Der Schlaganfall ist eine der häufigsten Ursachen für eine vorzeitige Invalidität im Erwachsenenalter. Mehr als die Hälfte aller Schlaganfallpatienten benötigt nach dem Ereignis dauerhafte Hilfe bei den Aktivitäten des täglichen Lebens. Zudem ist der Schlaganfall hauptsächlich eine Erkrankung des höheren Lebensalters: Etwa 75 Prozent aller Schlaganfallpatienten sind älter als 65 Jahre, und vor allem bei diesen älteren Patienten überwiegt der Anteil an Frauen deutlich. Deren mittleres Erkrankungsalter liegt um ca. fünf Jahre höher als bei Männern. In den letzten Jahren wurden viele Studien zu dem Thema „geschlechtsspezifische Unterschiede“ durchgeführt, vor allem Unterschiede in der Symptompräsentation, Pathogenese, Risikofaktoren und Outcome betreffend.
Untersuchungen zeigen, dass, in Analogie zum Herzinfarkt, die Symptome bei Frauen nicht immer eindeutig sind. Symptome wie Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit oder sogar Schmerzen treten bei weiblichen Schlaganfallpatienten häufiger auf als bei männlichen. Allerdings weist die Studienlage hier unterschiedliche Ergebnisse auf. Wenn es zum Auftreten solcher atypischen Symptome kommt, kann es durchaus länger dauern, bis die Patientin die spezielle Schlaganfalleinrichtung erreicht.
Pathogenese
Die häufigste Ursache für eine transitorisch ischämische Attacke oder einen ischämischen Schlaganfall bei Frauen ist eine kardiale Embolie. Dies hängt mit der Verteilung der Risikofaktoren zusammen. In ca. 30 Prozent der Fälle besteht ein Vorhofflimmern, dies ist fast doppelt so häufig wie bei Männern.
Bei jüngeren Frauen spielen andere Risikofaktoren eine große Rolle: Migräne mit Aura, Einnahme von Hormonpräparaten, vor allem in Kombination mit Rauchen und Adipositas, führen zu einer erhöhten Schlaganfallinzidenz.
Outcome
Aufgrund der aktuellen Datenlage scheinen Frauen ein ungünstigeres funktionelles Outcome nach drei Monaten zu haben als Männer. Das Risiko, nach einem Jahr in einer Pflegeeinrichtung weiterversorgt zu werden, ist bei Frauen ca. sechsmal höher als bei Männern.
Geschlechtsspezifische Unterschiede beeinflussen wahrscheinlich das präklinische Management dieser Patienten sowie den Zeitpunkt der Diagnosestellung und Behandlungsoptionen. Bisher gibt es aber nur wenige Daten zur Versorgungsqualität bei Frauen und Männern, speziell im Stroke-Unit-Setting. In Österreich gibt es derzeit 35 Stroke Units, welche in 45 bis 60 Minuten für die Mehrheit der Bevölkerung erreichbar sind. Zur Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung in der Behandlung von Schlaganfallpatienten, die in österreichischen Stroke Units behandelt werden, werden seit 2003 alle diese Patienten in ein Register (Österreichisches Stroke-Unit-Register) eingegeben. Dokumentiert werden unter anderem epidemiologische, diagnostische und klinische Daten wie auch klinische Skalen. Nach drei Monaten wird entweder telefonisch oder im Rahmen einer Visite ein Follow-up durchgeführt. Bisher wurden über 100.000 Patienten in das Register eingegeben.
