Eine optimale Therapiestrategie ist immer mehrdimensional und sollte niemals nur pharmakotherapeutisch sein. Nicht medikamentöse Therapien sind immer integraler Bestandteil eines umfassenden Gesamtbehandlungsplans. (CliniCum neuropsy 5/17)

1. Nicht medikamentöse Therapien

Zu den nicht medikamentösen Therapien gehören psychosoziale Interventionen und sozialtherapeutische Maßnahmen ebenso wie psychotherapeutische Interventionen. Die Studienlage zu den meisten psychosozialen und anderen nicht medikamentösen Therapien sind naturgemäß nicht so umfassend wie bei der Psychopharmakotherapie. In der Praxis haben sich vor allem die Maßnahmen in Tabelle 1 als wirksam erwiesen. Die kognitive Stimulation verbessert die allgemein kognitive Leistungsfähigkeit. Wichtig sind die adäquate Auswahl der Methode nach der Schwere der Erkrankung sowie ein individualisiertes Vorgehen. Die kognitiven Fähigkeiten sollen mittels Aktivitäten zur Anregung von Gedächtnis, Konzentration, problemlösendem Denken und Kommunikation gefordert werden. Die soziale Komponente (Gruppenaktivitäten, Einbeziehung der Angehörigen) verstärkt die Wirkung. So können Unterhaltungen über Kindheitserlebnisse, Gestaltung von Festtagen, Reisen, Lieblingsspeisen oder Quizaufgaben in der Gruppe durchgeführt werden.

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Dies verbessert die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit, die Lebensqualität, das Kommunikationsverhalten sowie die soziale Interaktion. Beim kognitiven Training werden Übungen zu bestehenden kognitiven Fähigkeiten oder Strategien in Einzeloder Gruppensettings gemacht. Insbesondere das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, Sprache und visuelle Wahrnehmung werden dabei trainiert. Durch kognitives Training verbessert sich die spezifische kognitive Leistungsfähigkeit, aber auch allgemeine kognitive Fähigkeiten. Aktivitätsaufbau kann auch bei Demenz wirksam sein. Dabei spielen die Angehörigen eine aktive Rolle. Sie werden z.B. dazu angeleitet, angenehme Tätigkeiten in den Tagesablauf der Patienten einzufügen. Weiters erhalten sie ein Problemlösungstraining, das pflegenden Angehörigen den Umgang mit Verhaltenssymptomen erleichtern soll. Mit Aktivitätsaufbau für und mit dem Patienten kann es zu einer Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten sowie der Stimmung und damit zu einer Verringerung der Belastung der Angehörigen kommen. Die Erinnerungstherapie (Remineszenztherapie) führt die Patienten zurück auf wichtige Lebensereignisse. In Gruppengesprächen, die beispielsweise durch Fotos oder Musikstücke angeregt werden, ereignet sich eine angeleitete, chronologische Rückschau auf bedeutsame Stationen des eigenen Lebens.

Erinnerungstherapie verbessert die Selbstständigkeit der Patienten, ihre Kommunikationsfähigkeit, kognitive Fähigkeiten sowie die Stimmung. Werden Angehörige in die Therapie eingebunden, erleben diese die Rückblicke subjektiv als Abnahme ihrer eigenen Belastung. Aroma- und Musiktherapie haben sich in Studien ebenfalls als wirksam erwiesen. Dabei zeigt die Aromatherapie sowohl eine Besserung agitierten Verhaltens sowie eine insgesamt beruhigende Wirkung. Die Musiktherapie führt zu einem Rückgang der Verhaltenssymptome. Dabei wird den Patienten durch Melodien und eingängige Rhythmen beim gemeinsamen Singen oder Vorspielen von Musik dabei geholfen, Erinnerungsspuren wachzurufen. Zudem werden Gefühlsäußerungen ebenso gefördert wie soziale Interaktion. Die Musiktherapie führt zu einem Rückgang von Verhaltenssymptomen, besonders bei Aggressivität, Unruhe und ziellosem Wandern. In der Ergotherapie können bestimmte, lange Jahre durchgeführte Aktivitäten (Kochen und Ähnliches) angeregt werden.

