Die Anzahl an verfügbaren Phytotherapeutika ist sehr umfangreich. Daher wurde in dieser Übersicht eine Auswahl getroffen. Im Folgenden werden klinische Studien zum Thema Angststörungen und Depression mit Hypericum perforatum (Johanniskraut), Lavandula angustifolia (Lavendelöl) und Rhodiola rosea (Rosenwurz) zusammengefasst sowie Daten zur Substanz Ginkgo biloba, welche in erster Linie bei kognitiven Störungen angewandt wird. (CliniCum neuropsy 1/18)

Affektive Erkrankungen und Angststörungen zählen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen weltweit. Laut WHO wurde 2015 der Anteil der an Depression Erkrankten in der Gesamtbevölkerung auf 4,4 Prozent (322 Millionen Menschen) und jener an Angststörung Leidenden auf 3,5 Prozent (264 Millionen) geschätzt. Depressive Erkrankungen repräsentierten 2015 mit 7,5 Prozent die führende Ursache für die sogenannte globale Behinderung (global disability) gemessen mit dem Indikator YLD (Years Lived with Disability; mit Behinderung gelebte Jahre). Angststörungen reihten sich auf dem 6. Platz und damit ebenfalls in den Top 10 der weltführenden Ursachen für die globale Behinderung ein.

Beachtet man diese schockierenden Zahlen, erscheint es umso beunruhigender, dass laut WHO mehr als 50 Prozent der schweren Depressionen nicht behandelt werden. Dies scheint unter anderem dem Umstand geschuldet, dass viele Betroffene aus Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung den Kontakt zu Institutionen der psychischen Gesundheitsversorgung meiden. Psychopharmakotherapie und Psychotherapie repräsentieren die Hauptpfeiler in der Behandlung psychisch Erkrankter, wobei unzureichendes Therapieansprechen und Therapieabbrüche leider nicht unüblich sind. Die Angst vor Nebenwirkungen, wie beispielsweise die Entwicklung einer Abhängigkeit unter der gegenwärtig angewandten Psychopharmakotherapie, und die unzureichende Verfügbarkeit von Psychotherapie-Plätzen trägt zur allgemeinen Skepsis bei und schürt das Interesse an natürlichen, nebenwirkungsarmen, leicht verfügbaren und auch oftmals fälschlicherweise als „ungefährlicher“ wahrgenommenen Alternativen.

Tatsächlich wird jedoch pflanzlichen Substanzen in der medizinischen Versorgung von Depressionen und Angststörungen meist nur ein sehr geringer bis gar kein Stellenwert eingeräumt. Wie aus der phytomedizinischen Literatur im Bereich der Psychiatrie, die im Folgenden zusammengefasst werden soll, ersichtlich ist, scheint der Hauptgrund hierfür jedoch nicht eine zu geringe Wirkung der verfügbaren Substanzen zu sein, sondern eher ein Unwissen der Evidenzbasis zu Wirkungsweise, unerwünschten Nebenwirkungen und Interaktionen der pflanzlichen Mittel vonseiten der Behandler.

Hypericum perforatum

Die Pflanze Hypericum perforatum, Johanniskraut, wurde bereits vor mehr als 2000 Jahren von den Römern und Griechen zu medizinischen Zwecken genutzt. Die positiven Auswirkungen auf die Psyche wurden jedoch erst im Mittelalter entdeckt, und Paracelsus beschrieb im Jahr 1525 die Wirkung des Johanniskrauts gegen die „dollmachenden Geister“ in seinem Werk „Von den natürlichen Dingen“. Erste klinische Studien mit Johanniskraut wurden jedoch erst in den 1980er Jahren durchgeführt und damit erst 30 Jahre nach dem Beginn der Entwicklung synthetischer Antidepressiva. Inhaltsstoffe des Johanniskrauts, die mit einer antidepressiven Wirkung in Zusammenhang gebracht werden, sind Hyperforin, Hyperosid, Hypericin und Amentoflavon, wobei Hypericin und Hyperforin der Hauptanteil des therapeutischen Effekts zugeschrieben wird.

