Einige grundlegende schlafphysiologische Erkenntnisse und die daraus abzuleitenden Konsequenzen bei der nicht medikamentösen Behandlung von Schlafstörungen werden in diesem Beitrag dargestellt. (CliniCum neuropsy 2/18)

Mit Recht sind einige Schlafforscher der Meinung, dass der Schlaf in unserer 24×7-Leistungsgesellschaft ein Imageproblem hat: Einerseits werden wir immer mehr zum Arbeiten „rund um die Uhr“ aufgefordert (Slogan: „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin!“), auf der anderen Seite nehmen die Klagen über Schlafmangel und Schlafprobleme deutlich zu. Schlagzeilen in den Medien wie „Endlich wieder Schlafen können“ oder „Wie schlaflos sind die Österreicher?“ werden regelmäßig kolportiert und sorgen immer wieder für heftige Diskussionen. Doch welche therapeutischen Möglichkeiten können bei der Klage über nicht erholsamem Schlaf angewendet werden, wann sind Schlafprobleme keine Befindlichkeitsstörung, sondern ein Agens, das gravierende Auswirkungen auf den gesundheitlichen Allgemeinzustand des Betroffen hat? Das sind Fragen, die immer wieder in der schlafmedizinischen Praxis auftreten und Patienten und Betroffene gleichermaßen beunruhigen.

Schlafen wir zu wenig?

Das Schlafbedürfnis ist individuell sehr verschieden und darüber hinaus von zahlreichen Faktoren abhängig. Neben jahreszeitlichen Schwankungen (in den Wintermonaten wird bis zu einer Stunde mehr geschlafen) spielen vor allem das Geschlecht (Frauen benötigen etwa 30 bis 60 Minuten mehr Schlaf als Männer) und das Lebensalter eine Rolle. Kleinkinder und Jugendliche vor der Pubertät sollten etwa zehn bis zwölf Stunden schlafen, bei jungen Erwachsenen beträgt die durchschnittliche Schlafdauer sieben bis acht Stunden. Hier zeigt sich auch das für die westlichen Industriegesellschaften typische monophasische Schlafmuster, d.h., geschlafen wird während einer Hauptschlafperiode, in der Regel zwischen 22.00 und 6.00 Uhr. Erst mit zunehmendem Alter, besonders ausgeprägt nach der Pensionierung, zerfällt dieses Muster, und bei Senioren zeigen sich dann biund polyphasische Schlafmuster von unterschiedlicher Länge.

Ein ähnliches Schlafverhalten findet sich auch bei Kleinkindern, allerdings sind die einzelnen Schlafperioden hier deutlich länger als bei den Senioren. Altersbedingte Veränderungen des Schlafbedürfnisses und die damit verbundenen Effekte wie kürzere Schlafzeiten und ein insgesamt weniger tiefer Schlaf (auch objektiv messbar durch eine Verringerung des Tiefschlafanteiles im EEG auf <10%) werden häufig als Indiz für eine suspekte Schlafstörung gewertet. Hier kann ein klärendes Gespräch eine wichtige präventive Maßnahme sein. Denn die Gefahr ist groß, dass durch das rasche und unkritische kolportieren von Studienergebnissen zu den Folgen von Schlafmangel übertriebene Ängste vor Schlafstörungen geschürt werden. Wenn auch die negativen Auswirkungen von Schlafstörungen auf die Physiologie und Psyche der Betroffenen an dieser Stelle nicht kleingeredet werden sollen, muss vor einer allzu plakativen und verkürzten Darstellung von Studienergebnissen und einer damit verbundenen Panikmache gewarnt werden. Dies gilt u.a. auch für die mittlerweile kaum mehr zu überschauenden Berichten über den Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Mortalitätsrisiko.

