Die halluzinogenen Drogen kehren zurück. Das zeigen nicht nur die Statistiken von Behörden, die mit der Kontrolle des illegalen Drogenhandels beschäftigt sind, das zeigt auch die steigende Zahl von wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Thema. Auch ein steigendes Interesse am therapeutischen Einsatz dieser Substanzen ist seit Kurzem zu beobachten. (CliniCum neuropsy 4/18) 

Seit den 1950er Jahren wurden mehr als 9.000 Studien zu den klassischen Halluzinogenen, allen voran LSD, publiziert. Eine Auswertung der Einträge in PubMed zeigt, so Prof. Dr. Boris Quednow von der Universität Zürich, eine deutliche Häufung in den frühen 70er Jahren. Danach ging das wissenschaftliche Interesse an diesen Substanzen rapide zurück – bis vor wenigen Jahren. Denn seit 2012 wird wieder verstärkt zu Halluzinogenen geforscht und publiziert. Dabei sind Halluzinogene eine chemisch und pharmakologisch sehr heterogene Gruppe. Man unterscheidet zwischen den klassischen Halluzinogenen mit Tryptamin-Struktur (in diese Gruppe gehören LSD und Psilocybin), klassischen serotonergen Halluzinogenen mit Phenylethylamin-Struktur (z.B. Meskalin) sowie einer Vielzahl neuerer psychoaktiver Substanzen, die auf Serotonin-Rezeptoren wirken.

Gemeinsam ist allen diesen Substanzen die Wirkung an 5HT2A-Rezeptoren als partielle, gemischt-partielle oder volle Agonisten. Daher kann sowohl bei Menschen als auch beim Tiermodell die Wirkung von LSD, Psilocybin, Meskalin etc. durch 5HT2AAntagonisten aufgehoben werden. Unterschiede in den Wirkungen der verschiedenen Halluzinogene ergeben sich aus deren unterschiedlichen Affinitäten zum 5HT1-Rezeptor, anderen Serotonin-Rezeptoren sowie Dopamin-Rezeptoren. Darüber hinaus bewirken einige dieser Halluzinogene auch einen Anstieg der Glutamat- Spiegel im präfrontalen Cortex, der zu einer Stimulation von NMDA- und AMPA-Rezeptoren führt.

Microdosing: LSD als „Neuro Enhancer“

Medizinische Anwendung von Halluzinogenen wurde in unterschiedlichen Indikationen und unterschiedlichen Strategien versucht. Bei psycholytischen und psychotherapeutischen Anwendungen wurde die Droge ein einziges Mal verabreicht, um die Situation in einer psychotherapeutischen Sitzung zu verändern oder dem Klienten eine spirituelle Erfahrung zu ermöglichen. Psychopharmakologische Ansätze zielten auf eine Stimulation des 5HT2A-Rezeptor entweder mit einer einzelnen hohen Dosis oder chronisch mit niedrigen Dosierungen ab. Dies ist zu unterscheiden vom sogenannten „Microdosing“, bei dem versucht wird, durch chronische Einnahme extrem niedriger Dosen Kreativität, Leistungsfähigkeit und Motivation zu verbessern.1 Gerade das Microdosing dürfte sich gegenwärtig besonders in den USA zu einem neuen Trend   des illegalen Drogenkonsums entwickeln. Daten zu Langzeitfolgen fehlen. Generell sei, so Quednow, gegenwärtig ein leichter Trend zurück zu den Halluzinogenen zu bemerken. Daten aus den USA zeigen einen Anstieg des LSD-Gebrauchs besonders bei Jugendlichen und auch in Drug-Checking-Programmen, beispielsweise in der Schweiz, würden vermehrt serotonerge Halluzinogene gefunden.

