Depot-Antipsychotika sind den oralen Substanzen in Bezug auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit nicht unterlegen und weisen darüber hinaus eine Reihe von Vorteilen auf.
Neben Positiv- und Negativsymptomatik stellen Beeinträchtigungen der sozialen und kognitiven Funktionen (Hofer et al., 2010), der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität (Burton, 2006) typische Kennzeichen von schizophrenen Störungen dar. Die Erkrankungen schreiten mit Anzahl und Dauer der florid-psychotischen Episoden fort, und parallel sinkt das Funktionsniveau der Betroffenen (Lieberman et al., 2001).
Antipsychotika spielen in der Rückfallprophylaxe eine unumstrittene Rolle. Eine rezente Metaanalyse ergab eine jährliche Rückfallrate von 27 Prozent unter der Behandlung mit Antipsychotika, während im Vergleich dazu 64 Prozent der mit Plazebo behandelten Patienten im Laufe eines Jahres ein Krankheitsrezidiv erleiden (Leucht et al., 2012). Trotz der Entwicklung neuer Antipsychotika mit günstigeren Verträglichkeitsprofilen entstehen bei vielen Patienten mit schizophrenen Störungen im Laufe der Erkrankung Compliance-Probleme: ca. 50 Prozent sind partiell oder non-compliant, d.h., sie nehmen weniger als 80 bzw. 50 Prozent der verordneten oralen Medikation ein.
Dieses Verhalten erhöht das Risiko für ein Krankheitsrezidiv und führt zu häufigeren und längeren stationären Aufenthalten, zu Therapieresistenz, einem herabgesetzten Funktionsniveau und insgesamt zu einer Verschlechterung der Prognose (Hofer und Fleischhacker, 2011). Häufig wird die Compliance der Patienten von den behandelnden Ärzten überschätzt (Keith und Kane, 2003). Bereits im stationären Setting sind 10–30 Prozent der Patienten non-compliant (Barnes et al., 1996). Nach der Entlassung steigt diese Zahl innerhalb eines Jahres auf 50 Prozent und nach zwei Jahren auf 75 Prozent an (Keith und Kane, 2003).
Insbesondere sind auch von den Patienten mit der grundsätzlich besten Prognose, also jenen mit Erstmanifestation der Erkrankung, bis zu 30 Prozent innerhalb des ersten Behandlungsjahres non-compliant (Kahn et al., 2008). Eine kürzlich publizierte Metaanalyse konnte zeigen, dass unabhängig vom Stadium der Erkrankung (Erstmanifestation versus chronische Erkrankung) komorbider Substanzmissbrauch, hohes Aggressionspotenzial sowie geringe Krankheitseinsicht das Risiko für Non-Compliance wesentlich erhöhen (Czobor et al., 2015). Abhängig vom Studiendesign (Kishimoto et al., 2014) gibt es Hinweise, dass Depot-Antipsychotika (DAP) den oralen Substanzen (OAP) sowohl in der Förderung der Compliance als auch in der Rückfallprävention überlegen sind (Haddad et al., 2015).
Dies wurde einerseits mit einer Reduktion der Häufigkeit und Dauer der stationären Aufenthalte (Lachaine et al., 2015) und andererseits mit einem besseren funktionellen Outcome in Verbindung gebracht (Schreiner et al., 2014). Durch die Reduktion der Rückfallrate (Leucht et al., 2011) werden auch die Kosten für das Gesundheitssystem deutlich herabgesetzt (Einarson et al., 2013). Die wenigen Studien über den Einsatz von DAP bei Patienten mit Erstmanifestation der Erkrankung zeigen im Vergleich zur Behandlung mit OAP eine deutliche Überlegenheit in Bezug auf Compliance, Rezidivhäufigkeit (Tiihonen et al., 2011), kognitive Funktionen (Bartzokis et al., 2011) und Outcome (Emsley et al., 2013) sowie eine Verbesserung der sozialen und beruflichen Möglichkeiten und eine Steigerung der Lebensqualität (Přikryl et al., 2012).
