Speziell bei Schizophrenie- Erkrankten ist die Therapieadhärenz besonders gering. Die verschriebenen Medikamente werden häufig gar nicht oder nur unvollständig eingenommen. Damit Therapieadhärenz im Sinne einer aktiven und gemeinsamen Zusammenarbeit zwischen dem Behandler und dem Patienten erreicht werden kann, ist eine vertrauensvolle Arzt-Patienten- Beziehung die wichtigste Voraussetzung, um auch bei Rückfällen oder Therapieabbrüchen wieder gemeinsam neue Behandlungspläne zu erstellen.

Die WHO definiert Adhärenz als „das Ausmaß, in dem das Verhalten einer Person, wie die Medikamenteneinnahme, ein Diät-Regime und/ oder eine Lebensstiländerung, mit den mit dem Therapeuten vereinbarten Empfehlungen übereinstimmt. Grundlage einer erfolgreichen Therapie ist – dieser Auffassung entsprechend – die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des Patienten sowie die Berücksichtigung von Faktoren, die es dem Patienten erschweren, das Therapieziel zu erreichen.“ Somit bezieht sich die Therapieadhärenz auf die aktive Zusammenarbeit zwischen dem Patienten und Behandler. Damit geht die Therapieadhärenz über den häufig synonym verwendeten Begriff der Compliance hinaus, da diese sich eher auf ein passives Akzeptieren und Befolgen der ärztlichen und therapeutischen Entscheidungen bezieht.
Adhärentes Verhalten bedeutet somit auf der Patientenseite, die abgesprochenen Vereinbarungen einzuhalten. Genauso ist es aber auf der Behandlerseite notwendig, in den Behandlungsplan Überlegungen darüber einfließen zu lassen, welche Umstände und Faktoren dem Patienten eine kontinuierliche Therapie leichter machen können. Grundlage ist somit die patientenzentrierte Medizin, in der der Patient und der Behandler auf Augenhöhe miteinander agieren. Diese Gedanken der partizipativen Entscheidung in der Behandlung haben in den letzten Jahren auch zunehmend Einzug in Behandlungsleitlinien und Therapiealgorithmen von Patienten mit einer Schizophrenie erhalten.

Adhärenz bei der Schizophrenie

In Studien konnte gezeigt werden, dass über zwei Drittel der Patienten angaben, die Medikation regelmäßig einzunehmen, bei Kontrolle der verabreichten Tablettenzahl zeigten nur 40 Prozent eine Übereinstimmung mit dem Behandlungsplan, und nur bei 25 Prozent zeigte sich der zu erwartende und für die Therapie ausreichende Plasmaspiegel. Hauptgrund für den Therapieabbruch ist eine fehlende Symptomverbesserung oder in bestimmten Fällen eine -verschlechterung unter der Therapie. An zweiter Stelle stehen unerwünschte Nebenwirkungen. Weitere Gründe für eine geringe Therapieadhärenz sind eine fehlende Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft, desorganisiertes Verhalten und die gesellschaftliche Stigmatisierung von Antipsychotika. Dabei ist die fehlende Medikations- Adhärenz bei der Schizophrenie ein wesentlicher Prädiktor für ein Erkrankungsrezidiv, und häufige Erkrankungsrezidive resultieren häufig in einem chronischen Verlauf und konsektiven Abfall des sozialen Funktionsniveaus vergesellschaftet.
Neben den Erkrankungsrezidiven sind die Folgen der mangelnden Therapieadhärenz bei der Schizophrenie vielfältig. Assoziiert ist die Non-Adhärenz mit eine Zunahme des Grades der Behinderung, mit der subjektiv erlebten Belastung, mit der Anzahl der Krankenhausaufenthalte, mit der Anzahl der Suizidversuche, mit komorbidem Alkohol- und Drogengebrauch und sozialen Defiziten. Aus diesen Faktoren lässt sich auch ableiten, dass die Non-Adhärenz eine deutliche Zunahme der bereits sehr hohen direkten und indirekten Behandlungskosten bei der Schizophrenie nach sich zieht.