2004 berichteten Youngstedt und Kripke, dass sowohl eine zu kurze (<6,5 Stunden) als auch eine Schlafzeit über 7,5 Stunden mit einer höheren Mortalitätsrate assoziiert ist. Dies gilt gleichermaßen für Männer und Frauen, wie in zahlreichen anderen Studien (z.B. Tamakoshi u. Ohno 2004; Grandner et al. 2007, 2010; Capuccio et al. 2010) nachgewiesen werden konnte. Die Gründe für diesen u-förmigen Zusammenhang sind nach wie vor umstritten, und da es sich bei den Studien größtenteils um epidemiologische Daten handelt, könnten Faktoren wie Vorerkrankungen und demografische Besonderheiten der untersuchten Stichproben die Studienergebnisse beeinflusst haben. Damit ließe sich zwar kein Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Mortalität herstellen, wohl aber die Wechselwirkung von Schlaf mit dem allgemeinen Gesundheitszustand. Die Schlafdauer alleine kann daher nicht als Hauptindikator für gestörten Schlaf angesehen werden. Es müssen noch andere Kriterien wie die Häufigkeit der gestörten Nächte, das Vorliegen schlafassoziierter Phänomene (z.B. motorische Unruhe, lautes Schnarchen, Atemaussetzer, Albträume, lange nächtliche Wachphasen etc.), unregelmäßige Zubettgeh- und Aufstehzeiten, Klagen über Tagesmüdigkeit und -schläftrigkeit und eine insgesamt über mehrere Wochen bestehende verminderte Schlafqualität (das Gefühl, nicht ausgeschlafen, wie „gerädert zu sein“ und dysphorischer Gemütszustand nach dem Aufwachen) vorhanden sein.

Neben der Klage über zu wenig Schlaf (die im Zusammenhang mit einer Insomnie stehen kann) können auch übermäßige Schlafzeiten von mehr als zehn Stunden, assoziiert mit dem Gefühl, trotzdem zu wenig geschlafen zu haben (typisch für eine Hypersomnie), der Hauptgrund für das Aufsuchen ärztlicher Hilfe sein. Lange Schlafzeiten sind häufig ein Merkmal für das Vorliegen einer organischen Grunderkrankung, vor allem dann, wenn Atemstillstände oder motorische Automatismen die Schlafkontinuität stören (Schlagwort : fragmentierter Schlaf ). Dadurch werden tiefere Schlafstadien nicht erreicht, die wiederum notwendig sind, um den im Wachen aufgebauten Schlafdruck abzubauen. Die daraus resultierenden Folgen sind Müdigkeit und Schläfrigkeit am Tag. Studien konnten zeigen (z.B. Wu et al. 2015), dass regelmäßige Tagschlafzeiten von mehr als 60 Minuten Länge vor allem bei älteren Frauen mit einem schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand verbunden sind und das Risiko, ein metabolisches Syndrom zu entwickeln, deutlich erhöhen. Deshalb sollten bei einer schlafmedizinischen Anamnese immer auch die Tagschlafzeiten mit erhoben werden, die dann zu den Nachtschlafzeiten hinzuzurechnen sind.

Die Folgen von chronisch gestörtem Schlaf

Bereits eine Nacht nicht gut geschlafen zu haben, sei es, weil das Einschlafen zu lange dauerte (länger als 30 Minuten) oder das Durchschlafen gestört war und zu häufig in der Nacht aufgewacht wurde, können zu Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, vermehrter Tagesmüdigkeit und zu einer verminderten Stresstoleranz führen. Wenn auch ein Großteil der Beschwerden nach einer Nacht mit erholsamem Schlaf verschwindet, so zeigen chronisch Schlafgestörte eine Reihe schwerwiegender Befindlichkeits- und Leistungsdefizite, die bis zu irreversiblen gesundheitlichen Folgen führen können. Da der Schlaf eine wichtige Rolle bei der Abspeicherung von Gedächtnisinhalten spielt, können chronische Schlafstörungen insbesondere bei Jugendlichen Lerndefizite und bei Personen mit einer beginnenden kognitiven Beeinträchtigung zu einer Progredienz der Symptomatik führen. Ähnliches gilt für das Immunsystem, das ebenfalls auf einer Art Gedächtnisleistung basiert. Die Immunkompetenz, so die Ergebnisse einer Studie von Besedovsky et al. 2012, kann nur dann effizient aufgebaut werden, wenn für ausreichend Schlaf gesorgt wird.