Entgegen der ursprünglichen vereinfachten Ansicht „ein aktiver Wirkstoff  ein Wirkungsmechanismus“, wie beispielsweise die vermutete Monoaminooxidase-Hemmung durch Hypericin und die Monoamintransporter-Blockade durch Hyperforin, scheint tatsächlich das Zusammenwirken der zahlreichen bioaktiven Komponenten des Hypericum perforatum für den antidepressiven Effekt verantwortlich zu sein und es unter dessen Einnahme zu einer nicht selektiven Modulierung von Natriumkanälen und einer Blockade der synaptosomalen Wiederaufnahme multipler Neurotransmitter zu kommen. In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie aus dem Jahr 1998 mit 147 leicht bis mittelgradig depressiven Patienten, die über den Zeitraum von sechs Wochen entweder Placebo, Hypericum Extrakt WS® 5573 (enthält 0,5% Hyperforin) oder Hypericum Extrakt WS® 5572 (enthält 5% Hyperforin) erhielten, konnte eine signifikante Reduktion des Hamilton Depression Rating Scale Scores (HAMD) für den mit Hyperforin höher konzentrierten Hypericum Extrakt WS® 5572 im Vergleich zu Placebo gezeigt werden.

Einige Studien konnten die Wirkung von Hypericum perforatum bei mittelgradiger Depression jedoch nicht bestätigen. Ein systematischer Cochrane Review von Linde et al., in welchem die Ergebnisse von 29 randomisierten, doppelblinden Studien mit Hypericum perforatum bei Major Depression zusammengefasst wurden, zeigte jedoch, dass Hypericum-Extrakte bei Depression Placebo überlegen und ebenso wirksam wie Standard-Antidepressiva mit weniger unerwünschten Nebenwirkungen sind. Unter Einbeziehung aktueller Studien wurde in einer 2010 publizierten Übersichtsarbeit die überlegene antidepressive Wirkung von Hypericum perforatum im Vergleich zu Placebo sowie eine vergleichbare Wirkung bei besserer Tolerabilität im Vergleich zu synthetischen Antidepressiva bei leichter bis mittelgradiger Depression erneut bestätigt. Eine Metaanalyse von drei internationalen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien (insgesamt 544 Patienten) zeigte ebenfalls eine signifikante Wirkung von Hypericum Extrakt WS® 5572 oder WS® 5570 bei leichter bis mittelgradiger Depression, insbesondere auf die Kernsymptome der depressiven Störung wie gedrückte Stimmung, Antriebsverminderung, Interessenlosigkeit, Schuldgefühle sowie allgemeine somatische Symptome.

Hypericum perforatum erwies sich auch in der Erhaltungstherapie über sechs Monate Placebo überlegen. Extrakt WS® 5570 zeigte eine bessere Wirkung als Placebo in der Rückfallsprophylaxe bei Patienten, die sich nach einer akuten depressiven Episode in Remission befanden, bei vergleichbarer Nebenwirkungsrate. Hypericum perforatum – vermutlich in erster Linie Hyperforin – wirkt als Induktor von Cytochrom-P450-Enzymen, vor allem der CYP3A4, und führt zu einer vermehrten Expression von Glykoprotein P. In einem systematische Review, welcher 26 Arbeiten einschloss, wurde die CYP3A4-Induktion durch hochdosierte Hyperforin- Extrakte bestätigt. In der Anwendung ist daher zu beachten, dass gleichzeitig eingenommene Substanzen, welche über die CYP3A4 metabolisiert werden, aufgrund einer reduzierten Plasmakonzentration in ihrer Wirkung gehindert sein können bzw. es bei Absetzen von Johanniskraut zu toxischen Plasmakonzentrationen von Substanzen mit einer geringen therapeutischen Breite (z.B. Chemotherapeutika) kommen kann (siehe Tabelle 1).

