Eine plötzlich auftretende Störung des Gedächtnisses wird von Patienten und deren Angehörigen zumeist als sehr bedrohlich erlebt. Im Falle einer „transienten globalen Amnesie“ handelt es sich um ein häufiges neuropsychologisches Phänomen unklarer, vermutlich multifaktorieller Ätiologie mit typischer Klinik und guter Prognose. Kennzeichnend ist, dass Betroffene aufgrund einer anterograden Gedächtnisstörung repetitiv Fragen stellen, zusätzliche (herd-)neurologische Defizite finden sich in aller Regel nicht und geben, so sie vorhanden sind, Anlass zur weiteren diagnostischen Abklärung.

Die „transiente globale Amnesie“ (TGA), die auch als „anamnestische Episode“ bezeichnet wird, ist durch eine akut einsetzende Störung von Gedächtnisinhalten gekennzeichnet. Die Dauer dieser Störung betrifft einen Zeitraum von einer bis maximal 24 Stunden bei im Mittel sechs bis acht Stunden andauernder Symptomatik. Im Verlauf der akuten Erkrankung besteht eine anterograde Amnesie, die Behaltensspanne für neue Gedächtnisinhalte ist auf 30 bis 180 Sekunden vermindert.

Die Patienten sind stets wach und gut kontaktierbar, die Orientierung zur Person ist immer gegeben, allerdings fehlt typischerweise die Orientierung zur Zeit und zur Situation. Kennzeichnend ist, dass die Patienten wiederholt (meist dieselben) Fragen zu beispielsweise situativen Umständen stellen, ratlos und sehr beunruhigt wirken. Neben der anterograden Amnesie kann auch je nach Ausprägung der TGA eine retrograde Amnesie hinzutreten, das heißt, es kann auch nicht auf ältere Gedächtnisinhalte zugegriffen werden, wobei Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit zumeist schlechter abgerufen werden können. Die anamnestische Störung wirkt sich aber in aller Regel nicht auf die Durchführung komplexerer, gewohnter Handlungen aus, wie beispielsweise Verrichtungen im Haushalt oder aber auch das Bedienen von Maschinen oder das Lenken von Kraftfahrzeugen.

Charakteristischerweise sind die Betroffenen im klinisch-neurologischen Status unauffällig, allerdings können unspezifische Symptome wie Vertigo, Nausea oder Kopfschmerzen vorkommen. Die Gedächtnisstörung ist bei typischem klinischem Verlauf nach längstens 24 Stunden rückgebildet, zumeist bleibt aber eine dauerhafte amnestische Lücke von mehreren Stunden, die dem Zeitraum der akuten Erkrankung entspricht, zurück.

Epidemiologie

Die TGA ist ein häufig auftretendes neuropsychologisches Phänomen. Ihre Inzidenz wird zwischen 3–8/100.000 Einwohner pro Jahr angegeben (bei Personen über 50 Jahren 20 bis 30 Fälle pro 100.000 Einwohner). Die Dunkelziffer dürfte allerdings höher liegen, da häufig kurzfristige Gedächtnisstörungen keine Veranlassung für einen Arztbesuch darstellen. Die TGA ist eine Erkrankung des älteren Menschen, drei Viertel aller Patienten sind zwischen 50 und 70 Jahre alt.

Die Klinik einer TGA bei jüngeren Betroffenen stellt eine Indikation für eine weiterführende diagnostische Abklärung und andere differenzialdiagnostische Überlegungen dar. In der Regel handelt es sich bei der TGA um ein singuläres Ereignis, das Rezidivrisiko nach stattgehabter TGA wird mit fünf bis zehn Prozent pro Jahr angegeben. Hinsichtlich der Geschlechterverteilung ist zu sagen, dass TGAs beim weiblichen Geschlecht in geringem Ausmaß häufiger vorkommen als beim männlichen.

