2. ÖGPB Newsletter 2023

PD DDr. Marie Spies

PD DDr. Marie Spies

Vorstandsmitglied der ÖGPB

Kongressbericht 34th CINP World Congress of Neuropsychopharmacology 2023

Es freut mich sehr, Ihnen vom 34th CINP World Congress of Neuropsychopharmacology berichten zu dürfen (https://www.cinp2023.org). Dieser jährliche Kongress, der zu den bedeutendsten neurowissenschaftlichen und psychiatrischen Kongressen zählt, fand dieses Jahr vom 7.–10. Mai in Montreal, Kanada, statt.

© feelimage/Matern

Das CINP (Collegium Internationale Psychopharmacologicum/International College of Neuropsychopharmacology) ist eine seit über 60 Jahren bestehende Organisation, die translationale neuropsychopharmakologische Forschung und die Psychiatrie fördert (https://www.cinp2023.org/about-cinp/) und somit als internationales Pendant zur Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie fungiert.

 Im Zuge des Kongresses durfte ich mit einigen österreichischen Kolleg*innen informative, faszinierende und motivierende Kongressbeiträge hören. Die Formate reichten von Plenary Lectures bis zu 5-min-Blitz-Vorträgen – Letztere ermöglichten eine kompakte Zusammenschau individueller Forschungsergebnisse. Inhaltlich wurden zahlreiche Facetten (Pathophysiologie, Diagnostik, Therapie usw.) diverser psychiatrischer und Mental-Health-Themen besprochen, wie z. B. affektive und psychotische Störungen, Suizidalität und Sucht.

Kolleg*innen aus Österreich wurden eingeladen, ihre Forschungsergebnisse zur Assoziation zwischen immunologischen Veränderungen und Dopaminfreisetzung bei Psychose, zur Anwendung von Silexan bei psychiatrischen Covid-Manifestationen, Methoden zur Erfassung von dynamischen Veränderungen des Glukosestoffwechsels mittels Positronen-Emissions-Tomografie sowie zu monoaminergen Veränderungen bei Ketamingabe vorzutragen. Als Ausdruck unserer lebendigen und produktiven neurowissenschaftlichen Forschungslandschaft zeigte sich Österreich mit diesen Beiträgen unter den Top-10 der anwesenden Länder.

Auch hochaktuelle Themen in der Neurowissenschaft, inkl. innovativer Drug Targets wie TAAR1 („trace amine-associated receptor 1“), der Effektivität, Rolle und neurowissenschaftlichen Grundlage von Psychedelika als psychiatrischer Therapieoption sowie des Potenzials von „induced pluripotent stem cells“ (iPSCs) für die Modellierung psychiatrischer und psychopharmakologischer Fragestellungen, wurden besprochen. Außerdem wurde neu gewonnenes, vor allem pharmakodynamisches Wissen über bereits eingesetzte und etablierte Therapien wie Ketamin präsentiert.

Unter den Vortragshighlights war ein erleuchtender Vortrag zum oben erwähnten Thema TAAR1 als möglicher Angriffspunkt für neue psychopharmakologische Therapien. TAAR1 ist ein weitgehend intrazellulärer, G-Protein-gekoppelter Rezeptor, der bereits durch geringe Konzentrationen endogener Amine, u. a. Monoamine, aktiviert wird. Es wird vermutet, dass dieser Rezeptor mit Monoamintransportern und -rezeptoren funktionell interagiert. Pathophysiologisch wird bei Depression und Schizophrenie eine veränderte TAAR1-Aktivität vermutet – somit könnte dieser Rezeptor einen Angriffspunkt für die Therapie verschiedener psychiatrischer Erkrankungen darstellen.1 Dazu passend dürfte ein Anstieg der Aminkonzentrationen, wie er durch die potent antidepressiv wirksamen Monoaminoxidase-Hemmer erzielt wird,2 eine TAAR1-Aktivierung bewirken. Außerdem soll Clozapin als potentes atypisches Antipsychotikum TAAR1 aktivieren.3 Derzeit laufen Phase-II- und Phase-III-Studien zu TAAR1-Agonisten bei Schizophrenie.4 Somit werden wir vermutlich binnen der nächsten Jahre in diesem Kontext einiges über TAAR1-Modulatoren erfahren.

