Weltweit sterben laut WHO (2018) jährlich über 7 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, über 6 Millionen sind direkte TabakkonsumentInnen, etwa 890.000 Todesfälle gehen auf Passivrauchen zurück. 24 Prozent der über 15-jährigen ÖsterreicherInnen rauchen täglich. Damit liegt Österreich über dem EU-Durchschnitt von 19 Prozent im oberen Viertel.
Die Nikotinabhängigkeit ist gemäß ICD-10 eine Suchterkrankung und der Goldstandard um tabakbedingten Erkrankungen vorzubeugen besteht im vollständigen Rauchstopp. Die große Zahl an RaucherInnen, die jedoch trotz Kenntnis über die Risiken des Rauchens weiter raucht, verdeutlicht die Notwendigkeit der Etablierung von Harm Reduction (Schadens- oder Risikoreduzierungs)-Ansätzen im Bereich des Tabakkonsums. Beispiele für Harm Reduction in anderen Bereichen sind u. a. die Therapie der Alkoholabhängigkeit, wo früher strikte Abstinenz als Therapieziel jahrzehntelang dominierte. Im Sinne des praxisnäheren Konzepts der Harm Reduction wurde ein reduziertes Trinken, unter dem Gesichtspunkt „weniger ist mehr“, medizinisch erfolgreich eingeführt. Besteck-Tauschprogramme, Drogentestungen und sichere Injektionsgelegenheiten im Bereich des Suchtmittelmissbrauchs oder die Gurtpflicht und Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr sind andere Beispiele.
Es besteht für die Nikotinabhängigkeit ein großer medizinischer Bedarf nach Methoden um die Schäden des Rauchens zu reduzieren und die Notwendigkeit der Etablierung von Tobacco-Harm-Reduction-Maßnahmen, anstatt RaucherInnen den Credos „Selbst schuld“ und “Quit or die“ zu überlassen. Nikotin ist suchterzeugend, jedoch nicht Hauptursache von mit dem Rauchen assoziierten Erkrankungen, da die Schädlichkeit des Rauchens auf toxischen Inhaltsstoffen von Tabakrauch beruht. Durch moderne Alternativen wie z.B. medikamentöse Verfahren oder Nikotinpflaster bzw. Nikotinkaugummis, schadstoffreduzierte Alternativen wie z.B. E-Zigaretten (Dampfen) und Tabakerhitzer (Heaten) ist es möglich, die Schadstoffaufnahme und Gesundheitsgefahren zu reduzieren.
Diese Strategien sollten weiter Gegenstand von kontrollierten Untersuchungen sein, insbesondere, wenn große Institutionen, wie zum Beispiel das AKH in Wien, sich zum Ziel gesetzt haben, bald in den Gebäuden und am gesamten Campus „rauchfrei“ zu sein.
Autor:
O.Univ.-Prof. Dr. h.c. Siegfried Kasper