Außerdem wurden auch pharmakodynamische Interaktionen von Johanniskraut und Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) beschrieben, die mit einer erhöhten Rate an unerwünschten Nebenwirkungen, u.a. dem Serotoninsyndrom, vergesellschaftet sein können (siehe Tabelle 1). Ein weiterer wichtiger Punkt, den die Behandler in der Verordnung von Johanniskraut beachten müssen, ist, dass die Wirkung von Hypericum perforatum für schwere und chronische Depressionen nicht belegt ist. Nachdem in den verfügbaren Studien Standardisierungsprobleme mit schwankenden Dosierungen und Konzentrationen an bioaktiven Substanzen bestehen, gelten die Empfehlungen für die Anwendung von Johanniskraut außerdem ausschließlich für qualitativ hochwertige Johanniskrautextrakte. Aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich Dosierung und der möglichen Interaktionen mit anderen Medikamenten wird Johanniskraut insgesamt nicht als den verfügbaren synthetischen Antidepressiva überlegen gesehen, dennoch ist aufgrund der hohen Akzeptanz pflanzlicher Substanzen und der ausgezeichneten Verträglichkeit von Johanniskraut die Gabe als First-Line bei milder bis mittelgradiger Depression möglich, sofern eine ausführliche Aufklärung über die möglichen unerwünschten Wirkungen und Interaktionen mit anderen Medikamenten sowie eine ärztliche Betreuung während der Einnahme erfolgt.

Lavandula angustifolia

Natürliches Lavendelöl aus dem sogenannten echten oder schmalblättrigen Lavendel Lavandula angustifolia ist seit Jahrhunderten für seine entspannende Eigenschaft als Heilpflanze bekannt. Im Mittelalter wurde Lavendel auch eine aphrodisierende und heilende Wirkung bei der Pest zugeschrieben. Dank seines aromatischen Dufts wird Lavendelöl außerdem als kosmetisches Produkt topisch angewandt. Lavendelöl enthält über 160 verschiedene Substanzen, wobei die Hauptbestandteile Linalool und Linalylacetat sind. Bei Nagern führt Linalool zu einer Hemmung der Glutamatbindung im zerebralen Kortex, ein Effekt, der unter anderem der beruhigenden Wirkung von Lavendelöl zugrundeliegen soll. Des Weiteren konnte eine anxiolytische Wirkung und Reduktion von aggressivem Verhalten nach Inhalation von Linalool bei Mäusen erzielt werden. Neben der aromatherapeutischen Anwendung von Lavendelöl zur Inhalation als adjuvante Therapie von beispielsweise Schmerzen, Verhaltensauffälligkeiten bei demenziellem Syndrom oder Angst – ein Thema, das vor allem in der Krankenpflege einen hohen Stellenwert hat – steht den Behandlern seit knapp zehn Jahren das rezeptfreie Medikament Silexan zur oralen Verabreichung von Lavendelöl zur Verfügung.

Silexan ist die patentierte aktive Substanz von Lasea® (WS® 1265, Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, Karslruhe) mit dem essenziellen Öl von Lavandula-angustifolia-Blüten, welches durch Dampfdestillation gewonnen wird. Silexan wird als Weichgelatinekapsel mit 80mg Lavendelöl eingenommen und ist in Deutschland in der Dosierung einer Tablette täglich zur Behandlung innerer Unruhe, Angstgefühlen und daraus resultierenden Schlafstörungen zugelassen. Wie bei Hypericum perforatum ist auch hier der exakte Wirkungsmechanismus noch nicht bekannt, einige Autoren gehen jedoch von einer Benzodiazepin- ähnlichen Wirkung über Gamma-Aminobuttersäure (GABA) aus. Eine Studie von Schuwald et al. zeigte, dass Silexan spannungsabhängige Kalziumkanäle (voltage dependent calcium channels, VOCC) in Synaptosomen hippokampaler Nervenzellen und auch anderen den VOCC stabil überexprimierenden Zelllinien hemmt. Silexan führte dadurch zu einer nicht selektiven Reduktion des Kalziumeinstroms ähnlich der ebenfalls angstlösenden Substanz Pregabalin, jedoch über andere Bindungsstellen.

