Die Anzahl bekannter erblicher neurometabolischer Erkrankungen ist hoch, allerdings sind jene, die behandelbar sind, durchaus überschaubar. Aus diesem Grund sollte, sowohl im neurologischen wie auch im psychiatrischen Setting, ein besonderes Augenmerk auf jene Erkrankungen geworfen werden, dessen frühzeitige Diagnose tatsächlich eine therapeutische Konsequenz hat.

Dank neuer laborchemischer Erkenntnisse ist es nun möglich, einige genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen durch einfache Blut oder Harnuntersuchungen zu diagnostizieren. Die Ergebnisse sollten innerhalb kurzer Zeit zur Verfügung stehen. Dies eröffnet nun neue Wege zur Entwicklung von Diagnostikalgorithmen zur frühzeitigen Erkennung behandelbarer genetischer Stoffwechselerkrankungen mit neuropsychiatrischen Symptomen. Einfache Screening-Methoden können das diagnostische Outcome deutlich verbessern und idealerweise zu einer optimalen therapeutischen Behandlung führen.
Im psychiatrischen Setting ist die Diagnosestellung bis dato besonders schwierig, da psychopathologische Auffälligkeiten jahrelang isoliert im Vordergrund stehen können, ohne jegliche andere Auffälligkeiten. Somit kann es unter Umständen Jahre dauern, bis zusätzliche neurologische oder viszerale Symptome idealerweise zum Anzweifeln der Ursprungsdiagnose führen. Im Stationsalltag ist es aber in Wahrheit schwierig, neue Beschwerden abzugrenzen von z.B Nebenwirkungen bereits etablierter Medikamentenkombinationen (insbesondere Bewegungsstörungen unter der Gabe von Neuroleptika). Somit bleiben genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen leider häufig unerkannt.
In der angführten Tabelle sind sechs behandelbare genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen mit neuropsychiatrischen Symptomen zusammengefasst.

Morbus Wilson

Morbus Wilson (MW) ist eine autosomal rezessive Erkrankung, die zur Gruppe der vererbbaren Lebererkrankungen zählt. Die Inzidenz beträgt etwa 1:30:000. Typischerweise kommt die Leberbeteiligung in der zweiten Dekade zum Ausdruck, während die neuropsychiatrischen Symptome in der dritten Lebensdekade zum Vorschein kommen.
Genetik und Pathogenese: Verursacht wird die Erkrankung durch eine Mutation im Gen ATP7B, das sich auf Chromosom 13 befindet. Dieses codiert ein kupferbindendes Protein. Durch die Mutation kann Kupfer nicht aus der Leber in die Galle transportiert werden. Beim Morbus Wilson wird das Kupfer nicht mit der Galle und somit über den Stuhl ausgeschieden, sondern im Organismus eingelagert und entfaltet in verschiedenen Organen seine toxische Wirkung.
Klinik: Klinisch zeigen sich neben der klassischen Augen- (Kayser-Fleischer-Ring) und Leberbeteiligung (Hepatomegalie, Leberfibrose Leberzirrhose) neurologische Symptome wie Tremor (oft asymmetrisch), Ataxie, Dystonie, Hypomimie, Rigor und epileptische Anfälle. Zehn bis 20 Prozent der Patienten zeigen vorwiegend psychiatrische Symptome. Diese werden in die vier Untergruppen affektive Störungen, Verhaltensstörungen, Schizophrenie-ähnliche Störungen und kognitiver Abbau unterteilt. Die kognitiven Einbußen sind generell mild ausgeprägt. Insgesamt erkranken MW-Patienten mit einer primären psychiatrischen Klinik im Vergleich etwas später, die Zeitspanne zwischen beginnender Klinik und richtiger Diagnose ist deutlich verzögert, und die Prognose ist insgesamt schlechter.
Diagnose: Diagnostisch kann neben einer einfachen Augenuntersuchung im Serum Ceruloplasmin bestimmt werden, bevor weitere Untersuchungen wie etwa eine genetische Untersuchung oder eine Leberbiopsie umgesetzt werden.
Therapie: Die Therapie beruht auf der Elimination des überschüssigen Kupfers. Dazu werden Chelatbinder wie Penicillamine oder Trientine verwendet. Zink wird zur Blockierung der Aufnahme von Kupfer über den Intestinaltrakt verwendet. Patienten mit einer schweren Hepatitis, oder einem Leberversagen benötigen als Ultima Ratio eine Lebertransplantation. Über die Behandlung von psychiatrischen Symptomen bei Morbus Wilson ist wenig bekannt.