Ergotherapeutische Maßnahmen dürfen nicht nur einfach „übergestülpt“ werden. Vielmehr muss auch hier individualisiert vorgegangen werden, um eine Wirkung zu erreichen. Die beste Evidenz zeigt die Angehörigenunterstützung. Entlastungsstrategien können die subjektive Belastung von Angehörigen und die Depressivität der Betroffen reduzieren. Ebenso verbessert sich bei adäquater Unterstützung das Wohlbefinden bei Angehörigen, aber auch beim Demenzpatienten. Die psychosoziale Demenztherapie SimA („Selbstständig im Alter“) hat sich in Studien als ausgezeichnete Maßnahme bewährt, die sogar mit der Wirkung von Cholinesterasehemmern vergleichbar ist. Das Programm wurde vom deutschen Psychogerontologen Wolf Dieter Oswald entwickelt und ist eine Kombination aus kognitiver Aktivierung (bei leichter bis mittelschwerer Demenz) bzw. biografieorientierter Aktivierung (bei schwerer Demenz) plus psychomotorischer Aktivierung.

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Eine Psychotherapie mit Demenzpatienten zielt in erster Linie auf eine Verbesserung der Alltagsaktivitäten und von BPSD ab. Dabei soll der Patient vor allem eine Stützung der Selbstsicherheit und des Selbstbildes und die Verringerung von Hilflosigkeit und Abhängigkeit erfahren. Auch die Akzeptanz, Bewältigung und Anpassung an bestehende und zunehmende Verluste wird in der Psychotherapie thematisiert. Insgesamt steht vor allem die Stabilisierung der Patienten im Vordergrund, ebenso wie die Förderung von Interesse an der Umwelt und an selbstständig durchgeführte Tätigkeiten. Die Wirksamkeit von Therapieformen wie der modifizierten tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapie, Validation, (kognitive) Verhaltenstherapie, verhaltenstherapeutisches Kompetenztraining und Interpersonelle Psychotherapie einer „Late-life“-Form konnten bislang in Studien nicht festgestellt werden.

2. Psychopharmakotherapie: Antidementiva

2.1. Alzheimer-Demenz

2.1.1. Cholinesterasehemmer Acetylcholinesterasehemmer haben sich bei leichter bis mittelschwerer Demenz als wirksame Optionen erwiesen. Sowohl Donepezil als auch Rivastigmin und Galantamin führten zu Verbesserungen der Kognition, der Alltagsfähigkeiten und des Verhaltens. Im späteren Stadium, der schweren Alzheimer-Demenz sind der NMDA-Rezeptor-Modulator Memantin und der Cholinesterasehemmer Donepezil zur Behandlung der AlzheimerDemenz zugelassen. Bei schwerer und mittelschwerer Demenz hat sich eine Kombination von Cholinesterasehemmer und Memantin als wirksam erwiesen. Laut Konsensus-Statement der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft aus 2010 ist eine solche Kombinationstherapie anzustreben Der MMSE-Richtwert für den Start dieser Behandlung liegt dabei zwischen fünf und 14. Der erste Cholinesterasehemmer Tacrin wurde wegen seiner Hepatotoxizität in nur geringem Maße eingesetzt.

1997 wurde der selektive und reversible Acetylcholinesterasehemmer Donepezil, 1998 der pseudoirreversible duale Acetylund Butyrylcholinesterasehemmer Rivastigmin und 2000 der reversible acetylund nikotinische Rezeptormodulator Galantamin zugelassen. Diese drei Cholinesterasehemmer, die mittlerweile auch als Generika verfügbar sind, stellen neben dem NMDA-Rezeptor-Antagonisten Memantin auch im Jahr 2017 den pharmakologischen Therapiestandard für die Alzheimer-Demenz dar. Der Versuch einer Ausdehnung der Indikation auf andere Demenzformen, Verhaltensstörungen oder leichte kognitive Beeinträchtigung wurde unternommen. Cholinesterasehemmer sind aber bisher nicht dafür registriert. Auch in den kommenden Jahren werden diese drei Cholinesterasehemmer die Standardtherapie der leichten bis mittelgradigen Alzheimer-Demenz darstellen, da alternative kausale Therapieansätze, die die Bildung von Amyloidplaques oder neuronalen Tau-Aggregaten repräsentieren, bisher noch in den Spätphasen der klinischen Erprobung gescheitert sind. Die kognitiven Effekte der Cholinesterasehemmer manifestieren sich in einer Rechtsverschiebung der mittels ADASCog (Alzheimer Disease Assessment Scale-Cognitiver Teil) oder MMSE-Scores gemessenen kognitiven Verfallskurven.

