Epilepsie ist eine häufige Differenzialdiagnose im Rahmen der Zustände mit vorübergehender Bewusstseinseinschränkung oder Bewusstseinsverlust. Die Diagnose kann sich schwierig gestalten, insbesondere da die Symptome durch sorgfältige Erhebung über Eigen- und Fremdanamnese gesammelt werden müssen und nicht im Rahmen der Sprechstunde objektivierbar sind. Zusatzdiagnostik mit MRT und EEG kann weitere sekundäre Hinweise geben. Eine medikamentöse Einstellung sollte bei erstmaligem Anfall nur dann erfolgen, wenn in den Zusatzuntersuchungen eine erhöhte Anfallsbereitschaft nachgewiesen und damit eine klare Diagnose einer Epilepsie gestellt werden kann. Treten rezidivierende Anfälle auf, ist in den allermeisten Fällen eine antikonvulsive Einstellung indiziert. Kontrovers diskutiert bleibt die antikonvulsive Einstellung rezidivierender provozierter Anfälle, insbesondere bei Alkoholikern.

Kommt ein Patient nach einem ersten Anfallsereignis in die Sprechstunde oder wird ins Krankenhaus eingeliefert, ist eine sorgsame Anamnese über dieses Ereignis zu erheben. Insbesondere die Frage nach Auren (z.B. aufsteigende Übelkeit, absonderlicher Geschmack oder Geruch, halbseitige Sensibilitätsstörungen oder motorische Entäußerungen, visuelle Phänomene) sowie bei einer Episode mit Bewusstseinsstörung nach postiktalen Zeichen (Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Zungenbiss, später eventuell Muskelkater) ist die Frage nach Inkontinenz und Verletzungen Bestandteil der Anamnese.

Wichtig ist eine Fremdanamnese, die ggf. auch übers Telefon einzuholen ist, sollte derjenige oder diejenigen, die den Anfall gesehen haben, nicht ad personam anwesend sein. In der Fremdanamnese sind erneut die Vorzeichen vor dem Anfall sowie der zeitliche Ablauf des Anfalls wichtig. Hier ist insbesondere zu eruieren, ob vor z.B. einem generalisierten Anfall eine Zeit fokaler Symptome bestanden hat. Anfälle können sehr unterschiedlich aussehen, von klassischen Absencen, die nur eine Unterbrechung der Aufmerksamkeit darstellen, über komplex fokale Anfälle verschiedenster Semiologien.

Der Temporallappenanfall stellt den häufigsten fokalen Anfall dar und präsentiert sich mit folgender Semiologie: starrer Blick, Verharren, orale Automatismen mit Lippenlecken und Schlucken, häufig dystone Haltung der kontralateralen oberen Extremität sowie Nesteln der ipsilateralen oberen Extremität. Bei generalisierten Anfällen kommt es mit und ohne Initialschrei in der Regel zu einer Bewusstseinsstörung mit Sturz (beim stehenden Patienten), dann generalisierte Tonisierung, häufig mit einer forcierten Kopfwendung mit folgender tonisch-klonischer Phase. Die Augen sind durchgehend offen, eventuell verdreht. Schaum vor dem Mund ist das Resultat von Hypersalivation und stoßförmigen Hin- und Herbewegungen des Speichels in der Luftröhre durch die rhythmischen Zuckungen.

Nach generalisierten und auch nach komplex-fokalen Anfällen, insbesondere temporaler Semiologie, ist eine postiktale Reorientierungszeit vonnöten, die der Patient häufig nur inkomplett erinnert. Hier kann es zu Verwirrtheitszuständen kommen, mit und ohne Aphasie, wobei die Aphasie ein Lateralisationshinweis für die sprachdominante, meist linke Hemisphäre darstellt. Generalisierten Anfällen folgt häufig ein initial komatöser postiktaler Zustand mit typischen Schnarchgeräuschen der forcierten Atmung durch die Atemwege, in denen noch vermehrt Speichel/Schaum vorhanden ist, was ein typisches „feuchtes“ Schnarchen verursacht. Häufig ist initial eine Zyanose vorhanden. Aus dieser tiefen postiktalen Bewusstseinsstörung kommt der Patient graduell über eine Verwirrtheitsphase wieder zu normalem Bewusstsein. Die postiktale Reorientierungsphase kann im Gegensatz zu den Anfällen, die meist weniger als zwei Minuten dauern, auch bis zu einer halben Stunde oder länger betragen.