Diese Problematik zeigt sich vor allem bei langjähriger Schichtarbeit (van Mark et al. 2010). Hierbei kommt noch hinzu, dass durch den unregelmäßigen Lebensrhythmus die innere Uhr bzw. das zirkadiane System durch teils widersprüchliche Informationen (z.B. trotz Dunkelheit wird nicht geschlafen) buchstäblich aus dem Takt gerät. Dieser Zustand der internen und externen Desynchronisation biologischer Rhythmen wirkt sich nicht nur negativ auf den Schlafwach-Rhythmus aus, sondern begünstigt auch die Entstehung verschiedener Krebserkrankungen (z.B. ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei Schichtarbeiterinnen). Die Klagen über nicht erholsamem Schlaf können verschiedene Gründe haben, situative wie auch psychisch bedingte. Wesentlich dabei ist zunächst die Abklärung von physiologischen Ursachen. Dies gelingt in der Regel nur unter Zuhilfenahme physiologischer Untersuchungsmethoden, die von Schlafexperten ambulant oder stationär in einem Schlaflabor durchgeführt werden.

Bei der Diagnostik von schlafbezogenen Atmungsstörungen (dazu zählen die verschiedenen Formen der Schlafapnoe) haben sich ambulante Polygrafiegeräte sehr bewährt, der „Goldstandard“ ist nach wie vor die stationäre Polysomnografie, vor allem bei der Abklärung psychiatrisch-neurologischer Schlafstörungen. Andere Schlafstörungen, wie z.B. die verschiedenen Formen der zirkadianen Schlaf-wach-Rhythmusstörungen können fast ausschließlich nur ambulant (z.B. durch das Tragen von Aktivitätstracker oder Aktometer über mehrere Tage/Wochen) diagnostiziert werden. Das Ziel dieser doch sehr aufwendigen physiologischen Messungen ist die eindeutige Zuordnung der gezeigten Symptome zu einer bekannten Kategorie von Schlafstörungen.

Klassifikation

Eine Diagnostik von Schlafstörungen sollte ausschließlich nach den Kriterien eines anerkannten Klassifikationsschemas erfolgen. Zurzeit kommen dafür das ICD-10, DSM-V und die ICSD-3 infrage. Die International Classification for Sleep Disorders (ICSD), herausgegeben von der American Academy of Sleep Medicine (in dritter Auflage 2014 erschienen), ist zwar das bei Weitem detaillierteste Diagnoseschema, wird aber nicht in allen schlafmedizinischen Einrichtungen verwendet.

Behandlungsansätze

Bei der Behandlung von Schlafstörungen kommen sowohl medikamentöse, nicht medikamentöse (psychologischverhaltenstherapeutische Methoden) und apparative Therapieansätze zur Anwendung. Je nach Art und Ausprägungsgrad des Beschwerdebildes wird der initiale Schwerpunkt der Behandlung mehr auf medikamentösen oder psychologisch-verhaltenstherapeutischen Maßnahmen liegen. Der Langzeiteffekt, so das Ergebnis zahlreicher Studien, ist aber bei einer Kombination beider Ansätze am größten (z.B. Morin et al., 1999; Wu et al., 2006). Apparative Maßnahmen kommen vor allem bei der Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen zur Anwendung. Eine effiziente Therapie der Schlafapnoe ist nur durch eine nächtliche Ventilationstherapie mittels CPAP-Gerät möglich. In besonderen Fällen oder bei einer leichten Krankheitsausprägung kann auch die Verwendung einer Unterkieferprotusionsschiene eine Verbesserung des Atemdurchflusses im Rachenraum bewirken.