Über hundert geschädigte Patienten in Dänemark

Das ist nicht unproblematisch. Denn das Gehirn reagiert – insbesondere auf chronische Einnahme – auf die Stimulation der Serotonin-Rezeptoren mit deren Downregulation. Da Halluzinogene jedoch selektiv auf bestimmte 5HT-Rezeptoren (besonders auf 5HT2A) wirken, kommt es durch deren Downregulation zu Verschiebungen zugunsten der nicht betroffenen Rezeptoren (vor allem 5HT2C). Der Verlust der 5HT2A-Rezeptoren korreliert mit der Entwicklung von Toleranz und kann lange anhalten. Ob diese neuroplastischen Effekte unter Umständen therapeutisch genützt werden können, ist unklar, wie insgesamt die Datenlage zu möglichen sinnvollen Anwendungen von Halluzinogenen in der Psychiatrie sehr dünn ist. Quednow weist in die  sem Zusammenhang auch auf das Problem der Kontrolle hin. So seien placebokontrollierte Studien beispielsweise mit LSD kaum zu realisieren, da dem Verum-Patienten die Sofortwirkung in der Regel nicht verborgen bleiben wird.

Eine besondere Sorge gilt der Neurotoxizität. Es wird vermutet, dass die starke (und bei chronischem Konsum anhaltende) Stimulation von 5HT2A-Rezeptoren die Apoptose von Nervenzellen fördert. Noch ausgeprägter als bei LSD, Psilocybin und Meskalin sind die Risiken bei einigen neuen und zum Teil hochpotenten synthetischen Halluzinogenen, die zu Rhabdomyolyse, Serotonin-Syndrom und Krampfanfällen führen können. Tödliche Vergiftungen wurden berichtet. Hinzu kommt eine Reihe akuter und chronischer Nebenwirkungen wie zum Beispiel „Horrortrips“ mit entsprechenden Angst- und Panikreaktionen sowie psychotische Episoden. Psychosen können ebenso wie Panikstörungen auch langfristig bestehen bleiben. „Flashbacks“, wissenschaftlich korrekt als Hallucinogen Persisting Perception Disorder bezeichnet, werden von 60 Prozent der LSD-Konsumenten angeben, bei vier Prozent bleiben solche Ereignisse langfristig bestehen und werden krankheitswertig.

Wie ungünstig sich der medizinische Einsatz von LSD auswirken kann, zeigen Daten aus Dänemark, wo zwischen 1960 und 1973 rund 400 Patienten mit LSD behandelt wurden. In der 1980er Jahren erhielten 154 dieser Patienten finanzielle Entschädigungen, weil sie Jahre später noch unter den Folgen der Behandlung, insbesondere unter Flashbacks, litten. Dr. Jens Knud Larsen von der Universität Aarhus, der diese Daten 2016 publizierte, betont, dass angesichts des neuerwachten Interesses an LSD diese unerfreulichen Zahlen im Auge behalten werden sollten.2

„Ecstasy“ als Chance für die Psychotherapie?

Sehr wohl therapeutisches Potenzial sieht Dr. Ben Sessa vom Imperial College London für die auch als „Ecstasy“ bekannte halluzinogene Droge MDMA (3,4-Methylendioxy-Nmethylamphetamin). Eine potenzielle Zielgruppe sind in der Kindheit traumatisierte Personen mit Alkohol- und anderen Substanzproblemen. Bei diesen Patienten komme es infolge der Traumatisierung zu einer negativen Sicht sowohl der Welt als auch des Selbst – worauf mit dem Ausblenden der Welt durch Konsum sedierender Drogen reagiert werde. Sessa: „Wir sehen in dieser Population Polypharmazie, vielfache Therapieversuche, Selbstschädigung und Suizidalität, ein hohes Maß an Therapieresistenz und eine hohe Prävalenz von Substanzabusus und Sucht.“

Als eine mögliche Antwort schlägt er den therapeutischen Einsatz von MDMA vor, das er als das „perfekte Werkzeug für die Trauma- Psychotherapie“ bezeichnet. Die Vorteile, so Sessa: MDMA hat eine relativ kurze Wirkungsdauer, die Wahrnehmung ist weniger stark verändert als bei klassischen Halluzinogenen, die Erfahrung ist fast immer positiv, es ist bei Anwendung in einem therapeutischen Setting sicher, es erlaubt den Zugang zu traumatischen Erinnerungen, und es verstärkt Empathie. Die Gründe für die genannten Effekte liegen im speziellen Wirkmechanismus, der sich von anderen serotonergen Halluzinogenen unterscheidet. Neben der Wirkung am 5HT2A-Rezeptor greift MDMA nämlich auch an den Rezeptoren 5HT1A und 5HT1B an, was zu einer antidepressiven, anxiolytischen und aggressionsmindernden Wirkung führt. Der Serotoninspiegel wird generell erhöht, es kommt zum Anstieg von Dopamin und Norepinephrin, was unter anderem gesteigerte Aufmerksamkeit bewirkt.