In einer randomisierten, Placebo-kontrollieren Bildungsgebungsstudie mittels Positronenemissionstomographie an gesunden Probanden wurde nachgewiesen, dass entsprechend den Beobachtungen, die unter Gabe von Citalopram gemacht wurden, Silexan nach achtwöchiger Einnahme zu einer Reduktion des Serotonin-1A-Rezeptorbindungspotenzials führt. Dieser Effekt fand sich unter anderem in Regionen, welche in der Entstehung von Angststörungen eine Rolle spielen, wie dem anterioren cingulären Kortex und dem Hippocampus. Bis dato wurden 15 klinische Studien mit etwa 2.200 Patienten durchgeführt, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Silexan bei verschiedenen Angstsyndromen zu untersuchen. In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie mit 221 Teilnehmern wurde erstmals 2010 die Überlegenheit von Silexan über Placebo unter Anwendung der Hamilton Anxiety Rating Scale (HAMA) bei subsyndromaler Angststörung publiziert. Weiters wurde gezeigt, dass Silexan bei generalisierter Angststörung (GAD) ebenso wirksam wie 0,5mg Lorazepam ist. Die Wirksamkeit bei GAD und sogar Überlegenheit gegenüber Paroxetin hinsichtlich der Verträglichkeit wurde in einer 2014 veröffentlichten Studie mit 539 Patienten erneut bestätigt.

Für Silexan wurde eine Verbesserung des Schlafes, der Gemütslage sowie der Unruhe und Anspannung bei Angstsyndromen nachgewiesen, weiters auch eine positive Wirkung in diesen Bereichen bei Neurasthenie, posttraumatischer Belastungsstörung, Somatisierungsstörung sowie gemischter Depression und Angststörung. Abgesehen von milden gastrointestinalen Beschwerden (Eruktation) ist Silexan nebenwirkungsfrei, führt in den Dosierungen 80 bis 160mg zu keinen Absetzphänomenen, und es besteht kein Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass Silexan für eine langfristige Einnahme bei verschiedenen Angstsyndromen wie subsyndromaler Angstsstörung oder der generalisierten Angststörung geeignet ist, vor allem bei Patienten, die häufig unter unerwünschten Arzneimittelwirkungen leiden. Dennoch hat die Empfehlung von Lavendelöl bislang noch nicht Einzug in unsere Therapie- Guidelines gefunden, steht jedoch als Option neben den etablierten Medikamenten der SSRIs und einer spezifischen Psychotherapie bei der Indikation Angststörung zur Verfügung.

Rhodiola rosea L.

Rosenwurz, Rhodiola rosea L., im Englischen auch Golden Root genannt, ist eine widerstandsfähige Hochgebirgspflanze aus der Familie der Dickblattgewächse (Crassulacae) und seit Jahrhunderten als Heilpflanze bekannt. Interessanterweise werden der Rosenwurz seit jeher sowohl stärkende als beruhigende Eigenschaften zugeschrieben. Insgesamt wurden über 140 verschiedene Wirkstoffe im Wurzelstock der Rosenwurz identifiziert, wobei die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe Salidrosid (auch bekannt als Rhodiolosid, ein Phenylethanolderivat) sowie sog. Rosavine (Rosavin, Rosin und Rosarin, Phenylpropanoide) zu sein scheinen. Das typische Verhältnis beider zeichnet den Rosenwurz-Extrakt aus und unterscheidet ihn von anderen Mitgliedern der Rhodiola- Familie. Der Rosenwurz zählt zudem zu den sogenannten pflanzlichen Adaptogenen.