Differenzialdiagnose

Nach ausführlicher Anamnese und neurologischer sowie allgemeinmedizinischer Untersuchung, insbesondere auf Verletzungen, ist die Differenzialdiagnose zu erheben. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Die häufigste Differenzialdiagnose zu Anfällen, auch generalisierten Anfällen, sind Synkopen, meist vasovagaler Ätiologie. Es konnte in Studien von Synkopen gezeigt werden, dass über 80 Prozent der Synkopen auch motorische Entäußerungen zeigen, einige über einen längeren Zeitraum und recht ausgeprägt, sodass diese leicht mit generalisierten Anfällen verwechselt werden.

tabelle1

Ein klinischer Hinweis auf eine Synkope kann ein berichtetes Schwarzwerden vor den Augen vom Patienten sein. Dies kommt durch eine initiale Hypoxie der Retina zustande, bevor die Hypoxie des Gehirns eine Bewusstseinsstörung auslöst. Ein Schwarzwerden vor Augen ist bei epileptischen Anfällen untypisch. Im Rahmen der Bewusstseinsstörung kommt es auch bei Synkopen häufig dazu, dass die Augen offen sind, ggf. auch verdreht. Dies kann ein Unterscheidungsmerkmal zu nicht epileptischen Anfällen sein, wo häufig die Augen geschlossen sind. Hier ist insbesondere auch das passive Augenöffnen häufig vom Zusammenkneifen der Augen beim Patienten begleitet, sodass dies ein differenzialdiagnostischer klinischer Hinweis sein kann.

Es sollte auf jeden Fall als Teil der Anamnese aufgenommen werden, ob zuvor bereits anfallsartige Zustände aufgetreten sind. Insbesondere bei erstmaligen generalisierten Anfällen ist eine sorgsame Anamnese nach zuvor stattgehabten komplex partiellen Anfällen oder auch im Rahmen eines generalisierten Epilepsiesyndroms, Absencen oder Myoklonien zu erfragen. Auch die Frage, ob die postiktalen Phänomene bereits schon einmal aufgetreten sind, kann unbemerkte vorhergehende Anfallsereignisse identifizieren.

Zusatzuntersuchungen

Neben dem Routinelabor, um akute Erkrankungen wie akute Entzündungen, Elektrolytentgleisungen oder metabolische Ursachen auszuschließen, sind die Standarduntersuchungen EEG und MRT. Das EEG zeigt in etwa über 50 Prozent der Patienten mit Epilepsie epilepsietypische Auffälligkeiten wie Sharp waves, Spikes, Spike waves u.a. Diese Sensitivität kann innerhalb der ersten 24 Stunden nach einem Anfallsereignis noch deutlich erhöht sein, sodass – wenn möglich – die Chance eines postiktalen EEGs aufgegriffen werden sollte. Ansonsten empfiehlt es sich bei unauffälligem EEG, diese Diagnostik zu wiederholen, entweder mit einem Schlafentzugs-Schlaf-EEG oder mit rezidivierenden Ruhe-EEGs (bis zu 4), mit denen man die Sensitivität für epilepsietypische Potenziale bis auf knapp 90 Prozent steigern kann.

Provokationsmechanismen wie Hyperventilation und Fotostimulation sollten in mindestens einem dieser EEGs durchgeführt werden. Epilepsietypische Potenziale in Verbindung mit einem einmaligen Anfallsereignis reichen aus, um eine erhöhte Anfallsbereitschaft zu belegen und damit die Diagnose einer Epilepsie zu stellen. Vorsicht sollte hier eingeräumt werden, wenn ein akutes Schädel-Hirn- Trauma, Blutungen oder sonstige akute Erkrankungen vorliegen, die Akutanfälle auslösen können. Hier wäre im Verlauf weitere EEG-Diagnostik durchzuführen.