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Klinisch äußert sich dies in einer kognitiven Stabilisierung oder kurzfristigen leichten Verbesserung und verminderten Progredienz im Ausmaß von ein bis drei Jahren. Das Eintreten von Spätstadien und die Überlebensdauer werden jedoch nach bisherigen Studien nicht wesentlich verlängert. Eine 2011 publizierte dreijährige Beobachtungsstudie an 843 Patienten unter realitätsnahen Bedingungen ergab in den ersten sechs Therapiemonaten keine signifikanten Unterschiede in der kognitiven Effizienz der drei Wirkstoffe. Die Studie zeigte jedoch eine deutliche Abhängigkeit des kognitiven Abbaus von der Dosis des jeweiligen Inhibitors. Pharmakoökonomische Datenanalysen bestätigen, dass Cholinesterasehemmer mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99 Prozent einen Kostenvorteil gegenüber „Best supportive care“ ohne spezifische Therapie bewirken. Rivastigmin einerseits und Donepezil und Galantamin andererseits repräsentieren zwei verschiedene Klassen von Cholinesterasehemmern. Rivastigmin weist als freies Molekül eine Plasmahalbwertszeit von nur ca. zwei Stunden auf, bildet aber ein kovalentes Addukt sowohl mit Acetylals auch mit Butyrylcholinesterase und hemmt beide Enzyme mit einer Halbwertszeit von ca. zehn Stunden. Donepezil und Galantamin sind reversible Inhibitoren der Acetylcholinesterase und werden über die Lebercytochrome CYP2D6 bzw. Donepezil auch über CYP3A4 metabolisiert.

Dadurch resultiert ein größeres Wechselwirkungspotenzial und durch die unterschiedlich effektiv arbeitenden Polymorphismen dieser Zytochrome auch eine größere Variabilität der Wirkstoffspiegel bei Patienten, die die entsprechenden genetischen Varianten aufweisen. Nur bei Rivastigmin ist ein täglich zu applizierendes transdermales Pflaster in den Dosierungen 4,6mg, 9,5mg und 13,3mg verfügbar. Der Vorteil ist hierbei nicht so sehr die Vermeidung des First-PassAbbaus in der Leber, sondern die im Vergleich zur oralen Gabe stark retardierte Freisetzungskinetik, die zu einer gleichmäßigeren Anflutung, lang andauernden Wirkstoffabgabe und geringerer Nebenwirkungsrate führt.

Nebenwirkungsspektrum. Die unerwünschten NW sind Klasseneffekte, die bei allen drei Cholinesterasehemmern vorkommen und auf die Erhöhung des peripheren und zentralen cholinergen Tonus zurückzuführen sind. Gastrointestinale Symptome wie Magen und Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoen und daraus resultierende Dehydratation und Störung der Ionenbalance, kardiale Reizleitungsstörungen mit Bradykardie, Verlängerung des QT-Intervalls, Vertigo und Schlafstörungen mit Albträumen sind dokumentiert. Diese NW korrelieren mit dem Grad der erzielten Cholinesterasehemmung, treten jedoch nicht bei allen Patienten auf und gehen typischerweise ab der dritten Woche nach Therapiebeginn bzw. Dosiserhöhung zurück. Die Schwere der NW ist wesentlich für die Adhärenz und den möglichen Therapieerfolg. Diesbezüglich unterscheiden sich die drei Cholinesterasehemmer mehr als im Ausmaß ihrer Wirkung auf kognitive Parameter.

2.1.1.1. Donepezil: Donepezil beginnt in einer Dosierung mit 5mg 1x täglich und wird nach vier Wochen auf 10mg täglich erhöht. In einer Studie an 127 Alzheimer-Patienten wurde nach sechs Monaten eine kognitive Ansprechrate von 60 Prozent nachgewiesen. Träger des G-Allels, des Zytochrom-2D6-Polymorphismus PS 1080985 wiesen hingegen eine deutlich verringerte Ansprechwahrscheinlichkeit auf. In den USA ist seit 2010 eine 23mg Retard-Tablette zugelassen. Diese wird jedoch in Europa wegen erhöhter gastrointestinaler NW nicht empfohlen und ist deshalb nicht registriert. Die Raten der drei häufigsten schweren NW Nausea, Vertigo und Emesis betragen für 10mg und 23mg pro Tag 0,2 bzw. 0,9 Prozent, 0,2 bzw. 0,7 Prozent und 0,0 bzw. 0,6 Prozent. Dem steht keine proportionale Verstärkung der kognitiven Wirksamkeit gegenüber.

