Die Lebensqualität und die neurokognitiven Funktionen bei Gliom-Patienten sind durch die erkrankungsbedingte begrenzte Lebenserwartung in den Mittelpunkt des Interesses, sowohl im neuroonkologischen klinischen Alltag als auch im Rahmen von Studien, gerückt. (CliniCum neuropsy 5/18)

Gliome sind die häufigsten primären Tumore des zentralen Nervensystems im Erwachsenenalter. Die Inzidenz liegt bei zirka fünf bis acht pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Das häufigste und bösartigste Gliom ist das Glioblastom. In den vergangenen Jahren konnten neuropathologische Untersuchungen und Therapiestudien mit BiomarkerAnalysen zeigen, dass das klinische Outcome von GliomPatienten besser unter der Berücksichtigung von molekularen Markern als mit histologischen Merkmalen alleine korreliert. Aus diesem Grund wurden 2016 in die WHOKlassifikation (WHO-Grad I–IV, z.B. Astrozytom Oligodendrogliom, Glioblastom) erstmals molekulare Biomarker (z.B. die Mutation des Isocitrat-Dehydrogenase-Enzyms IDH1+2 >IDH-mut/wt, Verlust der Chromosomenarme 1p19q) integriert.

Wichtige Biomarker

Zwei wichtige Biomarker sollen hier kurz beschrieben werden. Astrozytäre und oligodendrogliale Tumore Grad II–IV werden unter anderem durch das Isocitrat-Dehydrogenase-Enzym 1 und 2, welches in einer mutierten oder Wildtype-Form vorliegen kann (IDH-wt, IDH-mut), unterteilt. Das IDH-Enzym ist Teil des Zitratzyklus und für die Energiegewinnung der Zelle zuständig. Eine Mutation geht mit einer guten oder intermediären Prognose einher, es sind auch eher jüngere Patienten davon betroffen. Zum Beispiel haben Glioblastome mit einer IDH-Mutation eine günstigere Prognose, wenngleich sie aber selten sind. Dies bedeutet jedoch auch, dass histologisch gesehen niedriggradige Gliome, die eine IDH-Wildtype-Expression haben, biologisch und prognostisch einem Grad-IV-Tumor vergleichbar sind. Ein anderer, bereits seit Jahren wichtiger Marker ist der sogenannte MGMT(O6-Methyl-Guanin-MethylTransferase)-Promotor-Methylierungs-Status. Ist dieses Enzym methyliert, ist das DNA-Reparatur-Enzym des Tumors ausgeschaltet. Bei einer alkylierenden Chemotherapie ist dies ein wichtiger Faktor.

Lebensqualität und neurokognitive Funktionen

Patienten mit Gliomen sehen sich mit vielerlei Herausforderungen konfrontiert. Je nach Tumorlokalisation, Malignität, Infiltration etc. treten bereits zu Beginn der Erkrankung oder auch erst im Krankheitsverlauf belastende Symptome, auch „symptoms cluster“ genannt, wie Kopfschmerzen, Fatigue, fokal-neurologische Defizite, Persönlichkeitsveränderungen, aber auch kognitive Defizite auf, welche ihrerseits wiederum die Lebensqualität beträchtlich herabsetzen können. Hinzu kommen mitunter belastende Therapien in Form von Operation, Strahlenund Chemotherapie. Aufgrund dieser Therapiestrategien konnte insbesondere bei Glioblastom-Patienten die Überlebenszeit um einige Monate verlängert werden. Die Lebensqualität und die neurokognitiven Funktionen sind durch die erkrankungsbedingte begrenzte Lebenserwartung in den Mittelpunkt des Interesses, sowohl im neuroonkologischen klinischen Alltag als auch im Rahmen von Studien, gerückt. Die Bildgebungen, welche vorwiegend mittels MRT durchgeführt werden, geben keinen Aufschluss über das klinische Zustandsbild der Patienten. Auch die Fähigkeit, tägliche Aktivitäten zu verrichten, reflektiert nicht unbedingt die kognitive Verfassung.

Kognition: ein wichtiger prognostischer Marker

Defizite der kognitiven Funktionen entstehen durch kortikale wie auch subkortikale Schäden. Kognitive Beeinträchtigung sowohl präals auch postoperativ ist für 80 bis 90 Prozent aller Hirntumorpatienten eines der häufigsten Probleme. Im Vergleich zu Insultpatienten haben Gliom-Patienten deutlich mehr unter global kognitiven Defiziten zu leiden. Dies ist aufgrund mehrerer Ursachen begründet. Einerseits als direkte Folge des Tumors selbst, durch seine Lokalisation, Ausmaß und Art des Tumors, andererseits durch tumorassoziierte Epilepsie, Behandlung und auch Ausdruck psychischen Distress. Auch sind die kognitiven Defizite nicht auf das Areal der Läsion beschränkt, sondern sind Ausdruck einer globalen zerebralen Schädigung. Mehrere Studien konnten belegen, dass die Kognition einen wichtigen prognostischen Marker bei Gliomen und die kognitive Verschlechterung einen essenziellen prädiktiven Marker für die Überlebenszeit darstellen. Möglicherweise steht diese Art der Verschlechterung für einen besseren Prädiktor als die motorische Verschlechterung.

