Intensive Forschung hat zu weitreichenden Einsichten in neue Therapietechniken in der sensomotorischen Rehabilitation des Schlaganfalls geführt. (CliniCum neuropsy 4/18)

Der Schlaganfall ist die häufigste neurologische Erkrankung, die an dritter Stelle der Todesstatistik in den Industrieländern steht. Aufgrund der zunehmend älter werdenden Bevölkerung ist eine weitere Zunahme der Häufigkeit des Schlaganfalls in den nächsten Jahrzehnten in den Industrieländern zu erwarten. Durch zunehmend bessere medizinische Versorgung hat die Schlaganfallsterblichkeit in den letzten 30 Jahren drastisch abgenommen. Verstarben 1970 in Österreich jährlich noch 258 von 100.000 Menschen an den Folgen eines Schlaganfalls, so waren es 1998 nur mehr 158 Personen. Die Sterblichkeitsrate hat in diesem Zeitraum um 55,7 Prozent abgenommen, und die Tendenz ist weiter fallend. Parallel dazu nehmen chronische Leiden und Behinderung nach einem Schlaganfall in der Bevölkerung zu. Diese Entwicklung führt in der Neurorehabilitation zu einem vermehrten Bedarf an Therapien des Schlaganfalls über die Akutphase hinaus im Subakut- und chronischen Stadium, insbesondere dann, wenn die herkömmliche Rehabilitation des Schlaganfalls zu keinen weiteren Verbesserungen von Behinderungen mehr führt.

Neue Therapietechniken

Intensive Forschung in der Neurorehabilitation hat weitreichende Einsichten in neue Therapietechniken in der sensorimotorischen Rehabilitation des Schlaganfalls gebracht. Im Bereich des aktiven motorischen Trainings und der Somatosensorik wurden für Patienten mit schweren Armparesen neue Verfahren wie die „Constrained Induced Movement“-Therapie (Taub et al. 1993), repetitives Training (Feys et al. 1998), elektromyographisches Feedback (Schleenbaker und Mainous 1993) oder die funktionelle elektrische Stimulation (Sonde et al. 1998) entwickelt. Um die Therapeuten in ihrer Arbeit zu unterstützen und um ein intensiveres Training in der Therapie zu gewährleisten, entwickelte sich die Roboter-unterstützte Rehabilitation mit aktiven und passiven interaktiven Robotersystemen für Gang und Training der Arm- und Handmotorik (Riener et al. 2005, Teasell und Kalra 2004). Eine der neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet ist die virtuelle Realität einer Trainingsumgebung am Computer, in der das Lernen im realen Leben mit einem intensiven somatosensiblen Feedback simuliert werden kann (Sirio 2002). Ein weiterer interessanter Ansatz in der Neurorehabilitation ist die Therapie mit dem sogenannten „Motor Imagery“, bei dem einfach schon die Bewegungsvorstellung eines vollständig gelähmten Arms oder Beins zu einer Bewegungsanbahnung der plegischen Extremität führt, sodass in der weiteren Folge aktive motorische Trainingstechniken eingesetzt werden können (Stevens und Stoykov 2003).

Stimulationsverfahren

Zunehmend wird in der Neurorehabilitation nach Schlaganfall die große Bedeutung der nicht invasiven Hirnstimulation zur Verbesserung des Outcomes klar, welche sich zu einer vielversprechenden, adjuvanten Intervention in Kombination mit spezifischer motorischer und kognitiver Therapie entwickelt. Insbesondere werden dafür peripher elektrische, vibrotaktile und magnetische Stimuli eingesetzt, zentral kommt gegenwärtig repetitive magnetische und elektrische Gleichstromstimulation zur Anwendung. Die eingesetzten physikalischen Stimuli können Aktionspotenziale in neuronalen Strukturen im stimulierten Bereich auslösen.

Bei der peripheren oder afferenten elektrischen Stimulation (AES) werden diese Aktionspotenziale über extraund intrazelluläre Ionenströme, die zu einer Depolarisation der Zellmembran unterhalb der stimulierenden Anode führen, ausgelöst. Die generierten Aktionspotenziale werden dann über die Ia-, Ib- und II-Fasern der epikritischen und propriozeptiven Sensibilität zum Hinterhorn des Rückenmarks transmittiert und über die Hinterstränge und den Tractus spinothalamicus lateralis et anterior und den Tractus spinocerebellaris zum Hirnstamm, Thalamus, sensomotorischen Cortex und zum Cerebellum geleitet.

