In den folgenden Ausführungen wird der Schwerpunkt nach einführenden pathophysiologischen Überlegungen auf das klinische Management primärer spontaner ICB in der Akutphase sowie Maßnahmen zur Prävention gelegt. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf neuen Entwicklungen und Empfehlungen aus aktuellen Studien gerichtet.

Der Begriff „spontane intrazerebrale Blutung (ICB)“ beschreibt einen akuten Blutaustritt in das Gehirnparenchym, der ohne ein vorhergehendes Trauma oder operativen Eingriff auftritt. Zirka zehn bis 15 Prozent aller Schlaganfälle in Europa sind dieser Ursache zuordenbar. Eine Einteilung nach der Ätiologie erfolgt in primäre und sekundäre Formen der ICB (Tabelle 1).

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Primäre ICB stellen mit 80 bis 85 Prozent die häufigste Form dar; sie sind zumeist auf die Ruptur kleiner penetrierender Arterien zurückzuführen, die vor allem durch chronische arterielle Hypertonie oder eine Amyloidangiopathie geschädigt sind. Sekundäre Ursachen (15 bis 20 Prozent) umfassen vaskuläre Fehlbildungen (z.B. arteriovenöse Malformationen, Cavernome), Gerinnungsstörungen (hereditär, erworben, induziert), Vaskulitiden, Sinusvenenthrombosen, Neoplasien und Substanzmissbrauch (z.B. Kokain).

Ätiologie und Risikofaktoren

Die arterielle Hypertonie stellt über Schädigung der mittleren und kleinen Hirngefäße die wichtigste Ursache einer spontanen ICB dar. Eine Prävalenz der Hypertonie von 60 bis 80 Prozent bei Patienten mit ICB sowie eine 3,9bis 13,3-fache Erhöhung des relativen Risikos für das Auftreten einer ICB bei Hypertonikern belegen die Bedeutsamkeit dieses modifizierbaren Risikofaktors. Klassischerweise finden sich hypertensiv bedingte ICB im Bereich der Stammganglien (Abbildung 1). Die Hypertonie ist aber auch ein wichtiger Faktor im Zusammenhang mit ICB anderer Lokalisationen (z.B. lobäre ICB).

Abbildung 1: 38-jährige Patientin mit unbehandelter Hypertonie, die mit akuten linksseitigen Kopfschmerzen, einer hochgradigen Hemiparese rechts sowie einer Bewusstseinsminderung vorstellig wird. Im CT zeigt sich eine Stammganglienblutung linkshemisphäriell in typischer Lokalisation für eine hypertensive Genese. Weiters lassen sich bereits in der Akutphase lokoregionäre Raumforderungszeichen nachweisen.

Abbildung 1: 38-jährige Patientin mit unbehandelter Hypertonie, die mit akuten linksseitigen Kopfschmerzen, einer hochgradigen Hemiparese rechts sowie einer Bewusstseinsminderung vorstellig wird. Im CT zeigt sich eine Stammganglienblutung linkshemisphäriell in typischer Lokalisation für eine hypertensive Genese. Weiters lassen sich bereits in der Akutphase lokoregionäre Raumforderungszeichen nachweisen.

Weitere modifizierbare Risikofaktoren wie Nikotinabusus, Übergewicht und übermäßiger Alkoholgenuss können zum Teil ebenfalls zur Gefäßwandschädigung beitragen und sind als Risikofaktoren für eine ICB zu betrachten. Die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) steht heute an zweiter Stelle der vermuteten Ursachen einer spontanen ICB, wenn man alle Patienten betrachtet, und ist wahrscheinlich die häufigste Ursache bei älteren Patienten (≥60a) (Abbildung 2). Durch den starken Altersbezug dieser Pathologie wird die CAA in Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung wahrscheinlich noch zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Abbildung 2: 73-jähriger Patient mit vorbekannter Gedächtnisstörung präsentiert sich mit einer akut einsetzenden Verwirrtheit und homonymen Gesichtsfeldeinschränkung links. In den T2*-gewichteten MRT-Sequenzen zeigen sich passend zur Klinik eine rezente lobäre Blutung occipital rechtshemisphäriell (a) sowie multiple kortikale/subkortikale Mikroblutungen (Pfeile) mit Aussparung der Stammganglien (b). Dieser neuroradiologische Befund ist verdächtig auf das Vorliegen einer zerebralen Amyloidangiopathie.