Im Allgemeinen profitieren Patienten in frühen Erkrankungsstadien mehr von einer Depotbehandlung als im späteren Verlauf (MacFadden et al., 2010a). Dementsprechend wird auch empfohlen, diese Therapieoption so früh wie möglich einzusetzen (Viala et al., 2012). Im klinischen Alltag erfolgt die Verordnung eines DAP jedoch – wenn überhaupt – häufig erst im späteren Verlauf der Erkrankung (Heres et al., 2006). Dies ist weniger durch die ablehnende Haltung vonseiten der Patienten als durch die Zurückhaltung der Behandler bedingt (Heres, 2014). Obwohl 81 Prozent an eine höhere Compliance-Rate unter Depot-Medikation glauben (Patel et al., 2003), gehen viele Ärzte von der Annahme aus, die von ihnen behandelten Patienten würden die orale Medikation regelmäßig einnehmen, und halten DAP deshalb für nicht erforderlich (Heres et al., 2006; Samalin et al., 2013).
Außerdem herrscht die Meinung, dass Patienten eine Behandlung mit einem DAP nicht akzeptieren (Graffino et al., 2014), obwohl lediglich mit einem Drittel die grundsätzliche Möglichkeit besprochen wird (Heres et al., 2006). Im Folgenden wird zunächst auf die möglichen Vor- und Nachteile einer Depot-Behandlung und im Anschluss auf ausgewählte Vergleichsstudien über OAP und DAP eingegangen.
Vor- und Nachteile der Depot-Antipsychotika
Verglichen mit OAP haben DAP eine Reihe von Vorteilen. An erster Stelle soll das Wegfallen der täglichen Medikamenteneinnahme erwähnt werden, was vor allem für Patienten mit kognitiven Defiziten eine deutliche Erleichterung darstellt. Außerdem können durch den Einsatz von DAP gleichmäßige Plasmaspiegelverläufe erzielt werden, was wiederum das Risiko für Nebenwirkungen reduzieren kann. Durch die intramuskuläre Verabreichung kommt es zur Umgehung der First-pass-Metabolisierung durch die Leber und dadurch zu einer geringeren Substanzbelastung.
Natürlich ist durch den Einsatz von DAP die Wirkstoffzufuhr gesichert, so dass bei fehlender Wirksamkeit zwischen Non-Compliance und Therapieversagen unterschieden werden kann. Außerdem kann aufgrund der langen Halbwertszeit bei verabsäumter Injektion mit einem später auftretenden Krankheitsrezidiv gerechnet werden, und es ergibt sich die Möglichkeit, frühzeitig Compliancefördernde Maßnahmen zu setzen (Hofer und Fleischhacker, 2014). Als wesentlicher Nachteil einer Behandlung mit einem DAP ist die schlechte Steuerbarkeit zu nennen (verzögertes Steady State, verzögerte Besserung der Psychopathologie bei Dosissteigerung, Dauer der Elimination: Wochen bis Monate). Außerdem stellen die Scheu von Patienten vor Injektionen bzw. Injektions-assoziierte Nebenwirkungen (Schmerz, Schwellung etc.) limitierende Faktoren dar (Kasper et al., 2014).
Risperidon: oral versus Depot
In Bezug auf die Verbesserung der Psychopathologie besteht zwischen einer Behandlung mit oralem Risperidon und Risperidon-Depot kein Unterschied. Die beiden Applikationsformen sind auch hinsichtlich der Inzidenz und des Schweregrades von Nebenwirkungen zumindest miteinander vergleichbar (Chue et al., 2005), wobei Bai et al. (2007) einen deutlichen diesbezüglichen Vorteil der Depot- Form nachweisen konnten. Außerdem fördert die Depot- im Gegensatz zur oralen Applikationsform die Myelinisierung im Frontallappen und führt dadurch zu einer Verbesserung der Kognition (Bartzokis et al., 2011). Aus gesundheitsökonomischer Sicht verursacht die Behandlung mit Risperidon-Depot deutlich weniger Kosten als jene mit oralen neuen Antipsychotika (einschließlich Risperidon) und Haloperidol-Depot (herabgesetzte Anzahl und Dauer von Krankheitsrezidiven bzw. Hospitalisierung) (Edwards et al., 2005).
Olanzapin: oral versus Depot
In Bezug auf Wirksamkeit und Verträglichkeit unterscheiden sich orales und Depot-Olanzapin nicht voneinander (Kane et al., 2010). Beide Applikationsformen führen zu einer deutlichen Reduktion von Anzahl und Dauer der stationären Aufenthalte (Ascher-Savanum et al., 2013) und sind auch in der Verbesserung des Funktionsniveaus miteinander vergleichbar (Ascher-Savanum et al., 2014). Erwähnenswert ist das Risiko eines Delirs bei intravasaler Applikation von Olanzapin-Depot (Postinjektionssyndrom), welches mit einer Inzidenz von 0,07 Prozent auftritt (Bushe et al., 2015).