Ebenso gibt es Daten der prädiktiven Rolle von Defiziten des verbalen Gedächtnisses auf die Überlebenszeit. Dies mag darauf beruhen, dass Gedächtnisfunktionen über weitläufige neuronale Netzwerke integriert sind. Andere Studien ergaben eine Assoziation zwischen dem Mini Mental Status (MMSE) und der Überlebenszeit. Eine Beeinträchtigung des MMSE war sowohl bei niedriggradigen Gliomen als auch bei Glioblastomen mit einer verkürzten Überlebenszeit assoziiert. Ebenso konnte gezeigt werden, dass bei Rezidiven maligner Gliome eine kognitive Verschlechterung einem radiologischen Progress sechs Wochen vorausgehen kann.

Ursachen kognitiver Defizite

Kognition steht für einen Sammelbegriff, der eine Reihe diverser Funktionen repräsentiert, welche in sechs wichtige Domänen unterteilt werden kann: Kurzzeitund Arbeitsgedächtnis, psychomotorische Geschwindigkeit, selektive Aufmerksamkeit, verbales und figurales Gedächtnis sowie Wortflüssigkeit. Kognitive Defizite können durch den Tumor selbst, durch tumorassoziierte Epilepsie oder durch Therapien wie Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie, Antiepileptika, Steroide oder auch durch psychischen Distress verursacht werden. Einige kognitive Störungen können durch die Lokalisation des Tumors erklärt werden. Zum Beispiel haben frontale Tumore Auswirkungen auf das Arbeitsgedächtnis, soziale Wahrnehmung, Entscheidungsfindung, temporale auf Wortflüssigkeit, Verständnis und Gedächtnis, eine occipitoparietale Lokalisation hat mehr Beeinträchtigung des visuospatialen Erkennens zur Folge.

Interessanterweise hatten einige Studien zum Ergebnis, dass Tumore der dominanten Hemisphäre mehr kognitive Defizite verursachten als in der nicht dominanten. Die Studienlage ist hier allerdings kontrovers. Eine Review-Studie, welche die Neurokognition an Gliom-Patienten vor der Operation bzw. Tumorresektion untersucht hatte, erbrachte eine kognitive Beeinträchtigung bei den meisten der untersuchten Gliom-Patienten bereits vor jeglicher Antitumortherapie. Dies stützt die Hypothese, dass der Tumor selbst großen Einfluss auf die Verschlechterung der Neurokognition hat. Molekulare Marker betreffend konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass IDH-Wildtype-Gliome mit größeren kognitiven Defiziten verbunden sind als die mutierte Form des IDH.

Auswirkungen von Strahlen- und Chemotherapie

Kognitive Defizite sind auch das Kennzeichen einer Strahlentherapie-induzierten Enzephalopathie. Dies kann eine irreversible und progressive Komplikation einer vor Jahren durchgeführten Strahlentherapie, insbesondere Ganzhirnbestrahlung, darstellen, von einer milden oder moderaten Demenz bis hin zu schweren Aufmerksamkeits und Gedächtnisdefiziten. Diese Enzephalopathie tritt in zumindest zwölf Prozent aller Patienten, die eine Strahlentherapie des Gehirns erhalten haben, auf. Strahlentherapie-induzierte Enzephalopathie kann in drei Phasen – akut, early-delayed, latedelayed – unterteilt werden. Risikofaktoren, eine verzögerte Strahlentherapie-induzierte Enzephalopathie zu entwickeln, sind ein großes zu bestrahlendes Volumen, höhere Dosis, ein Alter ab 60 Jahren und vaskuläre Risikofaktoren. Es ist jedoch hier anzumerken, dass moderne stereotaktische Strahlentherapie-Verfahren wesentlich geringere oben genannte Auswirkungen haben als zum Beispiel die Ganzhirnbestrahlung.