Abbildung 2: 73-jähriger Patient mit vorbekannter Gedächtnisstörung präsentiert sich mit einer akut einsetzenden Verwirrtheit und homonymen Gesichtsfeldeinschränkung links. In den T2*-gewichteten MRT-Sequenzen zeigen sich passend zur Klinik eine rezente lobäre Blutung occipital rechtshemisphäriell (a) sowie multiple kortikale/subkortikale Mikroblutungen (Pfeile) mit Aussparung der Stammganglien (b). Dieser neuroradiologische Befund ist verdächtig auf das Vorliegen einer zerebralen Amyloidangiopathie.

Histologisch ist die CAA durch Ablagerungen des β-Amyloid-Peptids in kortikalen und leptomeningealen Blutgefäßen charakterisiert. Deshalb präsentieren sich ICB auf Basis einer CAA auch zumeist als lobäre Blutungen. Obwohl die eindeutige Diagnose der CAA letztlich nur histopathologisch gestellt werden kann, konnten diagnostische Kriterien auf Basis bestimmter klinischer und neuroradiologischer Befunde erstellt werden, die eine CAA nahe legen. Diese sogenannten Boston-Kriterien sind in Tabelle 2 dargestellt.

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Der Anteil von ICB unter oraler Antikoagulationstherapie (OAK) beträgt derzeit 12 bis 20 Prozent mit steigender Tendenz. Inwieweit die OAK dabei allein für die ICB verantwortlich zeichnet oder bei bestehender Gefäßschädigung einfach körpereigene Schutzmechanismen reduziert, ist nicht immer zu klären. Da Indikationen für OAK wie z.B. Vorhofflimmern ebenfalls stark altersabhängig sind, ist auch in diesem Falle anzunehmen, dass die Häufigkeit von ICB unter OAK weiter ansteigen wird. Deshalb ist es erfreulich, dass die nunmehr verfügbaren „direkten oralen Antikoagulanzien“ (wie etwa Dabigatran, Apixaban oder Rivaroxaban) im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten ein geringeres Risiko für das Auftreten von ICB aufweisen. Nicht vergessen werden darf, dass auch die vermehrt eingesetzte Kombination von Thrombozytenfunktionshemmern (z.B. Acetylsalicylsäure und Clopidogrel) eine ICB begünstigen kann.

Erstkontakt und Diagnostik

Eine ICB ist grundsätzlich ein medizinisch-neurologischer Notfall. Die Bedrohlichkeit der Erkrankung zeigt sich allein schon in einer Mortalitätsrate von bis zu 50 Prozent der Betroffenen innerhalb der ersten drei Monate. Umso intensiver ist auf eine rasche und sichere Diagnose sowie ein adäquates und schnelles Akutmanagement der Patienten zu achten. Da zwischen dem Vorliegen eines ischämischen oder hämorrhagischen zerebrovaskulären Ereignisses anhand der klinischen Präsentation und Untersuchung des Patienten vor Ort nicht unterschieden werden kann, ist wie bei jedem Schlaganfall der möglichst rasche Transport in ein Krankenhaus mit Schlaganfalleinheit (Stroke Unit) oder zumindest mit Computertomographie (CT) in die Wege zu leiten.

Mittels gezielter Anamnese gilt es, rasch die wichtigsten Informationen für das weitere Management zu erfassen (Tabelle 3). Als einfaches Instrument zur Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung im Rettungswesen hat sich die Glasgow-ComaScale (GCS) bewährt. Im Krankenhaus erfolgt die Dokumentation des Schweregrades der klinischen Symptomatik nach einer orientierenden neurologischen Untersuchung aufgrund relativ einfacher Handhabung und weiter Verbreitung meist anhand des „National Institutes of Health Stroke Scale“(NIHSS)-Score.

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Im Vergleich zu ischämischen Infarkten ist bei ICB in der Akutphase häufiger mit quantitativen Bewusstseinsveränderungen bis hin zum Koma sowie intensiven Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen als klinische Zeichen der meningealen Reizung oder einer Hirndruckerhöhung zu rechnen. Überprüfen der Vitalparameter, Blutabnahme mit Legen eines venösen Zugangs und rasche zerebrale Bildgebung mittels CT oder Magnetresonanztomographie (MRT) sind die weiteren wichtigen Maßnahmen (Abbildung 3).

Abbildung 3: 68-jähriger Patient mit plötzlich aufgetretener homonymen Gesichtsfeldeinschränkung links und sich im Verlauf entwickelnde Kopfschmerzen rechts okzipital. In der CT (a) ist die Unterscheidung zwischen Ischämie oder Ödem um das Blutungsareal schwierig. Eine weiterführend veranlasste MRT mit unterschiedlichen Sequenzen (b: Diffusionsgewichtung, c: FLAIR-Sequenz, d: T1-Sequenz sagittal) bringt einen hämorrhagisch transformierten ischämischen Infarkt (occipital rechts A) zum Vorschein.