Ätiologie

Bei sorgfältiger (Fremd-)Anamnese lassen sich vielfach bestimmte Ereignisse im Vorfeld der TGA erheben, die als gemeinsamen Nenner starke emotionale und/oder körperliche Beanspruchung beinhalten (Tabelle 1). In den übrigen Fällen spricht man von spontan aufgetretenen TGAs. Die konkrete Ursache des Phänomens TGA ist bis heute unbekannt, einer modernen Auffassung folgend ist von einer multifaktoriellen Genese auszugehen. Im Zentrum der Pathophysiologie der TGA steht eine passagäre Funktionsstörung bestimmter Anteile der mediobasalen Temporallappen unter Einschluss hippokampaler Strukturen.

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Aufgrund der beobachtbaren Klinik und auch aufgrund bestimmter Auffälligkeiten in der strukturellen Bildgebung wird auf die Beteiligung dieser Strukturen rückgeschlossen, da diese sowohl starke Bedeutung für die Gedächtniskonsolidierung als auch für den Abruf von Gedächtnisinhalten haben. Im Akutstadium der Erkrankung gelingt es manchmal, 24 bis 72 Stunden nach dem Akutereignis Diffusionsrestriktionen in der cMRT im Hippokampus Betroffener darzustellen. Allerdings kann aus dem Umfang bzw. der eventuellen Nichtnachweisbarkeit struktureller Läsionen nicht auf das etwaige Ausmaß der kognitiven Defizite rückgeschlossen werden.

Ferner konnte kein Zusammenhang zwischen stattgehabter TGA und künftigen zerebralen Ischämien bei Patienten mit TGA gefunden werden, eine embolische bzw. arteriosklerotische (lokalthrombotische) Ätiologie der TGA ist somit eher als unwahrscheinlich zu beurteilen.

TGA und Migräne: 15 bis 30 Prozent der TGA-Patienten haben eine positive Anamnese für Erkrankungen aus dem Migräne-Formenkreis. Ein mögliches gemeinsames pathophysiologisches Moment zwischen der Entstehung der Migräne und der TGA könnte das Konzept der Streudepolarisation bzw. der „Cortical Spreading Depression“ darstellen. Hier kommt es letztlich aufgrund einer über den okzipitalen Kortex wandernden Depolarisationsfront zu passageren, herdneurologischen Defiziten.

Die Streudepolarisation hat in Bezug auf die Erklärung der Entstehung der Migräne mittlerweile einen gut abgesicherten Platz im entsprechenden pathophysiologischen Entstehungsmodell, hinsichtlich der Erklärung der Entstehung der TGA handelt es sich aber um einen probabilistischen Ansatz. Dieser wird auch durch den Umstand gestützt, dass etwa zehn Prozent der TGA-Patienten während oder unmittelbar nach der TGA Kopfschmerzen beklagen, wiewohl diese auch durch andere Ursachen, wie beispielsweise einer (reaktiven) arteriellen Hypertonie, erklärt werden können. Gegen den Zusammenhang von Migräne und TGA spricht ferner, dass die Häufigkeit der Migräne im Alter abnimmt, die TGA aber eine Erkrankung des älteren Menschen darstellt.

Venöser Blutandrang (Kongestition): In verschiedenen Untersuchungen fand sich im unmittelbaren Vorfeld einer TGA-Episode ein Valsalva-ähnliches Manöver, beispielsweise (ungewohnte) physische Aktivität. Unter dem Aspekt eines verminderten venösen Rückstroms durch den erhöhten intrathorakalen Druck kommt es dieser Hypothese folgend zu einer intrakraniellen venösen Hypertension. Dieser Mechanismus soll mit einer passageren Ischämie gedächtnisrelevanter Areale assoziiert sein. Dieser pathophysiologische Zusammenhang wird durch die typischen Anamnesen im Vorfeld von TGA-Episoden gestützt, konnte allerdings noch nicht als tatsächlich ursächlich bewiesen werden.