Prädiktive Faktoren

Für die Schizophrenie gibt es prädiktive Faktoren für eine Non-Adhärenz. Männer neigen zu häufigeren Therapieabbrüchen, ebenso wie junge Patientinnen und Patienten am Beginn ihrer Erkrankung. Weitere Risikofaktoren scheinen soziale Isolation und fehlende familiäre Unterstützung zu sein. Die Erkrankungsschwere ist erwartungsgemäß ebenso mit der Non- Adhärenz korreliert wie eine komorbide Substanzabhängigkeit und eine negative Einstellung gegenüber der Behandlung.
Aber auch seitens der behandelnden Ärzte gibt es Faktoren für die Non- Adhärenz. Dazu zählen vor allem eine unzureichende Planung der weiteren Behandlung nach Entlassung, eine schlechte Arzt-Patienten-Beziehung und eine negative Einstellung der Behandler bezüglich der Therapie.
An erster Stelle muss es das Ziel des Arztes und seines Patienten sein, eine wirksame Therapie zu finden, damit der Patient durch den positiven Nutzen der Therapie von einer weiteren Befolgung des Behandlungsplans überzeugt wird. Entsprechend der Leitlinien der World Federation of Societies of Biological Psychiatry ist, sobald die Kriterien für eine Schizophrenie erfüllt sind, eine störungsspezifische Therapie empfohlen. Zur Erstellung eines gemeinsamen Behandlungsplans wird empfohlen, die relevanten psychischen und somatischen Komorbiditäten, die psychosozialen Umstände und die Lebensqualität mit einzubeziehen. Dazu gehören die genaue Überprüfung der Diagnosekriterien, der Ausschluss einer hirnorganischen Erkrankung oder einer substanzinduzierten Genese und ein Überblick über die allgemeinen Laborparameter. Es wird empfohlen, bereits frühzeitig eine medikamentöse Therapie zu implementieren.

Therapieprinzipien

Ziel der Behandlung in der akuten Phase der Erkrankung ist es, zusammen mit dem Patienten und dessen Familie eine Allianz zu bilden, um die akuten psychotischen und begleitenden Symptome, welche mit bizarrem Verhalten, Misstrauen, Aggression, sozialem Rückzug, kognitiven Defiziten und affektiver Begleitsymptomatik einhergeht, besser zu kontrollieren. Es konnte gezeigt werden, dass die Psychoedukation und die Einbeziehung von Familienmitgliedern die Therapieadhärenz erhöhen. Individuell sollten Vorurteile und Einwände gegenüber dem Einsatz von Antipsychotika abgebaut werden. Der Patient sollte vorsichtig über die Diagnose und die Behandlungsmöglichkeiten informiert werden. Hierbei sollte ausreichend Raum für die Fragen und Ängste der Betroffenen eingehalten werden. Wichtig ist es, mit dem Patienten die Intention der Therapie, aber auch mögliche Nebenwirkungen zu besprechen. Denn besonders bei Patienten mit der Erstmanifestation einer Schizophrenie treten besonders häufig Nebenwirkungen auf. Junge Patienten sind beispielsweise sehr sensibel auf motorische Nebenwirkungen der Antipsychotika. Im weiteren Verlauf können diabetogene oder appetitsteigernde Nebenwirkungen ebenso auftreten. Medikamente mit der Nebenwirkung einer reduzierten sexuellen Appetenz könnten zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität und somit zu einer geringeren Therapieadhärenz führen.
Die möglichen Nebenwirkungsprofile sowie die Wünsche und Einwände der Patienten sollten frühzeitig berücksichtigt werden, um einen späteren Therapieabbruch oder eine -umstellung zu vermeiden. Aktuell wird in verschiedenen Leitlinien die nebenwirkungsorientierte antipsychotische Behandlung unter strenger Risiko- Nutzen-Abwägung empfohlen. Dieses lässt sich vor allem durch eine prinzipiell vergleichbare Wirksamkeit der verfügbaren Präparate begründen, so dass die Nebenwirkungen einen immer größeren Anteil in den Überlegungen hinsichtlich Therapieerfolg, Langzeitperspektive und Adhärenz erhalten. Die Entscheidung, welches Antipsychotikum letztendlich gewählt wird, sollte stets zusammen mit dem ausreichend informierten Patienten getroffen werden.