Abbildung 3: 68-jähriger Patient mit plötzlich aufgetretener homonymen Gesichtsfeldeinschränkung links und sich im Verlauf entwickelnde Kopfschmerzen rechts okzipital. In der CT (a) ist die Unterscheidung zwischen Ischämie oder Ödem um das Blutungsareal schwierig. Eine weiterführend veranlasste MRT mit unterschiedlichen Sequenzen (b: Diffusionsgewichtung, c: FLAIR-Sequenz, d: T1-Sequenz sagittal) bringt einen hämorrhagisch transformierten ischämischen Infarkt (occipital rechts A) zum Vorschein.

Computertomographie. Nach wie vor wird die Diagnose einer ICB aufgrund von Verfügbarkeit sowie rascher und leichter Durchführbarkeit meist mittels zerebraler CT gestellt. Neben einer sicheren Darstellung der akuten Einblutung in das Gehirnparenchym ermöglicht die native CT auch eine rasche Abschätzung des Hämatomvolumens sowie die Darstellung einer Ausdehnung der Blutung nach intraventrikulär oder in den Subarachnoidalraum.

Gleichzeitig können ev. Komplikationen wie eine Verlegung der Liquorabflusswege und das Ausmaß des raumfordernden Effektes dargestellt werden (Abbildung 1). Mittels kontrastmittelgestützter CT lässt sich unter Umständen auch ein sogenanntes „spot sign“ (=Kontrastmittelextravasat innerhalb der Hämorrhagie) darstellen, welches mit einem hohen Risiko der Progression des Hämatoms einhergeht. In klinischen Studien konnte zudem ein Zusammenhang dieses Befundes mit einer ausgeprägten Initialsymptomatik, dem Risiko einer raschen klinischen Verschlechterung, einem hohen Risiko für ein Einbrechen der Blutung in den Ventrikel und einer hohen Mortalität hergestellt werden. Da es aber leider noch keine spezifischen Maßnahmen zur Gefäßabdichtung gibt, kommt diesem Befund in der klinischen Routine derzeit noch keine praktische, therapierelevante Bedeutung zu.

Unabhängig davon kann die Kontrastmittelapplikation allerdings in der Differenzialdiagnostik insbesondere bei atypischen Blutungen (z.B. eingebluteter Tumor, hämorrhagische Infarzierung bei Sinusvenenthrombose) hilfreich sein. Die CT-Angiographie ermöglicht den Nachweis zugrunde liegender Gefäßveränderungen (z.B. Aneurysma, arteriovenöse Malformation). Speziell im Falle einer lobär lokalisierten Blutung bei jüngeren Patienten (insbesondere weiblichen Geschlechts) ohne Hinweis auf auslösende Faktoren oder eine Risikosituation oder bei Lage der Blutung nahe an den Hauptstämmen der Hirnbasisgefäße ist diese Untersuchung zum Ausschluss einer sekundären ICB indiziert (siehe Tabelle 1).

Magnetresonanztomographie. Seit dem Einsatz blutungssensitiver T2*-Gradientenechosequenzen ist die MRT in der Detektion einer akuten ICB der CT ebenbürtig und ihr im Nachweis chronischer Blutungen überlegen. Insbesondere auch in Bezug auf differenzialdiagnostische Abgrenzungen (Einblutung in einen ischämischen Infarkt, Tumoreinblutung, venöse Infarzierung etc.) zeigt sich die MRT der CT überlegen. Der Hinweis auf bereits abgelaufene zerebrale Mikroblutungen (CMB), die bei durchblutungssensitiven Sequenzen aufgrund verbliebener Hämosiderinablagerung als „dunkle Punkte“ (Signalauslöschungen) imponieren (Abbildung 2), kann zudem ätiologische wegweisend sein.

CMB im Bereich der Stammganglien, Thalami und infratentoriellen Strukturen sind in erster Linie einer hypertensiven mikrovaskulären Pathologie zuordenbar, während kortikal/subkortikale Signalauslöschungen für eine CAA sprechen. Natürlich kann auch die MRT durch eine MR-Angiographie ergänzt werden. Längere Untersuchungszeiten verglichen mit der CT und Patientenfaktoren (wie z.B. ein instabiler klinischer Zustand, Bewegungsunruhe und mangelnde Fähigkeit zur Kooperation, Implantate wie insbesondere ein Herzschrittmacher, Klaustrophobie etc.) stellen allerdings oftmals limitierende Faktoren der Anwendbarkeit der MRT im Notfall dar.