Bildgebung

Als Bildgebung ist für die Diagnose einer Epilepsie ausschließlich das MRT anzuwenden. Eine Indikation für ein CT gibt es lediglich in der Akutsituation, wo eine Kernspintomographie nicht zur Verfügung steht oder wo rasch eine Kontusion, Blutung oder ähnliche akute Zustände ausgeschlossen werden sollen. Bei chronischen Epilepsien sind die häufigsten Ätiologien Ammonshornsklerose, Malformationen der kortikalen Entwicklung (z.B. fokale kortikale Dysplasie) und LEATs (benign long-term epilepsy- associated Tumors) oder andere niedriggradige hirneigene Tumore, die alle nur auf der MRT sicher detektierbar sind.

Die MRT sollte unbedingt nach einem epilepsiespezifischen Protokoll durchgeführt werden. Dies beinhaltet:

  1. temporale Schichten, die auf die Längsachse des Hippocampus axial oder senkrecht dazu in den koronaren Schichten orientiert sind;
  2. dünne Schichten in mindestens einer T2-gewichteten Sequenz (3mm oder weniger) sind notwendig, um auch kleinere Läsionen sicher detektieren zu können.

Verschiedene MRT-Protokolle werden in der Literatur postuliert, insbesondere T2- und FLAIR-gewichtete Aufnahmen sollten neben einer T1-gewichteten Aufnahme auf alle Fälle im MRT-Protokoll vorhanden sein.

tabelle2

Zwei beispielhafte MRT-Protokolle sind in Tabelle 2 aufgeführt. Stellt sich in der MRT eine kortikale Läsion aus dem oben genannten Spektrum dar, ist durch das MRT eine erhöhte Erregungsbereitschaft detektiert, und auch hier kann die Diagnose einer Epilepsie nach bereits einem Anfallsereignis gestellt werden. Vorsicht sollte man walten lassen, wenn unspezifische Läsionen oder Läsionen im Marklager oder kortikalen Kontakt (z.B. Cavernom) auftreten, da diese in der Regel nicht zur Genese einer Epilepsie beitragen. Sollten bei einem Patienten entweder eine hohe Anfallsfrequenz von Beginn oder zusätzliche Symptome wie Depression, psychotische Auffälligkeiten, Bewegungsstörungen o.ä. auftreten, muss an eine Autoimmunenzephalitis oder limbische Enzephalitis gedacht werden. Hier sollte eine Krankenhauseinweisung zur weiteren Diagnostik erfolgen, die neben einer Lumbalpunktion mit Antikörperbestimmung auch eine paraneoplastische Abklärung beinhaltet.

Antiepileptika – Qual der Wahl

Heutzutage haben wir eine Vielfalt von Antiepileptika zur Therapie zur Verfügung. Das Ziel einer initialen Therapie der Epilepsie ist Anfallsfreiheit bei keinen oder im Alltag nicht relevanten Nebenwirkungen. Dieses Ziel sollte über die ersten zwei Antiepileptika beibehalten werden. Es gilt daher, das richtige Medikament für das Epilepsiesyndrom und den beim Patienten auftreten Anfallstyp zu finden. Bei den Epilepsien aus dem Formenkreis der generalisierten Epilepsiesyndrome (neue Nomenklatur: genetisch assoziierte Epilepsiesyndrome) sind in Monotherapie Levetiracetam, Valproat, Topiramat, Lamotrigin und Ethosuximid zugelassen. Phenobarbital und Primidon sind heutzutage Antiepileptika zweite Wahl.