Ähnliches gilt für sogenannte Lagepositionstrainer zur Verhinderung des Schnarchens in bestimmten Schlafpositionen (z.B. der Rückenlage). Traditionell betrachtet steht jedoch die medikamentöse Behandlung von Schlafstörungen an erster Stelle. Bereits in der Antike war die schlaffördernde Wirkung von Baldrian, Hopfen, Johanniskraut, Melisse und Lavendel bekannt. Systematisiert und in ganzheitliche Behandlungskonzepte eingebettet wurde dieses Wissen in der Schlafdiätetik des Mittelalters. Doch erst aufwendige Studien in jüngster Zeit konnten den wissenschaftlichen Beweis für die schlafmodulierende Wirkung von Phytotherapeutika erbringen. Bei Baldrian dürften vor allem die Wirkung der Baldrianlignane am Adenosinrezeptor A1 dafür verantwortlich sein, beim Johanniskraut das Hypericin und Hyperforin (wirken am GABA-Rezeptor) und beim Hopfen die Bitterstoffe am Melatoninrezeptor (Schumacher et al. 2002; Apaydin et al. 2016).

Phytotherapeutika können bei der Behandlung von leichten und vorrübergehend auftretenden Schlafstörungen vor allem bei Kindern und Senioren hilfreich sein. Ihr Wirkprofil unterscheidet sich jedoch deutlich von den künstlich hergestellten Hypnotika, insbesondere deren Dauer und Intensität. Bei der Verwendung als Tee kann die Konzentration der Wirksubstanzen je nach Jahreszeit und Herkunft der Pflanzen unterschiedlich stark sein und sollte daher mindesten eine Woche kontinuierlich angewendet werden. Trotzdem ist Vorsicht geboten, und die Etikettierung als „natürliches Schlafmittel“ bedeutet nicht, dass es nicht auch zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann. Eine Sonderstellung nehmen die somnogenen Substanzen ein, die, da sie vom Körper selbst gebildet werden, als das ideale Schlafmittel gelten. Neben den sogenannten Delta Sleep-Inducing Peptides (DSIP), erstmals von Schoenenberger (1977) und Monnier (1977) in den 1970er Jahren untersucht, konzentriert sich die Forschung hauptsächlich auf das Hormon Melatonin und das Neuropeptid Orexin/Hypokretin. Melatonin, ein Hormon, das im menschlichen Körper hauptsächlich bei Dunkelheit freigesetzt wird, fördert das Einschlafen und stabilisiert den Schlaf-wach-Rhythmus.

Daher ist sein therapeutischer Einsatz in erster Linie bei der Behandlung von Schlafstörungen infolge rascher Zeitzonenverschiebungen (Jetlag), Schlaf-wach-Rhythmusstörungen und bei Schichtarbeitern oder älteren Patienten indiziert. Allerdings spricht nicht jeder Patient auf eine Melatoninsubstitution an (Rios et al. 2010), wodurch die therapeutische Valenz sehr eingeschränkt ist. Inwiefern sich hier mit Agomelatin bessere Erfolge erzielen lassen wird die Zukunft zeigen. Weitgehend unklar hingegen ist der therapeutische Einsatz des Neuropeptids Orexin/Hypokretin, das neben der Appetitregulation auch eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Schlaf-wach-Rhythmus spielt. So werden einige Symptome der Narkolepsie durch Mutationen in den Orexin-produzierenden Genen hervorgerufen (Lin et al. 1999; Siegel 1999) und sollen direkt an der Entstehung der imperativen Einschlafattacken mit REM-Schlafepisoden beteiligt sein. Bei den synthetischen Hypnotika werden neben den „klassischen“ Benzodiazepinen zunehmend häufiger sogenannte Z-Substanzen (Zopiclon, Zolpidem, Zaleplon) verschrieben. Diese gelten als sicherer in der Anwendung und zeigen weniger Abhängigkeits- und Toleranzpotenzial als ähnlich wirksame Benzodiazepine.

