Eine bedeutsame Grundrate an zivilen wie familiären Gewalterfahrungen hat zunehmend auch westliche Gesellschaften für traumatische Erfahrungen und Trauma-Folgestörungen sensibilisiert. (CliniCum neuropsy 2/18)

Die globalisierte Dimension von Krieg, Folter, Genozid, Naturund Hungerkatastrophen mit einer seit mehreren Jahren nun auch europäische Staaten erreichenden Massenmigration hat noch dazu beigetragen, dass traumatische Ereignisse und ihre Gesundheitsfolgen im öffentlichen Bewusstsein zentral beachtet werden. Die moderne westliche Sicht auf Traumatisierungen und ihre gesundheitlichen Konsequenzen haben sich vorrangig auf die Dimension des individuellen Leidens konzentriert und wichtige soziokulturelle Kontexte weitgehend ausgeblendet. Auch gerieten menschliche Krisen und Katastrophen immer stärker in eine exklusive Zuständigkeit der Medizin, insbesondere von Psychiatrie und Psychotherapie. In einer transkulturellen Perspektive wurde an dieser einseitigen Konzeptualisierung mehrfache Kritik geäußert (Kirmayer et al. 2010).

Diagnostische Konzeptualisierung von akuter und posttraumatischer Belastungsstörung

Trauma beschreibt allgemein ein äußeres Ereignis, das für die große Mehrheit einer Bevölkerung das Gefühl einer überwältigenden Bedrohung vermittelt. In der neuen Version von DSM-5 werden im Trauma-Kriterium extreme und nicht nur schwerwiegende Stresserfahrungen verlangt. Das noch in DSM-IV-TR zusätzlich geforderte subjektive Kriterium einer traumatischen Erschütterung mit Todesangst, Panik, Ohnmacht und Hilflosigkeit wurde hingegen aufgegeben, da sich epidemiologisch keine prospektive Bedeutung für ein erhöhtes Risiko einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bestätigen ließ (Kapfhammer 2014). Mit dem diagnostischen Konzept der akuten Belastungsstörung (ABS) sollte ab DSM-IV ein schwerwiegendes Stresssyndrom schon während der ersten vier Wochen nach einem Trauma erfasst werden.

Im besonderen Fokus auf akute dissoziative Symptome sollten zudem Personen mit einem erhöhten PTBS-Risiko früh identifiziert werden. Dieses ABS-Konzept war imstande, eine solche Risikogruppe reliabel zu beschreiben. Es war nicht aber ausreichend sensitiv, die Gesamtgruppe der nach einem Trauma auftretenden Fälle von PTBS zu erfassen (Cardeña & Carlson 2011). DSM-5 gibt die vormals strikte Forderung von gleichzeitig nachzuweisenden Symptomen je aus den drei PTBS-Clustern von Intrusion, Vermeidung und autonomem Hyperarousal sowie einem eigenen dissoziativen Cluster zugunsten einer freien Kombinierbarkeit der aufgelisteten Symptome auf. Es setzt aber eine hohe Symptomschwelle (≥9 aus 14) für die Diagnose an (Bryant et al. 2012).

Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zeichnete sich bis zu DSM-IV-TR und im Wesentlichen auch im ICD-10 durch drei Symptomkomplexe aus, durch intrusiv auftretende Erinnerungen an das Trauma, durch eine systematische Vermeidung aller Trauma-bezogenen Aspekte sowie durch zahlreiche körperliche und kognitive Symptome einer autonom-nervösen Überaktivität. In DSM-5 wird das klinische Bild einer PTBS erstmals sehr viel breiter beschrieben. Es werden nunmehr auch negative Veränderungen in Kognitionen und Stimmungen in unmittelbarer Assoziation mit dem Trauma eigenständig abgebildet. In diesem neuartigen Cluster werden dissoziative Erinnerungsstörungen, persistierende negative Überzeugungen oder Erwartungen an sich oder an die Umwelt, eine verzerrte Schuldattribution, persistierende negative emotionale Zustände wie Scham, Depression, Wut oder Ärger, ein bedeutsamer Interessenverlust oder eine merklich reduzierte psychosoziale Teilnahme, Depersonalisation und Derealisation, persistierende Anhedonie und Gefühlsbetäubung erfasst.

DSM-5 führt explizit auch die Kodierung eines „verspäteten Beginns“ auf. Und es definiert ferner die separate Spezifizierung eines „dissoziativen Subtypus“ mit prominenten Symptomen einer Depersonalisation und Derealisation. Die breite Konzeptualisierung der PTBS in DSM-5 hat letztlich dazu geführt, dass kein eigenständiger diagnostischer Status einer „komplexen PTBS“ in die Störungsgruppe aufgenommen worden ist. Unter einer komplexen PTBS wird klinisch ein breiter Symptomenkomplex beschrieben, bei dem die Kriterien einer PTBS sehr häufig gleichzeitig erfüllt sind. Es imponieren aber vor allem Symptome einer affektiven Dysregulation, eines chronischen selbstdestruktiven Verhaltens, dissoziative und somatoforme Symptome sowie pathologisch veränderte Selbstkonzepte und Beziehungsstile infolge von schwerwiegenden Traumata speziell während der frühen Entwicklungsjahre (Cloitre et al. 2013).

Auch eine anhaltende Trauerstörung mit einer über viele Monate, weit über die soziale und kulturelle Norm hinaus anhaltenden Trauer nach dem Tod einer geliebten Person wurde zunächst als eigenständiger diagnostischer Status zwischen Anpassungsund Trauma-bezogenen Störungen diskutiert (Shear et al. 2013). DSM-5 nimmt diesem diagnostischen Konzept gegenüber vorläufig eine zuwartende Position ein und betont eine notwendige weitere empirische Überprüfung (Bryant 2014). Das amerikanische DSM-5 und die demnächst publizierte ICD-11 der WHO werden in Zukunft recht unterschiedliche konzeptuelle Wege in der Diagnose von Traumaund Stressor-bezogenen Störungen beschreiten, die einen möglichen Einfluss auf die epidemiologische Kennziffern weltweit haben werden (Hafstad et al. 2017). Im ICD-11 wird sich die Diagnose einer PTBS einerseits auf ein sehr allgemein gehaltenes Trauma-A-Kriterium („an extremely threatening or horrific event“) stützen, andererseits eine relativ enge, als spezifisch erachtete klinische Phänomenologie definieren. Die neue Diagnose einer komplexen PTBS wird drei spezielle intraund interpersonale Symptom-Cluster zusätzlich zu den PTBS-Kernsymptomen beinhalten (Brewin et al. 2017).

Als weitere Diagnose wird eine anhaltende Trauerstörung aufgeführt sein (Maciejewski et al. 2016). Die Diagnose der Anpassungsstörung wird durch Anlehnung an das psychologische PTBS-Modell von Intrusion und Vermeidung eine wesentlich stärkere Spezifizierung der Symptome zeigen (Kazlauskas et al. 2018). In einer für weitere Forschung offenen Kategorie „akuter Stressreaktionen“ sollen vorübergehende intensive emotionale, kognitive und behaviorale Reaktionen nach einem Trauma notiert werden, die hinsichtlich der extremen Schwere des Stressors aber als normative Belastungsreaktionen konzipiert sein sollen (Maercker et al. 2013).

Aktueller Stand zu epidemiologischen Befunden von Trauma-Folgestörungen

In einer epidemiologischen Perspektive stellen PTBS und ABS prototypische Reaktionstypen dar. Nach schwerwiegenden Traumatisierungen findet sich aber auch ein Anstieg zahlreicher anderer psychischer Störungen wie Depressionen, Angststörungen, schädlicher Substanzgebrauch, somatoforme Störungen etc. (Reifels et al. 2017). In einem prospektiven Longitudinaldesign können vor allem erhöhte Inzidenzen für PTBS, Depression und spezifische Phobien nachgewiesen werden (Asselmann et al. 2018). Das konditionale Risiko für eine PTBS nach einem Trauma ist sehr unterschiedlich. Es ist bei unmittelbar auf die Kernidentität eines Menschen zielenden Gewalteinwirkungen wie Folter, sexueller Missbrauch oder Vergewaltigung am höchsten, aber auch sehr hoch nach Mitteilungen über den unerwarteten Tod eines nahen Angehörigen. Männer sind allgemein häufigeren Gewalterfahrungen ausgesetzt, Frauen besitzen hingegen ein höheres Risiko einer PTBS nach einem Trauma.