Laut European Medicines Agency wird ein Adaptogen wie folgt definiert: Ein Adaptogen ist nicht toxisch für den Empfänger. Ein Adaptogen ist in seinen pharmakologischen Eigenschaften nicht spezifisch und wirkt über eine Stärkung der Widerstandfähigkeit des Organismus einem breiten Spektrum von biologischen, chemischen und physikalischen Belastungsfaktoren gegenüber. Ein Adaptogen wirkt als Regulator normalisierend auf verschiedene Körperfunktionen des Empfängers. Die Effekte eines Adaptogens sind umso stärker, je tiefgreifender die pathologischen Veränderungen des Organismus sind. Als Adaptogen hat Rosenwurz eine Reihe positiver Wirkungen bei verschiedenen pathophysiologischen Zustandsbildern wie körperlicher und geistiger Ermüdung (Aufmerksamkeitsstörung), Stress-induzierter chronischer Fatigue und Depression. Das pharmakologische Profil von Rosenwurz ist in Tabelle 2 zusammengefasst.

Die günstige Stress-mindernde Wirkung von Rhodiola rosea L. bzw. von Adaptogenen im Allgemeinen wurde mit der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse (eng. HPA Axis) und der Regulation von Schlüsselmediatoren der physiologischen Stressantwort in Verbindung gebracht, wie beispielweise Cortisol, Glukokortikoidrezeptoren, Hitzeschockproteine (Hsp 70, Hsp 16), Stickstoffmonoxid etc. Im Zentralnervensystem (ZNS) wirkt Rosenwurz direkt stimulierend auf Rezeptoren verschiedener Neurotransmittersysteme (Noradrenalin, Dopamin, Acetylcholin und Serotonin) in der Formatio reticularis des Hirnstamms und übt dadurch einerseits Wirkungen auf die Großhirnrinde und kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Lernen (kognitive Stimulation) aus, andererseits beeinflusst Rosenwurz dadurch auch Signalwege des limbischen Systems und damit die Emotionsverarbeitung (emotionale Beruhigung). In Europa ist Rhodiola rosea L. als traditionelles pflanzliches Arzneimittel seit den 80er Jahren zur Linderung von Stress-Symptomen wie Müdigkeit und Schwächegefühl sowie zur Leistungsverbesserung erhältlich.

Es wurden zahlreiche klinische Untersuchungen, auch mehrere randomisierte kontrollierte Studien, mit Rosenwurz bei Fatigue, Depression und Stress-induzierten Erschöpfungssyndromen durchgeführt, welche die positive Wirkung auf die körperliche und mentale Leistung von Rhodiola rosea L. bestätigen. An dieser Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass aufgrund vager diagnostischer Einschlusskriterien Standardisierungsprobleme der verfügbaren Studien bestehen und es zudem an unabhängigen Replikationsstudien mangelt. In einer multizentrischen, offenen klinischen Studie mit 118 Teilnehmern, die entsprechend des Maslach-Burnout-Inventory (MBI-D) ein mittleres Burnout-Level aufwiesen, konnte gezeigt werden, dass eine zwölfwöchige Einnahme von Rosenwurz- Extrakt (WS® 1357) zu einer Verbesserung psychischer und physischer Beschwerden sowie der Konzentrationsfähigkeit führt. In einer weiteren offenen klinischen Studie bei 109 Probanden mit erhöhten Stress-Symptomen in verschiedenen psychologischen Skalen zur Erfassung von Stresslevel, Erschöpfungsgrad, Stimmung und Alltagsbeeinträchtigung wurde gezeigt, dass es bereits nach drei Tagen unter Einnahme von Rhodiola rosea L. zu einer allgemeinen Verbesserung der oben geannten Symptome kam, die sich auch noch über vier Wochen fortsetzte.