Über den Einsatz und die Anwendungsbedingungen von Hypnotika existieren zahlreiche Publikationen (siehe z.B. CliniCum Neuropsy, Sonderheft 2013), sodass an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung verzichtet werden kann. Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen liegt daher auf den nicht medikamentösen Behandlungsansätzen, und dies aus mehreren Gründen. Zunächst wurden in den letzten Jahren eine Reihe sehr effizienter nicht medikamentöser Methoden zur Behandlung von Schlafstörungen entwickelt, deren Wirksamkeit auch durch zahlreiche Studien nachgewiesen wurde. Vor allem die Kombination aus medikamentösen und verhaltensmodifizierenden Maßnahmen hat sich als effektiver herausgestellt als eine singuläre Hypnotikaoder Verhaltenstherapie. Trotz der nachgewiesen Erfolge ist jedoch der Verbreitungs- und Bekanntheitsgrad psychologischverhaltenstherapeutischer Behandlungskonzepte in der Schlafmedizin relativ gering, nicht zuletzt aufgrund fehlender Informationen und Schulungen. Darüber hinaus wird vonseiten der Patienten mit Schlafstörungen immer häufiger der Wunsch nach einer nicht medikamentösen Therapie geäußert oder die Einnahme von Hypnotika explizit abgelehnt.

Nicht medikamentöse Behandlungsansätze

Unter dem Begriff nicht medikamentöse Behandlungsansätze werden in der Regel alle therapeutischen Strategien zusammengefasst, die Schlafstörungen in erster Linie durch eine Verhaltensänderung oder kognitive Umstrukturierung zu behandeln versuchen. Den Hintergrund bildet dabei die Annahme, dass Schlaf auch als Verhalten aufzufassen ist und, trotz der biologischen Determination, im Laufe der individuellen Sozialisation als „Schlafverhalten“ gelernt wird. Eine Schlafstörung ist somit immer auch das Resultat fehlangepasster und falsch erlernter Verhaltensweisen. Durch ein gezieltes Verlernen schlafstörender und dem Erlernen schlaffördernder Verhaltensweisen soll sowohl die Schlafquantität als auch -qualität nachhaltig verbessert werden. Je nach der methodisch-konzeptuellen Ausrichtung reichen die Maßnahmen von einfach formulierten Verhaltensregeln (Regeln zur Schlafhygiene) über rein verhaltenstherapeutisch orientierte Ansätze (z.B. Schlafkompression und Schlafrestriktion), deren Kombination mit Strategien zum kognitiven Neulernen und -bewerten (z.B. kognitiv-behaviorale Verhaltenstherapie bei Insomnien) bis hin zur komplexen, auf gestalttheoretischen Prinzipien aufgebauten Methode des Schlafcoaching (siehe unten).

Greifen können Maßnahmen der Verhaltensänderung jedoch nur dann, wenn auch ein entsprechend großer Leidensdruck und vor allem der Wille des Patienten/Klienten, etwas zu verändern, vorhanden ist. Dessen ungeachtet ist es ratsam, verhaltensmodifizierende Maßnahmen immer auch mit Methoden der Motivation und Belohnung zu kombinieren. Wichtig sind regelmäßige Treffen und das systematische Durcharbeiten von Erfolgen und Misserfolgen bei der Umsetzung der Therapieziele. Eingesetzt werden können psychologisch-verhaltenstherapeutische Behandlungskonzepte bei fast allen Patienten mit Schlafstörungen (Ausnahme: psychotische und mental gehandikapte Patienten; mit einigen methodischen Einschränkungen bei Patienten mit Epilepsien und ausgeprägten Zwangssymptomen) sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting.

Schlafhygieneregeln einst und jetzt

Bereits sehr früh wurde die Notwendigkeit von schlafvorbereitenden Maßnahmen erkannt. Im Seckauer Brevier aus dem 13. Jahrhundert heißt es u.a., „besprenge den Schlafraum mit Weihwasser“ oder „verschließe die fünf Sinne mit dem Kreuzzeichen“, womit im Grunde nichts anderes gemeint ist, als den Schlafplatz und den eigenen Körper für den Schlaf so vorzubereiten, damit eine klare Trennung zwischen der Umtriebigkeit des Wachlebens und der geistigen und körperlichen Ruhe der Nacht gewährleistet ist. Rituale als Einschlaf- und Aufwachhilfe sind wirksame Methoden, um dem Organismus zu signalisieren, dass Schlafenszeit bzw. dass es Zeit zum Aufwachen ist. Vor allem Kleinkinder können sehr unleidlich und fordernd sein, wenn Bezugspersonen mitunter von der Alltagsroutine des Zubettbringens (inklusive Gute-Nacht-Geschichte) abweichen wollen. Der autosuggestive Charakter solcher immer gleich bleibender Verhaltensmuster liegt auf der Hand, und über dessen Wirksamkeit existieren zahlreiche Studien (z.B. Sari et al. 2017).