Stroke Unit – österreichische Daten
Gattringer und Kollegen haben sich anhand dieser Registerdaten geschlechtsspezifische Unterschiede in der Versorgungsqualität von Schlaganfallpatienten im Stroke- Unit-Setting angeschaut. Analysiert wurden Daten von mehr als 47.000 Patienten, die zwischen 2005 und 2012 in einer der 35 Stroke Units behandelt worden waren. Knapp die Hälfte (47,3%) waren Frauen. 23,3 Prozent der Frauen und 22,8 Prozent der Männer hatten eine transitorisch ischämische Attacke. Die Frauen waren im Schnitt um sieben Jahre älter als Männer (77,9 versus 70,3 Jahre). Daher wurden alle Berechnungen auch mit einer Alterskorrektur durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass nach Alterskorrektur noch folgende klinische Parameter statistisch signifikant zwischen den Geschlechtern blieben: Frauen hatten eine höhere vorbestehende funktionelle Beeinträchtigung, häufiger einen Schlaganfall in der vorderen Zirkulation und eine höhere Rate an Vorhofflimmern. Die Ätiologie betreffend hatten Frauen deutlich mehr kardiogen- embolische Ereignisse als Männer. In weiterer Folge wurden präklinische und klinische „Quality of care“-Parameter analysiert (siehe Tabelle). In einer univariaten Auswertung zeigte sich, dass Frauen eher mit der Rettung (mit oder ohne Notarztbegleitung) an die Stroke Unit gebracht wurden, Männer hingegen eher mit einem privaten Transport. Der Zeitpunkt des Ereignisbeginns war bei Frauen häufiger nicht eruierbar. Diese zwei Parameter blieben auch nach Alterskorrektur in einer multivariaten Analyse unterschiedlich.
Die durchschnittliche Zeit, bis die Patienten nach Eintreffen im Spital eine Bildgebung erhielten, war mit 30 Minuten gleich für beide Geschlechter. Insgesamt mehr Männer erhielten als erste Bildgebung ein MRT. Die Rate an i.v. Thrombolysen war ident zwischen den Gruppen (14,5%). Die mittlere Zeit vom Eintreffen im Spital bis zur Applikation der Thrombolyse (DNT=door to needle time) war vergleichbar zwischen den Geschlechtern (Frauen 49 Minuten, Männer 48 Minuten, p=0,989). Die durchschnittliche Liegedauer auf der Stroke Unit betrug drei Tage.
Bei knapp 40 Prozent der Patienten waren Daten eines 90-Tage-Follow-up (entweder telefonisch oder als Visite) verfügbar. Univariat wiesen Frauen eine höhere Mortalität, ein schlechteres funktionelles Outcome (modified ranking scale von drei bis fünf), eine höhere Abhängigkeit von Pflegeeinrichtungen und eine geringere Rate an Rehabilitation nach drei Monaten auf. Interessanterweise gab es keinen Unterschied in der Häufigkeit der Einnahme oraler Antikoagulantien trotz der deutlich erhöhten Rate an Vorhofflimmern in der weiblichen Kohorte. Eine multivariate Analyse wurde durchgeführt und konnte eindeutig zeigen, dass sich die Rate an nachfolgender Rehabilitation bei beiden Geschlechtern die Waage hält, Frauen zwar einen höheren Behinderungsgrad, aber auch eine erniedrigte Mortalität aufwiesen.
Zusammenfassend zeigt diese Studie also, dass im Stroke- Unit-Setting Frauen im Falle eines akuten Schlaganfalls oder einer transitorischen ischämischen Attacke nicht anders versorgt wurden als Männer, obwohl sie unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachten. Frauen waren zum Zeitpunkt des Schlaganfalls im Durchschnitt sieben Jahre älter als Männer, wiesen in einem höheren Ausmaß bereits bestehende Behinderungen auf und hatten schwerere Schlaganfälle. Trotz identer Akutversorgung und einer vergleichbaren Neurorehabilitationsrate fiel bei den Frauen das funktionelle Behandlungsergebnis schlechter aus, ihre Sterblichkeit war allerdings geringer.
Eine sehr große amerikanische Studie aus dem „Get with the guidelines stroke program“ (über 380.000 Patienten aus 1.139 Ländern wurden von 2003 bis 2008 eingeschlossen) untersuchte sieben vordefinierte „Quality of care“- Parameter und fanden interessanterweise eine erniedrigte Rate an verabreichter i.v. Thrombolyse bei Frauen. Die österreichische Studie und auch eine rezente weitere Analyse (PRACTISE) konnten hier keinen Unterschied finden. Das dürfte hauptsächlich daran liegen, dass die Thrombolyserate insgesamt über die letzten Jahre deutlich angestiegen ist, speziell bei Patienten mit relativen Einschränkungen laut Zulassung, wie z.B. Patienten über 80 Jahre.