Es besteht eine klare Dosis­Wirkungs­Kurve bezüglich der Schwere und Häufigkeit von traumatischen Erfahrungen und dem konditionalen Risiko einer PTBS. Die allgemeine Trauma-Expositionsrate in den USA liegt konservativ geschätzt etwa bei 60 Prozent, beispielsweise in Algerien aber bei über 90 Prozent. Die korrespondierenden PTBS­Lebenszeitprävalenzen betragen entsprechend 7,8 Prozent versus 37,4 Prozent. Eine Dosis-Wirkung-Beziehung wird für folgende Traumatypen berichtet : sexuelle Gewalt, Kampfeinsätze, terroristische Anschläge, Naturkatastrophen. Gesellschaftliche Kontexte und Entwicklungsstandards sind bedeutsame Einflussfaktoren, wenn in den USA das PTBSRisiko nach interpersonaler Gewalt größer als nach Autounfällen ist, in Entwicklungsländern aber das Ausmaß von neuen PTBS-Fällen nach Naturkatastrophen durch den umfassenderen Verlust von zivilen Ressourcen unvergleichlich höher liegt (Atwoli et al. 2015).

Die Lebenszeithäufigkeit einer PTBS beträgt in den amerikanischen Studien für Frauen ca. zehn Prozent, für Männer ca. fünf Prozent. In europäischen Untersuchungen sind die Raten aber deutlich niedriger und unterstreichen hierin ebenfalls wichtige soziokulturelle Bedingungsfaktoren in der Pathogenese der PTBS (Norris & Slone 2014). Erste epidemiologische Feldstudien, denen die modernen Kriterien von ICD-11 zugrunde gelegt wurden, zeigten für Deutschland eine Ein-Monats-Prävalenz für PTBS von 1,5 Prozent, für die komplexe PTBS von 0,6 Prozent sowie für eine Variante der komplexen PTBS mit niedrigerer Symptomschwelle von 0,7 Prozent (Maercker et al. 2018). Für die anhaltende Trauerstörung wurde eine bedeutsam hohe Prävalenzrate von knapp zehn Prozent ermittelt (Lundorff et al. 2017).

Die Klärung jener Einflüsse, die das allgemeine Risiko für eine Trauma­Exposition einerseits, für die anschließende Entwicklung einer PTBS andererseits erhöhen, ist noch nicht befriedigend abgeschlossen. Metaanalysen heben konsistent drei Risikofaktoren hervor: Psychiatrische Eigenund Familienanamnese sowie traumatische Vorerlebnisse. Die gefundenen Effektstärken dieser prätraumatischen Variablen stehen gegenüber periund posttraumatischen Einflussfaktoren wie Intensität des Traumas, mangelnde psychosoziale Unterstützung und zusätzliche belastende Lebensereignisse in der Folgezeit in der Vorhersagekraft einer PTBS aber bedeutsam zurück. In mittlerweile auch prospektiven epidemiologischen Studien zeichnet sich ab, dass Variablen wie Intelligenz und kognitive Fertigkeiten, Copingund Reaktionsstile, Persönlichkeitscharakteristika, psychopathologische und psychophysiologische Variablen wie auch sozioökologische Faktoren das Risiko einer PTBS nach einem Trauma bedeutsam mitbestimmen (Sareen 2014).

Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft eine große Anzahl von neurobiologischen Variablen, insbesondere auch genetischen und epigenetischen Faktoren zu dieser zentralen klinischen Fragestellung signifikant beitragen wird. In einer Verlaufsperspektive tritt unmittelbar nach einer schwerwiegenden Trauma-Exposition normativ eine Fülle von kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Symptomen auf. Diese Symptome werden über die Cluster der Intrusion, der Vermeidung, des autonomen Hyperarousal, der Dissoziation, der Depression zufriedenstellend erfasst. Sie sind mehrheitlich vorübergehender Natur. Das allgemeine „natürliche“ Verlaufspattern posttraumatischer psychischer Symptome zeigt, dass die Intensität der anfänglichen peritraumatischen Reaktionen für die Gesamtgruppe der betroffenen Personen in weiterer Folge deutlich abnimmt.

Hinter dieser allgemeinen Verlaufstendenz verbergen sich unterschiedliche Verlaufsgestalten (Bonanno et al. 2011):

  • Der Gesamtdistress liegt bei jenen Personen, die schließlich die diagnostischen Kriterien einer PTBS erfüllen, bereits initial auf einem höheren Niveau. Er verringert sich keineswegs, sondern kann im Verlauf der ersten Monate noch signifikant zunehmen und prognostiziert eine hohe Chronizität.
  • Die Mehrheit der betroffenen Personen zeigt im Laufe eines Jahres aber eine gute Erholung.
  • Eine PTBS mit verzögertem Beginn stellt sich prospektiv meist als eine sukzessive Fortentwicklung schon unmittelbar nach dem Trauma nachweisbarer Reaktionen mittlerer Intensität bis zum späteren Erreichen der diagnostischen Schwelle einer PTBS dar.
  • Eine weitere Subgruppe zeigt im Umgang mit dem Trauma ein erstaunliches Coping und wird als „resilient“ bezeichnet.

Diesen protypischen posttraumatischen Verlaufsmustern liegt ein komplexes Zusammenspiel von Risikound protektiven Faktoren zugrunde. Vulnerabilität und Resilienz bestimmen das initiale Distressniveau, aber auch die Wahrscheinlichkeit eines Übergangs zur PTBS. Weitere belastende Ereignisse und Beeinträchtigungen in der Folgezeit spielen ebenfalls eine große Rolle. Die unterschiedlichen Verlaufsgestalten nach einem Trauma belegen, dass die PTBS keine normative, sondern eine atypische posttraumatische Reaktion ist, deren wesentliches Kennzeichen die behinderte Erholung in einen psychosozialen Normalzustand ausdrückt (Shalev et al. 2017). PTBS-Symptome in voller klinischer Ausprägung über drei Monate definieren einen chronischen Verlauf. Die durchschnittliche Verlaufsdauer einer chronischen PTBS geht meist über mehrere Jahre. Beeinträchtigende Einzelsymptome bestehen aber oft über viele Jahre, nicht selten lebenslang (Rosellini et al. 2018).

Eine chronische PTBS zieht zahlreiche zusätzliche gesundheitliche Nachteile nach sich. Es besteht ein stark erhöhtes Risiko auch für andere komorbide psychiatrische Störungen. Bei den Männern sind dies v.a. Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit, Major Depression, Verhaltensstörungen, Drogenmissbrauch oder -abhängigkeit, bei den Frauen Major Depression, spezifische Phobien, soziale Phobien und Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit. In aller Regel geht die PTBS den komorbiden Störungen zeitlich voraus (Atwoli et al. 2015). Diese psychiatrische Komorbidität ist hinsichtlich Verlauf und Prognose eigenständig zu bewerten (Steinert et al. 2015). Bei langfristigen PTBS-Verläufen sind große Einbußen in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und psychosoziale Integration die Regel. Ein signifikant erhöhtes Risiko für Suizidversuche ist besonders zu beachten. Zahlreiche Somatisierungssyndrome und eine erhöhte somatische Morbidität sind ebenfalls wichtige Langzeitfolgen (Schnurr 2015; McLeay et al. 2017).

