Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie wurde am Modell der Hormontherapie von Transsexuellen die Wirkung von Testosteron und Östrogen auf die Dichte von Serotonintransportern im Gehirn untersucht. Die Forscher konnten zeigen, dass der Serotonintransporter bereits nach vierwöchiger Testosterontherapie signifikant erhöht ist und bei fortlaufender Therapie weiter ansteigt.

Frontalschnitt der Verteilung des Serotonintransporters in Frau-zu-Mann-Transsexuellen vor (PET 1, links) und einen (PET 2, Mitte) bzw. vier Monate (PET 3, rechts) nach Beginn der gegengeschlechtlichen Hormontherapie. Die Zunahme des Bindungspotenzials über die Zeit wird durch die Zunahme der grün-gelb-roten Färbung in subkortikalen Strukturen deutlich.

Frontalschnitt der Verteilung des Serotonintransporters in Frau-zu-Mann-Transsexuellen vor (PET 1, links) und einen (PET 2, Mitte) bzw. vier Monate (PET 3, rechts) nach Beginn der gegengeschlechtlichen Hormontherapie. Die Zunahme des Bindungspotenzials über die Zeit wird durch die Zunahme der grün-gelb-roten Färbung in subkortikalen Strukturen deutlich.

Epidemiologische Studien zeigen, dass Frauen ein fast doppelt so hohes Risiko für Depression und Angsterkrankungen haben wie Männer. Frauen sind in der Regel jünger bei Erstmanifestation, zeigen eine größere Anzahl an Symptomen und depressiven Episoden. Vor allem die Tatsache, dass viele Frauen depressive Symptome in Zeiten starker hormoneller Schwankungen haben (Zyklus, Wechsel, Post-partum), lässt auf einen Einfluss von Geschlechtshormonen auf den der Stimmung zugrundeliegenden biologischen Mechanismus schließen. Des Weiteren ist die Suizidrate bei depressiven Männern höher, und diese neigen zu Aggression und erhöhtem Risikoverhalten.

Wenn das Geschlechtshormon Testosteron im höheren Alter abnimmt, leiden Männer häufig an Depressionen, und einige Studien konnten einen positiven Effekt der Testosterongabe auf die Stimmung bei Betroffenen nachweisen. In beiden Geschlechtern scheinen daher Stimmungsschwankungen eng mit Geschlechtshormonen assoziiert zu sein, ein Ergebnis, das angesichts der starken Modulation des Serotoninsystems durch Geschlechtshormone wenig verwundert. Eine Reihe von Tierstudien konnte schon zuvor diesen engen Zusammenhang zwischen dem für die Depression zentralen Neurotransmittersystem Serotonin und den Sexualhormonen Östrogen und Testosteron nachweisen.

Auch erste Humanstudien existieren, die mittels Positronenemissionstomographie eine Abhängigkeit der Rezeptor- und Transporterverfügbarkeit im synaptischen Spalt von Geschlechtshormonen nahelegen. Die meisten dieser Studien basieren auf Querschnittsuntersuchungen und erlauben damit keinen Rückschluss auf die Kausalität der beobachteten Abhängigkeit. In einer aktuellen Studie, publiziert im Journal „Biological Psychiatry“ (http://dx.doi.org/10.1016/j.biopsych.2014.09.010) konnte erstmals anhand der Hormontherapie von Transsexuellen ein kausaler Mechanismus für den Effekt von Testosteron auf das Bindungspotenzial von Serotonintransportern (5-HTT) im Gehirn gezeigt werden.

Die Studie

Untersucht wurden transsexuelle Probanden beiderlei Geschlechts, die im Rahmen eines longitudinalen Studiendesigns dreimal mittels PET und dem Radioliganden [11C]DASB zur Quantifizierung der 5-HTT-Konzentration im synaptischen Spalt gemessen wurden. Die erste Messung erfolgte vor Beginn der gegengeschlechtlichen Hormontherapie, eine zweite Messung wurde vier Wochen nach Therapiebeginn und eine dritte Messung vier Monate nach Therapiebeginn durchgeführt. Frau-zu-Mann-Transsexuelle (FzMT) erhielten Testosteron, während Mann-zu-Frau- Transsexuelle (MzFT) Antiandrogene zur Unterdrückung von Testosteron sowie Östrogen verabreicht bekamen. Dies entspricht der Standardtherapie, welche von den Betroffenen zur körperlichen Angleichung an das andere Geschlecht erwünscht und im Rahmen der Geschlechtsumwandlung auf der Hormonambulanz der Wiener Klinik für Frauenheilkunde verabreicht wird.