2.1.1.2. Galantamin: Galantamin entfaltet seine Wirkung sowohl am muskarinergen als auch am nikotinergen Rezeptor. Diese duale Wirkung ist möglicherweise im Langzeitverlauf günstig. Die optimale Galantamin-Dosis für die Frühstadien beträgt 16mg pro Tag, beginnend mit 8mg über vier Wochen. In mittelgradigen Stadien hat sich eine Dosiserhöhung auf 24mg bewährt. Anekdotisch werden verlängerte QT-Intervalle und kardiale Komplikationen berichtet. In einer klinischen Studie konnte jedoch keine erhöhte Frequenz von EKG-Veränderungen im Vergleich zur Placebogruppe nachgewiesen werden. Durch die 1x täglich einzunehmende Retard-Kapsel konnten die gastrointestinalen NW reduziert werden.

2.1.1.3. Rivastigmin: In einer 24-wöchigen Doppelblindstudie mit aktivem Pflaster bei leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz war die Wirksamkeit mit den oralen Kapseln vergleichbar. Die häufigsten NW im gastrointestinalen Bereich waren aber signifikant um ca. zwei Drittel verringert. Während Übelkeit und Erbrechen die häufigsten NW bei oraler Einnahme sind, treten bei transdermal therapierten Patienten lokale Hautreaktionen, wie Rötung und Jucken am häufigsten auf. Durch regelmäßiges Wechseln der Applikationsstelle und ev. topische Kortikosteroide sind diese gut beherrschbar. Für dieses benigne gastrointestinale Profil ist die langsamere Rivastigmin-Anflutung (T-max. im Plasma 8,1 Stunden statt nur 1,4 Stunden bei oraler Verabreichung) verbunden mit wesentlich reduzierteren Konzentrationsspitzenwerten verantwortlich. Das NW-Profil ist der entscheidende Faktor für das Erreichen der kognitiv optimalen Dosierung bzw. für die Therapieadhärenz. Ca. 15 Prozent der kaukasischen AlzheimerPatienten sind Träger eines Polymorphismus des für Cytochrom P450 2D6 codierenden Gens. Dies führt zu einem schnellen Metabolismus von Donepezil und Galantamin und dadurch bedingter geringerer kognitiver Wirksamkeit bei Standarddosen.

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Auch das Wechselwirkungspotenzial mit anderen von CYP2D6-metabolisierten Wirkstoffen, wie z.B. Paroxetin, Fluoxetin, Metoprolol und Chinidin, ist zu beachten. Daraus resultierende ungewöhnlich hohe Plasmaspiegel sowie ein erhöhtes NW-Potenzial sind dokumentiert. Eine Genotypisierung der Patienten könnte die Ansprechrate für Donepezil und Galantamin bei identifizierten Polymorphismusträgern erhöhen und die NWRate senken. Bei Rivastigmin hingegen ist das Wechselwirkungspotenzial sehr gering, allerdings sind renale Funktionsstörungen zu beachten. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz ist die Dosierung zu halbieren bzw. auf andere Cholinesterasehemmer umzustellen. Zusammenfassend richtet sich die Entscheidung für oder gegen einen der drei Cholinesterasehemmer primär nach der Komorbidität relevanter Risikofaktoren und der Comedikation und weniger nach der Wirksamkeit.

2.1.2. Memantin Memantin ist ein nicht kompetitiver spannungsabhängiger NMDA(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptorantagonist, der pathologisch erhöhtes Glutamat vom Rezeptor verdrängt und den exzessiven Kalziumeinstrom verhindert, der für den Nervenzelltod mit verantwortlich ist. Memantin erwies sich in tierexperimentellen Studien als neuroprotektiv. Die Tagestherapiedosis liegt in der ersten Woche bei 5mg, ab der zweiten Woche bei 10mg, ab der vierten Woche bei 20mg. Ein Wirkungseintritt ist etwa nach vier Wochen zu erwarten. Die anzustrebende Tagesdosis für die Dauertherapie liegt bei 20mg. Memantin wurde 2002 für mittelschwere bis schwere Krankheitsstadien (MMSE 19 bis 3) zugelassen. Bei schwerer Niereninsuffizienz (GFR <30ml/min) ist die Dosierung zu halbieren (=10mg/d). In Studien mit bis zu einem Jahr Dauer zeigten sich signifikante Verbesserungen in der Kognition, der Alltagskompetenz, dem klinischen Gesamteindruck (CGI, Clinical Global Impression) und der Pflegebedürftigkeit.