Ätiopathogenese von Trauma-Folgestörungen

Eine der grundlegendsten Erkenntnisse aus den empirischen und experimentellen Studien zu traumatischen Erfahrungen und ihren Gesundheitsfolgen sind, dass psychosozial definierte Ereignisse nicht nur dramatische psychologische Verarbeitungsprozesse auslösen, sondern auch tief in biologische Regulationssysteme eingreifen und funktionelle wie auch strukturelle Störungen nach sich ziehen können. Und umgekehrt, dass genetische Ausstattung, epigenetische Mechanismen und biologische Prozesse wesentlichen Einfluss darauf nehmen, ob eine spezielle traumatische Erfahrung zu schwerwiegenden psychischen Störungen, z.B. einer PTBS, und auch zu ernsten körperlichen Erkrankungsrisiken führt, oder aber mit einer erstaunlichen Kraft und Resilienz trotz anfänglicher Erschütterung gemeistert wird (Southwick et al. 2014). Und wiederum scheint es einigen Personen nach einer solchen Traumatisierung in weiterer Entwicklung sogar zu gelingen, die traumatische Erfahrung selbst zu einem persönlichen posttraumatischen Wachstum zu transformieren (Kapfhammer 2018).

Auf einer psychologischen Ebene liegen mittlerweile zahlreiche Ansätze vor, die Entstehen und klinische Ausgestaltung einer PTBS besser verständlich machen. Kognitiv-behaviorale Modelle besitzen das stärkste Erklärungspotenzial für die vielfältigen klinisch-phänomenologischen und verlaufsdynamischen Aspekte einer PTBS. Die typischen psychologischen Folgen nach Traumata sind in zahlreichen klinischen und experimentellen Studien detailliert beschrieben worden (Kapfhammer 2017 a). Einige Aspekte werden in der jüngeren Forschung speziell herausgehoben. So ist die posttraumatische Verarbeitung entscheidend mit dissoziativen Prozessen vergesellschaftet. Dissoziative Symptome sind einerseits das Ergebnis einer desintegrierten Prozessierung Trauma-bezogener Informationen, andererseits die Folge des evolutionär verankerten Schutzmechanismus von Depersonalisation und Derealisation. Traumatische Erfahrungen markieren einen zentralen Knotenpunkt im autobiografischen Gedächtnis. Wichtige Aspekte und Details der traumatischen Szene werden aber oft nicht oder nur sehr verzerrt gespeichert. Personen mit einer ABS und PTBS fällt es häufig sehr schwer, eine kohärente Schilderung des traumatischen Geschehens zu geben.

Der Grad der narrativen Desorganisation ist hierbei signifikant mit dem Ausmaß von Dissoziation während und nach dem Trauma assoziiert (Brewin 2011). Der beeinträchtigten willentlichen Erinnerungsfähigkeit an ein definiertes Trauma steht meist eine sehr bedrohlich erlebte, unwillkürliche intrusive Wiedererinnerung an das Trauma gegenüber. Intrusive Flashbacks werden meist automatisch durch äußere und innere Stimuli ausgelöst, die einen kontingenten, aber bewusst nicht wahrgenommenen Zusammenhang mit dem Trauma aufweisen. Sie sind meist fragmentarisch und zeichnen sich durch starke bildhafte Eindrücke und heftige somatische Mitreaktionen aus. Diese emotional intensiven Erinnerungen können nachträglich nur schwer verbalisiert werden. Alle PTBS-Patienten weisen gelegentlich dissoziative Symptome als Ergebnis einer desintegrierten posttraumatischen Verarbeitung auf. Zirka ein Drittel der PTBS-Patienten zeigen aber auch einen dissoziativen Reaktionstypus mit prominenten Symptomen der Depersonalisation und Derealisation. Trotzdem leben diese Patienten im posttraumatischen Alltag nicht dauerhaft in traumatischdissoziativ veränderten Bewusstseinszuständen, sondern pendeln je nach Intensität und Häufigkeit früherer Traumatisierungen und aktueller situativer Belastungen zwischen den Polen eines prominent dissoziativen Erlebens und eines normalen Wachbewusstseins.

Zwischen diesen beiden Bewusstseinspolen können phänomenologisch dissoziative Veränderungen des Zeiterlebens, der Intentionalität mentaler Prozesse, des Körperbewusstseins und der emotionalen Regulation differenziert beschrieben werden (Frewen & Lanius 2015):

  • Der zeitliche Fluss unseres Bewusstseins erlaubt normalerweise eine willentliche Bewegung des Selbst aus dem Augenblick der Gegenwart in die Vergangenheit wie auch in die Zukunft. Wir können normalerweise ein aktuelles Erleben, eine rückwärtsgewandte Erinnerung oder eine auf die Zukunft gerichtete Vorstellung klar unterscheiden. In traumatisch veränderten Bewusstseinszuständen wird diese souveräne Leistung des Selbst etwa durch Flashbacks aber suspendiert und auf eine wiederbelebte traumatische Aktualität verdichtet. Das momentane Zeiterleben kann grundlegend verändert sein. Es ist im einen Fall fast zeitlos gedehnt, im anderen Fall oft beunruhigend beschleunigt.
  • Unser Bewusstsein ist intentional auf die Umwelt bezogen und in der Regel in klaren Subjekt-Objekt-Relationen organisiert. In einem traumatisch-dissoziativ veränderten Bewusstsein kann diese Ordnung verloren gehen, wenn beispielsweise eigene Trauma-bezogene Gedanken oder Erinnerungen in Form von Stimmen wahrgenommen werden. Der selbstreferenzielle Standpunkt des bewussten Erlebens ist hier qualitativ abgeändert.
  • In der Dimension des Körperbewusstseins stehen sich Zustände einer Depersonalisation und eines autonomen Hyperarousal gegenüber. Depersonalisation in ihrer ausgeprägten dissoziativen Form beinhaltet eine auffällige Auftrennung in einen nur mehr von außen wahrnehmbaren, fremd erlebten Körper und in ein von allen körperlichen Sensationen distanziertes beobachtendes Selbst („out-of-body experiences“). In Zuständen eines getriggerten autonomen Hyperarousal bei normalem Wachbewusstsein können quälende Körpersensationen das Akuterleben beherrschen und auch mit der Angst
    vor Kontrollverlust einhergehen. Eine Zwischenstellung nehmen jene Fälle von dissoziativen Störungen der Motorik bzw. der Sensorik ein, bei denen Handlungsvollzug oder Empfindungsfähigkeit in Teilbereichen des Körpers einer willentlichen Kontrolle entzogen ist.
  • In der Dimension der emotionalen Regulation wird das Bewusstsein durch Zustände einer emotionalen Betäubung einerseits, durch Zustände Trauma-bezogener anhaltender Affektzustände wie Angst, Horror, Panik, Scham und Schuld andererseits bestimmt.

Auch auf einer neurobiologischen Ebene ist in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl neuer Erkenntnisse gewonnen worden, die zu einem höchst komplexen Verständnis von ABS und PTBS nach Traumatisierungen beitragen (Kapfhammer 2017 a): Ergebnisse der molekularen Genetik unterstreichen, dass zahlreiche genetische Polymorphismen und epigenetische Faktoren das Risiko einer PTBS nach einem Trauma entscheidend beeinflussen. Komplexe Gen-Umwelt-Interaktionen werden wesentlich durch epigenetische Mechanismen z.B. durch Methylierung von DNS-Sequenzen oder Modifikation von Histonen vermittelt. Durch Traumata und schwerwiegende Stressoren angestoßene Methylierungsprozesse können die Genexpression an bestimmten DNS-Sequenzen blockieren, an anderen aber wiederum aktivieren. Sie bewirken hierüber Veränderungen u.a. in der HPA-Funktionalität, in den diversen NeurotransmittersystemensowieimImmun-/Inflammationssystem, die ein je differenzielles PTBS-Risiko mitbestimmen.