Paradoxe Hirnembolie: Diese können beispielsweise durch Valsalva-Manöver ausgelöst werden. Allerdings schein es wenig wahrscheinlich, dass zerebrale Embolien ein derartig scharf umrissenes Krankheitsbild wie die TGA in bekannter, monomorpher Form auslösen können.

Emotionale Trigger: Es ist bekannt, dass es im unmittelbaren Vorfeld der Entstehung von TGAs häufig zu emotional belastenden Ereignissen kommt (beispielsweise familiäre Konflikte, Todesfälle, Begräbnisse). Ferner konnte gezeigt werden, dass Patienten mit TGAs häufiger als Patienten mit zerebralen Ischämien phobische bzw. ängstliche Persönlichkeitsmerkmale oder andere psychiatrische Erkrankungen aufweisen. Allerdings sind die Verfechter der emotionalen Trigger-Hypothese die pathophysiologische Erklärung der Gedächtnisstörung in diesem Zusammenhang noch schuldig geblieben.

Zusammenfassend wird aktuell also die Auffassung einer multifaktoriellen Ätiologie der TGA propagiert, wobei unklar bleibt, wie es zum genauen Zusammenspiel der oben genannten Momente in der Entstehung der TGA kommt. Möglicherweise bieten neue funktionelle bildgebende Verfahren weiteren Aufschluss über die genaue Entstehung dieses häufigen Krankheitsbildes.

Differenzialdiagnostik

Eine wichtige Differenzialdiagnose der TGA stellen klassische komplex-fokale epileptische Anfälle dar. Ähnlich wie bei der TGA sind Betroffene in der Lage, komplexe Tätigkeiten durchzuführen. Im Gegensatz zu Patienten mit TGA kommt es allerdings nicht zu dem so typischen Wiederholen der immer gleichen Fragen. Häufig ist auch das interiktale EEG auffällig. Differenzialdiagnostisch ist hier auch der Einsatz von Antikonvulsiva hilfreich, diese führen bei einer epileptischen Ätiologie der Gedächtnisstörung häufig prompt zu einem beobachtbaren therapeutischen Effekt. Ebenso lassen sich viele andere Erkrankungen vielfach relativ einfach durch Anamnese und Klinik von der klassischen TGA abgrenzen (Tabelle 2).

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Diagnosestellung

Die Diagnose der TGA stützt sich auf die (Außen-)Anamnese, die gebotene Klinik, den neurologischen Status und die orientierende neuropsychologische Untersuchung. Ferner sind die möglichen Differentialdiagnosen (Tabelle 2) in die Überlegungen mit einzubeziehen und gegebenenfalls auszuschließen. Die Diagnose kann im charakteristischen Fall sowohl im Akutstadium als auch im Intervall klinisch gestellt werden (Tabelle 3). Häufig werden die Patienten ja erst im Stadium der Remission gesehen. Verdächtig sind alle klinischen Symptome, die über die Gedächtnisstörung und leichte vegetative Beschwerden hinausgehen. Ferner spricht eine inkomplette Rückbildung der Symptome mehr als 24 Stunden nach dem Onset der Klinik gegen die Diagnose einer TGA und erfordert ebenso eine sorgfältige diagnostische Abklärung.

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Zunächst muss sich der Untersucher die Frage stellen, ob die gebotene Klinik tatsächlich aus einer isolierten Gedächtnisstörung besteht oder ob diese ein Begleitsymptom einer anderen akut-neurologischen Erkrankung beziehungsweise anderer internistischer Erkrankungen ist. Ferner kann eine Gedächtnisstörung auch Ausdruck einer Verschlechterung vorbestehender Erkrankungen (beispielsweise im Rahmen einer demenziellen Erkrankung) oder eines (hypoaktiven) Delirs sein. Zur Unterstützung der Diagnosefindung kommt der Außenanamnese entscheidende Bedeutung zu, ferner kommen einfache neuropsychologische Tests (wie der „Schlüsseltest“ oder Wortlisten) zur Anwendung.