Labordiagnostik. Zu den wesentlichen Laborparametern in der Akutdiagnostik gehören Blutbild mit Differenzialblutbild (Thrombozyten), Elektrolyte, Nieren-, Leber-, Entzündungs-, Herzparameter (inkl. Troponin-T), Blutglukose und speziell die Gerinnungsparameter (PZ, PZINR und aPTT).

Akuttherapie/Akutmanagement

Blutdruckmanagement. Erhöhte Blutdruckwerte sind in der Akutphase einer ICB sehr häufig anzutreffen. Neben einer vorbestehenden arteriellen Hypertension können dazu eine Vielzahl von Faktoren beitragen: Stress, Schmerz sowie erhöhter intrakranieller Druck (Cushing-Reflex). Erhöhte systolische Blutdruckwerte sind mit einem erhöhten Risiko der Hämatomexpansion, klinischer Verschlechterung, ungünstigem klinischem Verlauf und Tod assoziiert. Zwei große randomisierte klinische Studien (ATACH, INTERACT2) konnten diesbezüglich sowohl die Sicherheit als auch die Wirksamkeit einer frühen und intensiven Blutdrucksenkung auf Zielwerte <140mmHg systolisch (im Vergleich zu der zuvor empfohlenen Schwelle von <180mmHg systolisch) nachweisen.

Bedenken einer möglicherweise negativen Beeinflussung der Perfusion des periläsionellen Gewebes konnten damit ausgeräumt werden. Patienten mit frühzeitiger und intensiver Blutdrucksenkung zeigten hinsichtlich physischer und mentaler Genesung signifikant bessere Ergebnisse. Die positiven Effekte zeigen sich hierbei unabhängig von der Anwendung eines spezifischen Antihypertensivums. Sie wurden allerdings entgegen ursprünglicher Erwartungen offensichtlich nicht durch die Verhinderung einer weiteren Ausdehnung des Hämatoms erreicht. Die rasche und konsequente Blutdrucksenkung auf <140mmHg systolisch ist somit heute eine wesentliche empfohlene Maßnahme im Akutmanagement der ICB.

Korrektur von Gerinnungsstörungen. Bei Patienten unter einer oralen Antikoagulationstherapie ist eine möglichst rasche Normalisierung der Gerinnung anzustreben. Therapeutische Optionen bestehen in der Verabreichung von gefrorenem Frischplasma (FFP), ProthrombinkomplexKonzentrat (PTK) und PTK mit Faktor-VIII-Inhibitor-Umgehungsaktivität (PTK FEIBA). PTK können im Gegensatz zu FFP rasch in kleinen Mengen appliziert werden, eine Kreuzprobe ist nicht durchzuführen, und infektiöse Bestandteile werden im Verlauf der Herstellung inaktiviert.

Die Anwendung von FFP wird daher PTK untergeordnet. Die Anwendung von rekombinantem Faktor VIIIa wird in dieser Indikation nicht empfohlen, da nicht alle Vitamin-Kabhängigen Faktoren substituiert werden. Zu bedenken ist, dass diese Maßnahmen aufgrund der kurzen Halbwertszeit ev. mehrfach und entsprechend des Verlaufes der Gerinnungsparameter erfolgen müssen. Bei Anwendung von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) sollte deshalb Vitamin K in einer Dosierung von 10mg ergänzend verabreicht werden, welches allerdings erst mittelfristig die VKA-Wirkung antagonisiert.

Der Verlauf der Auslenkungen der Gerinnungsparameter stellt die Grundlage für eventuell wiederholte Applikationen dar. Die Verabreichung von Vitamin K ist daher als alleinige Notfallsmaßnahme unzureichend. Für die im Handel befindlichen direkten oralen Antikoagulanzien, wie den direkten Thrombinhemmer Dabigatran und die direkten Faktor Xa-Inhibitoren Apixaban und Rivaroxaban, ist ein spezifisches Antidot in Entwicklung und wird derzeit in klinischen Studien geprüft. Bis zu dessen Verfügbarkeit wird pragmatisch die Anwendung von PKT bzw. PKT FEIBA empfohlen. Für das spezifische Antidot Idarucizumab, des direkten Thrombinhemmer Dabigatran wurde kürzlich das Zulassungsverfahren abgeschlossen. Indikationsstellung dieses monoklonalen Antikörpers ist unter anderem das Auftreten einer lebensbedrohlichen Blutung unter Therapie mit Dabigatran.