In einer umfassenderen Perspektive spielen diese GenUmwelt-Interaktionen und epigenetischen Mechanismen nicht nur für die detaillierte Erfassung eines PTBS-Risikos, sondern auch wichtiger Resilienz-Faktoren eine überragende Rolle (Sheerin et al. 2017). Befunde des funktionellen Neuroimaging zeichnen mittlerweile ein höchst differenziertes Bild von den Vorgängen einer posttraumatischen Verarbeitung auf neuronaler Ebene (Akiki et al. 2017). Bereits auf dem Niveau des Thalamus können die Informationen aus der traumatischen Gesamtszene fragmentiert sein. So engt sich das Wahrnehmungsfeld nicht selten auf wenige zentrale Aspekte mit besonderer Gefahrenrelevanz ein und klammert wichtige periphere Kontextaspekte aus. Das Wahrnehmungsfeld kann zuweilen auch vollständig desintegrieren und grundlegende Veränderungen im Zeiterleben, in der visuellen Wahrnehmung, dem Erfassen des Kontextes, der Propriozeption, der Schmerzwahrnehmung bedingen.

Die neuronale Repräsentation der externen Realität ist dann notgedrungen primitiver strukturiert und oft verzerrt. Die Korrektheit des sensorischen Transfers vom Thalamus an nachgeschaltete Strukturen kann bei Einwirkung massiver Stressoren erheblich beeinträchtigt sein. In der Amygdala werden vorrangig perzeptive und emotionale Details konditioniert. Es dominieren primäre Affektzustände einer höchsten Intensität, wie Panik, Horror, Entsetzen, mit jeweils angestoßenen somatischen Abwehrreaktionen. Die Amygdala verfügt auch über vielfältige Projektionen zu Arealen des visuellen Kortex. Bei amygdalärer Übererregung werden grundlegende Funktionen der benachbarten Hippokampusstruktur in Mitleidenschaft gezogen. Dies führt u.a. zum Verlust der kognitiven Kontextualisierung einer speziellen Traumaerfahrung. Ein Transfer der Informationen in das episodische, insbesondere autobiografische Gedächtnissystem wird hierdurch stark behindert.

Traumatische Erinnerungen können oft nur schwer verbalisiert werden, da ein gehemmter Transfer der Informationsverarbeitung in die sprachdominante Hirnhemisphäre vorliegt. Extremstress bedingt ferner auch eine Blockade präfrontaler kortikaler Systeme. Somit fehlen entscheidende funktionelle Voraussetzungen, die subkortikal im limbischen System vermittelten Konditionierungen wirksam modifizieren zu können. Gleichzeitig sind hiermit wichtige Elemente der exekutiven Kontrolle, des Arbeitsgedächtnisses und Selbstsystems, der selbstreflexiven Fähigkeit, sich in einer Zeitdimension aktiv wieder erinnernd einzureihen, dysfunktional geworden. Neuroimaging-Studien können auch den differenziellen Verarbeitungsmodus in unterschiedlichen Zuständen der posttraumatischen Verarbeitung erfassen. In Provokationsparadigmata, die auf ein Wiedererinnern traumatischer Erfahrungen zielen, stellt sich im Modus eines autonomen Hyperarousal als konsistentestes Bild eine hyperaktive Amygdala bei hyporeaktiven ventralen Anteilen des präfrontalen Kortex, ferner ein hyperaktives dorsales anteriores Zingulum (dACC) sowie eine hyperaktive Inselregion dar.

In einem allgemeinen klinischen Verständnis pathologischer Formen einer posttraumatischen Verarbeitung verdeutlichen diese Befunde, dass es bei Personen mit PTBS sukzessive zur Umschichtung eines dominanten zentralnervösen Regulationsmodus weg von präfrontalen Strukturen verstärkt hin zur Amygdala-zentrierten Steuerung kommt (Arnsten et al. 2015). In einem Dissoziationsmodus der Depersonalisation bei Konfrontation mit traumatischen Erinnerungen lassen sich die Befunde zu folgendem neuronalem Aktivierungsnetz verdichten: Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe stellt sich eine stärkere Aktivierung in den oberen und mittleren Gyri temporales, im Parietalund Okzipitallappen, im mittleren frontalen Gyrus sowie im medialen präfrontalen Kortex und im ACC dar (Lanius et al. 2015). Aus diesen Befunden lassen sich mehrere differenzielle neurobiologische Modelle ableiten, die auch von therapeutischer Relevanz sind, wie insbesondere Angst- und Furchtlernen, Gefahrendetektion, exekutive und emotionale Regulation oder kontextuelle Informationsverarbeitung (Liberzon & Abelson 2016; Shalev et al. 2017).

Die bei einer PTBS beschriebenen zahlreichen Dysfunktionen in diversen Neurotransmittersystemen sowie in der Stress­Hormon(HPA­)­Achse fügen sich stimmig in diese funktionellen Abläufe der traumatischen Gedächtnisbildung ein (Kapfhammer 2017 a):