Periphere vibrotaktile Stimulation (PVS) wird über die tiefen Mechanorezeptoren der Haut (speziell Meissnerund Pacini-Rezeptoren) sowie die Rezeptoren der Tiefensensibilität (Muskelspindeln, Golgi-Organe) transportiert, die Frequenz-kodierte Aktionspotenziale für die epikritische und propriozeptive Wahrnehmung des Gehirns erzeugen.

Periphere magnetische Stimulation (PMS) wirkt ähnlich wie die periphere elektrische Stimulation durch Induktion eines elektrischen Feldes orthogonal auf das magnetische Feld in den stimulierten neuronalen Strukturen entsprechend dem Faraday’schen Gesetz. Dadurch werden elektrisch geladene Teilchen (Ionenströme, e-) abhängig von ihrer Ladung in oder entgegen der Feldrichtung bewegt, was zu Depolarisation oder Hyperpolarisation der Zellmembran führen kann, was wiederum Aktionspotenziale auslösen oder inhibierend wirken kann.

Für die zentrale repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und die Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) können biophysikalische Mechanismen wie bei der peripheren Stimulation angenommen werden.

Induzierte Plastizitätsphänomene

Bei der Anwendung repetitiver physikalischer Stimuli kann ein starker neuromodulatorischer Input in das Nervensystem mit Induktion von Neuroplastizität in für die Neurorehabilitation relevanten kortikospinalen Strukturen erwartet werden. Die induzierten Plastizitätsphänomene beinhalten das gesamte Spektrum der Neuroplastizität, angefangen von der Short-Term-Plastizität (STP) bis hin zur Long-Term-Plastizität (Long-term Potentiation, LTP; Long-term Depression, LTD) einschließlich der strukturellen Plastizität mit dendritischem und präsynaptischem axonalem Sprouting und der Formation neuer Synapsen. Mit Hinblick auf das Zeitfenster der angewendeten physikalischen Stimuli können jedoch die LTP- und LTD-ähnlichen Mechanismen als die führenden Beiträge zur Neuroplastizität durch repetitive physikalische Stimuli angesehen werden. Bei der LTP kommt es durch repetitive physikalische Stimuli präsynaptisch durch Glutamat-Ausschüttung am postsynaptischen AMPA(α-amino-3-hydroxy-5-methyl- 4-isoxazole propionic acid)-Rezeptor zum Einstrom von Na+-Ionen, was zur Depolarisierung der postsynaptischen Membran führt.

Wird das Membranpotenzial dabei bis zu einem kritischen Wert depolarisiert, kann dadurch die Blockade des spannungsabhängigen postsynaptischen N-Methyl-D-Aspartate(NMDA)-Rezeptors durch Mg2+-Ionen aufgehoben werden, was zu einem massiven Einstrom von Ca2+- und Na+-Ionen in den postsynaptischen dendritischen Fortsatz führt. Der darauffolgende Anstieg des intrazellulären Ca2+ triggert dann die zellulären Mechanismen der LTP. Weiterhin gibt es neurobiologische Beweise dafür, dass bei der LTP noch eine Änderung der AMPA-Rezeptorfunktion und Erhöhung der Anzahl eine Rolle spielt sowie ein Anstieg in der Wahrscheinlichkeit für die Ausschüttung von Glutamat aus den präsynaptischen Vesikeln. Ein weiterer fundamentaler Mechanismus der längerfristigen Neuroplastizität scheint die Transformation von sogenannten „stillen Synapsen“ in funktionell aktive Synapsen („silent synapse hypothesis“, Malenka und Nicoll 1997) zu sein. Diese besagt, dass einige Synapsen nur NMDA-Rezeptoren und andere AMPA- und NMDA-Rezeptoren exprimieren.