Zudem wurde das Arzneimittel sehr gut vertragen, und es kam selten zu milden Nebenwirkungen wie gastrointestinalen Beschwerden. Die gute Verträglichkeit von Rosenwurz-Extrakt wurde in einer randomisierten, Placebo- kontrollierten Studie bei Depression bestätigt, welche die Wirkung von Rhodiola rosea L. mit Sertralin und Placebo verglich. Obwohl die antidepressive Potenz von Rhodiola rosea L. geringer als jene von Sertralin zu sein scheint, wurden weniger Adverse-Events unter der Einnahme von Rosenwurz dokumentiert. Mit seiner kognitiv stimulierenden und emotional beruhigenden Wirkung stellt Rhodiola rosea als adaptogenes Arzneimittel eine effektive Ergänzung derzeitiger Behandlungsmöglichkeiten psychischer und physischer Stress- Symptome dar, und ihr Einsatz kann bei Stress-assoziierten Störungen in Erwägung gezogen werden. Das Phytotherapeutikum verfügt über ein gutes Sicherheits- und Nebenwirkungsprofil, nachdem unter der Einnahme von Rosenwurz im Vergleich zu den gängigen Beruhigungsmitteln aus der Familie der Benzodiazepine keine Tagesmüdigkeit, kognitive Beeinträchtigung und das Risiko der Entwicklung einer Abhängigkeit besteht.

Ginkgo biloba

Ginkgo biloba ist eine in China heimische Baumart. Pharmazeutisch genutzt werden ausschließlich die Blätter der Pflanze. Besonders gut untersucht ist der aus den Blättern der Ginkgo-Pflanze isolierte Trockenextrakt, EGb 761®, der zur symptomatischen Behandlung von „hirnorganisch bedingten geistigen Leistungseinbußen bei demenziellem Syndrom“ zugelassen ist. In Tierstudien wurde gezeigt, dass Spezialextrakt EGb 761® neuroprotektive Eigenschaften hat und mit der Upregulation des Vascular Endothelial Growth Factors (VEGF) und der Downregulation inflammatorischer Mediatoren assoziiert ist. Die Gabe von EGb 761® scheint im Tiermodell zudem zu einer Verminderung der durch die β-Amyloid-Ablagerungen induzierten hippokampalen Zellapoptose und atherosklerotischer Ablagerungen im Gehirn als Risikofaktor für demenzielle Syndrome zu führen.

Noch vor wenigen Jahren wurde die Wirksamkeit von Ginkgo biloba auf die Kognition angezweifelt. In einer Metaanalyse des Cochrane-Instituts aus dem Jahr 2009 von 36 Placebo-kontrollierten Studien wurde festgehalten, dass die Datenlage zur Wirksamkeit von Ginkgo biloba nicht überzeugend und inkonsistent sei. Obwohl die Anwendung als sicher gilt und die Nebenwirkungsrate auf Placebo-Niveau liegt, wird in dieser Studie die Gabe von Ginkgo aufgrund des fehlendes Wirkungsbelegs nicht empfohlen. Eine weitere Metaanalyse, durchgeführt durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), kommt jedoch zu dem Schluss, dass Ginkgo in einer Dosierung von 240mg täglich die Aktivitäten des täglichen Lebens, die Kognition und allgemeine psychopathologische Symptome verbessert. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Analyse auf sechs sehr heterogenen randomisierten kontrollierten Studien besteht. Seit der IQWiGAnalyse 2008 wurden jedoch mehrere Placebo-kontrollierte Studien publiziert, die eine Überlegenheit von Ginkgo biloba EGb 761® gegenüber Placebo in der Verbesserung der Kognition über 24 Wochen bestätigten.