 Noch mit derzeit etwas weniger klinischem Bezug, jedoch faszinierend und vielversprechend, zeigen sich rezente Ergebnisse im Bereich der Entwicklung von iPSCs zu Modellen für psychiatrische Forschung. iPSC werden durch die Exposition von somatischen Zellen wie Fibroblasten mit einem spezifischen Cocktail an Transkriptionsfaktoren erzeugt, die eine „Regression“ zu einer Stammzelle erzielen. iPSCs können dann durch genetische Modifikationen dazu gebracht werden, zu spezifischen Subtypen von Neuronen oder auch Gliazellen5 zu differenzieren, und durch spezielle Kulturverfahren können Zellverbände generiert werden. Durch das Einbringen spezifischer genetischer Veränderungen können pathophysiologische Prozesse erforscht werden und die Effekte dieser Veränderungen auf das Zellverband-Modell können beobachtet werden. Außerdem kann der Einfluss von spezifischen psychopharmakologischen Therapien auf diese Zellverbände und z. B. krankheitsspezifische zelluläre Veränderungen erforscht werden.6

 Der Kongress bot auch eine Vielzahl klinisch fokussierter Vorträge, zum Beispiel eine hochinformative Session zu rezenten Entwicklungen im Bereich der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) zur Behandlung von Depression. Bisher war vor allem die Therapiedauer (einzelne Sitzungen über Wochen) für viele Patient*innen und Therapiezentren limitierend. Die Entwicklung von Therapieprotokollen, die eine eindeutige Verkürzung der Therapiedauer auf wenige Wochen oder Tage ermöglichen, dürften möglicherweise (große Studien sind noch ausständig) eine vielversprechende Therapiealternative darstellen.7

 Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit einige Einblicke in diesen spannenden Kongress geben konnte, wobei es sich hier um ein paar „Schnappschüsse“ und keinesfalls eine umfangreiche Übersicht handelt. Eine Teilnahme an einem der zukünftigen CINP-Kongresse ist für österreichische Psychiater*innen und Neurowissenschaftler*innen sehr zu empfehlen. Der 35th CINP World Congress wird vom 23.–26. Mai 2024 in Tokio, Japan, stattfinden (https://cinp2024.org).

Save the Date: Die diesjährige ÖGPB-Tagung wird als Präsenzveranstaltung im Festsaal der Universität Wien (11.–12. 11. 2023) stattfinden.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Referenzen:

  1. Berry MD et al.: Pharmacology of human trace amine-associated receptors: Therapeutic opportunities and challenges. Pharmacol Ther, 2017. 180: p. 161-180.

  2. Borowsky B et al.: Trace amines: identification of a family of mammalian G protein-coupled receptors. Proc Natl Acad Sci U S A, 2001. 98(16): p. 8966-71.

  3. Meyer JM S.S.: The clozapine handbook. Stahl’s handbooks. 2019, Cambridge: Cambridge University Press.

  4. Kantrowitz JT et al.: New Developments in the Treatment of Schizophrenia: An Expert Roundtable. Int J Neuropsychopharmacol, 2023.

  5. Hanger B et al.: Emerging Developments in Human Induced Pluripotent Stem Cell-Derived Microglia: Implications for Modelling Psychiatric Disorders With a Neurodevelopmental Origin. Front Psychiatry, 2020. 11: p. 789.

  6. Unterholzner J et al.: Making Sense of Patient-Derived iPSCs, Transdifferentiated Neurons, Olfactory Neuronal Cells, and Cerebral Organoids as Models for Psychiatric Disorders. Int J Neuropsychopharmacol, 2021. 24(10): p. 759-775.

  7. Miron JP et al.: Optimized repetitive transcranial magnetic stimulation techniques for the treatment of major depression: A proof of concept study. Psychiatry Res, 2021. 298: p. 113790.