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Memantin verbesserte auch Agitation/Aggression und illusionäre Verkennungen, Reizbarkeit und gestörtes Essverhalten, Darüber hinaus entwickelten unter MemantinKombinationstherapie weniger Patienten Verhaltensauffälligkeiten. Memantin ist eine geeignete Therapieoption sowohl für kognitive als auch für nicht kognitive Beeinträchtigungen bei mittelschwerer bis schwerer DAT. Vorsicht ist bei Patienten mit Lewy-Body-Demenz (LBD) und Demenz bei Parkinson-Syndrom (PDD) geboten, da viele ParkinsonPatienten entweder mit L-Dopa und/oder einem Dopaminagonisten behandelt werden und es bei gleichzeitiger Einnahme mit Memantin zu einer Wirkungsverstärkung und damit möglicherweise zu unerwünschten motorischen Komplikationen führen kann. Für die Kombination von Memantin und Acetylcholinesterasehemmer gibt es mittlerweile eine gute Datenlage, auch bei gemischten DAT-VAD-Formen. Einschränkend sei erwähnt, dass für diese Kombinationstherapie zurzeit noch keine Erstattung durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger besteht.

2.1.3. Ginkgo biloba Der Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761 wirkt pharmakologisch multifaktoriell: er besitzt Radikalfängereigenschaften und PAF(platelet activating factor)-Antagonismus, Neuround Membranprotektion, Steigerung der Hypoxietoleranz, Schutz vor Läsion zerebraler Strukturen, Hemmung von programmiertem Zelltod (Apoptose), hämodynamische, vaskuläre und hämorheologische Effekte und reduziert den Beta-Amyloid-Spiegel. Für Ginkgo biloba liegen kontrollierte, den derzeitigen wissenschaftlichen Anforderungen standhaltende Studien vor, die Verbesserungen in Kognition, Alltagskompetenz und neuropsychiatrischen Symptomen belegen. Die Tagesdosierung gemäß Fachinformation bei demenziellem Syndrom beträgt 120 bis 240mg Spezialextrakt EGb 761.

Eine überzeugende Wirksamkeit wurde in den letzten 14 Jahren in drei Studien bei über 1.000 Patienten in einer Dosierung von 240mg pro Tag dokumentiert. Ginkgo-biloba-Präparate können bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz als Alternative oder als Add-on-Therapie verabreicht werden. Mögliche sehr selten auftretende Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindel, Hitzegefühl, Nausea, gastrointestinale Störungen und Blutungsgefahr. Die erhöhte Blutungsgefahr ist vor allem bei Kombination mit NSAR, Cumarinen, SSRI und SNRI gegeben. Cerebrolysininfusionen, die als peptiderges Nootropikum nervenwachstumsfaktorartige Eigenschaften aufweisen, können als Alternative oder Add-on-Therapie eventuell sinnvoll sein.

2.2. Vaskuläre Demenz

Für die vaskuläre Demenz steht die Sekundärprävention von Schlaganfällen im Vordergrund. Weiters sollte entweder Donepezil oder Memantin zum Einsatz kommen. Für Mischformen der Demenz haben sich Galantamin und Rivastigmin als effektive Therapieoptionen erwiesen.

2.3. Parkinson-Demenz

Mittel der ersten Wahl bei Parkinson-Demenz ist ebenfalls Rivastigmin. Mittel der zweiten Wahl sind Donepezil und Galantamin.