Aripiprazol: oral versus Depot
Verglichen mit der Fortsetzung einer Behandlung mit oralem Aripiprazol führt der Einsatz von Aripiprazol-Depot zu einer gleichbleibenden (Ishigooka et al., 2015) bzw. sogar zu einer Verbesserung der Psychopathologie (Fleischhacker et al., 2014). Die beiden Applikationsformen unterscheiden sich nicht in Bezug auf Rezidivprophylaxe und Sicherheitsprofil und führen zu einer vergleichbaren Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus (Fleischhacker et al., 2014).
Paliperidon-Palmitat versus orale Antipsychotika
Wenngleich keine direkten Vergleichsstudien vorliegen, scheint die Behandlung mit Paliperidon-Palmitat jener mit oralem Paliperidon sowohl hinsichtlich der Verbesserung der Psychopathologie und der Rückfallprophylaxe als auch in Bezug auf das psychosoziale Funktionsniveau überlegen zu sein (Markowitz et al., 2013). Beide Applikationsformen sind mit einem geringen tardiven Dyskinesierisiko verbunden und unterscheiden sich diesbezüglich nicht voneinander (Gopal et al., 2014).
Rezente Studien weisen auf ein geringeres Therapieversagen (definiert als Inhaftierung, Hospitalisierung, Suizid, inadäquate Wirkung, inadäquates Sicherheitsprofil, Inanspruchnahme von ambulanten Behandlungsstrukturen) und auf eine herabgesetzte Anzahl und Dauer von stationären Aufenthalten unter der Behandlung mit Paliperidon- Palmitat gegenüber oralen Antipsychotika hin (Alphs et al., 2015; Baser et al., 2015).
Risperidon-Depot versus orales Aripiprazol
In einer von MacFadden et al. (2010) publizierten randomisierten, offenen Vergleichsuntersuchung unterschieden sich die Behandlungen mit Risperidon-Depot oder oralem Aripiprazol weder in der Rückfallhäufigkeit noch in der Zeit bis zu einem Krankheitsrezidiv. Des Weiteren waren sowohl die Verbesserung der Psychopathologie als auch die Inzidenz von Nebenwirkungen in den beiden Gruppen vergleichbar.
Risperidon-Depot versus Quetiapin
In einer randomisierten, offenen Vergleichsuntersuchung war Risperidon-Depot Quetiapin sowohl bezüglich der Rückfallhäufigkeit als auch hinsichtlich der Zeit bis zu einem Krankheitsrezidiv signifikant überlegen. In Bezug auf die Inzidenz von Nebenwirkungen waren die beiden Gruppen miteinander vergleichbar, wenngleich durch die Dopamin-Rezeptorblockade induzierte Nebenwirkungen erwartungsgemäß häufiger in der mit Risperidon-Depot behandelten Gruppe auftraten (Gaebel et al., 2010). In beiden Behandlungsgruppen kam es zu einer signifikanten Verbesserung des sozialen und beruflichen Funktionsniveaus und der Lebensqualität, wobei Risperidon-Depot das Funktionsniveau stärker verbesserte als Quetiapin (Rouillon et al., 2013).
Zusammenfassung
Antipsychotika sind in der Behandlung von schizophrenen Störungen Mittel erster Wahl und in ihrer Wirksamkeit Plazebo deutlich überlegen. Viele Patienten haben jedoch Compliance-Probleme, die zu häufigen Krankheitsrezidiven und stationären Aufenthalten und zu einem herabgesetzten Funktionsniveau führen. Depot-Antipsychotika sind den oralen Substanzen in Bezug auf die Rezidivprophylaxe nicht unterlegen, haben ein mit der oralen Muttersubstanz vergleichbares Sicherheitsprofil und können oralen Antipsychotika in Bezug auf die Reduktion der Psychopathologie und die Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus sogar überlegen sein. Dennoch wird diese Behandlungsoption relativ selten eingesetzt, was in erster Linie durch die Zurückhaltung der Behandler bedingt ist.
Dr. Nursen Yalcin- Siedentopf, Assoz.-Prof. PD Dr. Alex Hofer
Department für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität Innsbruck, E-Mail: nursen.yalcin@i-med.ac.at
Literatur bei den Autoren