Es gibt einige weitere Antiepileptika, insbesondere Natriumkanalblocker wie Carbamazepin, Phenytoin, die zur Behandlung generalisierter Anfälle zugelassen sind, dies können auch generalisierte Anfälle im Rahmen eines generalisierten Epilepsiesyndroms sein. Allerdings sollte hier besonders darauf geachtet werden, dass diese Medikamente insbesondere Absencen verstärken können und daher bei Patienten, die auch diese Anfallsart aufweisen, nicht indiziert sind. Daher sind diese Medikamente eher als Antiepileptika zweiter Wahl für dieses Epilepsiesyndrom zu sehen. Ethosuximid therapiert nur Absencen, Valproat kann breit bei allen Anfallsformen dieses Syndroms eingesetzt werden. Levetiracetam eignet sich besonders zur Therapie der generalisierten und myoklonischen Anfälle, Lamotrigin ist wirksam bei generalisierten Anfällen, weniger wirksam bei Absencen und kann Myoklonien durchaus verstärken.

Topiramat ist gut wirksam auf vermutlich alle drei Anfallsarten, ist aber häufig aufgrund der Nebenwirkungen, insbesondere im höheren Dosisbereich, vorsichtig einzusetzen. Gerade bei weiblichen Patienten im gebärfähigen Alter sollte Valproat als Erstmedikation nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Aufgrund des gegenüber anderen Antiepileptika erhöhten teratogenen Risikos, insbesondere auch auf die kognitive Entwicklung der Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft mit Valproat therapiert wurden, sollte dies nicht als Initialtherapie eingesetzt werden. Nach wie vor steht in schwierigen Fällen aber sicherlich dieses Medikament zur Verfügung. Hierzu gibt es eine Empfehlung der internationalen Liga gegen Epilepsie (www.ilae.org) gemeinsam mit der European Academy of Neurology (www.eaneurology.org).

Bei Epilepsien aus dem Kreis der fokalen Epilepsiesyndrome (neue Klassifikation: strukturelle/metabolische Epilepsien) sind eine Vielzahl von Medikamenten zur Initialtherapie zugelassen. Hierzu zählen Levetiracetam, Lamotrigin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Eslicarbazepin, Topiramat, Gabapentin, Valproat. Aufgrund der Studienlagen, insbesondere der SANAD-Studie und der KOMET-Studie, sind Levetiracetam und Lamotrigin besonders zu empfehlen. Während die Verträglichkeit von Lamotrigin bei langsamer Eindosierung (damit Reduktion des Risikos für allergische Hautreaktion) als sehr gut einzuschätzen ist, hat Levetiracetam den Vorteil, dass hier eine schnellere Aufdosierung und damit ein schnellerer Anfallsschutz erreicht werden kann. Dafür ist bei Levetiracetam das Nebenwirkungsrisiko gegenüber Lamotrigin leicht erhöht, insbesondere treten Müdigkeit, Kopfschmerzen, selten auch depressive Stimmungslage und agitiertes Verhalten auf.

Die letzteren beiden Punkte sind besonders wichtig dem Patienten mitzuteilen, da diese oft nicht als Nebenwirkung einer neuen Medikation erkannt werden. Beim Auftreten dieser Nebenwirkungen ist einfach Abhilfe zu schaffen, indem die Dosis reduziert oder das Medikament abgesetzt und durch ein anderes ersetzt wird. Diese Nebenwirkungen sind dosisabhängig und reversibel. In Bezug auf Frauen im gebärfähigen Alter ist abzuwägen, dass unter Lamotrigin sowohl die Wirksamkeit einer hormonellen Antikonzeption leicht verringert ist, als auch in einem dosisabhängigen Profil eine auf das ungefähr Doppelte erhöhte teratogene Wirkung vorliegt. In Bezug auf Levetiracetam zeigen die Daten bisher, dass das teratogene Risiko kaum erhöht ist, es gibt keine Interaktionen mit den gängigen hormonellen oralen Antikonzeptiva.