Empfehlungen

Bei dem Beginn einer medikamentöse Therapie gelten folgende Empfehlungen: Eine Monotherapie ist gegenüber einer Therapie mit mehreren Substanzen zu bevorzugen. Die Dosis sollte sich nach dem Leitsatz „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ richten und entsprechend des klinischen Bildes aufdosiert werden. Bis zum Erreichen des gewünschten Therapieeffekts sollte nicht mehr als die maximal zugelassene Dosis ausgeschöpft und somit in der Regel auf „Off-label use“ verzichtet werden. Für den massiven Dosisexzess konnte in Studien kein positiver Effekt nachgewiesen werden, Nebenwirkungen traten jedoch gehäuft auf. Nach einer erfolglosen Monotherapie (Beurteilung nach 2 bis maximal 6 Wochen) sollte ein anderes Antipsychotikum, bevorzugt ein Antipsychotikum der zweiten Generation (SGA), probiert werden. Nach zwei erfolglosen Therapieversuchen mit zwei verschiedenen Antipsychotika sollte Clozapin eingesetzt werden. Clozapin ist weiterhin am effektivsten in der Reduktion psychotischer Symptome. Da vor allem die ausreichende Wirksamkeit eines Medikaments der wichtigste Faktor für eine gute Therapieadhärenz ist, sollte dem Patienten nicht länger als nötig, eine wirksame Therapie vorenthalten werden. Augmentationen sind in der Regel nicht empfohlen und müssen stets im individuellen Einzelfall abgewogen werden. Davon ausgenommen ist der intermittierende Einsatz von kurzwirksamen Benzodiazepinen (z.B. Lorazepam und Diazepam) in der Eindosierungsphase, um frühzeitig Agitation, Ängste und Schlafstörungen zu reduzieren.
Wenn zur Erhaltungstherapie D2- Antagonisten, wie z.B. Haloperidol, eingesetzt werden, sind höhere Therapieabbruchsraten zu verzeichnen, weshalb die antipsychotische Therapie mit SGAs häufiger fortgesetzt wird. Es ist jedoch zu betonen, dass die klassischen D2-Antagonisten in ihrer Wirkung den SGAs nicht unterlegen sind. In Bezug auf metabolische Nebenwirkungen scheinen die klassischen D2-Antagonisten den neueren Präparaten überlegen zu sein. Hier gilt es erneut, zwischen verschiedenen Nebenwirkungsgruppen, die alle die Adhärenz beeinträchtigen können, im individuellen Einzelfall kritisch abzuwägen.
Bei der Erstmanifestation einer Schizophrenie sollte die antipsychotische Behandlung mindestens ein Jahr kontinuierlich erfolgen. Bei multiplen Episoden ist die kontinuierliche Therapie für fünf Jahre empfohlen. Je kürzer die antipsychotische Therapie erfolgt, desto höher sind die Rückfallraten. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass auch mit steigender Zahl der Rückfälle die Therapieadhärenz sinkt. Unter der Therapie mit neueren Antipsychotika scheint es insgesamt weniger Therapieabbrüche zu geben.
Zwischen der Gabe von oralen und Depotpräparaten ließen sich keine Unterschiede bezüglich der Therapieadhärenz zeigen. Die Möglichkeit eines Depotpräparats sollte trotzdem frühzeitig mit dem Patienten besprochen werden, da sie in individuellen Fällen die Kontinuität der Therapie einfach gestalten lässt. Mittlerweile gibt es auch viele Antipsychotika der zweiten Generation in der Depotform (z.B. Risperidon, Olanzapin, Paliperidon und Aripiprazol), wobei die älteren Depots auch in der klinischen Praxis Anwendung finden können. Bei allen Präparaten ist vor der Umstellung auf die Depotverabreichung eine stabile orale Medikation mit nachgewiesener Wirksamkeit und guter Verträglichkeit nötig.

Zusammenfassung

Damit Therapieadhärenz im Sinne einer aktiven und gemeinsamen Zusammenarbeit zwischen dem Behandler und dem Patienten erreicht werden kann, ist eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung die wichtigste Voraussetzung, um auch bei Rückfällen oder Therapieabbrüchen wieder gemeinsam neue Behandlungspläne zu erstellen. Die bereits bei Therapiebeginn erhobenen Faktoren sollten auch während der Therapie reevaluiert und besprochen werden, um die Therapie entsprechend zu modifizieren. Psychoedukative Einzelund Gruppentherapien mit kognitiver- behavioraler Ausrichtung haben einen positiven Einfluss auf die Therapieadhärenz. Unterstützende Maßnahmen wie Ernährungsberatung und Sportprogramme können möglichen Nebenwirkungen entgegenwirken. Zudem können die Einbeziehung der Familie und die Sicherung der sozialen Kontakte eine kontinuierliche Therapie unterstützen.
Zusammenfassend steht und fällt die Behandlung der Schizophrenie mit einer guten Therapieadhärenz. Eine mangelnde Therapieadhärenz betrifft alle Bereiche der Medizin, aber insbesondere Patienten mit einer Schizophrenie haben besondere Risikofaktoren für eine Non-Adhärenz. Dieses erscheint umso tragischer, da die Folgen der Non-Adhärenz in dieser Patientengruppe teils fatale Auswirkungen für den weiteren Verlauf haben. Somit sollte jede Intervention in der Behandlung der Schizophrenie das Ziel der verbesserten Adhärenz mitverfolgen.

Literatur bei den Autoren

Autoren: Dr. Sophie- Kathrin Kirchner, Prof. Dr. Peter Falkai, OA PD Dr. Alkomiet Hasan
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität München
E-Mail: Sophie Kathrin.Kirchner@med.uni-muenchen.de