Cerebrotendinöse Xanthomathose

Cerebrotendinöse Xanthomathose (CTX) ist eine autosomal rezessive Lipidspeichererkrankung, die charakterisiert ist durch bereits in der Kindheit bestehende Durchfälle und Augenkatarakte, im jugendlichen Alter auftretende Xanthome und im Erwachsenenalter vorliegende neurologische und psychiatrische Symptome.
Genetik und Pathogenese: CTX wird durch einen Defekt in einem mitochondrialen Enzym, Sterol-27-hydroxylase, verursacht. Dieser Defekt führt zu einer Akkumulation von Cholestanol und Cholesterol in beinahe jedem Gewebe.
Klinik: Die neurologischen Symptome umfassen Pyramiden und/oder Kleinhirnzeichen. Die intellektuellen Fähigkeiten können deutlich beeinträchtigt sein und erst im frühen Erwachsenenalter auftreten. Psychiatrische Symptome wie Verhaltensstörung, Halluzinationen, Agitation, Aggressivität, Depression und suizidale Tendenzen können im Vordergrund stehen, vor allem bei Patienten, die jünger als 26 Jahre sind. Bei etwa 50 Prozent der Patienten treten intellektuelle Einbußen auf. Bei Patienten über 26 Jahren entsprechen die psychopathologischen Auffälligkeiten einem demenziellen Erkrankungsbild. Die bereits erwähnten Xanthome treten vor allem im Bereich der Achillessehne, der Ellbogen, der Hände und im Nacken auf.
Diagnostik: Die Diagnose kann durch die Bestimmung von Cholestanol im Plasma oder Gewebe bestätigt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in Österreich leider nur sehr wenige Anlaufstellen, die diese günstige Untersuchungsmethode anbieten.
Therapie: Eine Langzeittherapie mit Chenodeoxycholicsäure führt zu einer Verbesserung und Stabilisierung der Symptome. Eine Kataraktextraktion ist notwendig. Epilepsie, Spastik, Extrapyramidalstörungen und psychiatrische Symptome werden zusätzlich symptomatisch behandelt.

Tabelle

Porphyrien

Porphyrien sind eine Gruppe von autosomal dominanten Stoffwechselerkrankungen, die mit einer Störung des Aufbaus des Blutfarbstoffs Häm einhergehen. Je nachdem welches Enzym der Hämbiosynthese betroffen ist, zeigen sich unterschiedliche Verlaufsformen. Abhängig von dem primären Organ, wo Porphyrien und ihre Vorläufer übermäßig produziert werden, unterteilt man die Erkrankung in eine erythropoetische und eine hepatische Form.
Genetik und Pathogenese: Porphyrien werden bis auf zwei Unterformen (kongenitale erythropoetische Porphyrie und Delta-Aminolävulinsäure-Dehydratase-Defekt) autosomal dominant vererbt. Nicht jeder, der den genetischen Defekt in sich trägt, wird zwangsläufig symptomatisch, sodass eine multifaktorielle Genese diskutiert wird (z.B. Medikamente, Leberschaden, Hormonveränderungen, Kachexie). Die Abbaustoffe der Hämbiosynthese sind potenziell toxisch. Eine Überproduktion führt zu den charakteristischen neuroviszeralen wie auch photosensitiven Symptomen.
Klinik: Das Auftreten von psychiatrischen Symptomen bei Porphyrien wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Eine weite Palette an unterschiedlichen Symptomen wurde beschrieben. Generell teilt man die psychiatrischen Symptome in zwei Gruppen ein. Die erste Gruppe ist mit der chronischen Porphyrie assoziiert und zeigt vor allem milde Angstsymptome und Depressivität. Die zweite Gruppe steht im Zusammenhang mit der akuten Attacke, wo sich vor allem Agitation, Vigilanzveränderungen und auch delirante Symptome zeigen. Die Ursache der psychiatrischen Symptome ist wahrscheinlich multifaktoriell und wird auch teilweise durch die in der akuten Attacke verabreichten Medikamente verursacht. Beispielsweise führt die Anwendung von Morphinen zur Sedierung und Verwirrtheit. Unabhängig davon kann es während der Attacke zu einer Hypernatriämie kommen und dadurch sekundär neuropsychiatrische Symptome verursachen.
Diagnostik: Die Diagnose kann während einer akuten Attacke durch den Nachweis des Hämvorläufers Porphobilinogen im Harn gestellt werden, bevor eine genetische Untersuchung durchgeführt wird.
Therapie: Der Schlüssel einer erfolgreichen Therapie ist das Erkennen von triggernden Faktoren wie Drogen, übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen. Eine ausgewogene, regelmäßige Ernährung sowie Vermeidung von Stress können akute Attacken verhindern. Akute Attacken einer hepatischen Porphyrie sollten mit einer Kohlenhydratreichen Infusion (Glucose) behandelt werden. Zusätzlich sollte intravenös Hematin gegeben werden. Bei erythropoetischen Porphyrien kann es aufgrund einer hämolytischen Anämie notwendig sein, Bluttransfusionen durchzuführen.