Da Antiepileptika Langzeitmedikamente sind, muss auch bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne derzeitigen Kinderwunsch darauf geachtet werden, das richtige Medikament zu wählen. Gerade wenn unter dem Medikament eine Anfallsfreiheit erreicht werden kann, ist zu einem späteren Zeitpunkt ein Wechsel auf ein anderes Medikament nicht ohne Risiko, den Anfallsschutz zu verlieren, und auch eine zusätzliche Belastung. Abhängig von den Komorbiditäten, dem Epilepsiesyndrom und der Vorstellung des Patienten in Bezug auf Nebenwirkungsprofile können durchaus auch die anderen Antiepileptika zur Initialtherapie herangezogen werden. Insbesondere bei Frontallappenanfällen können Natriumkanalblocker wie Carbamazepin und dessen Analoga oder Lamotrigin sehr wirksam sein. Phenytoin ist aufgrund des Nebenwirkungsprofils, der schwierigen Pharmakokinetik mit einer Sättigungskurve nach mehreren Tagen sowie der Interaktion mit anderen Medikamenten nicht als First-Line-Therapie für Epilepsien zu empfehlen.

Medikamentöse Einstellung

Nach Beginn einer antiepileptischen Therapie sollte zunächst auf eine niedrigere Tagesdosis aufdosiert werden. Bei den meisten Antiepileptika sind bereits 80 bis 90 Prozent der Patienten unter niedrigen, aber therapeutisch wirksamen Dosen anfallsfrei. Sollte diese Anfallsfreiheit nicht erreicht werden, ist eine weitere Aufdosierung notwendig, wobei die Geschwindigkeit dieser Titration sich nach der Häufigkeit der Anfälle richtet. Gerade bei selteneren Anfallsereignissen sollte in größeren Schritten auftitriert werden, damit die Frage, ob ein Antiepileptikum suffiziente Anfallskontrolle bringt, in einem angemessenen Zeitraum beantwortet werden kann. Prinzipiell soll das Antiepileptikum wenn nötig und vom Nebenwirkungsspektrum toleriert bis in den Hochdosisbereich aufdosiert werden, bevor bei fehlender Anfallskontrolle auf ein anderes Medikament umgestellt werden sollte.

Ab wann besteht eine Therapieresistenz?

Die rezente Definition der Therapieresistenz von der Internationalen Liga gegen Epilepsie besagt, dass eine Therapieresistenz gegeben ist, wenn zwei Antiepileptika, als Monotherapie oder in Kombination, die für das Epilepsiesyndrom und Anfallstyp angemessen sind, in einer angemessenen Dosis über einen angemessenen Zeitraum keine Anfallskontrolle erbracht haben. Bei Patienten, die eine schwieriger einzustellende Epilepsie haben, sollte dies je nach Anfallsfrequenz spätestens nach zwei bis drei Jahren nachgewiesen sein, in Einzelfällen kann sich dies noch bis auf einen Zeitraum von fünf Jahren erweitern.

Eine Ausnahme bilden hier symptomatische Cavernome. Hier sollte schon nach Versagen eines Medikamentes eine Therapieresistenz angenommen und eine epilepsiechirurgische Abklärung eingeleitet werden, da neben der Epilepsie auch ein potenzielles Blutungsrisiko vorliegt. Wenn medikamentöse Therapieresistenz besteht, ist als Erstes die Diagnose zu überprüfen. Hierbei geht es um die Überprüfung der Diagnose Epilepsie gegen Differenzialdiagnosen bzw. bei Bestätigung der Diagnose Epilepsie um die Frage der richtigen syndromalen und Anfallstyp- Einordnung. Fehldiagnosen im Bereich der Epilepsie sind relativ häufig, insbesondere deshalb, weil die Diagnose häufig auf Angaben Dritter beruht (Anamnese, Fremdanamnese).

Es ist in der Literatur beschrieben, dass 20 bis 30 Prozent der Patienten, die als therapieresistent in Spezialzentren eingewiesen werden, nicht an einer Epilepsie, sondern an einer anderen Erkrankung leiden. Zu diesem Zeitpunkt ist also die Überweisung in eine Spezialklinik mit Epilepsieambulanz und Zugang zur Epilepsie Monitoring Unit notwendig. Wird das Syndrom der Epilepsie bestätigt, sollen auch die etwaigen Therapieoptionen evaluiert werden. Insbesondere bei fokalen Epilepsiesyndromen (neue Klassifikation: strukturell/metabolisch) stellt sich zu diesem Zeitpunkt die Frage, ob ein epilepsiechirurgischer Eingriff möglich ist.