Einige Studien über geschlechtsspezifische Unterschiede beim Schlaganfall zeigten, dass Frauen bei der Diagnosestellung einen Nachteil erfahren, speziell die Bildgebung betreffend. Dies konnte anhand der österreichischen Daten nicht gefunden werden. In der univariaten Analyse wurde bei männlichen Patienten zwar häufiger eine Magnetresonanztomographie durchgeführt, nach Alterskorrektur war dieser Unterschied aber nicht mehr ersichtlich. Dies ist sicherlich unter anderem dadurch erklärbar, dass Frauen sich bekannterweise häufiger mit atypischen Symptomen präsentieren und dies zur Diagnosefindung eher eine Magnetresonanztomographie erfordert.
Eine aktuell in der Fachzeitschrift „neurology“ publizierte Arbeit, ebenfalls mit Daten aus dem „Get with the guideline“- Register, untersuchte geschlechtsspezifische Unterschiede in QoL (Quality of Life) nach einem Schlaganfall und berücksichtigte auch sozioökonomische Aspekte wie Familienstand, Bildungsniveau, Arbeitssituation und Einkommen. 1.370 Patienten wurden eingeschlossen und QoL nach drei und zwölf Monaten evaluiert. Es zeigte sich, dass Frauen bei den Qualitätsfaktoren schlechter abschnitten, auch nach Korrektur von sozioökonomischen und klinischen Parametern. Speziell Probleme mit der Mobilität, mit gewöhnlichen Tätigkeiten, Schmerz, Ängstlichkeit und Depression traten in der weiblichen Gruppe gehäuft auf.
Medikamentöse Sekundärprävention
Die medikamentöse Sekundärprävention betreffend zeigten sich in der österreichischen Kohorte zwei interessante Aspekte: Trotz der deutlich erhöhten Rate an Vorhofflimmern nahmen nach drei Monaten etwa gleich viele Frauen wie Männer eine Therapie mit oralen Antikoagulantien ein. Die Rate an OAK müsste ja bei den weiblichen Patienten zur Vorbeugung eines weiteren kardioembolischen Ereignisses deutlich höher sein. Dies könnte zum einen an einer unzureichenden Aufklärung der verschreibenden Ärzte liegen, zum anderen an der erhöhten Komorbiditätsrate der Frauen, wie z.B. kognitive Defizite. Der zweite Punkt ist, dass Frauen anscheinend weniger häufig eine Therapie mit Statinen nach drei Monaten einnehmen, dies zeigt sich auch nach Korrektur von Schlaganfallpathogenese und vaskulären Risikofaktoren inklusive Hypercholesterinämie. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte die generell bei Frauen im Gegensatz zu Männern erniedrigte Rate an Artherosklerose und vorbestehenden kardiovaskulären Ereignissen sein.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es zwar geschlechtsspezifische Unterschiede bei Schlaganfallpatienten im Bereich der Symptompräsentation, der Pathogenese, der Risikofaktoren und des funktionellen Outcomes nach drei Monaten gibt, dass es aber speziell im Stroke Unit-Setting keinen Unterschied in der Versorgungsqualität zwischen den Geschlechtern gibt, vor allem was die Akuttherapie nach einem Schlaganfall und die Neurorehabilitation betrifft. Dennoch ist das funktionelle Behandlungsergebnis nach drei Monaten bei Frauen etwas schlechter, die Mortalität hingegen geringer. Eine Überlegung wäre sicherlich, ob genderspezifische Behandlungskonzepte die Therapieerfolge in Zukunft weiter verbessern können.
Autorin: OA Dr. Julia Ferrari Abteilung für Neurologie, KH der Barmherzigen Brüder, Wien