2.4. Lewy-Body-Demenz (LBD)

Oft werden Alterspatienten mit Halluzinationen und Agitationen zu wenig auf ihre kognitive Leistungsfähigkeit hin kontrolliert und dadurch unkritisch und langfristig mit Antipsychotika behandelt. Bei einer nicht erkannten LBD können sich diese fatal auswirken und zu vegetativen Entgleisungen und akinetischen Krisen bis hin zu Todesfällen führen. Die idiosynkratische Reaktion auf Antipsychotika führt manchmal erst zur richtigen Diagnosestellung. Durch die Mehrfachpathologien mit Lewy-Körperchen, Plaques und Neurofibrillen liegt oftmals ein höheres cholinerges Defizit vor als bei reiner Alzheimer-Pathologie. Daraus folgt, dass Cholinesterasehemmer noch wirksamer sein dürften als bei AD. Von den drei am Markt befindlichen Cholinesterasehemmern zeigt Rivastigmin die überzeugendste Datenlage. Die Behandlung mit Rivastigmin (z.B. als Pflaster mit 4,6mg täglich und Steigerung auf 9,5mg bis 13,3mg täglich nach jeweils vier Wochen) wird im Konsensus-Statement Demenz 2010 der Österreichischen Alzheimergesellschaft empfohlen.

Es gibt Hinweise, dass Memantin den klinischen Zustand, die Verhaltensauffälligkeiten und die REM-Schlafstörungen bei LBD und Parkinson-Demenz verbessern soll. Psychotrope Substanzen wie Dopamin-Agonisten sollen auf jeden Fall vermieden werden. L-Dopa in niedrigster Dosierung kann verabreicht werden. Typische und stark anticholinerge Antipsychotika wie Clozapin und Olanzapin sind als Risikosubstanzen zu vermeiden, da sie eine Parkinson-Krise oder ein malignes Neuroleptika-induziertes Syndrom auslösen können und delirogen wirken. Quetiapin ist das Antipsychotikum der Wahl. Eine multidisziplinäre Behandlung ist auch für die LBD wesentlich, die sowohl die kognitiven als auch die Verhaltensstörungen berücksichtigt. Vor allem sollten die Betreuer auf die Sensitivität bezüglich Neuroleptika hingewiesen werden.

2.5. Frontotemporale Demenz

Für die frontotemporale Demenz gibt es keine spezifische Therapie. SSRI sind Psychopharmaka der ersten Wahl, weil diese Substanzen günstige Effekte vor allem auf affektive Symptome gezeigt haben. Memantin ist Mittel der zweiten Wahl. Cholinesterasehemmer sind bei dieser Demenzform nicht empfohlen.

3. Therapie von Verhaltensstörungen

Sogenannte Verhaltensstörungen sind meistens auf ein schädigendes Umfeld zurückzuführen, das können z.B. Umgebungsgründe, Ortsveränderungen, bestimmte Personen, eingeschränkte Möglichkeiten der Kommunikation, Stress, körperliche Beschwerden oder Schmerzen, die nicht verbalisiert werden können, sein. Daher sollten bei verändertem Verhalten Psychopharmaka nicht als Erstes und nie ohne begleitende psychosoziale Maßnahmen eingesetzt werden. Es empfiehlt sich, eine Zeitlang Protokoll darüber zu führen, zu welcher Zeit, bei welchen Personen, unter welchen Umständen dieses Verhalten auftritt. Der Einsatz von nicht medikamentösen Therapien sowie Aufklärung und Schulung der Angehörigen können zu einer signifikanten Linderung von Verhaltenssymptomen führen. Hinter akuter Erregung und/oder aggressivem Verhalten im Alter können auch andere Krankheitsbilder stehen.

Delirium, Schizophrenie und andere wahnhaft psychotische Störungen, Intoxikationen, Belastungssituationen bei Persönlichkeitsstörungen, Manie, agitierte Depression, Persönlichkeitsstörungen, somatische Ursachen wie Schmerzen, Harnverhalt etc. In der Therapie des verhaltensgestörten, dementen Patienten muss darauf geachtet werden, ob dieser ein „altgewordener“ Patient mit schwerer psychischer Erkrankung ist, weil dieser eine antipsychotische Medikation in relativ hohen Dosen „verträgt“. Treten die Verhaltensstörungen allerdings neu im Rahmen einer Demenzerkrankung auf, so muss die Antipsychotikadosis entsprechend nieder dosiert werden. Eine Behandlung mit Antipsychotika und/oder Benzodiazepinen bei Verhaltensstörungen und Agitation ist immer nur so kurz wie möglich durchzuführen. Dies ist auch in den deutschen S3-Leitlinien festgelegt (DGPPN, DGN 2016).