Zum Zeitpunkt der Therapieresistenz ist bekannt, dass jedes weitere Antiepileptikum nur eine geringe Chance hat, eine suffiziente Anfallskontrolle zu erreichen. Die Angaben variieren von vier bis acht Prozent pro neuem Antiepileptikum bis zu 18 Prozent bei Austesten verschiedener Antiepileptikakombinationen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei fast allen Publikationen in diesem Bereich eine Anfallsfreiheit als mindestens zwölf Monate anfallsfrei klassifiziert wird. Das heißt, es liegen sehr wohl Fälle vor, dass Anfallsrezidive mit großen Episoden von Anfallsfreiheit auftreten. Dies ist sicherlich gegenüber den vorherigen Zuständen ein großer Zugewinn, auch an Lebensqualität, allerdings nicht als dauerhafte Anfallsfreiheit zu bezeichnen.

Beim epilepsiechirurgischen Eingriff, der nur bei einem kleinen Teil der Patienten mit fokaler Epilepsie möglich ist, ist allerdings eine dauerhafte Anfallsfreiheit von 50 bis 70 Prozent der Patienten in der Literatur zu verzeichnen (Follow-up zehn bis 20 Jahre). Aufgrund dieses sehr großen Unterschiedes in der Wirksamkeit ist sorgfältig bei Patienten mit therapieresistenter fokaler Epilepsie die Indikation einer Epilepsiechirurgie abzuklären. Alternativ stehen Vagus-Nerv-Stimulator und Tiefenhirnstimulator zur Verfügung. Beiden Stimulationsarten ist gemeinsam, dass der therapeutische Nutzen eher im Bereich einer Anfallsreduktion und Erhöhung der Lebensqualität zu sehen ist. Das Ziel dieser Implantationen ist nicht eine dauerhafte Anfallsfreiheit.

Aufklärung von Patienten

Die Diagnose der chronischen Erkrankung einer Epilepsie, auch die Diagnose eines isolierten cerebralen Anfalls, ist ein einschneidendes Ereignis im Leben eines Menschen. Insbesondere bei Diagnose einer Epilepsie ist neben der fortdauernden chronischen Erkrankung mit Stigma, der Ungewissheit, wann Anfälle auftreten, und dem für viele Patienten unangenehmen Zustand, dass die Kontrolle über Körper und Geist während des Anfalls nicht gegeben ist, eine zusätzliche Aufklärung vonnöten. Dies beinhaltet Informationen über die Ätiologie und Ursache der Epilepsie des jeweiligen Patienten.

Auch zur Prognose sollte aufgeklärt werden. Diese ist initial in der Regel relativ gut, da zwei von drei Patienten mit neu aufgetretener Epilepsie mit Antiepileptika anfallsfrei eingestellt werden können. Allerdings bringt die Diagnose einer Epilepsie auch ein erhöhtes Risiko für Morbidität und Mortalität mit sich, über das zusätzlich aufgeklärt werden sollte. Hierbei geht es um Alltags- und Tätigkeiten im Beruf (Arbeiten in der Höhe, z.B. Leiter, Gerüst, Arbeiten mit rotierenden potenziell verletzenden Maschinen, Arbeiten im Haushalt, z.B. Kochen, Bügeln etc.), Rauchen (Risiko des In-Brandsetzens der Umgebung, wenn z.B. im Anfall eine brennende Zigarette fallen gelassen wird bei gleichzeitig verminderter Reagibilität im Anfall) und andere Situationen. Spezielle Einschränkungen bringen auch die Richtlinien zur Tauglichkeit im Kraftfahrzeugverkehr mit sich.