  • So steuert das Noradrenalin u.a. entscheidend die Konsolidierung der Trauma-Erinnerung. Der noradrenerge Locus coeruleus zeigt sich bei extremem, prolongiertem, vor allem unkontrollierbarem Stress sehr anfällig. Eine Sensitivierung des posttraumatischen Reaktionssystems mit Hyperarousal wird gebahnt. Hieraus wird einerseits eine Überkonsolidierung der Gedächtnisspuren in der Amygdala gefördert, andererseits eine adäquate Informationsverarbeitung durch Hippokampus und präfrontale kortikale Strukturen behindert. Typische intrusive Erinnerungen können unter diesen Voraussetzungen leichter situativ getriggert werden. Gleichzeitig wird aber eine wirksame Modulation und Kontrolle dieser automatisierten Reaktionsmuster, ein Extinktionslernen stark beeinträchtigt.
  • Eine grundlegende Rolle spielt das Glutamat. Es ist wesentlich an einer dissoziativen Informationsverarbeitung beteiligt. Eine hyperglutamaterge Neurotransmission wird auch mit einer hippokampalen Dysfunktionalität einschließlich bleibender struktureller Läsionen in Verbindung gebracht.
  • Das endogene Opiatsystem trägt ebenfalls bedeutsam zu einer dissoziativen Gegenregulation gegenüber einem noradrenergen Hyperarousal bei. Über Opioide vermittelte Prozesse einer psychomotorischen Erstarrung, affektiven Betäubung und Analgesie intensivieren eine funktionelle Abkoppelung des Amygdala-Hippokampus-Komplexes von höheren kortikalen Steuerzentralen. Realitätskontrolle und aktive Coping-Strategien werden hierdurch zusätzlich erschwert.
  • Das Serotonin moduliert normalerweise die noradrenerge Reagibilität und das autonome Arousal. Eine balancierte serotonerge Funktionalität ist entscheidende Voraussetzung für eine flexible Realitätsorientierung und einen situationsadäquaten Einsatz von Reaktionsweisen. Bei prolongiertem Stress wird das Serotonin-System schnell dysfunktional. Hiermit geht eine Reihe von psychopathologischen und physiologischen Symptomen einher, wie z.B. erhöhte Schreckreaktion, Hypersensitivität auf relativ harmlose Reize, Depersonalisation, Schlafstörung, Depression, gestörte Impulskontrolle, aggressive Durchbrüche oder zwanghafte Reinszenierungen von Trauma-bezogenen Verhaltensmustern.
  • Endocannabinoide sind an der Kontrolle sowohl kognitiver als auch emotionaler Prozesse beteiligt. Sie nehmen Einfluss auf die Prozesse der Gedächtniskonsolidierung, der Wiedererinnerung und der Extinktion von emotionalen und traumatischen Erfahrungen in den Kernregionen der basolateralen Amygdala, des Hippokampus und des präfrontalen Kortex. Bei PTBS-Patienten sind die Konzentrationen des Endocannabinoids Anandamid erniedrigt, die CB1-Rezeptorverfügbarkeit ist kompensatorisch erhöht. Die CB1-Rezeptorverfügbarkeit in der Amygdala ist mit einer abnormen Prozessierung von Gefahrenreizen und einem erhöhten Niveau eines autonomen Arousal positiv korreliert.
  • Auch das bei einer traumatischen Einwirkung regelhaft mitaktivierte Stresshormon(HPA­)­System beeinflusst die Funktionalität des Traumagedächtnisses grundlegend. Kurze traumatische Stressepisoden mit Anstieg von Kortisol scheinen die Gedächtniskonsolidierung zunächst zu verstärken. Kortisol bewirkt aber auch eine sog. Wiederabruf(Retrieval)-Hemmung, d.h. Gedächtnisinhalte sind unter akuter Kortisoleinwirkung für eine Weile schlechter willentlich erinnerbar. Zahlreiche endokrinologische Befunde deuten darauf hin, dass speziell bei chronischen PTBS-Verläufen eher eine Unterfunktionalität der Kortisolantwort vorliegt. Steht aber Kortisol nur in geringem Ausmaß für die posttraumatische Verarbeitung zur Verfügung, so bedeutet dies ein nur unzureichendes Gegengewicht gegenüber dem noradrenerg vermittelten traumatischen Erinnerungsmodus. Es können daher speziell intrusive Flashback-Erinnerungen leichter und vermehrt auftreten.
  • Dysfunktionen des autonomen Nervensystems sind im gemeinsamen Konzert mit HPA­Achse und dem eng hiermit assoziierten Immunsystem zu betrachten. Klinisch sind diese Veränderungen sowohl auf ein erhöhtes Risiko von definierten funktionellen Körpersyndromen als auch auf allgemein erhöhte somatische Erkrankungsrisiken im Langzeitverlauf von PTBS-Patienten zu beziehen. In einer Perspektive der „Somatisierung“ bedeutet eine sympathikotone Aktivierung im Kontext einer allgemeinen Mobilisierung Muskelanspannung, Blutdruckerhöhung, gesteigerten Puls, Hyperventilation, metabolische Energiefreisetzung, antiinflammatorische Abwehrbereitschaft des Immunsystems usw. Im anhaltenden parasympathischen Zustand aber überwiegen gastrointestinale Symptome, Bradykardie mit einer Vulnerabilität für Arrhythmien, veränderte Schmerzverarbeitung mit Pendeln zwischen Analgesie und Hyperalgesie, motorische Blockaden. Ein relativer Hypokortisolismus bedeutet zunächst eine Verstärkung der noradrenerg vermittelten sympathikotonen Reaktionslage mit zahlreichen körperlichen Symptomen und vielfältigen funktionellen Körpersyndromen. Relativer Hypokortisolismus und verstärkter Sympathikotonus fördern auch eine vermehrte proinflammatorische Zytokinproduktion. Eine anhaltende proinflammatorische Reaktionslage des Immunsystems wird wiederum in einen ätiopathogenetischen Kontext erhöhter Risiken für diverse somatische Krankheiten gestellt. Sie vermittelt möglicherweise auch ein erhöhtes Risiko für depressive Störungen, die wiederum somatische Komorbiditäten verstärken und komplizieren können.

Therapeutische Ansätze bei akuten Traumareaktionen und Trauma-Folgestörungen

Frühe posttraumatische Krise Für die Versorgung von Patienten mit frühen psychologischen Problemen nach einem Trauma sind Maßnahmen gezielt und an Grundproblemen orientiert flexibel einzusetzen (Zatzick et al. 2013). Initiale Symptome verweisen meist auf universelle, adaptive Stressreaktionen, die mehrheitlich im Verlauf der nächsten Wochen abnehmen und in einen allmählichen Erholungsprozess übergehen, vorausgesetzt, dass sekundäre Stressoren nach dem Trauma wirksam eingedämmt werden (Kapfhammer 2017 a). Beeinträchtigende klinische Symptome, die über ein bis zwei Wochen bei einer Subgruppe von traumatisierten Personen persistieren, stellen aber eine Indikation für frühe Interventionen dar.

Hierbei spielen auch Gesichtspunkte einer sekundären Prävention eine wichtige Rolle, d.h. ein wichtiges Ziel ist, den Übergang in ein voll ausgeprägtes klinisches Bild eines PTBS nach Möglichkeit zu verhindern (Kearns et al. 2012; Forneris et al. 2013; Qi et al. 2016).

  • Metaanalysen und systematische Reviews kommen einheitlich zur Bewertung, dass psychologisches Debriefing als routinierte und uniforme sekundäre Frühpräventionsstrategie nicht empfohlen werden kann und in einem bedeutsamen Prozentsatz sogar den natürlichen Erholungsprozess behindert (Skeffington et al. 2013).
  • Eine kontrollierte Trauma­fokussierte kognitiv­behaviorale Frühinterventionsstudie innerhalb weniger Stunden nach einem Trauma mittels einer modifizierten prolongierten Expositionstherapie in vivo und in imaginatione erwies sich im Einund Drei-Monats-Follow-up als hoch wirksam hinsichtlich des weiteren PTBS- und Depressionsrisikos (Rothbaum et al. 2012).

Empirische Daten zu pharmakologischen Interventionen mit dem Ziel einer sekundären Prävention von TraumaFolgestörungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Für den präventiven Einsatz von β-adrenolytischen (Propranolol) und α2-agonistischen Substanzen (Clonidin, Guanfacin) sind die empirischen Daten noch inkonsistent. Eine Indikation kann am ehesten bei Vorliegen ausgeprägter Symptome eines autonomen
    Hyperarousal (Erhöhung von Blutdruck, Herzrate, Atemfrequenz) diskutiert werden (Giustino et al. 2016).
  • Der α1-Antagonist Prazosin ist zwar in der Indikation einer Frühintervention noch nicht überprüft worden. Mehrere kontrollierte Studien deuteten aber eine hohe Effizienz in der Reduktion von PTBS-assoziierten Schlafstörungen und Albträumen an. Als Haupteffekt wurde eine Abwandlung der quälend erlebten, albtraumartigen Inhalte in Richtung Affekt-modulierter, normaler Trauminhalte beobachtet (De Berardis et al. 2015)
  • In der Frühintervention nach Traumatisierungen sollte eine routinemäßige Gabe von Benzodiazepinen nur sehr zurückhaltend erfolgen. Es kann allenfalls ein kurzfristiger Einsatz zur Regulation des Schlafverhaltens erwogen werden (Birur et al. 2017).
  • Der prophylaktische Einsatz von Stressdosen Hydrokortison ist bei definierten somatischen Krankheiten unter intensivmedizinischen Behandlungsbedingungen gut belegt. Kontrollierte Studien wiesen ferner darauf hin, dass Hydrokortison auch nach zivilen und militärischen Traumata eine überlegenswerte Präventionsalternative darstellt (Delahanty et al. 2013).
  • Die frühe Gabe von Opiaten in ausreichender Dosierung bei Trauma-induzierten Verletzungen und intensiven akuten Schmerzen kann das PTBS-Risiko reduzieren (Mouthaan et al. 2015).
  • Ein prophylaktischer Einsatz von SSRI führte bisher zu überwiegend enttäuschenden Ergebnissen (Shalev et al. 2012; Sijbrandij et al. 2015).
  • Zu Oxytocin liegen einige ermutigende Resultate insbesondere bei Personen mit initial sehr hohen posttraumatischen Symptom-Scores vor (van Zuiden et al. 2017). In systematischen Bewertungen dieser medikamentösen Frühinterventionsstudien wird das prospektiv positive Potenzial dieser Ansätze hervorgehoben (Ostrowski & Delahanty 2014; Qi et al. 2016), in einem methodenkritischen Cochrane-Review eher eine skeptische Abwartehaltung eingenommen (Amos et al. 2014).