Sollte die letzte orale Einnahme des Medikamentes weniger als zwei Stunden zurückliegen, kann auch die ergänzende Anwendung von Aktivkohle überlegt werden. Eine Dialysebehandlung ist insbesondere bei Dabigatran eine potenzielle Therapieoption; im Falle einer Medikation mit Rivaroxaban oder Apixaban ist eine Dialysebehandlung aufgrund hoher (85 bis 95 Prozent) Plasmaproteinbindung nicht zielführend. Bei Patienten mit bekanntem Gerinnungsdefekt gilt es, diesen rasch anamnestisch zu erheben und den adäquaten Gerinnungsfaktor zuzuführen.

Thrombozytenfunktionshemmer sind ebenfalls weitflächig eingesetzte Medikamente mit Einfluss auf die Blutgerinnung. Auch in diesem Fall ist jedenfalls die Medikation vorerst zu pausieren. Studienergebnisse hinsichtlich einer negativen Beeinflussung des klinischen Verlaufs nach ICB durch Begünstigung der Hämatomausdehnung sind widersprüchlich. Jedenfalls gibt es derzeit keine klaren Daten, die die Verbreichung von Thrombozytenkonzentraten zur Normalisierung der Plättchenfunktion rechtfertigen würde.

Stationäre Behandlung und Therapie

Überwachung. Patienten mit ICB präsentieren sich oftmals medizinisch und klinisch instabil; besonders die ersten 24 Stunden nach dem Ereignis sind häufig von einer zunehmenden klinischen Verschlechterung geprägt. Die Beobachtung auf einer spezialisierten Schlaganfallüberwachungseinheit (Stroke Unit) oder Intensivstation wird daher als wesentliche Strategie erachtet. Studien zeigen, dass diese Maßnahme einen maßgeblich positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf nimmt.

Die kontinuierliche, teils invasive Überwachung der Vitalparameter, engmaschige neurologische Kontrollen, ein den jeweiligen Umständen adaptiertes Monitoring (bei Bedarf intrakranieller Druck, zerebraler Perfusionsdruck, invasive Blutdruckmessung) sowie die Betreuung durch speziell geschultes Fachpersonal stellen hierbei wichtige Eckpunkte dar. Zunehmende Bewusstseinseintrübung und Wegfallen der Schutzreflexe erfordern oftmals auch die Intubation und vorübergehende mechanische Beatmung der Patienten.

Blutdruck. Die negativen Auswirkungen eines erhöhten Blutdruckes im Zusammenhang mit einer ICB und die Empfehlung zur raschen Blutdrucksenkung <140mmHg wurden bereits dargelegt. Es ist daher wichtig, die Blutdrucksituation über den gesamten Krankheitsverlauf engmaschig zu kontrollieren. Eine therapierefraktäre Hypertonie mit ausgeprägten Blutdruckschwankungen bedingt unter Umständen eine intensivierte antihypertensive Therapie mittels Perfusoren wobei in diesen Fällen auch die invasive Blutdruckmessung dringlich empfohlen wird.

Körpertemperatur. Fieber ist ein häufiges Symptom bei Patienten mit ICB, besonders bei Patienten mit intraventrikulärer Blutung. Klinische Beobachtungen zeigen, dass erhöhte Körpertemperatur einen negativen Einfluss auf den Behandlungserfolg hat und zudem ein unabhängiger negativer prognostischer Faktor ist. Trotz eines noch nicht eindeutig nachgewiesenen Nutzens des Erhalts der Normothermie sollte eine konsequente Hyperthermiebehandlung in das Behandlungsregime von ICB integriert sein.

Im Rahmen einer Pilotstudie (Kollmar et al., Stroke 2010; 41:1684–1689) zur Hypothermiebehandlung (Zielwert : 35° Celsius) bei ICB-Patienten konnten positive Effekte durch Reduktion von Spitzenwerten des intrakraniellen Drucks (ICP), Reduktion des periläsionellen Ödems und signifikante Verbesserungen der Überlebensraten dargelegt werden. Eine generelle Empfehlung kann zum jetzigen Zeitpunkt, bei noch unzureichender Studienlage, noch nicht ausgesprochen werden.

Blutzucker. Das Vorliegen einer Hyperglykämie zum Zeitpunkt der Aufnahme erscheint ebenfalls mit einem schlechteren klinischen Ergebnis und zudem einer gesteigerten Mortalitätsrate assoziiert. Engmaschige Kontrollen des Blutzuckers zur allfälligen Behandlung sind daher indiziert, wobei ein normoglykämer Bereich angestrebt wird; eine hypoglykäme Stoffwechsellage ist zu vermeiden.

Epileptische Anfälle. Epileptische Anfälle treten häufig im Zusammenhang mit ICB auf, insbesondere bei kortikaler Beteiligung. Die Häufigkeit von Frühanfällen (innerhalb einer Woche) beträgt bis zu 16 Prozent, wobei die Mehrzahl der Ereignisse zu Beginn oder unmittelbar darauf eintreten. Epileptische Anfälle sollten mit der Einleitung einer antikonvulsiven Therapie behandelt werden; beginnend mit Benzodiazepinen begleitet von der Aufsättigung eines spezifischen Antiepileptikums. Ein prophylaktischer Einsatz von Antiepileptika ist jedoch prinzipiell nicht indiziert.

In Einzelfällen, insbesondere wenn es eine Vigilanzbeeinflussung durch Benzodiazepine zu vermeiden gilt, kann die alleinige Aufsättigung eines Antiepileptikums in Erwägung gezogen werden; eine eindeutige Empfehlung für dieses Vorgehen kann jedoch bei fehlender Evidenz nicht ausgesprochen werden. Eine eingeleitete antiepileptische Therapie nach Akutanfällen ist prinzipiell nur für eine begrenzte Zeit fortzuführen; aktuell wird hierbei ein Zeitraum von acht bis zwölf Wochen empfohlen.

Erstmalige epileptische Anfälle in der Postakutphase (>14 Tage) sind mit einem hohen Risiko einer nachfolgenden Epilepsie assoziiert. Weitere Risikofaktoren sind hierbei eine kortikal lokalisierte Blutung und ein niedriges Patientenalter. Bei Patienten mit reduzierter Vigilanz, die in keinem Verhältnis zur dargestellten ICB erscheint, sollte auch an die Möglichkeit eines nicht konvulsiven Status epilepticus gedacht werden und eine entsprechende elektroenzephalografische Untersuchung erfolgen

Vermeidung und Management von Komplikationen. Patienten mit einer ICB weisen ein hohes Risiko für thrombembolische Ereignisse auf, weshalb in jedem Fall eine Thromboseprophylaxe erfolgen sollte. Durch Anwendung von niedermolekularem Heparin kann eine Reduktion der Häufigkeit pulmonalarterieller Embolien (PAE) erreicht werden, ohne dass ein signifikanter Einfluss auf das Hämatomvolumen oder ein höheres Nachblutungsrisiko gegeben sind. Allerdings wird empfohlen damit erst ein bis zwei Tage nach dem Akutereignis zu beginnen.

Wirksam hat sich im Rahmen randomisierter kontrollierter Studien auch die intermittierende pneumatische Kompression gezeigt, die bei uns allerdings nur wenig einge setzt wird. Bei hoher Blutungsneigung wäre im Falle einer tiefen Venenthrombose oder pulmonal-arteriellen Embolie auch an den Einsatz eines Cavafilters zu denken. Zusätzliche medizinische Begleiterkrankungen und medizinische Komplikationen treten im Zusammenhang mit ICB häufig auf. Studien berichteten von einer Häufigkeit von bis zu 88 Prozent. Bis zu 40 Prozent sind als schwerwiegende Ereignisse einzustufen, welche mit einem prolongierten Krankenhausaufenthalt einhergehen, unmittelbar lebensbedrohlich oder fatal sind.

Die Bedeutung dieser additiven Belastung der Patienten zeigt sich darin, dass zirka 50 Prozent der Todesfälle nach einem Schlaganfall auf medizinische Komplikationen zurückzuführen sind. Pneumonie, Aspiration, Ateminsuffizienz, PAE und Sepsis stellen die häufigsten medizinischen Komplikationen dar. Beim ischämischen Schlaganfall konnte gezeigt werden, dass die standardisierte Untersuchung auf Schluckstörungen und daraus folgende therapeutische Konsequenzen (Verabreichung von Ernährung/Medikation intravenös bzw. enteral über Nasogastralsonde) eine signifikante Reduktion des Auftretens von Pneumonien erreichen lassen. Diese Beobachtung kann sicher auch auf Patienten mit ICB extrapoliert werden.

Kardiale Komplikationen umfassen das akute Koronarsyndrom, Herzversagen, Stress-induzierte Kardiomyopathie und unkontrollierbare Hypertension im Zusammenhang mit akuter ICB. Systematische elektrokardiographische Kontrollen sowie Testung der Herzenzyme sind hierbei zur frühzeitigen Erfassung derartiger Komplikationen indiziert. Häufig wird eine mechanische Beatmung der Patienten zur Aufrechterhaltung einer suffizienten Oxygenierung notwendig. Akutes Nierenversagen, Hyponatriämie, gastrointestinale Stressblutungen, Infektionen des Urogenitaltraktes, Depression und inadäquate Ernährung stellen weitere Komplikationen im Zusammenhang mit ICB dar. Dies unterstreicht nochmals die Notwendigkeit einer intensiven und kontinuierlichen Überwachung der Patienten, um derartige Störungen frühzeitig zu erkennen und auf diese prompt und zielgerichtet reagieren zu können.

Intrakranieller Druck. Eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks (ICP) geht klinisch mit einer zunehmenden Vigilanzminderung einher und kann in weiterer Folge durch Einklemmen lebenswichtiger Hirnareale bis zum Tod führen. Ursachen für ein Ansteigen des ICP sind zum einen Masseneffekte durch die Einblutung selbst sowie das periläsionelle Ödem und das mögliche Auftreten eines Hydrocephalus durch Abfluss bzw. Resorptionsstörungen des Liquor cerebrospinalis. Im Setting der Intensivstation kann der ICP durch die Anlage einer parenchymal oder intraventrikulär lokalisierten Drucksonde erfolgen, wobei intraventrikuläre Sonden den gleichzeitigen Vorteil der Liquordrainage bieten.

Quelle: nach Hemphill et al.

Der Zielwert des ICP sollte unter 20mmHg angesetzt werden. Ein weiteres therapeutisches Ziel ist zudem der Erhalt eines zerebralen Perfusionsdrucks von ca. 70mmHg; Werte unterhalb dieser Grenze sind mit zunehmender Gewebshypoxie und einem schlechten funktionellen Ergebnis assoziiert. Basale Behandlungskonzepte zur Senkung des ICP beinhalten die Hochlagerung des Kopfes des Patienten auf 30°, eine milde Sedierung, eine milde Hyperventilation sowie eine Liquordrainage bei bestehender Abflussstörung. Medikamentöse Therapieoptionen bestehen in der Verabreichung von Mannitol oder hypertonen Lösungen. In der gegenwärtigen Studien lage findet sich keine Evidenz für einen positiven Einfluss von Kortikosteroiden in der ICB-Therapie.

Entgegengesetzt ist der Einsatz von Kortikosteroiden mit einer gesteigerten Komplikationsrate assoziiert; die Anwendung von Kortikosteroiden ist daher nicht zu empfehlen. Neben den konservativen Maßnahmen wurde immer wieder auch überlegt, durch eine chirurgische Hämatomentfernung den ICP zu senken, lokale Kompressionseffekte zu verringern und durch die Entfernung des Blutkoagels die toxische Wirkung von Blutund Blutabbauprodukten zu minimieren. Chirurgische Interventionen umfassen die Hämatomenukleation, die dekompressive Hemikraniektomie sowie zunehmend minimalinvasive Techniken.

Die zwei bisherigen großen Studien STICH I und II zum Thema der Hämatomentfernung konnten allerdings keine überzeugenden positiven Effekte zeigen. Im Rahmen der STICH-II-Studie konnte nur für eine ICB-Subgruppe mit superfiziell lokalisierten Blutungen ohne Ventrikeleinbruch eine etwas höhere Überlebensrate nach neurochirurgischem Eingreifen nachgewiesen werden. Deshalb werden operative Eingriffe bei ICB abgesehen von der Liquordrainage nur im Einzelfall zu diskutieren sein. Ganz anders stellt sich die Lage bei Kleinhirnblutungen dar, bei denen die Kraniektomie in Zusammenhang mit einer zunehmenden klinischen Verschlechterung zur Vermeidung der Kompression des Hirnstammes und/oder ventrikulärer Obstruktion eine etablierte und lebensrettende Methode ist.