Ist ein einmaliges Anfallsereignis aufgetreten, gelten andere Richtlinien, als wenn eine Epilepsie diagnostiziert ist. Diese Richtlinien sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Prinzipiell gilt, dass bei Vorliegen einer Epilepsie eine Lenkberechtigung erst nach einem anfallsfreien Intervall und für die ersten fünf Jahre nur unter Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und befürwortender fachärztlicher Stellungnahmen erteilt oder belassen werden kann. Anschließend kann der Führerschein ggf. wieder entfristet werden. Kontrovers wird diskutiert, ob über das seltene Auftreten des plötzlichen Tods bei Patienten mit Epilepsie (Sudden Unexpected Death in Epilepsy Patients – SUDEP) aufgeklärt werden sollte. Insbesondere im angelsächsischen Raum hat sich häufig durchgesetzt, dass über diese seltene Gefahr aufgeklärt wird.

Dies ist insbesondere auf die Aktivitäten einer Selbsthilfegruppe zurückzuführen, die sich aus Angehörigen von Patienten, die an einem SUDEP verstorben sind, zusammensetzt. Das Risiko eines SUDEPs ist als sehr gering zu bezeichnen, ist allerdings häufiger bei jungen Patienten, männlichen Patienten, generalisierten Anfällen und nächtlichen Anfällen. Es ist auch nachgewiesen, dass das Risiko eines SUDEPs deutlich reduziert werden kann, wenn Anfallsfreiheit vorliegt. Insofern ist es für den Patienten auch in Bezug auf die Compliance mit den Antiepileptika eine wichtige Information.

Wann und wie über die einzelnen oben genannten Punkte aufgeklärt wird, ist dem einzelnen Behandler zu überlassen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Patient mit Informationen nicht überflutet werden sollte. Insbesondere bei der initialen Diagnosestellung und häufig auch bei der damit verbundenen Einschränkung zur Führung eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr ist der Patient für nur wenig weitere Informationen aufnahmefähig.

Komorbiditäten

Komorbiditäten bei Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie sind wichtig zu bedenken. Hier gilt es, nicht nur an die internistischen und neurologischen Komorbiditäten älterer Patienten zu denken (cerebrovaskuläre Erkrankung, Diabetes etc.), die durchaus Einfluss auf die Medikation und die Interaktion der Medikation haben kann. Auch bei jüngeren Patienten muss auf Komorbiditäten geachtet werden und insbesondere auf psychiatrische Komorbiditäten. Patienten mit Epilepsie haben eine erhöhte Prävalenz von Depressionen.

In einer dänischen populationsbasierten Studie konnte gezeigt werden, dass das Suizidrisiko bei Patienten mit Epilepsie um mehr als das Zweifache erhöht ist. Liegt zusätzlich eine Erkrankung aus dem affektiven Formenkreis vor, ist das Risiko eines Suizids gegenüber der gesunden Bevölkerung um das Dreiundzwanzigfache erhöht. Dies insbesondere in den ersten sechs Monaten, wo die höchsten Suizidraten vorlagen. Es ist also bei Neuauftreten einer Epilepsie neben den neurologischen und internistischen Erkrankungen, die zum Auftreten eines Anfallsereignisses beitragen können, auch genau auf psychiatrische Komorbidität zu achten.

Verlaufskontrollen

Aufgrund der genannten Faktoren wie ggf. repetitive EEG-Untersuchungen, fraktionierte Aufklärung über das Krankheitsbild und Detektion bzw. Monitoring von Komorbiditäten ist insbesondere bei neu diagnostizierten Patienten eine engmaschige neurologische Verlaufskontrolle indiziert. Sollte sich der Patient anfallsfrei stabilisieren, kann die Frequenz reduziert werden. Bei Patienten, die weiterhin Anfälle erleiden, sollte die Medikation auftitriert und ggf. gewechselt werden bzw. ist der Patient an ein Spezialzentrum zur Überprüfung der Diagnose und möglicher Therapieoptionen zu überweisen.

TEST

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Foto: Landesnervenklinik Wagner-Jauregg/LinzPrim. Priv.-Doz. Dr. Tim J. von Oertzen,
FRCP
Abteilung für Neurologie, Landes- Nervenklinik Wagner-Jauregg, Linz

 

 
 

 

Lecture Board: Prim. Priv.-Doz. Dr. Michael Feichtinger, Univ.-Prof. Dr. Eugen Trinka