3.1. Antidepressiva

Antidepressiva sind neben einer optimalen antidementiven Einstellung mit ChE-Hemmer, Memantine und Ginkgo biloba die erste Wahl vor Antipsychotika. Für Citalopram ist eine signifikante Wirksamkeit gegen Agitation nachgewiesen worden. Zu Mirtazapin existieren sogar mehrere negative Studien. Ein Cochrane Review der vorhandenen Evidenz suggeriert eine geringe Wirksamkeit konventioneller Antidepressiva. Andere pharmakologische Ansätze zur Behandlung depressiver Symptome bei DAT, z.B. Modulation glutamaterger Mechanismen, könnten hingegen erfolgversprechender sein. Neueren Antidepressiva ist gegenüber Trizyklika der Vorzug zu geben, nicht zuletzt wegen der anticholinergen Wirkung, aber auch wegen der insgesamt stärker ausgeprägten Nebenwirkungen der Trizyklika. Für neuere Antidepressiva (SSRI, SNRI, SARI, NaSSA) spricht zunächst ihre generell gute und gut belegte Wirkung bei Depression. SSRI und Trazodon waren in kleineren und Einzelfallstudien bei Verhaltensstörungen im Rahmen von frontotemporalen Demenzen wirksam. Insbesondere Citalopram zeigte antiimpulsive Effekte. Trazodon zeigte in einer rezenten nicht interventionellen Studie bei einem depressiven dementen Patientenkollektiv (n=72) eine positive Wirkung auf Agitation, Aggression, depressive Symptome, Angst und Schlafstörung bei einer guten Verträglichkeit. Bei Schlafstörungen können sedierende Antidepressiva wie Trazodon und Mirtazapin eingesetzt werden.

3.2. Antipsychotika

Primäre Zielsymptomatik der Antipsychotika der zweiten Generation sind Agitation sowie psychotische Symptome. Sowohl Risperidon – das einzige für BPSD registrierte Atypikum – als auch Aripripazol, Quetiapin und Olanzapin zeigten in Studien gute Wirkung, allerdings bei einer erhöhten Inzidenz zerebrovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Plazebo. Bei der Lewy-Body-Demenz (LBD) sollten Antipsychotika der ersten Generation wegen schwerer Nebenwirkungen des extrapyramidal-motorischen Systems nicht verwendet werden. Bei LBD wird Quetiapin empfohlen. Quetiapin ist das Mittel der Wahl bei der Behandlung psychotischer Symptome, wenn gleichzeitig ein Morbus Parkinson besteht. Die i.v. Verabreichung von Antipsychotika ist wegen der erhöhten Mortalität kontraindiziert. Ausnahmen unterliegen einer strengen Indikationsstellung und Dokumentation. Antipsychotika mit anticholinergen Eigenschaften haben negative Auswirkungen auf die Kognition, und das DelirRisiko erhöht sich. Auch sollten Antipsychotika immer nur für eine kurze begrenzte Zeit angewendet werden.

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Beim Einsatz von Antipsychotika bei demenziell erkrankten Menschen ist grundsätzlich neben einer Dosisanpassung auch eine regelmäßige Indikationsüberprüfung sinnvoll und notwendig. Hierfür ist eine engmaschige ärztliche Kontrolle notwendig, um eine Adaptierung der Medikation umgehend, dem Beschwerdebild entsprechend, vorzunehmen. Laut Konsensus-Statement „Demenz 2010“ der Österreichischen Alzheimergesellschaft ist Risperidon das Antipsychotikum der ersten Wahl bei psychotischen Symptomen und Verhaltensauffälligkeiten bei Demenzpatienten. Der Einsatz von Olanzapin, Aripiprazol, Quetiapin, Ziprasidon und Clozapin ist unter Berücksichtigung der spezifischen Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung der Sicherheitskautelen im Einzelfall als Off-label-Verschreibung zu erwägen. EKG-Kontrollen mit Messung der QTcZeit (≤460msec) sind durchzuführen. Jede Antipsychotikatherapie bei dementen Patienten muss niederdosiert starten, darf nur langsam erhöht werden und muss initial wöchentlich, später monatlich überprüft werden.