Akute Belastungsstörung
Die Diagnose einer akuten Belastungsstörung (ABS) stellt eine Indikation für eine Behandlung dar. Personen mit anhaltend hohen Ausprägungsgraden früher posttraumatischer Symptome leiden subjektiv stark und sind in ihrer psychosozialen Alltagskompetenz oft massiv beeinträchtigt.

  • Die empirischen Resultate aus mittlerweile zahlreichen kontrollierten Studien, die einen Trauma­fokussierten kognitiv­behavioralen Ansatz erprobten, sprechen in einer Gewichtung für einen hohen Evidenzgrad bei dieser Indikation (Bryant 2015; Howlett & Stein 2016). Trotzdem bleiben noch wichtige klinische Fragen offen. So ist eine bedeutsame Quote eines vorzeitigen Behandlungsabbruchs oder eines therapeutischen Nichtansprechens zu beachten.
  • Psychopharmakologische Studien zu dieser speziellen Indikation fehlen praktisch völlig (Shalev 2009; Birur et al. 2017). Ein neurobiologisch orientierter Ansatz, der die Progression von Stadien einer akuten posttraumatischen Reaktionslage in jene eines chronischen PTBS- Verlaufs adäquater erfasst, wird in Zukunft zu vorteilhafteren medikamentösen Interventionsstrategien auch für die ABS führen (McFarlane et al. 2017). Derzeit ist aber eine Orientierung an Erfahrungen mit den diversen medikamentösen Strategien in der akuten posttraumatischen Krise wie auch an den Standards der pharmakologischen PTBS-Behandlung sinnvoll.

Anhaltende Trauerstörung
Die anhaltende Trauer kann durch eine speziell konzipierte Trauer­fokussierte Psychotherapie wirksam behandelt werden. Zentrale Elemente dieses Ansatzes sind: Information über das Wesen der Trauer, die Anpassung an das Verlusterlebnis und mögliche komplizierte Auswirkungen; Stärkung der Selbstregulation; Wiederbeleben anderer sinnvoller persönlicher Kontakte; Aufbau von hoffnungsvollen Zielen und Ambitionen; Sondieren der sozialen Umgebung nach in der Trauer vermiedenen Situationen; Erzählung über den Tod des geliebten Menschen, Tolerieren des hiermit verknüpften seelischen Schmerzes und Beenden der Trauer; intensive Erinnerungsarbeit hinsichtlich positiver und negativer Emotionen, die mit der/dem Verstorbenen assoziiert sind (Shear et al. 2015). Zu dieser Indikation liegen derzeit allenfalls orientierende pharmakologische Erfahrungen aus offenen Studien vor, die einen Einsatz von SSRI bei Trauerbezogener Depression als unter Umständen nützlich diskutierten (Bui et al. 2012).

Posttraumatische Belastungsstörung
In der psychotherapeutischen Behandlung der PTBS sind zahlreiche Verfahren empirisch erprobt und neue Varianten entwickelt worden (Kapfhammer 2017 a).

  • Trauma­fokussierte Verfahren mit Exposition, insbesondere mit prolongierter Exposition werden in ihrer empirisch erprobten Wirksamkeit als höchst überzeugend eingestuft. Sie gelten als „Goldstandard“ in der Psychotherapie der PTBS (Schnurr 2017). In einer derzeitigen Bewertung erreichen auch kognitive Ansätze ein höchstes Evidenz-Rating (Ehring et al. 2014). Allen kognitiv-behavioralen Therapieformen liegen als zentrale Hypothesen zugrunde, dass PTBS-Patienten zu einem vorbereiteten Zeitpunkt im Behandlungsverlauf mit ihren Trauma-bezogenen Emotionen möglichst intensiv konfrontiert werden müssen (Hypothese des emotionalen Engagements), sich den ausgelösten aversiven Emotionen so lange aussetzen müssen, bis eine Abnahme der Affektintensität eintritt (Hypothese der Habituation), und dass bei ihnen zentrale Trauma-assoziierte Kognitionen verändert werden müssen (Hypothese der kognitiven Modifikation). Die ebenfalls aus verhaltenstherapeutischen Prinzipien abgeleiteten, aber konzeptuell heterogenen Verfahren des Angstmanagements bei PTBS zeigen insgesamt günstige Effekte, müssen aber im Vergleich zu Exposition und kognitivem Fokus als geringer ausgeprägt eingestuft werden (Roberts et al. 2015). Metaanalytisch ist allerdings festzuhalten, dass knapp ein Drittel der Patienten, die eine Trauma-fokussierte kognitive Verhaltenstherapie aufnehmen, vorzeitig ihre Behandlung abbrechen. Diese Drop-out-Quote liegt signifikant höher als unter Kontrollbedingungen (Carpenter et al. 2018).
  • Kontrollierte Studien zur Interpersonellen Psychotherapie deuten ebenfalls günstige Effekte bei PTBS an. Dieser konzeptuelle Ansatz legt ein sehr viel stärkeres Gewicht auf Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen und sozialer Unterstützungsmöglichkeiten und relativiert eine auf das Trauma bezogene Exposition als sine qua non für eine psychotherapeutische Wirksamkeit (Markowitz et al. 2015). Es werden nicht nur positive Wirkungen auf PTBSund depressive Symptome, sondern auch auf ein günstigeres Ärger-Management und eine vorteilhaftere Beziehungsqualität hervorgehoben (Krupnick et al. 2008; Schaal et al. 2009). Die interpersonale Psychotherapie wird in den Präferenzangaben von Patienten recht positiv bewertet (Markowitz et al. 2016). Sie kann auch bei chronischen PTBS-Verläufen anhaltende Effekte erzielen (Markowitz et al. 2018).
  • Es liegen mittlerweile auch moderne Varianten eines kognitiv-behavioralen Ansatzes in der Behandlung der PTBS
    vor. Eine solche konzeptuelle Fortentwicklung stellt die Skills Training in Affective and Interpersonal Regulation (STAIR) Narrative Therapy dar. Sie kombiniert eine Trauma-orientierte Arbeit mit einem speziellen Skills Training, das besondere Probleme in der Führung des personalen und sozialen Alltags aufnimmt, die aus komplexeren PTBS-Verläufen resultieren. Mehrere kontrollierte Studien zeigen, dass Patienten, die nur schwer durch eine übliche KVT erreicht werden, von der STAIR-Narrativen-Therapie profitieren können (Cloitre & Schmidt 2015). Zu diesen neueren Ansätzen zählt ferner die Narrative Expositionstherapie. Sie setzt einen expliziten Fokus auf die besondere Struktur des traumatischen Gedächtnisses. Sie zielt auf eine Angleichung traumatischer Erinnerungen mit dem übrigen autobiografischen Gedächtnis und versucht so, wieder eine sichere personale Identität nach einem Trauma zu erreichen. Mehrere kontrollierte Studien liegen mittlerweile vor. Sie bestätigen eine hohe Effizienz und gute klinische Umsetzbarkeit in unterschiedlichen, auch sehr schwierigen Traumakontexten (Elbert et al. 2015). Klinisch überzeugende Resultate erbrachte auch die Dialogische Expositionstherapie (DET), die einerseits traditionelle KVT-Elemente mit Methoden der interpersonalen Gestalttherapie verknüpft (Butollo et al. 2014).
  • Als weitere Variante eines kognitiven Expositionsverfahrens könnte auch das EMDR­Verfahren (Augenbewegungsdesensibilisierung und Verarbeitung) angesehen werden. Hierbei werden Patienten aufgefordert, sich eine Szene des ursprünglichen Traumas bildlich vorzustellen. Der innere Imaginationsvorgang wird von sakkadischen Augenbewegungen begleitet, die durch eine schnelle Fingerbewegung des Therapeuten ausgelöst werden. Patient und Therapeut fokussieren bei diesem Vorgehen auf aktivierte Trauma-bezogene Kognitionen und Emotionen. Die Sequenz wird so lange beibehalten, bis die Angst deutlich abnimmt. Dann wird der Patient motiviert, einen positiven Gedanken mit der traumatischen Szene zu verknüpfen, während sakkadische Augenbewegungen fortgeführt werden. Wichtige förderliche Prozesselemente sind der vermittelte positive Hoffnungshorizont, die große persönliche Kontrolle des Patienten über das Ausmaß der Mitteilung über das Trauma, der hohe Strukturierungsgrad bezüglich konfrontativer und kognitiver Elemente, die gewahrte persönliche Sicherheitsdistanz sowie das aktive Handlungsmuster des Therapeuten. In RCTs ist für die EMDR-Methode bei unterschiedlichen PTBS-Patientengruppen eine hohe Wirksamkeit nachgewiesen (Shapiro & Laliotis 2015; Sebastian & Nelms 2017).
  • Psychodynamische Kurzzeittherapien nach dem Behandlungsmodell von Horowitz, das den therapeutischen Hauptfokus auf die Lösung von intrapsychischen Konflikten legt, die aus der traumatischen Erfahrung herrühren und sich wesentlich in der Ausgestaltung der Verleugnungsund Intrusionsphasen zeigen, führen bei einer Gruppe von PTBS-Patienten zu günstigen Ergebnissen. Im Vergleich zu Ansätze der KVT werden die Effektstärken allgemein als niedriger eingestuft (Watts et al. 2013). Direkte klinische Vergleichsstudien legen aber eine bemerkenswerte Äquivalenz in der Wirksamkeit nahe (Levi et al. 2016; Steinert et al. 2017).
  • Die Imagery­Rehearsal­Therapie stellt eine Syndromorientierte Behandlungsform dar und zielt speziell auf die Modifikation von PTBS-assoziierten Albträumen. Einleitend werden diese Albträume den Patienten als kontrollierbar erläutert und als ein normalpsychologisches Phänomen bewertet. Nach der Wahl eines typischen Albtraums soll der Trauminhalt möglichst exakt protokolliert werden. Dieser Traumtext kann dann anschließend nach Belieben in einem positiven Sinne abgeändert werden. Dieses neue Traumnarrativ wird über eine Woche lang 5 bis 20 Minuten täglich mit möglichst intensiver bildhafter Veranschaulichung durchgeübt. Die IRT erwies sich in mehreren RCTs als hoch wirksam (Seda et al. 2015).
  • Mindfulness- und Achtsamkeits­basierte Therapieverfahren haben mittlerweile einen beachtenswerten Stellenwert auch bei der Behandlung der PTBS erlangt. Es kommen hierbei zahlreiche Elemente u.a. aus Meditation, mentaler und körperlicher Entspannung sowie Aufmerksamkeitsschulung zum Einsatz. In Unterscheidung zu einem expliziten Trauma-Fokus in den meisten anderen PTBS-Psychotherapien liegt der Schwerpunkt auf einer offenen Aufmerksamkeit und einer nicht bewertenden kognitiven Einstellung gegenüber der mentalen und leiblichen Gesamtheit des erlebbaren Jetzt-Zustands. Vorliegende Studien belegen eine erstaunliche Wirksamkeit auch bei chronischen PTBS-Verläufen (Boyd et al. 2017).