Die Chemotherapie mit Temozolomid hingegen beinhaltet zwar die Nebenwirkungen vieler Chemotherapien, wie Übelkeit und Gewichtsabnahme, allerdings konnte bei älteren Glioblastom-Patienten auch eine Verbesserung der neurokognitiven Funktion während der adjuvanten Temozolomid-Therapie gezeigt werden. Epileptische Anfälle sowie deren medikamentöse Therapie haben einen negativen Impact auf die psychomotorische Geschwindigkeit und das Arbeitsgedächtnis. Niedriggradige Gliome zeigen eine höhere Inzidenz epileptischer Anfälle als höhergradige Gliome. Das Auftreten epileptischer Anfälle zeigte in einigen Studien jedoch keinen Einfluss auf die Prognose. Auch die Verwendung von Corticosteroiden, welche bei Hirntumorpatienten aufgrund symptomatischer perifokaler Ödeme häufig eingesetzt werden, verursachen Stimmungsalterationen, Aufmerksamkeitsund Konzentrationsstörungen bis hin zu Psychosen.

Korrelation mit Fatigue und Depressionen

Welche weiteren Symptome haben einen Einfluss auf die Neurokognition? Bei neu diagnostizierten malignen Gliomen erbrachte eine Studie, dass die Neurokognition mit einer erhöhten Fatigue als auch Depressionen korreliert. Beide Parameter können zu Störungen der Aufmerksamkeit und Motivation führen und so kognitive Domänen beeinflussen. Bei kognitiver Testung sollte nach Möglichkeit sowohl die Fatigue als auch die Depression erhoben werden, da sie das Testergebnis beeinflussen können. Die kognitiven Defizite gehen für Hirntumorpatienten mit einer signifikanten Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität einher und sind meistens bereits vor der Tumoroperation präsent. In einer rezenten Studie an 42 Glioblastom-Patienten blieb die QoL während eines Jahres stabil, die Fatigue jedoch nahm median sieben Monate nach der Diagnose zu. Ebenso zeigte sich hierbei, dass die Patienten ihr kognitives Level zumindest bis zum Tumorprogress aufrechterhalten konnten.

Die Testbatterie NeuroCogFX

Neben der durch einen Tumor hervorgerufenen Symptomatik wie Paresen, Wesensoder Verhaltensänderungen oder epileptische Anfälle informieren die Neurokognition sowie die Lebensqualität über den klinischen Zustand des Patienten. Die Wahl der neurokognitiven Testverfahren richtet sich nach dem Ziel der Testung, ob es für Studienzwecke oder Verlaufskontrollen herangezogen werden soll. In diesem Artikel soll kurz auf eine Testbatterie, NeuroCogFX, eingegangen werden. NeuroCogFX ist eine computergestützte Testbatterie, die an 244 gesunden Probanden normiert und die Konstruktvalidität an 40 gesunden und 44 Patienten mit Epilepsie bestätigt wurde. Das Testverfahren dauert in etwa 25 Minuten und weist eine hohe Sensitivität und Spezifität für neuropsychologische Teilleistungsstörungen aus. Unter Verwendung des NeuroCogFX werden die Domänen des Kurzzeitund Arbeitsgedächtnisses, der psychomotorischen Geschwindigkeit, selektiven Aufmerksamkeit, verbales und figurales Gedächtnis sowie die Wortflüssigkeit getestet. Günstig bei diesem Verfahren sind die altersbezogene integrative Normierung, die kurze Testdauer sowie die unproblematische Durchführung.

Speziell konzipierte Fragebögen

Erfolge in der Tumortherapie können durch die Einschränkung der Lebensqualität deutlich relativiert werden. Auch in Bezug auf die Definition, was Lebensqualität zu bedeuten hat, besteht Übereinstimmung. Es handelt sich demzufolge um ein multidimensionales Konzept, das die Bereiche funktioneller Status, krankheitsbezogene Symptome, psychologisches Funktionieren und soziales Funktionieren beinhaltet. Mit funktioneller Status sind die Aspekte der Selbstversorgung, der Mobilität, der physischen Aktivität und des Rollenverhaltens gemeint. Die Konzepte der Lebensqualität in der Onkologie können jedoch nicht ohne Weiteres auf neuroonkologische Patienten übertragen werden. Hier wurden insbesondere der für alle onkologischen Patienten entwickelte Fragebogen Quality of Life Questionnaire (QLQ-C30) der European Organisation of Research and Treatment of Cancer und ein speziell für Hirntumorpatienten konzipierter Fragebogen (Brain Cancer Modul, BMC) entwickelt. Auch andere Fragebögen konnten von einfachen Skalen, wie dem Karnofsky-Index, weiterentwickelt werden, z.B. der Functional Living Index-Cancer (FLIC) oder der Functional Assessment of Cancer Therapy-Brain (FACT-Br).