Homocysteinämie

Homocysteinämie wird assoziiert mit zerebrovaskulären Erkrankungen und einem niedgrigen Spiegel von Monoamin- Neurotransmitter.
Genetik und Pathogenese: L-Homocystein (Hcy) ist eine Aminosäure. Sie ist im Stoffwechsel ein Zwischenprodukt des Kohlenstofftransfers. Erhöhte Blutwerte für Homocystein haben einen direkten toxischen Effekt auf Neurone und Blutgefäße. Zur Regulierung des Homocysteinspiegels im Blut ist eine ausreichende Versorgung mit Betain und den Vitaminen B12 und B6 sowie Folsäure erforderlich. Die Bausteine des Homocystein-Methionin-Abbauzyklus können durch genetische Variationen (kodierend für bestimmte Enzyme wie Methyltetrahydrofolatreductase – MTHFR und -beta-synthase – CBS), Diät, Nieren und gastrointestinale Erkrankungen sowie durch gewisse Medikamente beeinflusst werden. Erkrankungsbeginn und Verlaufsform können individuell sehr unterschiedlich sein.
Klinik: Klinisch zeigt sich ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle Myokardinfarkt und venöse Thromboembolien. Eine Augenbeteiligung besteht in Form einer ektopischen Linse. Neuropsychiatrisch kann sich eine Demenz entwickeln. Außerdem besteht ein deutlicher Hang zur Depressivität.
Diagnostik: Die Diagnose kann durch die Bestimmung von erhöhtem Homocystein im Blut und Serum gestellt werden, bevor eine genetische Testung durchgeführt wird. Im Rahmen eines neonatalen Screenings kann im sogenannten Guthrie-Test die Diagnose bereits frühzeitig gestellt werden.
Bei gestellter Diagnose sollten auch Folsäure, Vitamin B12 und 6 bestimmt werden.
Therapie: Eine Therapieform ist die direkte Verabreichung von Vitaminen, vor allem Folsäure. Dies kann zu einer Reduktion des Schlaganfallrisikos führen. Enzyminduktoren CYP450 wie Carbamazepin oder Phenytoin sollten vermieden werden, da diese zu einer Spiegelerhöhung von Homocystein führen. Bei Gebrauch von Antiepileptika sollte Levetiracetam und Lamotrigin der Vorrang gegeben werden.