Synapsen mit nur NMDA-Rezeptoren werden bei Ruhemembranpotenzial- Bedingungen funktionell still sein und keinen Response geben, wenn Glutamat präsynaptisch ausgeschüttet wird. LTP an solchen stillen Synapsen kann jedoch auftreten durch eine schnelle Exprimierung von AMPA-Rezeptoren. LTD scheint kontroverse Prozesse zu beinhalten wie etwa die Entfernung oder Endozytose des AMPA-Rezeptors. LTD wird normalerweise generiert durch prolongierte (drei bis 15 Minuten) niedrig-frequente (1 bis 5Hz) afferente elektrische Stimulation. LTD kann LTP komplett umkehren, ein Prozess, der oft auch Depotentiation genannt wird. Die Triggerung von LTD erfordert ebenso eine Aktivierung der NMDA-Rezeptoren und einen Anstieg der postsynaptischen Kalziumkonzentration (Dudek und Bear 1992, Mulkey und Malenka 1992). Die spezifischen Eigenschaften des intrazellulären Kalziumsignals scheinen zu diktieren, ob LTP oder LTD generiert wird. LTD erfordert einen moderaten Anstieg des postsynaptischen intrazellulären Kalziums (Cummings et al. 1996), und LTP erfordert einen starken Anstieg jenseits einer kritischen Schwelle (Malenka 1991).

Die zeitliche Charakteristik dieses Kalziumsignals ist möglicherweise auch wichtig. Durch Wachsen neuer Synapsen und „Ausästeln“ von präexistierenden Synapsen und postsynaptischen dendritischen Fortsätzen können die LTP- und LTD-Mechanismen dann über Wochen, Monate und Jahre aufrechterhalten werden (Synaptic Sprouting). Short-Term-Plastizität in der zeitlichen Größenordnung von Millisekunden bis ein paar Minuten beruht auf Änderungen in der präsynaptischen Neurotransmitter-Ausschüttung, wie sie durch Doppelpuls-TMS induziert werden kann. Abhängig vom Interstimulus-Intervall (ISI) kann die Doppelpuls-TMS dabei fazilitierend oder inhibierend auf den cerebralen Kortex wirken. Wenn ein Aktionspotenzial am präsynaptischen Terminal eintrifft, führt das zu einer transienten Veränderung in der postsynaptischen intrazellulären Kalziumkonzentration. Wenn nun präsynaptisch zwei Stimuli innerhalb eines kurzen ISI appliziert werden, ist die Antwort auf den zweiten Reiz bei kurzen ISIs (<10ms) abgeschwächt und bei längeren ISIs (>10ms) erhöht. Die Depression an der Synapse durch den Doppelpuls resultiert möglicherweise aus einer Inaktivierung des spannungsabhängigen Natrium- oder Kalziumkanals oder aus einer transienten Depletion der synaptischen Vesikel.

Bei längeren Interstimulus-Intervallen (>10ms) tritt in Antwort auf den ersten Stimulus wiederum ein Kalziumeinstrom in den postsynaptischen Terminal ein, wobei dann infolge des ersten Stimulus „residuelles“ Kalzium vom ersten Aktionspotenzial kombiniert mit dem Kalziuminflux während des zweiten Aktionspotenzials zu einer weiteren nicht linearen Depolarisierung führt, welche dann substanzielle Fazilitierung zur Folge hat. Ob eine Synapse Fazilitation oder Depression bei magnetischer Doppelpuls-Stimulation zeigt, hängt von ihrem initialen Zustand ab und ihrer rezenten Geschichte der Aktivierung. Länger andauernde Formen von Neuroplastizität werden nach repetitiver oder tetanischer Stimulation von Synapsen mit prolongierten (ca. 200ms bis 5 Sekunden) Serien von Stimuli bei hohen Frequenzen (10 bis 200Hz) beobachtet. Augmentation und posttetanische Potenzierung beziehen sich auf eine Erhöhung der Transmitterausschüttung, die Sekunden (Augmentation) bis einige Minuten (posttetanische Potenzierung) dauern kann. Durch die Short-Term-Plastizität kann die Stärke der Kommunikation zwischen Paaren von Neuronen modifiziert werden (Markram und Tsodyks 1996).

Afferente elektrische Stimulation (AES) ist seit mehreren Jahrzehnten bekannt dafür, kortikale Neuroplastizität zu induzieren. Sie erlaubt die Möglichkeit einer Neuromodulation bei Schlaganfallpatienten in der subakuten und chronischen Phase (Chipchase et al. 2011). So wurden etwa bei Patienten mit einem Neglectsyndrom, welches häufig bei einem Schlaganfall auf der rechten Hirnhälfte auftritt, verschiedene Modalitäten von somatosensiblem Input (optokinetisch, Vibration der Nackenmuskulatur, vestibuläre und magnetische Reize) untersucht, die eine eindrucksvolle Verbesserung des Neglects zeigten (Kerkhoff 2003). Weiterhin konnte bewiesen werden, dass durch elektrische Stimulation der Hand die Aktivität des sensomotorischen Kortex in dem für die Hand zuständigen Bereich gesteigert wird (Nudo und Milliken 1996, Ridding et al. 2001).