Die QoL bei malignen Gliomen unterscheidet nicht zwischen Grad-IIIund Grad-IV-Tumore, wenngleich Patienten mit Grad-III-Tumoren eine etwas bessere QoL beschreiben. Dieser Unterschied ist jedoch weniger dem WHO-Grad geschuldet als vielmehr Ausdruck einer stabilen oder progressiven Erkrankung. Studien konnten allerdings auch zeigen, dass 45 Prozent der Patienten mit einem niedriggradigen Tumorgeschehen eine insgesamt niedrigere QoL angeben. Dies ist vor allem auf Faktoren wie Fatigue, kognitive Beeinträchtigungen und Stimmungsschwankungen bzw. depressive Symptomatik zurückzuführen. Fatigue erscheint bei höhergradigen Gliom-Patienten das am meisten beeinträchtigende Symptom zu sein, signifikanter als bei niedriggradigen Gliomen. Ebenso konnte in Phase-II-Studien-Protokollen gezeigt werden, dass bei einem Drittel der Patienten mit höhergradigen Gliomen ausgeprägte Fatigue mit einem schlechteren Gesamtüberleben verbunden war. Bezüglich einer Geschlechtsspezifität bei QoL und Hirntumorpatienten liegen wenige Daten vor. Insgesamt wurden bei Frauen niedrigere Scores erhoben, allerdings zeigten Frauen ein Jahr postoperativ auch höhere Raten an Depressionen auf.

Depression: ein prädiktiver Faktor

Die Depression scheint in den meisten Studien als ein hauptsächlicher prädiktiver Wert einer Verschlechterung der Lebensqualität auf. Herabgesetzte QoL ist stark mit Depressionen bei Glioblastom-Patienten assoziiert. Im Vergleich zu nicht depressiven Glioblastom-Patienten zeigen in manchen Studien depressive Glioblastom-Patienten eine kürzere Überlebenszeit, jedoch auch mehr Komplikationen. Eine retrospektive Studie erbrachte bei einer präoperativ bestehenden Depression einen unabhängigen Faktor einer verkürzten Überlebenszeit, wobei die Variablen wie Behinderungsgrad, Tumorgrad und Therapie bereits berücksichtigt wurden. Fatigue hat den stärksten negativen Impact auf die QoL bei Glioblastom-Patienten. Sowie insgesamt Fatigue, Depression, Schmerzen, neurokognitive Einbußen, Anfälle und psychischer Stress Auswirkungen auf die Lebensqualität von Hirntumorpatienten haben. Somit beeinflussen Fatigue und Depression sowohl die Neurokognition als auch die Quality of Life, welche wiederum selbst durch eine herabgesetzte Neurokognition beeinträchtigt sein kann.

Es liegen allerdings auch Daten vor, die zeigen, dass sowohl bei stabiler Erkrankung als auch im Rezidiv befindlichen Glioblastom-Patienten im Vergleich zu anderen Tumorerkrankungen oder neurologischen Erkrankungen das gleiche Level der QoL bemerken und nicht, wie man meinen könnte, ein im Vergleich deutlich schlechteres. Neurokognition und QoL bedingen in gewissem Sinn einander. Defizite der Neurokognition können gleichzeitig die Lebensqualität herabsetzen. Im Gegensatz dazu zeigen jedoch Glioblastom-Patienten trotz neurokognitiver Beeinträchtigung keine Einbußen ihrer Lebensqualtität bzw. geht die kognitive Verschlechterung einer Beeinträchtigung der QoL oftmals voraus. Anders sieht es hier bei Patienten mit Hirnmetastasen aus, welche eine schlechte Neurokognition auch als Beeinträchtigung ihrer QoL erfahren. Sowohl die Neurokognition als auch die QoL unterliegen jedoch den gleichen Einflussfaktoren: Depression und Fatigue.

Kognitive Rehabilitation

Bei Patienten mit malignen und vor allem bei Patienten mit niedriggradigen Gliomen, bei denen durch neue Therapiekombinationen der letzten Jahre beträchtliche Überlebenszeiten von mehr als fünf bis zwanzig Jahren erzielt werden konnten, ist eine kognitive Rehabilitation zu empfehlen. Sowohl die neurokognitiven Funktionen als auch die Lebensqualität können dadurch verbessert werden. Dadurch ist mitunter die Wiedereingliederung in ein Berufsleben bzw. in den Alltag erfolgversprechend, ebenso das Wiedererlangen eines möglichst hohen Funktionsstatus sowie die Behandlung psychischer Symptome wie Angst und Depression. Letztlich müssen jedoch noch weitere Studien erbracht werden, um die Zusammenhänge zwischen Neurokognition und Lebensqualität bzw. deren Input für Therapieentscheidungen besser verstehen zu können.

Literatur bei der Verfasserin

Dr. Bernadette Calabek-Wohinz
Abteilung für Neurologie, Universitätsklinikum St. Pölten Karl Landsteiner Institut für klinische Neurologie und Neuropsychologie
E-Mail: bernadette. calabek-wohinz@ stpoelten.lknoe.at