Zusammenfassend können für den Einsatz von Antipsychotika beim älteren, demenzkranken Patienten folgende Richtlinien geltend gemacht werden:

  • strenge Indikationsstellung – zurückhaltender Einsatz
  • alternative Behandlungsmöglichkeiten ausschöpfen
  • initial mit 30 Prozent der mittleren Erwachsenendosis beginnen („start low – go slow“)
  • bei ausreichender Wirkung Dosis nach einigen Tagen reduzieren
  • orale Medikation bevorzugen
  • Arzneimittelinteraktionen beachten
  • Patient psychotherapeutisch führen
  • rasches Erkennen von Nebenwirkungen sicherstellen
  • Reevaluierung
  • Notwendigkeit zur Weiterführung der Therapie überprüfen
  • abruptes Absetzen vermeiden

3.3. Benzodiazepine

Wenn Benzodiazepine (BD) als Medikamente dritter Wahl eingesetzt werden, ist zu beachten, dass Substanzen, die durch Glukuronidierung eliminiert werden (z.B. Lorazepam, Lormetazepam, Oxazepam und Temazepam), keine signifikanten bzw. klinisch relevanten altersbedingten Veränderungen der Pharmakokinetik aufweisen. Hingegen steigt die Eliminationshalbwertszeit von BD, die durch Dealkylierungs-/Oxidationsreaktionen abgebaut werden (z.B. Diazepam), deutlich an. Bei dementen Patienten treten zwar häufig Symptome auf, bei denen grundsätzlich BD indiziert wären (wie Angst, Unruhe, Schlafstörung), dennoch stellen sie keinesfalls Medikamente der ersten Wahl dar. Bei Benzodiazepinen und Hypnotika muss die unmittelbare Verschlechterung der Kognition mit delirogenem Potenzial hervorgehoben werden, sodass diese Medikamente nur nach strenger Indikationsstellung möglichst kurzfristig einzusetzen sind. Gegen die Verordnung von Benzodiazepinen mit langer HWZ spricht die deutlich erhöhte Sturzneigung, die von Ray et al. schon 1987 im „New England Journal of Medicine“ publiziert wurde.

In einer neueren Studie mit 6.110 Patienten (1.222 Hüftfraktur, 4.888 Vergleichspatienten ohne Fraktur) wurde ein um 50 Prozent erhöhtes Sturzrisiko unter Benzodiazepineinnahme mit mehr als >3mg/ Tag Diazepam-Äquivalent ermittelt (Wang et al. 2001). Das Risiko für einen Sturz lag dabei in den ersten beiden Wochen der Einnahme bei 60 Prozent und bei Einnahme über einen Monat bei 80 Prozent. Dies galt für Benzodiazepine mit langer HWZ. Aber auch für Benzodiazepine mit kurzer und mittlerer HWZ lag das Sturzrisiko immerhin noch bei 50 Prozent. Aktuelle Studien kommen dabei zum Ergebnis, dass weniger die HWZ, sondern vielmehr Dosis und Dauer der Einnahme für das erhöhte Sturzrisiko verantwortlich sind. Vergleicht man die einzelnen Benzodiazepine miteinander, weist vor allem Diazepam ein signifikant erhöhtes Sturzrisiko auf. Benzodiazepine sollten bei älteren Patienten vermieden werden. Patienten, die ein langwirksames Benzodiazepin einnehmen, sollten auf ein kurzwirksames wechseln. Bei Einnahme eines kurzwirksamen Benzodiazepins wird empfohlen, auf andere Substanzgruppen wie etwa Trazodon zu wechseln. Demente leiden oft an einem verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus. Schlafstörungen können mit Medikamenten, die in der Tabelle 4 zusammengefasst sind, behandelt werden.

Quellen: KonsensusStatement – State of the art 2014 und 2015; CliniCum neuropsy Sonderausgabe

Literatur bei den Verfassern

Fotos: Archiv, MedUni Wien/Matern

Prof. Priv.-Doz. Dr. Michael Rainer (links)
Memory Klinik und Karl Landsteiner Institut für Gedächtnisund Alzheimerforschung im SMZ Ost, Wien

O. Univ.-Prof. Dr.h.c.mult. Dr. Siegfried Kasper (rechts)
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien

Lecture Board: Prim. Dr. Christian Jagsch, Univ.-Prof. Dr.Dr. Hans-Peter Kapfhammer, OÄ Dr. Katharina Zauner

Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien

Wir danken allen, die an den KonsensusStatements – State of the Art 2014 und 2015 zu Psychopharmakotherapie und den Demenzerkrankungen mitgearbeitet haben.