Weitere klinische Studien mit AES, bei der die gesamte Hand gleichmäßig elektrisch unterhalb der sensiblen Schwelle gereizt wird, haben bei Patienten mit einer chronischen Behinderung der oberen oder unteren Extremität nach Schlaganfall, bei denen herkömmliche Therapien keine Verbesserung mehr erbrachten, noch eine Verbesserung der motorischen Leistungen der betroffenen Extremität gezeigt (Dimitrijevic 1994, Dimitrijevic und Soroker 1994, Dimitrijevic et al. 1996, Nudo und Milliken 1996, Peurala et al. 2002, Ridding et al. 2001). Insbesondere zeigte sich in diesen Studien ein positiver Effekt der AES auf einen spastisch erhöhten Tonus der betroffenen Extremität, der im chronischen Stadium eines schweren Schlaganfalls oft große Probleme bereitet. Die elektrische Stimulation mit dem sogenannten Mesh-Glove wurde drei Monate für täglich eine halbe Stunde durchgeführt. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) konnte ein Effekt der AES im Gehirn sogar schon nach einer halben Stunde gezeigt werden, der nach Ende der Stimulation noch ca. zwei Stunden anhielt (Golaszewski et al. 1999, Golaszewski et al. 2004, Golaszewski et al. 2012, Golaszewski et al. 2010).

Das bietet die Möglichkeit einer Kombination der AES mit einem anschließenden sensomotorischen ergotherapeutischen Training. Man nimmt an, dass durch die MG-Stimulation speziell die Nervenfasern für die Propriozeption und Kinästhetik der ganzen Hand (dicke Nervenfasern der Gruppe Ia, Ib und II) gereizt werden, was für das Gehirn einen starken Impuls darstellt, neuroplastische Prozesse zur Wiederherstellung der gestörten Funktion der behinderten Hand einzuleiten. Reserveareale für die Wiederherstellung gestörter sensomotorischer Funktionen stehen dem Gehirn genügend zur Verfügung, da nur etwa ein Zehntel der gesamten neuronalen Kapazität des Gehirns für spezifische Funktionen genutzt wird.

Bei der peripheren vibrotaktilen Stimulation (PVS) zeigt sich in den Steady State Somatosensibel Evozierten Potenzialen (SSEPs) bei einer Vibrationsfrequenz von ca. 25Hz ein Resonanzphänomen. Ähnliche Resonanzphänomene können im visuellen System (ca. bei 10Hz) und im Bereich des auditorischen Kortex (bei ca. 40Hz) beobachtet werden. Niedrig-amplitudige Muskelvibration erhöht die Amplituden der motorisch-evozierten Potenziale (MEP) und verringert die Effektivität der kurzen intrakortikalen Inhibition (short intracortical inhibition, SICI) (Rosenkranz et al. 2003, Rosenkranz und Rothwell 2003). Alle diese Ergebnisse geben Evidenz dafür, dass periphere vibrotaktile Stimuli die Aktivität der Neurone in S1 und in benachbarten motorischen Regionen steigern (Romo et al. 2002). Christova und Kollegen (Christova et al. 2013) zeigten, dass sich die neuromodulatorischen Veränderungen im „Blood Oxygenation Level Dependant“(BOLD)-Signal während eines motorischen Tests in der funktionellen Magnetresonanztomographie widerspiegeln.

Eine weitere Studie untersuchte die neuronale Kopplung zwischen den oberen und unteren Extremitäten während des Gehens. Es konnte gezeigt werden, dass vibrotaktile Stimulation an den Achillessehnen die Gangrehabilitation durch eine Modulation der gekreuzten Extremitäten-Reflexe unterstützt unter der Präsenz von rhythmischer Aktivität in den proximalen Armmuskeln (Solopova et al. 2017). In Patienten mit spastischer Hemiparese begünstigt diese Stimulation inhibitorische neuronale Kreise, die auf die antagonistischen Unterarmflexoren wirken und zu einer verbesserten Geschicklichkeit im spastischen Arm führen (Liepert und Binder 2010).