Trotzdem werden solche einfachen selbsthypnotischen Techniken leicht vergessen oder verlernt. Physiologisch betrachtet ist der Einschlafprozess ein sehr komplexes Geschehen und von einer Reihe von Vorbedingungen abhängig. Zunächst muss genügend Schlafdruck vorhanden sein, d.h., die vorangegangene Wachzeit sollte mindestens zwölf bis 15 Stunden betragen. Auch sollte der Einschlafzeitpunkt mit dem Fallen der Körperkerntemperatur synchron laufen. Da die Körperkerntemperatur einen typischen sinusförmigen Verlauf innerhalb einer 24-Stunden-Periodik zeigt, mit einem ausgeprägten Minimum in der Nacht (zwischen 2.00 und 5.00 am Morgen) und einem Nadir am Nachmittag (zwischen 14.00 bis 18.00), werden dadurch sogenannte Schlaftore geöffnet oder geschlossen. Das ist mit einer der Gründe, warum das Einschlafen trotz durchwachter Nacht am frühen Morgen weniger rasch erfolgen kann als in den Abendstunden. Warme Hände und Füße sind weitere wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Einschlafen (dadurch sinkt die Körperkerntemperatur rascher ab) wie auch das Schließen der Augen, wodurch die Melatoninproduktion angeregt wird.

Die Stimmung und Situation nach dem morgendlichen Aufwachen beeinflusst ebenfalls die Schlafqualität, insbesondere die Art und Weise, wie jemand geweckt wurde. Symptome der Schlaftrunkenheit (mangelnde zeitliche und räumliche Orientierung und dysphorische Gestimmtheit) stellen sich vor allem dann ein, wenn das Aufwachen aus einer Tiefschlafphase erfolgte. Einfache Maßnahmen wie ein der Schlafphysiologie angepasstes Wecken (Schlafphasenwecker, Lichtwecker) kön nen hier bereits Wunder wirken. Regelmäßige Zubettgeh und Aufstehzeiten wie überhaupt Regelmäßigkeiten in der Lebensführung galten schon seit jeher als einer der Gründe für ein langes, gesundes Leben. Chronobiologisch betrachtet helfen Zeitgeber aus der Umwelt, innere biologische Prozesse wie das Schlafen und Wachen, die Verdauung und die Ausschüttung von Hormonen miteinander zu synchronisieren und an die Außenwelt anzupassen. Unregelmäßige Arbeitszeiten führen dazu, dass sich die biologischen Rhythmen nicht an die äußeren Gegebenheiten anpassen können, und dieser Zustand der Desynchronisation kann zu chronischen Einund Durchschlafproblemen führen. Weitere schlafhygienische Maßnahmen betreffen die körperliche Betätigung während des Tages (hilft, den Erholungswert des Schlafes zu verbessern), die Gestaltung des Schlafplatzes (sollte möglichst ruhig sein), die Raumtemperatur im Schlafzimmer (idealerweise zwischen 16 und 18 Grad Celsius) und die Ernährungsgewohnheiten (Vermeiden von aufputschenden und alkoholischen Getränken sowie der Verzicht auf üppige und kalorienreiche Mahlzeiten am Abend).