Tabelle

Niemann-Pick Typ C

Niemann-Pick Typ C (NPC) ist eine neuroviszerale Lipidspeicherkrankheit mit verschiedenen klinischen Verlaufsformen. Dabei kommt es aufgrund eines Enzymdefektes zu einer Störung des intrazellularen Lipidtransportes und einer daraus resultierenden Funktionsstörung.
Betroffen sind vor allem die viszeralen Organe Leber und Milz, aber auch das zentrale Nervensystem. Genetik und
Pathogenese: Der zentrale biochemische Defekt bei der NPC besteht in einer schweren Störung des intrazellulären Lipidtransports und unterscheidet sich deutlich von dem für NP Typ A und B charakteristischen Mangel an lysosomaler saurer Sphingomyelinase. Auf zellulärer Ebene wird der NPC-typische Defekt des Cholesterintransports deutlich, wenn das per Endozytose aufgenommene LDL-Cholesterin in Lysosomen in der Umgebung des Zellkerns abgelagert wird. Der Transport dieser perinukleären Lysosomen zur Zellmembran und zum endoplasmatischen Retikulum wird auf bislang unbekannte Weise verzögert. Infolgedessen wird unverestertes Cholesterin in exzessivem Maß akkumuliert. Man nimmt an, dass dies zu einem Mangel an Cholesterin in der Zellmembran führen könnte, der seinerseits Funktionsstörungen der Membran verursachen und/ oder als Trigger des Zelltodes (Apoptose) fungieren könnte.
Etwa 95 Prozent aller NPC-Erkrankungen beruhen auf einer Mutation im Gen NPC1, das ein spätendosomales Membranglykoprotein codiert, und zu etwa fünf Prozent auf einer NPC2-Mutation (codiertes lysosomales Protein mit hoher Cholesterinaffinität).
Klinik: Der Symptomkomplex der Erkrankung setzt sich aus internistisch-viszeralen Auffälligkeiten wie auch neurologischen und psychiatrischen Symptomen zusammen, die jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten erstmalig auftreten können. Die neurologischen Symptome zeigen eine breite Variabilität. Sie beinhalten eine Ataxie (zerebellare Beteiligung), einen progredienten kognitiven Abbau, eine vertikale Blickparese, Dysarthrie und Dysphagie (Hirnstammbeteiligung). Ebenfalls können Dystonie und Bradykinese (subkortikale Beteiligung) auftreten wie auch eine Kataplexie und Epilepsie.
Bei den späteren Verlaufsformen können für mehrere Jahre isoliert psychiatrische Symptome auftreten, bevor neurologische Beschwerden auffallen. Die psychiatrische Symptomgruppe kann einer Psychose mit inhaltlichen Denkstörungen und Wahrnehmungsstörungen gleichen und als Schizophrenie fehlgedeutet werden. Häufig kommt es aber auch zu depressiven Symptomen mit Antriebs- und Motivationslosigkeit wie auch sozialem Rückzug. Schlafstörungen im Sinne einer Tag-Nacht-Umkehr werden ebenfalls beschrieben. Zu einem späteren Zeitpunkt tritt der demenzielle Abbau in den Vordergrund. Neurologische Symptome treten verzögert auf. Am häufigsten dabei sind Ataxie, vertikale Blickparese und Bewegungsstörungen. Die Dunkelziffer der adulten Form von Niemann-Pick Typ C scheint wesentlich höher zu sein als bisher bekannt.
Diagnostik: Der Diagnoseverdacht kann durch die Bestimmung von Oxysterolen im Serum erhärtet werden, bevor eine genetische Untersuchung angeschlossen wird. Die sogenannte Filipin-Färbung wird zum Nachweis von Fluoreszenzerhöhungen in der Umgebung des Zellkerns angewendet, die auf eine Akkumulation von unverestertem Cholesterin in perinukleären Lysosomen hinweist. In den vergangenen Jahren hat die genetische Diagnostik an Bedeutung gewonnen.
Therapie: Seit Anfang 2009 ist die sogenannte Substratreduktionstherapie mit Miglustat zur Behandlung von NPC in Europa zugelassen. Dies führt vor allem bei der adulten Verlaufsform zu einer Stabilisierung und tendenziellen Verbesserung der Klinik.

Diagnosealgorithmus

Bei psychiatrischen Patienten mit atypischen Verlaufsformen und/oder einer anhaltenden Therapieresistenz sollte vor allem bei zusätzlichen neurologischen Symptomen an eine Reevaluierung der bereits gestellten Diagnose gedacht werden. Eine verbesserte Awareness bezüglich neuropsychiatrischer Erkrankungen aus dem metabolischen Formenkreis, wie auch konstengünstige Biomarker können zu einer Verbesserung der Patientenversorgung führen. Der vorgeschlagene Diagnosealgorithmus soll zu einer Vereinfachung der Vorgehensweise führen.

Autorin: Dr. Saba Nia
Karl-Landsteiner-Institut für Epilepsieforschung und kognitive Neurologie, Krankenhaus Hietzing mit neurologischem Zentrum Rosenhügel, 2. Neurologische Abteilung, Wien

Nia S: Psychiatric signs and symptoms in treatable inborn errors of metabolism; J Neurol 2014; 261 (Suppl 2):559–568 www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4141145/