Bei der peripheren magnetischen Stimulation (PMS) penetriert das angewendete magnetische Feld tiefere Regionen des Muskels, was eine Behandlung von Patienten mit Lähmungen aufgrund von peripheren und zentralen Läsionen des Nervensystems fördert. Gallasch und Kollegen applizierten repetitive PMS (rPMS) mit 25Hz (15.000 Pulse) an den Unterarmflexoren der rechten Hand und vergrößerten so die MEP-Amplituden bei einer nachfolgenden diagnostischen transkraniellen Magnetstimulation bei Probanden. Dieser Effekt hielt über eine Stunde an und lässt damit auf langanhaltende, neuroplastische Veränderungen durch die repetitive PMS schließen (Gallasch et al. 2015). Weitere zahlreiche Studien belegen rPMS-induzierte neuromodulatorische Effekte und zeigen verbesserte somatosensorische Funktionen bei Patienten nach Schlaganfall (Heldmann et al. 2000, Kerkhoff 2003, Kerkhoff et al. 2001) sowie eine Reduktion verschiedener Formen von Schmerz (Kumru et al. 2010, Masse- Alarie et al. 2017, Samani et al. 2003, Sollmann et al. 2016). RPMS wird hauptsächlich in der motorischen Rehabilitation bei Läsionen des ersten und zweiten Motoneurons eingesetzt.

Viele Studien zeigen, dass Transkranielle Magnetstimulation (TMS) die motorkortikale Erregbarkeit längerfristig verändern kann, sowohl in der stimulierten als auch in der nicht stimulierten Hemisphäre (Freitas et al. 2009, Nitsche und Paulus 2000). Repetitive TMS (rTMS) mit niedriger Frequenz (≤1Hz) induziert GABA-erge Aktivität und wirkt dadurch kortikal inhibierend, hochfrequente rTMS (>5Hz) hingegen induziert glutamaterge Aktivität und wirkt dadurch kortikal fazilitierend. TMS kann in verschiedenen Stimulationsmustern angewandt werden, um positive Effekte in Patienten nach einem Schlaganfall zu erzielen. Niedrigfrequente kontinuierliche rTMS (LF-crTMS) appliziert auf der kontraläsionellen Hemisphäre zeigte in einer Studie erfolgreichere Rehabilitation in Schlaganfallpatienten. Dabei war der Effekt in jüngeren Patienten größer als in älteren (Kim et al. 2016). Zudem zeigt die Anwendung von LF-crTMS kurz nach der Verletzung eine länger anhaltende Wirkung (Berardelli et al. 1998, Bertolucci et al. 2018, Nardone et al. 2018, Pascual-Leone et al. 1994).

Ein spezifisches Protokoll der TMS, die intermittierende Theta Burst Stimulation (iTBS), zeigt eine Besserung der Motorik bei Schlaganfallpatienten, die – in Kombination mit Physiotherapie – auch nach einem Monat noch aufrechterhalten blieb (Ackerley et al. 2016). Durch die Stimulation beider Gehirnhälften konnte die transkallosale Inhibierung verringert werden, die nach einem Schlaganfall negativen Einfluss auf die Heilung hat. So wird die läsionierte Hemisphäre mit fazilitierender iTBS stimuliert, während die kontralaterale Seite mit einer inhibierenden kontinuierlichen TBS (cTBS) stimuliert wird. In Kombination mit Physiotherapie konnten hier Erfolge in der motorischen Rehabilitation erzielt werden (Ackerley et al. 2014, Murase et al. 2004, Ward und Cohen 2004). Ackerley und Kollegen (Ackerley et al. 2014) schlossen daraus, dass iTBS des primären motorischen Kortex sowohl die kortikospinale Erregbarkeit von M1 als auch dessen Sensibilität für afferente Information erhöht.

Außerdem scheint die kontraläsionelle Hemisphäre eine Schlüsselrolle in der Regeneration nach einem Schlaganfall zu spielen. CTBS des kontraläsionellen M1 verursacht insgesamt eine Abnahme der Funktion der oberen Extremität, woraus sich schließen lässt, dass die kontraläsionelle Hemisphäre eine Schlüsselrolle in der Regeneration nach einem Schlaganfall spielt. In der Studie von Talelli (Talelli et al. 2012) konnten hingegen keine Unterschiede zwischen Patienten der Sham und Stimulationsgruppe nach iTBS oder cTBS gefunden werden. Trotz allem ist die TBS ein vielversprechender Ansatz und wird bereits in der motorischen Rehabilitation der oberen und unteren Extremitäten, in der Gangrehabilitation, bei Aphasie und bei Neglect eingesetzt.

Gepaarte Assoziierte Stimulation (Paired Association Stimulation, PAS) besteht aus zwei Komponenten: AES und repetitive TMS (rTMS), wobei die AES üblicherweise am Nervus medianus appliziert wird. Darauf folgt, nach einer kurzen Verzögerung, die rTMS über dem kontralateralen Handareal des motorischen Kortex. Essenziell für den neuromodulatorischen Effekt ist das Interstimulus- Intervall (ISI) zwischen AES und TMS: Eine Verzögerung von ca. 10ms induziert Inhibition, eine Verzögerung von 25ms Fazilitation, wodurch die Größe der MEP-Amplitude moduliert wird. Die klassischen Protokolle der repetitiven PAS applizieren 90 gepaarte Stimuli und eine Frequenz von 0,05Hz (Christova et al. 2011). PAS-Modulation der kortikospinalen Erregbarkeit kann als Marker für Neuroplastizität angesehen werden (Stefan et al. 2002).

In einer Studie von Jayaram und Kollegen (Jayaram und Stinear 2008, Jayaram und Stinear 2009) wurde die Hypothese bestätigt, dass die Erregbarkeit des ipsiläsionellen Kortex für die unteren Extremitäten durch Gehen erhöht wird, wenn der kontraläsionelle Motorkortex mit inhibierender PAS stimuliert wird. Eine weitere Studie (Michou et al. 2013) zeigte, dass Schluckübungen kombiniert mit pharyngealer AES und TMS positive neurophysiologische und behaviorale Effekte in gesunden Probanden und dysphagischen Schlaganfallpatienten induzieren. Diese Ergebnisse legen nahe, dass PAS als adjuvante Therapie in Schlaganfallpatienten mit neurologischen Geh- und Schluckproblemen eingesetzt werden kann.

Transkranielle Gleichstromstimulation (Transcranial Direct Current Stimulation, tDCS) moduliert die Erregbarkeit des Kortex durch die Anwendung von konstantem Strom mit niedriger Intensität (1 bis 2mA) über zwei große Elektroden auf der Kopfhaut. Es werden zwei Formen der Stimulation unterschieden, die kathodale tDCS (ctDCS), d.h. der Strom fließt von der Kathode (-) zur Anode (+), und die anodale tDCS (atDCS) mit umgekehrtem Stromfluss. TDCS stand in den letzten Jahren im Fokus vieler Studien, die dessen Effekt auf Lernen, Gedächtnis, motorische Funktionen und behaviorale Aufgaben untersuchten. Eine Studie, die sich mit hemiparetischen Kindern beschäftige (Tecchio et al. 2010), zeigte, dass ctDCS über dem kontraläsionellen primären motorischen Kortex nach einer zehntägigen Therapie das motorische Lernen verbessern kann.

Tecchio und Kollegen zeigten auch, dass diese Effekte zeitabhängig sind: atDCS, die direkt nach dem Training auf M1 appliziert wurde, förderte Off-line Lernen, während die Anwendung von ctDCS oder atDCS vor dem Training zu langsamerem Lernen führte (Stagg et al. 2011, Stagg und Nitsche 2011). Zusammenfassend zeigt sich, dass ctDCS im Vergleich zur atDCS die vielversprechendere Behandlungsoption ist, um ADL-Leistungen (ADL: activities in daily life) in Schlaganfallpatienten zu erhöhen (Elsner et al. 2017). TDCS wird klinisch bereits in der motorischen und der Sprachrehabilitation sowie in der Neurorehabilitation bei Dysphagie und homonymen Hemianopsie nach einem Posterior-Infarkt eingesetzt. Zukünftige Anwendungsmöglichkeiten für die tDCS bieten sich in der sensorimotorischen Rehabilitation des Rückenmarksquerschnittssyndroms, der Parkinson-Erkrankung, der Multiplen Sklerose, der Amyotrophen Lateralsklerose sowie der Infantilen Zerebralparese.

Fazit

In Zukunft wird es in der Rehabilitation des Schlaganfalls wichtig sein, geeignete Protokolle für den Einsatz neuer Therapieverfahren zu entwickeln und diese sinnvoll mit den Methoden in der herkömmlichen Neurorehabilitation für eine optimale Förderung des Rehabilitationsprozesses im Gehirn und Rückenmark zu kombinieren.

Literatur beim Verfasser

Von OA Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Ing. Stefan Golaszewski