Bei jedem PET-Termin wurde Blut zur Bestimmung der Plasmakonzentrationen von Östrogen und Testosteron entnommen. Ferner wurden weibliche und männliche Kontrollprobanden einmalig und eine Untergruppe der männlichen Kontrollprobanden zweimalig mit PET und [11C] DASB gemessen. Wie von den Forschern erwartet, zeigte sich bereits nach vierwöchiger Testosterontherapie bei FzMT ein signifikanter Anstieg von Testosteron im Plasma in den männlichen Referenzbereich, der nach viermonatiger Therapie sogar noch stärker ausgeprägt war. Im Gegensatz dazu viel die Testosteronkonzentration im Plasma von MzFT nach vierwöchiger Antiandrogentherapie in den weiblichen Referenzbereich, wo sie auch nach viermonatiger Therapie blieben. Plasmakonzentrationen von Östrogen hingegen stiegen durch die Östrogentherapie bei MzFT deutlich an in den weiblichen Referenzbereich.

Die Analyse der PET-Daten zeigte, dass das 5-HTT-Bindungspotenzial nach vierwöchiger – und in noch stärkerem Maße nach viermonatiger – Testosterontherapie bei FzMT im Gegensatz zur ersten Messung in mehreren subkortikalen Regionen signifikant erhöht war (siehe Abbildung). Besonders deutlich war diese Zunahme im Mandelkern und im Striatum. Ferner konnte ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen der Zunahme der Testosteronkonzentration im Plasma und der Zunahme der 5-HTT-Bindung in diesen Regionen festgestellt werden, ein Befund, der den postulierten kausalen Zusammenhang zwischen Testosteron und Transporterdichte untermauert. Demgegenüber zeigte sich bei MzFT nach vierwöchiger Antiandrogen- und Östrogentherapie kein signifikanter Unterschied; allerdings war eine signifikante Reduktion der 5-HTT-Bindung im Striatum als auch im cingulären Kortex und der Insel nach viermonatiger Therapie festzustellen. Interessanterweise zeigte sich aber ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Abnahme der 5-HTT-Bindung in diesen Regionen und der Zunahme der Östrogenspiegel.

Implikationen

Die Ergebnisse dieser Studie legen den Schluss nahe, dass Testosteron die Dichte von Serotonintransportern an der Zelloberfläche in subkortikalen Hirnstrukturen erhöht. Diese Befunde sind im Einklang mit Rattenstudien, welche eine erhöhte 5-HTTDichte und 5-HTT-Messenger-RNA nach Testosterongabe finden. Da Testosteron im Gehirn über das Enzym Aromatase großteils zu Östrogen umgewandelt wird und viele Funktionen von Testosteron über diesen Weg auf die Funktion und Struktur des Gehirns wirken, kann angenommen werden, dass auch die hier beobachtete Testosteronwirkung über diesen Mechanismus zu erklären ist.

Dafür spricht auch das Ergebnis, dass die Zunahme von Östrogen bei MzFT einen scheinbar „protektiven“ Effekt auf den Abfall von Serotonintransportern hatte. Des Weiteren kann angenommen werden, dass Testosteron (und daraus im Gehirn entstandenes Östrogen) nicht nur über die Bindung von Kernrezeptoren direkt auf die Expression des Serotonintransporters wirkt, sondern auch indirekt über die verstärkte Ausschüttung von Serotonin, den Serotonintransporter in seiner Expression erhöht. So erklärt sich möglicherweise, warum eine Therapie mit Testosteron einen positiven Effekt auf die Stimmung bei hypogonadalen Männern hat.

Der Serotonintransporter ist zwar seinerseits für die Aufnahme von extrazellulärem Serotonin zuständig, und eine vermehrte 5-HTT-Dichte lässt auf eine vermehrte Serotoninaufnahme schließen; die Expression des Serotonintransporters selbst wird aber stark durch den Serotoningehalt im synaptischen Spalt reguliert. Eine geringe 5-HTT-Dichte kann damit als Ausdruck für reduzierte serotonerge Neurotransmission gedeutet werden, während ein erhöhtes 5-HTT-Bindungspotenzial höhere Serotoninkonzentrationen im synaptischen Spalt widerspiegeln.

kranz

Mag. Dr. Georg S. Kranz
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien