Erst vor wenigen Monaten übersiedelte die damalige 5. Psychiatrische Abteilung des Otto-Wagner-Spitals in den Neubau im 3. Wiener Bezirk. Bereits jetzt spüren Mitarbeiter und Patienten den wohltuenden Effekt der modernen Architektur, wie Prim. Dr. Margit Wrobel und Oberpfleger Dr. Harald Stefan, MSc., bestätigen.

Fotos: Rupert Steiner, PlanSinn GmbH/Gert Domenig

Es ist nicht nur die jüngste „dezentralisierte“ psychiatrische Abteilung Österreichs, sondern vermutlich auch die derzeit modernste im deutschsprachigen Raum: Erst im Dezember 2014 bezog das Team um Prim. Dr. Margit Wrobel und Oberpfleger Dr. Harald Stefan, MSc, das neue Gebäude vis-à-vis der Krankenanstalt Rudolfstiftung als integrierte Fachabteilung. Das „Haus 22“ (Adresse: Juchgasse 22) ist ein helles, mit Tageslicht durchflutetes Gebäude, gekennzeichnet durch eine geschwungene Außenfassade und großzügig angelegte Räume im Inneren. „Genügend Raum zu haben war eine unserer wichtigsten Prioritäten in der Planung“, sagt Wrobel. Kein Gang mündet in eine „Sackgasse“ und Patienten können gleichermaßen um den Innenhof herumwandern.

Wrobel: „Die Übersiedelung war ein wichtiger und notwendiger Schritt für die Nahversorgung der Wiener Patienten genauso wie im Hinblick auf die Entstigmatisierung.“

Wrobel: „Die Übersiedelung war ein wichtiger und notwendiger Schritt für die Nahversorgung der Wiener Patienten genauso wie im Hinblick auf die Entstigmatisierung.“

„Bereits jetzt, wenige Monate nach der Übersiedelung, merken wir, dass sich die Weite der Räume in deutlich geringerer Anspannung und Aggression bemerkbar macht“, so Wrobel. Rückblickend ging der Übersiedelung ein langer Prozess der Motivation und Information voraus – für das Team selbst genauso wie für die Patienten. „Die Übersiedelung war ein wichtiger und notwendiger Schritt für die Nahversorgung der Wiener Patienten genauso wie im Hinblick auf die Entstigmatisierung“, ergänzt Wrobel. Die Psychiatrie im Standardkrankenhaus soll das Image „eines medizinischen Faches wie alle anderen“ bekommen. Der Versorgungsauftrag gilt dabei für Patienten aus dem 3., 4. und 11. Wiener Bezirk.

Moderner Standard

Gut durchdacht ist die Anlage der Räume: Therapieräume befinden sich im vierten Stock, im ersten, zweiten und dritten Stock sind drei Stationen mit jeweils 20 Betten eingerichtet, eine davon für Patienten über 60 Jahre. Es gibt ausschließlich Ein- und Zweibettzimmer mit Dusche und WC. „Was heute für alle Krankenhaus-Neubauten Standard ist, war für die psychiatrische Abteilung gar nicht so einfach durchzusetzen“, schildert Wrobel. Bedenken wurden etwa im Hinblick auf die Sicherheit suizidgefährdeter Patienten geäußert. „Da haben wir ganz klar betont, dass diese in unserer personellen Verantwortung liegt.“

Alle Zimmer sowie die meisten Therapieräume haben zudem eine Loggia: „Die Patienten sollen möglichst viel Kontakt zur Außenwelt haben und Tages- und Jahreszeiten miterleben“, betont Wrobel. Ein Dachgarten mit Hochbeeten kann zudem in Kürze als Therapiegarten genutzt werden. In der Nähe der Stützpunkte gibt es Krisenzimmer, wo Patienten bei Bedarf engmaschig überwacht werden können. Mittels ihrer elektronischen Zugangskarte und speziellen Sensoren können Mitarbeiter im Bedarfsfall auch einen „stillen Alarm“ an das Mobiltelefon der Kollegen senden und um Unterstützung bitten.

Motivation zur Selbstständigkeit

Mit der Übersiedelung in den Neubau ist zu den Stationen eine Tagesklinik mit zehn Betten hinzugekommen. Generell werden die Patienten vom Team der Abteilung zu möglichst viel Eigeninitiative angehalten: Sie sollen etwa Aktivitäten auch selbst organisieren (Tagesklinik) oder nach dem ersten Kontakt mit ihren Therapeuten selbstständig zu den Therapieräumen gehen, erklärt Oberpfleger Dr. Harald Stefan, MSc. Neu eingerichtet wurde auch eine eigene Erstbegutachtung und Krisenintervention im Erdgeschoß, um tagsüber die Stationen von „Notfallambulanten“ und Aufnahmen zu entlasten. Im Erdgeschoß befindet sich zudem das von pro mente betriebene Café „KOMM 3“, wo mitunter ehemalige Patienten einen Arbeitsplatz finden. Unmittelbar benachbart sind die neurologische und neurochirurgische Ambulanz, die Neurophysiologie sowie die Schmerzambulanz.

Auch die Klinischen Psychologen des „Haupthauses“ haben hier ihre Praxisräume – ein Ausdruck der angestrebten Vernetzung mit den somatischen Abteilungen der Rudolfstiftung. „Konkret konzipieren wir eine Kooperation mit der Schmerzambulanz und der 1. Medizinischen Abteilung“, erklärt Wrobel. Im Mittelpunkt stehen dabei Patienten mit somatoformen bzw. sogenannten psychosomatischen Erkrankungen, bei denen die Psychiatrie mit höchster Kompetenz diagnostisch und therapeutisch mitarbeiten müsse. „Manche Patienten suchen in ihrem Leid über Jahre sehr häufig unterschiedliche Fachärzte auf, um eine somatische Diagnose zu bekommen, bevor daran gedacht wird, dass psychische Faktoren wesentlich an somatischen Symptomen beteiligt sind“, betont Wrobel. „Diese Tatsache zeigt uns, dass wir weiter in Richtung Entstigmatisierung der Psychiatrie und intensiver Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen arbeiten müssen.“

Psychiatrie herzeigen

Die derzeit noch fehlenden Schilder mit dem Hinweis auf die Psychiatrische Abteilung im Foyer sollen alsbald angebracht werden, wie Wrobel versichert: „Wir wollen ganz selbstbewusst zeigen, dass hier eine psychiatrische Abteilung ist.“

Profil

Psychiatrische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien

Ärztliche Leiterin: Prim. Dr. Margit Wrobel Leiter des Pflegedienstes: Dr. Harald Stefan, MSc. Betten: 60 plus 10 Tagesklinik Mitarbeiter: 87, davon 14 Ärzte, 3 Psychologen und 10 Therapeuten (ca. 7 Vollzeit-Äquivalente) und 60 Pflegekräfte

Ärztliche Leiterin: Prim. Dr. Margit Wrobel Leiter des Pflegedienstes: Dr. Harald Stefan, MSc. Betten: 60 plus 10 Tagesklinik Mitarbeiter: 87, davon 14 Ärzte, 3 Psychologen und 10 Therapeuten (ca. 7 Vollzeit-Äquivalente) und 60 Pflegekräfte

Autor: Mag. Christina Lechner