Kognitiv-behaviorale Behandlungskonzepte

Hierunter fallen eine Vielzahl von Techniken, die größtenteils bereits bei der Behandlung von anderen Störungen (Suchtverhalten, soziale Ängste, Phobien usw.) Anwendungen finden. Bei der Behandlung von Schlafstörungen wird meist eine Kombination von rein kognitiven Maßnahmen (z.B. gedankliche Umstrukturierungen) mit verhaltensspezifischen Interventionen (z.B. Schlafrestriktion) angeboten. So z.B. das Behandlungskonzept von Edinger et al. (2001) für Insomniepatienten, das mittlerweile unter dem Kürzel CBT-I (Cognitive Behavioral Therapy of Insomnia) zu einer Standardtherapie geworden ist (Wu et al. 2006; Edinger et al. 2001). Auch bei sekundären Formen von Schlaflosigkeit wie etwa im Rahmen einer primären psychiatrischen Erkrankung (somatoforme Störungen, Depressionen, Angststörungen usw.) sind kognitiv-behaviorale Methoden erfolgreich, wie Studien von Taylor u. Pruiksma (2014) und Geiger-Brown et al. (2015) belegen.

Trotz zahlreicher Erklärungsversuche ist jedoch immer noch nicht ganz geklärt, welche kognitiv-behaviorale Intervention tatsächlich für den Erfolg der CBT-I verantwortlich ist. In einer 2014 publizierten Studie von Crönlein et al. wird die Korrektur dysfunktionaler Vorstellungen über den Schlaf als die effizienteste verhaltenstherapeutische Methode beschrieben. Neben der kognitiven Umstrukturierung haben sich bei Schlafstörungen auch Methoden wie die Stimuluskontrolle, die Schlafrestriktion/Schlafkompression, die Technik des Gedankenstopps und der Grübelstuhl bewährt. Unter Schlafrestriktion oder Schlafkompression (Müller u. Paterok, 2014) werden alle Maßnahmen subsumiert, mit denen Schlafzeiten gezielt verkürzt werden. Dadurch können Schlafzeiten vorund rückverlagert werden (z.B. bei Schlaf-wach-Rhythmusstörungen), ein für den Patienten sehr forderndes und teilweise quälendes Verfahren. Daher sind Belohnungen (sogenannte positive Verstärker) beim Erreichen von Zwischenzielen wesentlich. Als unterstützende Maßnahmen haben sich das Führen eines Schlaftagebuches und das Tragen eines Aktigrafen (Bewegungsmesser) oder Schlaf-Tracker bewährt.

Strategien zur kognitiven Umstrukturierung zielen in erster Linie darauf ab, dysfunktionale Gedanken und die daraus resultierenden Verhaltensweisen sichtbar zu machen. Dies geschieht in der Regel durch das Protokollieren von Problemsituationen mit den dabei gezeigten Verhaltensweisen (Beispiel: Was tue ich, wenn ich nicht einschlafen kann?). In einem nächsten Schritt werden diese dann dahingehend analysiert, ob und wie sie zur Lösung eines (des) Problems beitragen bzw. dieses noch verstärken. Bei der Stimuluskontrolle werden zunächst die Assoziationen zu Begriffen wie Schlafen, Bett, Schlafzimmer gesammelt und auf ihre positiven oder negativen Konnotationen hin untersucht. Eines der Therapieziele ist es dann, die negativ assoziierten Stimuli (z.B. Bett=Schlaflosigkeit, Wut, Ärger) durch positive zu ersetzten (Bett=sich wohlfühlen, entspannen). Dabei ist es auch notwendig, das Bett bei längerem Wachliegen und Grübeln zu verlassen, um einen sogenannten „Grübelstuhl“ aufzusuchen und das Bett nur zum Schlafen zu verwenden. Eine weitere Strategie gegen nächtliches Grübeln ist die Methode des Gedankenstopps: Sobald das Grübeln beginnt, wird z.B. ein rotes Stoppschild visualisiert und in einem nächsten Schritt durch ein beruhigendes Bild (z.B. Meeresstrand) ersetzt.

Schlafcoaching: Was ist das?