In einer gepoolten Analyse mit über 1.600 Patienten mit leichter bis mittelgradiger Demenz mit Verhaltensstörungen wurde die positive Wirksamkeit von 240mg EGb 761® auf Kognition, Lebensqualität und Alltagskompetenz bestätigt. Des Weiteren wurde ein positiver Effekt von EGb 761® auf Kognition und Lebensqualität bei Mild Cognitive Impairment nachgewiesen. Basierend auf der aktuellen Studienlage wurde die deutsche S3-Leitlinie „Demenzen“ aktualisiert, und die Gabe von Ginkgo biloba EGb 761® bei leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz mit nicht psychotischen Verhaltenssymptomen kann nun erwogen werden. Die österreichische Alzheimergesellschaft empfiehlt Ginkgo biloba im Falle einer Unverträglichkeit oder Verdacht auf Unwirksamkeit nach Versuch eines Wechsels innerhalb der einzelnen Cholinesterasehemmer bzw. Memantin bei respektive leichter bis mittelschwerer Demenz.

Auch in den Guidelines der World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) wird die Gabe von Ginkgo biloba EGb 761® bei leichter bis mittelgradiger Demenz empfohlen. Aufgrund der geringen Nebenwirkungsrate und der guten Verträglichkeit lässt sich der Einsatz von Ginkgo biloba als Therapeutikum befürworten. Sehr selten beschriebene Nebenwirkungen unter der Einnahme von Ginkgo biloba sind Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Hitzegefühl, Schwindel, Nausea, gastrointestinale Störungen und Blutungsgefahr. Letztere wurde in einer Metaanalyse mit 18 randomisierten kontrollierten Studien jedoch nicht bestätigt. Eine überzeugende Wirksamkeit von Ginkgo biloba EGb 761® wurde in der Dosierung von 240mg pro Tag dokumentiert.

Zusammenfassung

Laut WHO kann seit den 90er Jahren ein globales verstärktes Interesse an traditioneller Medizin, Komplementär- und Alternativmedizin verzeichnet werden. Auch in Europa gewinnen diese Therapien an Popularität, und die Zahl der Anwender steigt stetig, wobei Verordnungen zumeist in Eigeninitiative durch die Anwender oder über den praktischen Arzt erfolgen. Das Wissen um die Evidenzbasis häufig angewandter Substanzen scheint daher immer unerlässlicher, um eine umfassende Beratung von Patienten mit psychischen Störungen gewährleisten zu können. In dieser Übersicht wurde die Datenlage zu Hypericum perforatum, Lavandula angustifolia, Rhodiola rosea L. und Ginkgo biloba zusammengefasst, die effiziente und gut verträgliche Substanzen in der Behandlung vieler psychischer Symptome darstellen. Vor allem wenn Patienten zu Unverträglichkeitsreaktionen neigen, ein hoher Leidensdruck besteht, jedoch eine diagnostische Einordnung aufgrund einer milden Symptomatik nicht sicher getroffen werden kann, sollte die Möglichkeit einer Phytotherapie in Erwägung gezogen werden, auch vor dem Hintergrund, dass viele Patienten einer pflanzlichen Therapie positiver gegenüberstehen als synthetischen Substanzen. Wie bei jeder anderen gebotenen Therapieform sind die Patienten über die möglichen Indikationen, Nebenwirkungen und Arzneimittelinteraktionen (v.a. bei Johanniskraut) zu informieren. Die Wirksamkeit von Johanniskraut, Lavendelöl und Ginkgo biloba wurde im Übrigen auch für ältere Patienten über 60 Jahre bestätigt, und die Präparate bieten daher auch in dieser Altersgruppe eine gut verträgliche Alternative zu synthetischen Therapeutika.

Fotos: Privat

Ass.-Prof. Dr. Pia Baldinger-Melich, Dr. Marie Spies, Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Rupert Lanzenberger, O. Univ.-Prof. Dr. h.c. mult. Dr. Siegfried Kasper Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität Wien 

Literatur bei den Autoren 

Lecture Board: Univ.-Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Kapfhammer Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Dietmar Winkler

Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien