Eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und des Universitätsklinikums Leipzig hat herausgefunden, dass bei Menschen mit einer Depression der Hypothalamus vergrößert ist. Das könnte erklären, warum viele Betroffene einen erhöhten Spiegel des Stresshormons Cortisol haben und sich dauerhaft angespannt fühlen. Auf der Suche nach den Ursachen dieser weitverbreiteten Krankheit ist die bisherige Forschung dazu zunehmend zu der Erkenntnis gekommen, dass es sich um eine Kombination aus Veranlagung und Stressfaktoren aus dem Umfeld handeln muss.
So weiß man bislang, dass bei vielen Menschen mit einer erhöhten Veranlagung zur Depression eines der körpereigenen Stresssysteme nicht richtig funktioniert. Dieses System, die Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, kurz HPA-Achse, wird normalerweise in einer stressigen Situation hochgefahren. Sobald die Ausnahmesituation vorüber ist, sorgen verschiedene Stellschrauben innerhalb der HPA-Achse gewöhnlich dafür, dass das System wieder heruntergefahren wird. Bei Menschen mit Depressionen oder einem erhöhten Risiko dafür ist das jedoch nicht der Fall. Hier funktioniert der Rückkopplungsmechanismus nicht. Sie leiden unter einem hyperaktiven Stresssystem, das auf Hochtouren läuft, obwohl es keine offensichtliche Stresssituation gibt. Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt, warum bei den Betroffenen das Stresssystem hyperaktiv ist und welche Rolle dabei möglicherweise der Hypothalamus als übergeordnete Steuereinheit dieses Systems spielt.
Die Leipziger Wissenschaftler haben nun in einer Studie mit insgesamt 84 Probanden herausgefunden, dass bei Personen mit einer affektiven Störung der linke Hypothalamus um durchschnittlich fünf Prozent größer ist als bei Gesunden. „Wir haben beobachtet, dass diese Hirnregion sowohl bei Menschen mit einer Depression als auch mit einer bipolaren Störung vergrößert ist“, erklärt Dr. Stephanie Schindler, Erstautorin der Studie. Dabei habe sich in einer der depressiven Patientengruppen auch gezeigt, dass diese etwa ein-Cent-große Hirnregion umso größer war, je schwerer die Krankheit war. Medikamente wie Antidepressiva hätten wiederum keinen Einfluss auf die Größe des Hypothalamus gehabt.
Untersucht haben die Leipziger Wissenschaftler diese Zusammenhänge mithilfe der hochaufgelösten 7-Tesla-Magnetresonanztomographie. Die Schwere des psychischen Leidens ermittelten sie mithilfe von standardisierten Fragebögen und Interviews. „Wir wissen bisher zwar noch nicht, welche Rolle der größere Hypothalamus innerhalb der Depression oder bipolaren Störung spielt. Frühere Studien haben jedoch gezeigt, dass er bei Betroffenen aktiver ist. Eine höhere Aktivität könnte möglicherweise zu plastischen Veränderungen und damit zu einem größeren Volumen dieser kleinen Hirnstruktur führen“, erklärt PD Dr. Stefan Geyer, einer der Studienleiter und Leiter der Forschungsgruppe Anatomische Analyse der Organisation des Gehirns des Menschen und nicht humaner Primaten am MPI CBS.
Schindler S et al.: Hypothalamus enlargement in mood disorders. Acta Psychiatrica Scandinavica 2018; doi:10.1111/acps.12958
RED
erschienen in: 05/2018, CliniCum neuropsy