Im Gegensatz zu rein kognitiv-behavioralen Behandlungsansätzen wird beim Schlafcoaching versucht, den gestörten Schlaf von verschiedenen Perspektiven aus zu betrachten. Wesentlich dabei ist es, die „Gestalt“ des Problems/der Schlafstörung zu erkennen und dieses vor dem Hintergrund der aktuellen Lebenssituation zu erfassen. Das eigentliche Behandlungskonzept basiert auf vier Säulen. Neben der gestalterischen Grundhaltung beruht Schlafcoaching auf der Schlafedukation und der Vermittlung von Wissen über Schlaf und bedient sich der Techniken des Schlaftrainings unter Verwendung kognitiv behavioraler Methoden, von Entspannungstechniken und der Autosuggestion bzw. der Hypnose. Das vierte Element des Schlafcoachings ist die Traumarbeit und der Einsatz des luziden Träumens z.B. bei der Bewältigung von Albund Angstträumen (mehr dazu: Holzinger & Klösch 2013; 2017). Die Methode des Schlafcoaching ist erlernbar und wird als dreisemestriger postgradueller Zertifikatskurs an der Medizinischen Universität Wien angeboten (nähere Informationen dazu unter: www.meduniwien.ac.at/zk-schlafcoaching).

Literatur:
American Academy of Sleep Medicine (2014): Diagnostic and coding manual, 3rd edition. International classification of sleep disorders; American Psychiatric Association (2013): Diagnostic and statistical manual of mental disorders, 5th edition. American Psychiatric Association, Arlington, VA.; Apaydin EA et al.; Systematic Reviews 2016; doi:10.1186/s13643-016-0325-2; Besedovsky L et al.; European Journal of Physiology 2012; doi: 10.1007/s00424-011-1044-0; Crönlein T et al.; J Sleep Res 2015; 24(5):514–517; Cappuccio FP et al.; Diabetes Care 2010; 33:414–420; Edinger JD et al.; JAMA 2001; 285(14):1856–1864; Geiger-Brown JM et al.; Sleep Medicine Reviews 2015; 23:54–67; Grandner MA & Drummond SPA; Sleep Medicine Reviews 2007, 11:341–360; Grandner MA et al.; Sleep Medicine Reviews 2010; 14:191–203; Holzinger B & Klösch G: Schlafcoaching. Wer wach sein will, muss schlafen. Wien 2013: Goldegg Verlag; Holzinger B & Klösch G: Schlafstörungen. Psychologische Beratung und Schlafcoaching. Reihe Psychotherapie (November 2017), Praxis Berlin, Springer Verlag; Youngstedt SD & Kripke D; Sleep Medicine Reviews 2004; 8:159–174; Kasper S et al.: Schlafstörungen bei psychiatrischen Erkrankungen. CliniCum neuropsy, Sonderausgabe 2012; Lin L et al.; Cell 1999, 98:365–376; van Mark A et al.; Journal of Occupational Medicine and Toxicology 2010; doi:10.1186/1745- 6673-5-18; Morin CM et al.; Sleep 1999, 22, 1134–1156; Müller T & Paterok B: Schlaf erfolgreich trainieren: Ein Ratgeber zur Selbsthilfe. Göttingen 2014, Hogrefe Verlag; Rios ERV et al.; International Journal of Neuroscience 2010, 120:583–590; Sari NK et al.; Soc Neurosci 2017; 12(5):551–559; Schoenenberger GA et al.; European Journal of Physiology 1077; 369(2):99–109; Schumacher B et al.; J Nat Prod 2002; 65(10):1479–1485; Siegel J.; Cell 1999; 98(4):409–412; Tamakoshi A & Ohno Y; Sleep 2004; 27(1):51–54; Taylor DJ & Pruiksma KE; Int Rev Psychiatry 2014; 26(6):205–213; Wu J et al.; BMC Public Health 2015; doi:10.1186/s12889-015-1521-z; Wu R et al.; Psychother Psychosom 2006; 75(4):220–228

Gerhard Klösch, MSc
Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien

CoverBuchtipp
Brigitte Holzinger, Gerhard Klösch: „Schlafstörungen“. Das Buch vermittelt u.a. Basiswissen zu Schlafcoaching, einem integrativen psychotherapeutischen Ansatz zur nicht medikamentösen Behandlung von Schlafproblemen. Springer-Verlag 2018