Weitere Effekte sind verstärkte Alpha-2-Aktivität (die mit Entspannung in Verbindung gebracht wird) sowie die Ausschüttung von Oxytocin im Hypothalamus, was Bonding und Empathie verstärkt. Alle diese Wirkungen lassen sich, so Sella, im Rahmen einer psychotherapeutischen Sitzung nützen. Allerdings sind die Daten zu Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen mehr als spärlich und auf Einzelfallberichte reduziert. Das soll sich nun ändern. Im Bristol MDMA-Alcoholism Project (BIMA) werden 20 alkoholabhängige Patienten im Rahmen einer teilweise stationären Behandlung über acht Wochen psychotherapiert, wobei in zwei Sitzungen MDMA zum Einsatz kommt. Endpunkte sind Alkoholabstinenz, mentale Gesundheit und Lebensqualität. Es ist dies die erste klinische Studie zu MDMA. Die verbreiteten Sicherheitsbedenken teilt man in Bristol nicht.

Sella weist darauf hin, dass es ungeachtet der verbreiteten Verwendung von MDMA als Partydroge bislang zu sehr wenigen Zwischenfällen mit minimaler Morbidität und Mortalität gekommen sei und die in den Medien kolportierten Vergiftungen in der Regel auf Beimengungen oder grob falsche Dosierungen zurückzuführen waren. Die potenziell gefährlichen Nebenwirkungen Hyponatriämie und Hyperthermie seien in einem klinischen Setting leicht zu kontrollieren und im Bedarfsfall zu behandeln. Sella: „Die in den 90er Jahren geäußerten Befürchtungen hinsichtlich Neurotoxizität haben sich epidemiologisch nicht bestätigt und sind vor allem bei moderaten Dosierungen und seltener Anwendung nicht relevant. Klinisches MDMA sollte nicht mit Ecstasy als Partydroge verwechselt werden.“

Ibogain: wirksam, aber QTc-Verlängerung

Eine weitere halluzinogene Droge, die gegenwärtig auf Interesse in der Suchttherapie stößt, ist Ibogain, ein Indolalkaloid mit halluzinogener Wirkung, das Visionen und nicht selten religiöse Erfahrungen auslöst. Der Wirkmechanismus ist ungeklärt. Bereits in den 1960er Jahren wurde eine suchtvermindernde Wirkung beschrieben. In Einzelfallberichten ist von Patienten die Rede, deren Opiatoder Alkoholabhängigkeit nach einer einzelnen Dosis Ibogain verschwand. Allerdings liegen mittlerweile auch zahlreiche Fallberichte von plötzlichen Todesfällen unter Ibogain vor. Der Grund liegt in einer Verlängerung des QT-Intervalls.3 Tierversuche weisen auch in Richtung von Neurotoxität im Bereich des Kleinhirns. Prof. Dr. Arnt Schellekens vom Radboud Medical Center in Nijmegen berichtet von einer ersten kontrollierten Studie mit 15 Opioid-abhängigen Patienten, deren Ergebnisse noch nicht publiziert sind. Ibogain habe darin ein gewisses Potenzial erkennen lassen, gleichzeitig konnten aber auch die bekannten Risiken, insbesondere eine QTc-Verlängerung, beobachtet werden. Daher sollten Anwendungen von Ibogain zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf das streng kontrollierte Setting klinischer Studien beschränkt bleiben. Insbesondere wird vom Einsatz der pflanzlichen Droge durch Natur- und Wunderheiler gewarnt, da diese Konstellation bereits Todesopfer gefordert hat.

Referenzen:
1 Tupper KW et al., CMAJ 2015; 187(14):1054–9
2 Larsen JK, Hist Psychiatry 2016; 27(2):172–89.
3 Koenig X, Hilber K, Molecules 2015; 20(2):2208–8

„From new psychotropic drugs to psychedelic medicine: risks and challenges of research chemicals in psychiatry“, Symposium im Rahmen des European Congress of Psychiatry (EPA), Nizza, 6.3.18

Von Reno Barth