Bei eindeutigem klinischem Bild ist keine weitere Diagnostik mehr erforderlich. Im Einzelfall kann aber die Einleitung eines erweiterten Untersuchungsgangs notwendig werden. Basismaßnahme ist hier zunächst die Labor-Untersuchung (Elektrolyte, Nierenfunktion, Leberfunktion, Schilddrüsenfunktion, Toxikologie …). Der nächste Schritt ist dann die strukturelle zerebrale Bildgebung mittels CCT oder cMRT. Die CCT wird in vielen Fällen ausreichend für den Ausschluss symptomatischer Ursachen sein, es ist weiter zu beachten, dass die diffusionsgewichteten Sequenzen in der cMRT erst nach 24 bis 72 Stunden entsprechende Restriktionen in den Zielregionen des Hippocampus aufweisen.

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Zur Abgrenzung möglicher epileptischer Anfälle kann die Ableitung eines EEGs wertvoll sein, bei Patienten mit klassischer TGA finden sich unauffällige respektive nur unspezifisch veränderte Hirnstromkurven. Falls eine zerebrale Durchblutungsstörung in Differenzialdiagnose steht, so ist neben der strukturellen zerebralen Bildgebung die rasche Ultraschalluntersuchung der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße bzw. die der intrakraniellen Gefäße zur weiteren Abklärung notwendig und sinnvoll. Zur Abgrenzung gegen andere Gedächtnisstörungen kann schließlich eine differenzierte neuropsychologische Untersuchung wertvolle Beiträge leisten. Je nach erhobenen Befunden ist hier dann jeweils das Paradigma der weiteren diagnostischen Abklärung anzupassen, und es müssen entsprechende therapeutische Schritte gesetzt werden.

Präklinisches bzw. klinisches Management

Wenn die klinischen Kriterien der TGA erfüllt sind und die Betroffenen schon in der Phase der Remission sind, können die Patienten üblicherweise in die Obhut der Angehörigen entlassen werden. Es ist dann auch keine spezifische Therapie notwendig. Andernfalls, insbesondere bei anamnestischer bzw. klinischer unsicherer Abgrenzung gegen andere Ursachen, ist die stationäre Aufnahme zur weiteren Observanz und Abklärung indiziert.

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Hier kann unter dem Aspekt einer möglichen zerebralen Durchblutungsstörung der Beginn mit einem Thrombozytenfunktionshemmer oder bei Verdacht auf einen stattgehabten epileptischen Anfall die prophylaktische Gabe eines Antikonvulsivums notwendig sein. Häufig sind die Betroffenen auch (reaktiv) hypertensiv entgleist, sodass eine entsprechende antihypertensive Therapie einzuleiten ist. Ferner ist auch immer wieder die milde Sedierung bei sehr ängstlichen Patienten im klinischen Alltag notwendig.

Prognose

Im Allgemeinen ist die Prognose der TGA als günstig zu bezeichnen. Typischerweise bildet sich die Gedächtnisstörung nach längstens 24 Stunden zurück, wobei zumeist eine mnestische Lücke von einigen Stunden zurückbleibt. Auch die in der strukturellen Bildgebung darstellbaren Läsionen bilden sich aller Regel im Verlauf zurück. Es finden sich auch keine Hinweise auf persistierende neuropsychologische Störungen im Langzeitverlauf. Konkrete Maßnahmen zur Sekundär-Prophylaxe sind nicht bekannt. Bei rezidivierend auftretenden TGAs kann nach Ausschluss anderer Erkrankungen die Gabe eines niedrig dosierten Betablockers angedacht werden.

Foto: Privat

Dr. Christian Neuhauser
Abteilung für Neurologie, Universitätsklinikum St. Pölten
E-Mail: christian. neuhauser@stpoelten. lknoe.at