In einer allgemeinen empirischen Effizienzbewertung der einzelnen psychotherapeutischen Verfahren bei der PTBS ist den Trauma-fokussierten kognitiv-behavioralen Verfahren wie auch dem EMDR vermutlich die höchste Effizienz zuzusprechen. In einer klinischen Perspektive muss aber beachtet werden, dass ein bedeutsamer Prozentsatz der Patienten nach Beendigung der Therapie immer noch z.T. beträchtliche Residualsymptome aufweist. Nicht selten sind die diagnostischen Kriterien einer PTBS nach wie vor erfüllt. Eine kritische Analyse der in den Studien aufgeführten Ausschlusskriterien belegt, dass Patienten mit psychiatrischen und somatischen Komorbiditäten häufig ausgeschlossen waren. Die berichteten Therapieergebnisse dürfen also nicht so ohne Weiteres auf durchschnittliche Versorgungsbedingungen generalisiert werden.

Vermutlich bedeutsame Modifikationen müssen für militärisches Personal nach traumatisierenden Kriegserfahrungen und PTBS (Foa et al. 2018; Pearce et al. 2018) sowie für Patienten mit komplexen PTBS-Verläufen vorgenommen werden (Cloitre 2015; de Jongh et al. 2016). Behandlungs-resistente Fälle von PTBS werden als spezielle Herausforderung wahrgenommen. Versorgungsrelevante Fortentwicklungen liegen prinzipiell vor, müssen jedoch in den diversen Versorgungskontexten noch weiter empirisch überprüft werden (Schnyder & Cloitre 2015; Dixon et al. 2016). In der psychopharmakologischen Behandlung von PTBS sind bisher fast alle traditionellen Substanzklassen, aber auch zahlreiche experimentelle Pharmaka auf ihre potenzielle Wirksamkeit untersucht worden. Generell ist bei der Bewertung von kontrollierten Studien zu beachten, dass ein deutlich niedrigeres Effizienzkriterium als vergleichsweise in Studien zur Behandlung von depressiven Störungen zugrunde liegt, d.h., eine Therapie-Response wird sehr häufig bereits bei einer Reduktion der PTBS-Symptome um 30 Prozent angenommen (Kapfhammer 2017 a).

  • Serotonerg wirksame Antidepressiva, speziell die SSRI, aber auch SNRI wie Venlafaxin und Duloxetin zählen zu den empirisch am besten und umfangreichsten untersuchten Substanzen in der Behandlung von ABS/PTBS. RCTs belegen eine Reduktion der Werte in den zentralen PTBS-Symptomclustern. Die ermittelten Effektstärken sind allerdings mit ES=0,23 sehr bescheiden, die Anzahl der
    Non-Responder ist relativ hoch, nur wenige Patienten erreichen eine Remission, bedeutsame Nebenwirkungen sind zu beachten (Hoskins et al. 2015).
  • Die meisten der bei der PTBS als Moodstabilizer untersuchten Antikonvulsiva (Carbamazepin, Oxcarbazepin, Valproat, Lamotrigin, Gabapentin, Topiramat, Tiagabin, Phenytoin) zeigten in offenen Studien durchaus ermutigende Effekte, die aber in RCTs mehrheitlich nicht bestätigt wurden. Es zeichneten sich allenfalls bescheidene Wirkungen auf die Kernsymptome der PTBS ab (Wang et al. 2014). Es existiert bis jetzt kein empirischer Beleg für einen Antikindling-Effekt. Empirisch bleibt offen, ob Moodstabilizer spezielle, im Verlauf einer PTBS häufige auftretende Symptome wie Ärger, Aggressivität und gestörte Impulskontrolle günstig modulieren. Positive Effekte werden für Topiramat bei PTBS und komorbider Substanzgebrauchsstörung diskutiert. Derzeit scheint eine Behandlungsoption für Moodstabilizer in erster Linie als Add-on bei SSRIs/SNRIs angezeigt zu sein (Thomas & Stein 2017).
  • Atypische Antipsychotika können als Monotherapie oder aber als Add-on-Gabe beispielsweise zu den SSRI verabreicht werden. Positive Effekte auf Aggressivität, negative Affektivität, Intrusionen und Schlafstörungen wurden in kontrollierten Studien nachgewiesen. Die Gesamteinschätzung ist derzeit aber nach wie vor zurückhaltend (Davidson 2016).
  • Benzodiazepine sind nicht imstande, die Kernsymptome einer ABS/PTBS zu bessern. Alprazolam ist diesbezüglich möglicherweise eine Ausnahme (Lee et al. 2013). Ein Einsatz von Benzodiazepinen sollte allenfalls als Kurzzeitintervention erwogen werden (Bernardy & Friedman 2015).
  • Der Einsatz der Opiatantagonisten Naloxon/Naltrexon kann nach einer schwerwiegenden Traumatisierung und konsekutiver Entwicklung einer ABS/PTBS Opiatentzugssymptome provozieren. Andererseits kommt Opiatantagonisten bei prolongierten dissoziativen Zuständen einer Depersonalisation im Rahmen eines chronischen PTBS-Verlaufs möglicherweise eine Indikation zu, wobei empirische Erfahrungen bisher nur Syndromorientiert gesammelt und überprüft worden sind (Kapfhammer 2017 b). Eine allgemeine Bewertung für den Versorgungsalltag ist offen zu halten. Ein möglicher vorteilhafter Einsatz bei Patienten mit PTBS und komorbider Alkoholabhängigkeit wird durch ein rezentes RCT gestützt (Zang et al. 2017).