Postakutphase

Blutdruck. Besonders nach einem Erstereignis profitieren Patienten auch weiter von einer konsequenten Senkung des Blutdruckes. Es besteht dabei eine eindeutige Korrelation zwischen dem Ausmaß der erreichten Blutruckreduktion und den positiven klinischen Effekten. Dieser Zusammenhang konnte in großen randomisierten klinischen Studien (PROGRESS, SPS3) nachgewiesen werden. Der derzeitig empfohlene Zielwert sollte unter 130/80mmHg angesetzt werden. Bereits in der Primärprävention ist durch eine konsequente Blutdrucktherapie das ICB-Risiko um bis zu 50 Prozent zu senken. Weitere modifizierbare Risikofaktoren wie Nikotinabusus, Übergewicht und übermäßiger Alkoholgenuss, die im Zusammenhang mit ICB stehen, aber auch als generelle kardiovaskuläre Risikofaktoren identifiziert wurden, sollten ebenfalls konsequent ausgeschaltet oder zumindest minimiert werden.

Weiterführung vorbestehender antithrombotischer Therapie. Die Wiedereinleitung einer OAK nach einer ICB wird kontrovers diskutiert. Bedeutsame Faktoren sind in diesem Zusammenhang die Indikation der OAK sowie die Ätiologie der ICB. So wird vor allem bei alten Patienten mit lobärer ICB und Verdacht auf CAA unter OAK wegen einer Vorhofflimmerarrhythmie deren Wiedereinleitung wegen eines hohen ICB-Rezidivrisikos eher nicht empfohlen. Hier wäre stattdessen auch an einen interventionellen Herzohrverschluss zu denken. Im Falle einer hypertensiven Stammganglienblutung kann bei konsequenter Blutdruckeinstellung aufgrund eines geringeren Rezidivrisikos die Wiedereinleitung in Betracht gezogen werden.

Ist die Indikation der oralen Antikoagulation durch das Vorliegen künstlicher Herzklappen begründet, so ist aufgrund des hohen Risikos eines kardioembolischen Ereignisses eine zeitnahe Wiedereinleitung der OAK ungeachtet der ICB-Ätiologie gerechtfertigt. Der exakte Zeitpunkt der Wiedereinleitung stellt eine weitere wichtige, jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar zu beantwortende Frage dar. Mehrfach konnte in Studien dargelegt werden, dass unter Aussetzen der OAK nur selten zeitnahe embolische Komplikationen auftraten. Allerdings zeigte sich über den Langzeitverlauf dann doch ein günstiger Effekt der Wiedereinleitung der OAK bei gegebener Indikation.

Quelle: nach Hemphill et al.

Empfohlen wird deshalb, die OAK auf Grund einer Vorhofflimmerarrhythmie nach frühestens vier Wochen wieder einzuleiten. Die Wiedereinleitung einer thrombozytenfunktionshemmenden Therapie erscheint weniger problematisch, wie bereits vorab ausgeführt. Im Vergleich zum wahrscheinlich nur geringen Einfluss auf eine mögliche ICB-Entstehung erscheint der Nutzen der Wiedereinleitung einer indizierten thrombozytenfunktionshemmenden Therapie zu überwiegen. Die Frage des optimalen Zeitpunktes hierfür kann ebenfalls nicht eindeutig beantwortet und muss individuell entschieden werden.

Prognose. ICB haben im Vergleich zu ischämischen Schlaganfällen eine schlechtere Prognose. Ein mögliches Instrument zur Abschätzung der Prognose stellt der ICHScore (intracerebral hemorrhage score) dar (Tabelle 4). Hierbei werden die fünf wichtigsten Determinanten der 30-Tages-Mortalität bei ICB (GCS, Blutungsvolumen, intraventrikuläre Einbeziehung, Lokalisation und Alter) erfasst und bewertet. Auf Basis des ermittelten Wertes lässt sich schon früh eine gewisse Einschätzung des klinischen Outcomes treffen.

Zu beachten ist weiter, dass insbesondere die Akutphase durch eine hohe Mortalität infolge der direkten Auswirkungen der Blutung gekennzeichnet ist, während im weiteren Verlauf sekundär medizinische Komplikationen als Einflussfaktoren auf die Wiederherstellung überwiegen. Von den überlebenden Patienten sind bis zu zwei Drittel nach einem Jahr funktionell unabhängig. Das Wiederauftreten einer ICB wird allgemein zwischen drei bis acht Prozent der Fälle berichtet. Mit besonders hohen Rezidivraten bis zu 21 Prozent innerhalb der ersten zwei Jahre ist allerdings bei CAA als Auslöser der ICB zu rechnen.

Test

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Fotos: Privat, Barbara Krobath, Archiv

Dr. Sebastian Eppinger,
Dr. Thomas Gattringer und
Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas

Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz

Lecture Board: Prim.Univ.-Prof. Dr.Wilfried Lang, Prim. Priv.-Doz. Dr.Tim J. vonOertzen, FRCP

Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische UniversitätGraz