In einer allgemeinen empirischen Effizienzbewertung der diversen pharmakologischen Strategien bei der PTBS sprechen systematische Reviews und Metaanalysen den SSRI den Status von Medikamenten der ersten Wahl zu. Es liegen günstige Daten sowohl für die Akutals auch für die Erhaltungstherapie vor. Gegenüber den Trizyklika besitzen sie ein deutlich breiteres therapeutisches Wirkspektrum. Gegenüber den MAO-Hemmern zeichnen sie sich vor allem durch ein günstigeres Nebenwirkungsspektrum aus. SSRI können die PTBS-Kernsymptome signifikant reduzieren und die häufig assoziierten Angstund depressiven Störungen bessern. Die Effektstärken müssen insgesamt aber als recht bescheiden beurteilt werden. In einer Langzeitperspektive ist ein symptomsuppressiver Effekt hervorzuheben, nach Absetzen der Medikation besteht weiterhin ein hohes Rückfallrisiko.

Den SSRI in der Wertigkeit nachgeordnet sind aufgrund der knapperen empirischen Datenlage die SSNRI, Mirtazapin und auch Trazodon als Mittel der zweiten Wahl. Atypische Antipsychotika (Olanzapin, Risperidon) zeigen ein günstiges Wirkprofil bei einigen PTBS-Symptomen, das aber noch weiter untersucht werden muss. Zusammen mit den Mood-Stabilisatoren werden sie derzeit vorrangig in Addon-Strategien eingesetzt. Benzodiazepine sollten nur sehr gezielt und jedenfalls nur kurzfristig verabreicht werden. Die medikamentöse Behandlung posttraumatischer Syndrome verlangt prinzipiell eine Langzeitperspektive. Sie ist bei der akuten PTBS auf sechs bis zwölf Monate anzusetzen. Bei chronischen PTBS-Verläufen ist meist eine sehr viel längere Pharmakotherapie notwendig. Für pharmakologische Kombinationstherapien können zwar theoretische Argumente gefunden werden, mehrheitlich fehlt aber hierfür eine empirische Datenbasis. Das Problem der Therapieresistenz wird auch in einer psychopharmakologischen Perspektive gut erkannt. Die Suche nach neuen medikamentösen Wirkprinzipien ist intensiv. Sie bedürfen aber noch einer empirischen Überprüfung der prinzipiellen Wirksamkeit und auch der Nützlichkeit in den diversen Versorgungskontexten (Kapfhammer 2017 a).

Bei der kritischen Beurteilung pharmakologischer Therapieoptionen bestehen ähnliche Vorbehalte, wie sie auch bei den psychotherapeutischen Ansätzen bestehen. Diese betreffen die oft nur bescheidenen Therapieeffekte in den empirischen Studien, die weitgehende Vernachlässigung von psychiatrischen und somatischen Komorbiditäten, die geringe Anzahl von Langzeitstudien, fehlende kontrollierte Untersuchungen zu den Themen der Therapieresistenz einerseits, zur Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie andererseits (Bernardy & Friedman 2015; Kapfhammer 2017 a).

In jüngster Vergangenheit wurden mehrere experimentelle Substanzen unter der Indikation von ABS und PTBS untersucht (Friedman & Bernardy 2017; Thomas & Stein 2017):

  • Der Einsatz von niedrigdosiertem Hydrokortison könnte für selektive Indikationen (z.B. stark ausgeprägte intrusive Symptome) eine Option in der medikamentösen Akuttherapie oder in der Kombination mit Expositionsverfahren sein (Yehuda et al. 2015).
  • Für den α1-Antagonisten Prazosin liegt ein hoher Evidenzgrad in der Behandlung Trauma-assoziierter Schlafund Traumstörungen vor (De Berardis et al. 2015).
  • Der GABA-B-Agonist Baclofen ist möglicherweise eine interessante Behandlungsoption vor allem in einer Addon-Gabe zu SSRI (Manteghi et al. 2014).
  • Positive Ergebnisse bei PTBS-assoziierten psychophysiologischen Symptomen existieren für Omega­3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) (Matsumura et al. 2016).
  • Der glutamaterge NMDA-Antagonist D­Cycloserin konnte in der Behandlung verschiedener Angststörungen als wirksamer Verstärker von Expositionsverfahren nachgewiesen werden. RCTs bei PTBS-Patienten haben bisher noch keine klaren Ergebnisse erbracht. Das Potenzial wird aber insgesamt als weiter erprobungswert eingestuft (Mataix-Cols et al. 2017).
  • Ketamin konnte in einem als Proof-of-concept durchgeführten RCT PTBS-Symptome rasch und wirksam reduzieren (Feder et al. 2014). In einer theoretischen Perspektive wird Ketamin vor allem im Hinblick auf die Modifikation von Defiziten einer synaptischen Konnektivität bei chronischen PTBS-Verläufen untersucht (Krystal et al. 2017).
  • Selektive Cannabinoide in der Behandlung der PTBS werden nach positiven Einzelfallstudien unter Beachtung der vorliegenden neurobiologischen Befunde zum Endocannabinoid-System als eine weitere pharmakologische Variante diskutiert (Hill et al. 2018).
  • In letzter Zeit haben Studien zur Augmentation von Trauma-Psychotherapien wie prolongierte Expositionsverfahren mittels Psychedelika wie insbesondere MDMA (3,4-Methylendioxymeth-Amphetamin) zu aufregenden ersten Ergebnissen geführt (Amoroso et al. 2016; Fattore et al. 2018). Angesichts des hohen Abhängigkeitsrisikos dieser Substanzen sind jedoch bedeutsame Bedenken gegenüber einer unkontrollierten Experimentierhaltung anzumelden.

Schlussbemerkung

Epidemiologische Studien belegen, dass selbst nach schwerwiegenden Traumatisierungen das konditionale Risiko für eine PTBS sehr unterschiedlich ist. Eine bedeutsame Subgruppe von betroffenen Personen setzt ihren traumatischen Erlebnissen eine erstaunliche Widerstandskraft entgegen, kann sich gut erholen und entwickelt mehrheitlich auch keine psychopathologischen und psychosomatischen Langzeitfolgen (Litz 2014). Diese unter dem Konzept der Resilienz zusammengefassten Beobachtungen haben mittlerweile intensive Forschungsbestrebungen initiiert und bereits zu bedeutsamen psychologischen, psychosozialen und neurobiologischen Erkenntnissen geführt (Southwick & Charney 2012). Diese Befunde aus der Resilienz-Forschung, ebenso wie jene zum Thema des posttraumatischen Wachstums werden künftig die Behandlungspraxis für Personen nach Traumata und mit Trauma-Folgestörungen bereichern, möglicherweise auch entscheidend verändern.

Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien

Lecture Board: Univ.-Prof. Dr. Angela Naderi-Heiden, Univ.-Prof. Dr. Matthäus Willeit

Foto: Archiv

Univ.-Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Kapfhammer
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, LKH-Universitätsklinikum Graz E-Mail: Hans-peter.kapfhammer@klinikum-graz.at

 

Literatur beim Autor